Nr. 8
Bei diesem Lied handelt es sich om eines der wertvollsten neuen Lieder der Hs. Unterzeichnet ist es von einem Grafen zu Holstein und Schaumburg, wobei nicht mit letzter Sicherheit auszumachen ist, ob die Schrift mit derjenigen des Grafen Jost von H.u. Sch. (D 3) identisch ist. Die beiden Eintragungen liegen nur ein Jahr auseinander; vielleicht sind die starken Unterschiede in der Schrift bei D 3 tatsächlich auf Trunkenheit des Schreibers zurückzuführen. Das uns hier erstmalig überlieferte Dialoglied ist besonders bemerkenswert für die Tradierung von Wortschatz und Formelgut spätma. Minnedichtung, die aber hier in neue Zusammenhänge mit veränderter Aussage eingebunden werden. Die besungene Dame bleibt hier nicht das Ziel aussichtsloser Werbung, sondern der Minnedienst erweist sich am Ende als erfolgreich, der Werbende findet Gehör. Der Spannungsbogen, den die 6 Strophen des Liedes bis zum glücklichen Ausgang in Rede und Wechselrede beschreiben, ist sehr gut durchgehalten und löst sich in der zweigeteilten Schlußstrophe. Das Lied ist hd. Ursprungs: es finden sich keine unverschobenen Formen, jedoch ist die nhd. Diphthongierung nur teilweise durchgeführt. Die Entstehung des Liedes ist um einige Jahrzehnte zurückzudatieren; Reimbindung und Metrum haben durch den Tradierungsprozeß gewisse Einbußen erfahren (vor allem Str. II), aber der Sinnzusammenhang ist durchgehend bewahrt.
NS: Der Schreibervers findet sich wie viele andere dieser Hs. im Nd. Reimbüchlein d. 16. Jhs. (ed. Seelmann, S. 69 f.) und könnte von dorther übernommen sein. Er tritt gleichzeitig und später auch in anderen Liederhss. auf: Brussel, Ms II 144, Bl. 73 ro als NS zu einem Tagelied, vgl. R. Priebsh in ZfdPh 38 (1906) S. 456; Ldhs. Petrus Fabricius Nr. 25, vgl. J. Bolte in Alem. 77 (1889) S. 256.