Die Darfelder Liederhandschrift 1546-1565
(1976)–Katharina van Bronckhorst en Batenborch– Auteursrechtelijk beschermd4. Lokalisierung und Datierung.
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Archivalien keine genauen chronologischen Angaben über das Leben von Katharina, so daß wir auf Schlüsse und Vermutungen angewiesen sind. Fest steht, daß sie die älteste der Töchter Diedrichs von Bronckhorst-Battenburg war. Zur Zeit, als Katharina den Band zum Geschenk erhielt, wird sie wohl noch unverheiratet gewesen sein. Der Lederband, den sie mit jungen Jahren als Präsent erhielt, war mit 38 Wappendarstellungen (s. unten) ausgemalt, die restlichen Seiten waren leer und mußten nun einer Verwendung zugeführt werden. Katharina entschloß sich zu einer Benutzung des Bandes als Liederbuch. Zu den wichtigsten Erkenntnissen längerer Beschäftigung mit der Quelle gehört, daß die Besitzerin des Bandes selbst den Grundstock zu einem Liederbuch gelegt hat, indem sie einen Teil des Raumes zwischen den beiden Wappenbüchern fortlaufend mit Liedern beschrieb, insgesamt mit 19 Texten. Diese Einsicht in den Aufbau der Liederhandschrift fehlt bei Hübner und Beckmann noch, wo die von Bl. 29 ro - 37 ro vertretene Hand für die eines professionellen Schreibers gehalten wird. Der Schriftvergleich ergibt ferner, daß auch D 16 (Abb. 5) auf Katharina zurückgehtGa naar voetnoot18. Dieses Lied ist ebenso wie D 40, das letzte Lied der zusammengehörigen Texte D 22-40, auf das Jahr 1546 datiert. Dieses Jahr kann demnach als das Datum gelten, an dem die Liederhandschrift durch ihre Besitzerin angelegt worden ist. Ältere Daten finden sich in der Handschrift nicht - abgesehen vom 1540 datierten Rollenstempel auf dem Einband. Katharina beschließt ihre Eintragungen auf Bl. 37 ro (Abb. 7) mit dem französischen Geständnis perdonne Jeunnesse, was als Bestätigung dafür aufgefaßt werden kann, daß die Schreiberin zur Zeit der Niederschrift dieses kleinen Liederrepertoires noch recht jung gewesen sein wird. Mit dem Eintrag von Liedtexten war die Richtung angegeben, in der dieser Band künftig benutzt werden sollte. Die Sammlung bedurfte der Erweiterung. Was dies betrifft, so hatte das Adelsfräulein auf Hönnepel am Niederrhein eine Eingebung, die zu ihrer Zeit wohl durchaus noch das Prädikat der Einmaligkeit beanspruchen kann: Sie bat Verwandte, Freunde und sonstige Besucher des Schlosses um die Widmung eines Liedtextes. Es ist eine äußerst reizvolle Idee, sich auf diese Art das Wachsen und Werden eines Liederbuches vorzustellen. Das Endergebnis ist das erste Liederstammbuch in der deutschen Geschichte. Die Beteiligten waren aufgerufen, sich statt mit den sonst üblichen Stammbuchversen oder -sprüchen mit einem Liedtext zu verewigen. Daß sie dieser Aufforderung folgten, aber gleichzeitig das im traditionellen Stammbuch übliche Formelgut mit Namen, Daten und Zeichnungen hinterließen, macht die Darfelder Liederhandschrift zu einem in vieler Hinsicht neuartigen und höchst bemerkenswerten Dokument sowohl für die Liedforschung als auch für die an Stammbüchern und ähnlichen Familiendokumenten interessierte Kultur- und Regionalforschung. Insgesamt 55 verschiedene Hände haben sich bei der Abfassung des Liederbuches beteiligt, 43 davon haben ihre Namen oder zumindest ihre Initialien genannt, | |
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12 Schriften sind ganz ohne jedes zur Aufklärung heranziehbare Detail überliefertGa naar voetnoot19. Von den 106 Liedern sind 55, also mehr als die Hälfte datiert. Zunächst einmal waren es die Familienangehörigen selbst, die mit teilweise reichhaltigen Beiträgen hervortraten. Da ist ihre Schwester Elisabeth (Elsbet oder Elsabet) mit vier Liedern zwischen 1548 und 1550 (D 12, 19, 21, 46), bei der ebenso wie bei Katharina von Bronckhorst das zeichnerische Talent in Erscheinung tritt (s. Abb. 6), da sind ferner die acht Lieder von Kattryn von Bronckhorst und Battenburg, einer Base der Besitzerin, deren Eintragungen sich auf den Zeitraum von 1546 bis 1558 erstrecken (D 15, 49, 55, 64, 68, 99, 102 und 106), ferner die Eintragungen weiterer, z.T. nicht näher zu identifizierender Verwandter wie Anna von B. und B. mit drei Liedern zwischen 1550 und 1553 (D 43, 52 und 62) usw. Die meisten Verwandten und Freunde entsprachen der Bitte Katharinas und steuerten Liedtexte bei, wobei man in vielen Fällen noch heute die Mühe zu verspüren scheint, welche die Umsetzung eines sonst vielleidit nur in praktischer Musikübung benutzten Liedtextes in die schriftliche Sphäre dem Betroffenen bereitete. Nur wenige Mitarbeiter begnügten sich mit den traditionellen Stammbuchversen oder sonstigen persönlichen Widmungen. Der besondere Charakter des über einen längeren Zeitraum sich hin erstreckenden allmählichen Entstehungsprozesses der Liederhandschrift bringt es dabei mit sich, daß die einzelnen Beiträge der Besucher auf Hönnepel im ganzen Liederbuch verstreut sind. Dabei ist natürlich auch keine chronologische Ordnung eingehalten worden, so daß die einem Stammbuch angemessene bunte und recht willkürliche Reihenfolge der Texteintragungen vorherrscht, die man nicht als ‘Unordnung’ mißverstehen sollte. Trotz der durch die besonderen Entstehungsbedingungen verursachten sehr zufälligen Anordnung der Beiträge lassen sich das Weiterwachsen der Sammlung und damit auch die Lebensgeschichte der ‘Sammlerin’ Katharina von B. und B. aus der Handschrift in Umrissen erkennen. Zunächst einmal weitet sich der Kreis der Eintragenden über Katharinas engere Verwandtschaft hinaus allmählich aus. Mit fortschreitenden Jahren - Katharina wird dann das heiratsfähige Alter erreicht haben - stellen sich Angehörige des niederrheinischen und westfälischen Adels ein und bringen mit ihren Liedbeiträgen ihre Verehrung für das adlige Fräulein zum Ausdruck. Es tauchen die Namen von Adelsfamilien aus dem Jülichschen, dem Cleveschen und dem Bergischen auf: durchweg männliche Angehörige der Buisfelts, Bouchorsts, Holtorps (1550-53), Meroedes (1565), Schoeler (1558), Schoeten (1552), Smullynch (1557). Dazu treten Geschlechternamen aus dem westlichen Westfalen wie Aldenbokum (1550), Hasenkamp, Raesfeld, Westrem. Schließlich sind auch einzelne Angehörige suddeutscher und österreichischer Adelshäuser wie die beiden Grafen von Schaumburg (1555/56), Rainer zu Erb (1550) und Ludwig Baron von Polhaim vertreten. Von letzterem wissen wir zufällig, daß er zur Zeit der Niederschrift seines Hedes (D 103) im Jahre 1550 ganze 21 Jahre alt gewesen ist. Ähnlich jung dürfen wir uns auch einen Großteil der anderen Beiträger vorstellen. Sicher | |
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wird sich auch mancher Werber unter diesen Gästen befunden haben, zumal die Liedinhalte hier ja eine sehr beredte Sprache führen. Seit dem rund einhundert Jahre älteren Lochamer-Liederbuch wissen wir um die Bedeutung von Liebesliedtexten als Ausdruck persönlicher Lebenshaltung. Zeitlich führen die Lieder aus diesem Kreis von Mitarbeitern am Liederbuch bis gegen das Ende der fünfziger Jahre oder bereits in die sechziger Jahre. Inzwischen hatte Katharina von Bronckhorst geheiratet; das Hochzeitsdatum läßt sich nicht mit Sicherheit angeben. Sie wurde Balthasar von Brederode angetraut, wodurch eine sehr wichtige dynastische Verbindung mit einem der führenden Adelsgeschlechter Nordhollands zustandekam. Der Gemahl Katharinas von Bronckhorst und Battenburg war nach Aussage einer Chronik des 17. Jahrhunderts ‘heer van Bergen by Alcmaer, Houtvester van Hollandt / sterf sonder kinders anno 1576 oudt 60 jaren / hadde getrout Jouffrou Catarina van Bronkhorst van Batenburgh / Dochter van Heer van Hunnepel’Ga naar voetnoot20. Ihr Gemahl hat sich ebenfalls in der Liederhandschrift verewigt, und zwar im unmittelbaren Anschluß an den ersten Teil des Wappenbuches auf Bl. 6ro-vo mit einem historischen Lied in hochdeutscher Sprache, das er offensichtlich gedruckter Überlieferung entnahm (D 2). Leider hat er den Text nicht mit einer Jahreszahl versehen, so daß wir keinen festen Anhaltspunkt für den Zeitpunkt seiner ersten Begegnung mit Katharina anzugeben vermögen. Wie im Kommentar zu D 2 vermerkt, wird die Eheschließung im Jahre 1569 als vollzogen bezeugt, so daß sie irgendwann zwischen 1546 und 1569 erfolgt sein muß. Am ehesten dürfte das Jahr 1565 in Frage kommen, weil sich zu diesem Zeitpunkt die Eintragungen der neuen holländischen Verwandten Katharinas in der Liederhandschrift einzustellen beginnen: D 69 aus dem Jahre 1569 stammt von einem A. von Brederode, auf Bl. 49 vo fügt eine M.v. Brederode eine Widmung zu einem Lied (D 57), das von M. van Meroede eingetragen ist. Wahrscheinlich handelt es sich in beiden Fällen um Stiefnichten Balthasars von BrederodeGa naar voetnoot21. Eine weitere Stiefnichte Balthasars, Jenne de Brederode, hatte sich allerdings mit D 7 schon im Jahre 1551 verewigt, woraus deutlich wird, daß die Beziehungen der Bronckhorsts zu den Brederodes bereits älteren Datums waren: Diese Jenne de Brederode war nämlich ebenfalls mit einem Bronckhorst verheiratet, und zwar mit Jodokus von Bronckhorst und Battenburg, der im Lied D 6 als Joest v.B. und B. figuriert (s. Abb. 3). Dieser Jodokus war der Bruder Katharinas, und er hatte nach dem Tod ihres Vaters Dietrich seit 1551 die Herrschaft von Hönnepel inne. Aufgrund dieser doppelten Familienverbindungen konnte Hübner mit Recht von einer ‘Überkreuzheirat’ sprechenGa naar voetnoot22. Nach der Eheschließung vor oder um 1565 wird Katharina mit ihrem Gemahl nach Bergen bei Alcmaar in den Norden der Provinz Holland übergesiedelt sein. Die Handschrift führte sie mit, um gelegentlich weitere Liedbeiträge zu erbitten; Gelegenheiten dazu scheinen allerdings seltener geworden zu sein, denn in dieser Zeit finden nur noch relativ wenige Texte Eingang. Sie sind am abweichenden Schriftbild | |
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und am niederländischen Sprachstand unschwer auszumachen. Hierzu gehören beispielsweise D 79, unterzeichnet mit M. Brakel, und D 80 mit den Initialen TVB, worunter sich höchstwahrscheinlich ein Stiefbruder Balthasars von Brederode, Theodoricus, verbirgtGa naar voetnoot23. Leider sind beide Texte ohne Datierung, ebenso wie das Lied D 61, das sich durch das Akrostichon Renesse als von einem Angehörigen eines bekannten niederländischen Adelsgeschlechtes stammend zu erkennen gibt. Die Renesse waren wiederum mit der Familie Bronckhorst-Battenburg verwandt (vgl. Kommentar zu D 1). Durch den 1576 erfolgten Tod Balthasars von Brederode ist die wohl um 1530 geborene Katharina früh Witwe geworden. Über ihr Schicksal und die weiteren Geschicke der Handschrift erfahren wir aus den Quellen nichts. Es ist jedoch anzunehmen, daß das Liederbuch zumindest noch eine Zeitlang in Holland verblieb, denn in den Jahren von 1582 bis 1586 sind noch einige kurze Eintragungen offensichtlich niederländischen Ursprungs hinzugekommen: auf Bl. 18 vo unter D 11 eine 1582 datierte Bleistifteintragung mit einem Stammbuchvers in niederländischer Sprache (unter Verwendung des niederländischen Diphthongs ij), auf Bl. 49 vo die Widmung eines T.S. von Ybbfendorpt, schließlich auf Bl. 1 vo das am spätesten zu datierende Stück der ganzen Handschrift überhaupt, ein niederländischer Text, eingetragen 1586 von Alyt von Bronckhorst und Battenburg, die als Witwe des Johann von Renesse in Utrecht lebte. Später scheint die Handschrift nach Hönnepel an den Niederrhein zurückgekehrt zu sein, und es ist nicht auszuschließen, daß dann, d.h. gegen Ende des 16. Jahrhunderts, nochmals einige Liedtexte ihren Weg in das Liederbuch gefunden haben. Genaues läßt sich hier nicht mehr angeben, wie auch der Weg der Handschrift zu ihrem heutigen Aufbewahrungsort im Archiv der Grafen von Droste-Vischering nicht mehr nachgezeichnet werden kann. Die Handschrift müßte eigentlich genau als ‘Liederbuch der Katharina von Bronckhorst und Battenburg’ bezeichnet werden. Handschriften werden aber bekanntlich in der Forschung oft nach ihrem heutigen Aufbewahrungsort benannt. Da sich die Bezeichnung ‘Darfelder Liederhandschrift’ seit Hübner und Beckmann eingebürgert hat, haben wir es bei dieser Benennung belassen. Bei unserer Datierung 1546-1565 ist, wie ausgeführt, in Rechnung zu stellen, daß noch einige Texte etwas später hinzugekommen sind. |
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