Die beiden nächsten Strophen haben mit D 16 nichts mehr gemein. Ein weiteres Zeugnis für die Wandlungsfähigkeit dieses Liedmodells und für die Verwurzelung in nd. Überlieferungssphäre liefert uns die Berl. Flugschr. Ye 476 (o.O.u. J.):
mir is ein fin bruns medelin
wolt gott und möchte ick bi er sin
noch gefelt se mir im hertzen wol
er mündlin is recht so ein röslin rot
se frouwet dat junge herze min.
Dieses im mündlichen Umlauf befindliche variantenreiche Lied gerät um die Mitte des 16 Jhs. unter den Einfluß der Tenor-Komponisten (Rhaw, Forster u.a.), der Text erhält jetzt ein wohlabgewogenes Versmaß, eine Glättung der metrischen Form, reine Reime und wird durch die Einführung stilistischer Elemente aus dem Bereich der Gesellschaftsdichtung von Grund auf verändert, so daß das Lied von da an - von einer volkstümlichen Schicht in eine anspruchsvollere Gattung hinübergewechselt und quasi zum Gegenstand früher ‘Liedpflege’ geworden - nur noch in genormter Gestalt überliefert wird. Auch D 16 macht davon keine Ausnahme. Das Nebeneinander von formelhaften Elementen der Volksdichtung und ‘höfischen’ Floskeln ist aber noch erkennbar und kann an einigen Beispielen nachgewiesen werden.
Z. 13 Gerippformel, vgl. Uhland - de Bouck Nr. 25, Str. I moth denn myn truͤw / so gantz vorlahren syn.
Z. 16. vgl. Daur S. 63.
Z. 23 vgl. Ldb. Ambr. Nr. 13, Str. IV, Z. 23: beschert Gott glück es geht nimmer zu rück (vgl. Wander 1, 1731). Höfische Formeln sind dagegen Z. 3 dynner, Z. 17 dynnen, Z. 18 myt vogen = mit Fug; Z. 19 nyder.
Variantenverzeichnisse zu dem nach 1550 häufig belegten Lied s. bei Kopp, Pal. 343, Nr. 168; Kopp in JbdVfndSprf 26 (1900) S. 15 zu Nd. Ldb Nr. 22; Kopp in AfdStdnSprL 111 (1903) S. 27 zu Mgf 753, Nr. 43 und bei Forster-Marriage S. 253.
NS: Nach dem Lied sollte offenbar das Motto WGW (= Wie Gott will) eingetragen werden, originellerweise ist das G jedoch durch eine Zeichnung ersetzt, die das zu erwartende G (gouch = Narr) vertritt; zum Motto s. D 48, Löbe S. 77, 155 und Dielitz S. 376. Der ndl. Schreibvers ist nach der Kettentechnik der Rederijker-Poesie gebaut; Parallelen dazu waren bisher nicht aufzufinden.
Z. 6: Zu dem Ausdruck de mutse weven = verliebt machen (?) vgl. Taal- en Letterbode 5 (1874) S. 289-290, 295-296.