De Zeventiende Eeuw. Jaargang 13
(1997)– [tijdschrift] Zeventiende Eeuw, De– Auteursrechtelijk beschermd
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Pax im Kontext
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den Frieden von Nizza nicht gestiftet, sondern als neutraler ‘Mediator’ in getrennten Verhandlungen vermittelt. Zu einem ‘Gipfeltreffen’ der drei Beteiligten ist es dabei gar nicht gekommen.Ga naar eind10. Nun ist es gerade die Funktion solcher Allegorien, nicht die Ereignisse abzubilden, sondern in der Verherrlichung des Auftraggebers und seiner Dynastie eine übergreifende, ideale Vorstellung zu formulieren. Das Bild der auf eine übergeordnete Instanz ausgerichteten ‘pax christiana universalis’ war jedoch bereits in der Mitte des 16. Jahrhunderts umstritten.
Die andere Universalinstanz des christlichen Friedens war der Kaiser des Hl. Römischen Reiches. Die imperiale, von der ‘pax romana’ unter Kaiser Augustus abgeleitete Vorstellung des Friedens unter einem christlichen Universalherrscher zentrierte sich im 16. Jahrhundert vor allem um Kaiser Karl V.Ga naar eind11. Auch durch die Abwehr der Bestrebungen nach einer habsburgischen Universalmonarchie wurde diese Vorstellung nicht völlig außer Kraft gesetzt.Ga naar eind12.
1571 erschien als Radierung von Jost Amman ein aufwendiges Programmbild, das der ‘Inventor’ Wenzel Jamnitzer mit folgender Bildunterschrift Kaiser Maximilian II. widmete: ‘Form und bildnuß, darinn angezeigt wird, woher aller gewalt und Regierung komme, und welcher massen dieselb zu füren’;Ga naar eind13. ein Idealbild des Kaisertums als einer mit göttlichem Auftrag verliehenen Herrschaft. Im Zentrum steht ein Postament, das als ‘Templvm Pacis’ bezeichnet ist. An seinem Sockel sitzen links Pax, mit einem Palmzweig und dem Bienenkorb, Symbol für die Eintracht der Bürger und deren ‘süße Früchte’; neben ihr eine abgelegte Rüstung. In der Mitte die Weisheit, die dreigesichtige Sapientia, und rechts Victoria in Gestalt der Kriegsgöttin Bellona. Auf dem Podest kniet Maximilian II., dessen Mantel von Justitia und Fides gehalten wird. Zwei Engel überreichen ihm Schwert und Gesetzbuch, zwei weitere halten die Kaiserkrone über ihn. Am Himmel, der sich darüber wie bei einem ‘Jüngsten Gericht’ öffnet, erscheint oben Christus auf der Weltkugel, und direkt darunter der kaiserliche Doppeladler. In den Nischen der Tribuna, die den Friedenstempel halbrund umfaßt, stehen Könige und Propheten des Alten Testaments, obenauf die Kardinal- und Herrschertugenden. Der Text formuliert den göttlichen Auftrag an den Kaiser: ‘Also übergebe ich Dir dieses Schwert und das Gesetzbuch, damit Hoffnung den Notleidenden sei, Furcht den Bösen’,Ga naar eind14. so daß schließlich alles in Frieden gehalten werde. Pax figuriert in diesem Kontext nicht als Resultat der Friedensstiftung, sondern als eines der Prinzipien guter und gerechter Herrschaft. Deren Ideale werden von den Tugenden auf der Ebene des Kaisers personifiziert; Krieg und Frieden sind, auf der eher ‘irdischen’ Ebene, gleichberechtigte Möglichkeiten, zwischen denen der Kaiser mit weiser Voraussicht zu wählen hat. Unten wenden sich Einmütigkeit, Frömmigkeit und die Kirche, und auf der anderen Seite ‘aler Nationen des Kaisers leut’ flehentlich an Maximilian II. Es handelt sich also nicht allein um eine Repräsentation der kaiserlichen Machtfülle, sondern eher um eine Mahnung, den göttlichen Herrschaftsauftrag so auszuführen, daß den aktuellen Nöten abgeholfen wird, formuliert aus des Sicht des Künstlers Jamnitzer, der sich in der Bildunterschrift ‘Nürnberger Bürger’ nennt. | |||||||||
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1. Huych Allardt (excudit): ‘Zalig zijnde voeten der geener die de vreede verkondygen’, 1648. Atlas van Stolk, Rotterdam.
Ein Flugblatt zum Westfälischen Frieden von 1648, publiziert von Huych Allardt mit Text in Niederländisch, Französisch und Deutsch,Ga naar eind15. gibt unter dem Bibelspruch ‘Selig sind die Füße derer, die den Frieden verkünden’ (Jes. 52,7), ein präzises allegorisches Bild des Friedensvertrages: der Kaiser steht wiederum in der Mitte, erhöht aufs Schild gehoben. Das ‘Band der Eintracht’ hält er gemeinsam mit den anderen Signatarmächten, Königin Christian von Schweden und König Ludwig XIV. von Frankreich. Auf beiden Seiten davor stehen die durch den Vertrag auf acht erweiterten deutschen Kurfürsten. Mit Szenen von Händedruck und Beeidigung im Hintergrund wird der vertragliche Charakter der politischen Ordnung noch unterstrichen. Im Vordergrund sitzen, in zeitgenössischen Kleidern, Justitia und Charitas, und, um zu zeigen, daß der Krieg überwunden ist, Pax vor einer Trophäe aus zerbrochenen Waffen auf Mars, der sich zwar noch grimmig aufbäumen will, aber keine Kraft mehr hat. Die Randszenen zeigen links ‘Schrekken des Krieges’, und rechts Motive des Friedens: oben ein Liebespaar, dahinter ein pflügender Bauer und der ‘Wiederaufbau’, in der Mitte Germania auf zerbrochenen Waffen, und unten der weinspendende Löwe vor dem Rathaus, an dem sich die Bürger erfreuen.
Bei aller Sorgfalt im Bemühen, den aktuellen Friedensschluß allegorisch exakt darzustellen, ist die traditionelle ikonographische Struktur deutlich zu erkennen: wie im Bild von Jost Amman von 1571 öffnet sich oben der Himmel, und es erscheint als ‘göttliche Botschaft’: ‘Ehre sei Gott - Friede auf Erden’ (nach Lukas | |||||||||
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2,14). Dies ist nicht mehr ein Herrschaftsauftrag an den Kaiser allein, denn nun hängen die Wappen der drei Monarchen am Himmel. Die hierarchische Ordnung jedoch bleibt beibehalten: unter Gottes Namen steht der Kaiser in der Mitte, und zu seinen Füßen sitzen die Tugenden sowie Krieg und Frieden. So erscheint in diesem Flugblatt der Westfälische Frieden weniger als eine neue Form der politischen Ordnung, sondern eher als eine nur in Einzelheiten veränderte Wiederaufrichtung eines altbekannten Ordnungsbildes mit dem deutschen Kaiser im Zentrum.
Zwischen dem von einem Verleger veröffentlichten und auf Verbreitung angelegten Bild des Friedens und der fürstlichen Repräsentation gibt es beträchtliche und signifikante Unterschiede. Ein Beispiel herrscherlicher Selbstdarstellung nach dem Westfälischen Frieden ist das Konzept Kaiser Ferdinands III. für ein allegorisches Familienbildnis, das der Maler Joachim von Sandrart überliefert hat. Es ist nur im Stich von Franciscus van der Steen von 1653 erhalten.Ga naar eind16. Sich selbst läßt Ferdinand als Jupiter darstellen, der vor einem Tempel thront und als Weltbeherrscher seinen Fuß auf den Globus setzt. Seine Gattin ist Bellona, seine verstorbenen Frauen schweben als Juno und Ceres vom Himmel herab. Seine Tochter ist Minerva, sein Bruder Mars, seine Söhne sind Apoll und Amor. Pax erscheint nicht im Bild; auf den Frieden verweisen nur der Olivenzweig, den der Kaiser fast drohend erhoben hat, die ‘Segnungen’ aus den Füllhörnern darüber, und die zerstörten Waffen, die den Frieden hier als Resultat des militärischen Sieges ausweisen. Damit wird deutlich, wie Ferdinand III. seine in der Bildunterschrift genannte Rolle als ‘Jupiter Pacificus’ verstand. Das Bild zeigt nicht mehr die ‘gottgegebene’ Instanz des Kaisertums als Zentrum der Ordnung und der Entscheidung über Krieg und Frieden. Der Kaiser erhebt sich und seine Familie vielmehr selbst in den Rang der olympischen Götter. Dies legt geradezu den Schluß nahe, daß mit dem Westfälischen Frieden kein Bild der Gleichrangigkeit der europäischen Mächte entsteht, sondern die Epoche der Herrscherapotheose erst richtig beginnt. Die Rolle des Friedensstifters und die Entscheidung über Krieg und Frieden waren schon im 16. Jahrhundert nicht auf Papst und Kaiser begrenzt; eigentlich jeder Souverän konnte in Lobgedicht und Ikonographie ein ‘neuer Augustus’ sein, der den Ianustempel schließt und das ‘Goldene Zeitalter’ zurückbringt. Die Konkurrenz um das Bild des ‘Friedensbringers’ zwischen den europäischen Monarchen trat jedoch ab 1648 in eine neue Phase.
‘Peace Restored in Europe by King William III.’Ga naar eind17. - Paulus van Somer zeigte in seinem Kupferstich auf den Frieden von Rijswijk 1697 den englischen König im Zentrum, der in selbstsicherer Pose Pax aus dem Götterhimmel auf die Erde herunterholt. Das ‘Europa’, dem er den Frieden bringt, also Holland, Spanien, das Reich auf seiner Seite, und als Gegner Frankreich, ist jedoch nicht dargestellt. Die drei Landespersonifikationen neben ihm stehen nur für seine Königreiche England, Schottland und Irland. In diesem ‘absolutistischen Konzept’ des Friedensbildes bleibt der Friede zwischen den Monarchen gerade ausgeschlossen, und die Vermittlung der Pax auf die Erde ist allein ‘in die Hand’ des einzelnen Souveräns gelegt.Ga naar eind18. Dieser absolutistische Typus blieb noch über hundert Jahre nach dem Westfälischen Frieden wirksam.Ga naar eind19. | |||||||||
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Der Friede als TriumphIn Allegorien auf den Westfälischen Frieden ist der ‘Triumphwagen des Friedens’ ein signifikant häufiger Typus, der allerdings nicht eigentlich den Traditionen der Friedensikonographie entstammt. Mit den Holzschnitten nach Mantegnas ‘Triumph Caesars’ und vor allem mit Dürers allegorischem ‘Großen Triumphwagen Kaiser Maximilians’ von 1522 standen die Muster für Herrschertriumphe in der Druckgraphik zur Verfügung. Es fällt dennoch auf, daß sich die Triumphwagen zum Westfälischen Frieden deutlich von einer Reihe von ‘Friedenstriumphen’ ableiten, die 1564 mit Marten van Heemskercks vielkopiertem ‘Kreislauf des menschlichen Handelns’ begann, und sich zur Pazifikation von Gent 1576 und zum Zwölfjährigen Waffenstillstand 1609 vor allem in der niederländischen politisch-allegorischen Druckgraphik fortsetzte.Ga naar eind20.
Ein Flugblatt auf den Waffenstillstand von 1609, mit einem Kupferstich von Hessel Gerritsz. nach VinckboonsGa naar eind21. zeigt alle Elemente dieses Typs. Als Hauptfigur sitzt die Personifikation des ‘Bestands’, umgeben von den Herrschertugenden, im Wagen, den der Friedensunterhändler Pater Johan Ney lenkt und den die Könige Henri IV. von Frankreich und Jacob I. von England begleiten. Auf den Zugpferden das Brüsseler Statthalterpaar Albert und Isabella; hinter dem Wagen der gefesselte Mars. Der Wagen fährt zwischen die unter Baldachinen thronenden zwei niederländischen Staaten: das ‘den Erzherzögen untertane’ Belgien vorne rechts, neben dem der spanische König und Spinola stehen, und gegenüber auf der ‘Sonnenseite’ ‘Belgica Liberata’, das ‘freie Niederland’ mit Maurits von Nassau-Oranien und zwei ‘Ordines’. Am Himmel wird die Szene mythologisch überhöht: Mars verläßt seinen Wagen und steigt um zu Venus - ‘make love not war’. Fama verkündet mit der Doppeltrompete die Neuigkeit, die mit einem Lobgedicht erläutert wird; das Flugblatt bringt aber auch den gesamten Text des Waffenstillstandsvertrages.
Diese elaborierte Modell des allegorischen Triumphwagens wurde auch während des Dreißigjährigen Krieges angewendet, etwa für den Triumph von Gustav Adolf, begleitet von Pax und den Herrschertugenden.Ga naar eind22. Die unterschiedlichen Interpretationen des Westfälischen Friedens lassen sich an den Varianten von 1648 deutlich ablesen. Ein allegorischer Stich mit dem Wappen des Bischofs von Eichstädt etwaGa naar eind23. setzt der triumphierenden Pax die Kaiserkrone auf und läßt den Putto auf dem Reichsadler über ihr weitere Insignien tragen. Neben Pax sitzen die Genien der Scientia und der Religio mit Kreuz, Kelch und Hostie. Es ist also ein durchaus kaisertreuer und katholischer Friede, der hier triumphiert, aber ‘im Rahmen’ der politischen Prinzipien, die den Friedensschluß ermöglicht haben und im Frieden nun auch regieren sollen: Bestimmungsort des Wagens ist der Raum zwischen den vier Säulen ‘Vaterlandsliebe, Amnestie, Neutralität und Staatsräson’. Der Bauer, der wie im vorigen Beispiel im Hintergrund pflügt, ist ein Topos für die konkreten Folgen des Friedens: die landwirtschaftliche Produktion kann wieder beginnen, man wird nicht mehr hungern. | |||||||||
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Auf Martin Zimmermanns Flugblatt von 1648 ist es der Triumphwagen des Kaisers selbst, dem Pax gegenübersitzt.Ga naar eind24. In anderen Varianten sitzt Kurfürst Johann Georg von Sachsen als ‘Friedensbringer’ mit Pax im Wagen, oder nimmt sogar selbst ihre Position ein.Ga naar eind25. Auf Salomon Saverys KupferstichGa naar eind26. dagegen hält der Friede triumphalen Einzug in Den Haag. Pax ist hier, zusätzlich zu Ölzweig und Füllhorn, mit Mauerkrone und Freiheitshut ausgestattet und figuriert damit auch als Personifikation des Landes, das nun seine staatliche Freiheit ‘nach Hause bringt’. Der Text ‘Ein Friede ist besser als unzählige Triumphe’ mahnt in diesem Kontext, den Frieden nun auch zu halten, und nicht auf künftige militärische Triumphe zu setzen.
Adriaen van Nieulandt hat sich in seiner Allegorie von 1650 auf diesen und andere Stiche bezogen, aber zwei Bildebenen deutlich differenziert.Ga naar eind27. Während im Hintergrund Pax der Personifikation der Vereinten Provinzen die Hand gibt und Statthalter Willem II. den Ölzweig überreicht, steht Frederik Hendrick als Sieger im Triumphwagen; hinter ihm Libertas mit dem Freiheitshut und Religio. Eine solche Allegorie wäre auch darauf zu befragen, wie sie sich zur Politik der Oranier im Jahr 1650 verhält. Deutlich wird jedenfalls, daß der Triumphwagen des Friedens zu einem Fürstentriumph umgearbeitet worden ist. Die Oranier waren nicht die einzigen, die diesen Typus adaptierten, doch taten sie dies, etwa im Oranjezaal von Huis ten Bosch, in besonders monumentaler Form. Fürstliche Triumphallegorien sind keine neue Erscheinung. Schon seit dem frühen 16. Jahrhundert war der ‘klassische Topos humanistischer Rhetorik und Ikonographie nicht Krieg oder Frieden, sondern der Triumph’.Ga naar eind28. Der Friedenstriumph ist jedenfalls in den Dienst sehr verschiedener politischer Interpretationen des Westfälischen Friedens gestellt worden. | |||||||||
Vom ‘universalen’ zum ‘zwischenstaatlichen’ FriedenAls eine wesentliche Folge des Westfälischen Friedens für Europa wird - mit einer Formulierung von Johannes Burkhardt - genannt: ‘Von den Universalmächten zum Staatensystem’; ein Europa der souveränen Einzelstaaten, die sich in ihrem Nebeneinander anerkennen müssen. ‘Das Scheitern der Universalansprüche hat der werdenden Zwischenstaatlichkeit als der politischen Zentralkategorie im nächsten europäischen Zeitalter entscheidenden Auftrieb gegeben.’Ga naar eind29. Für die Geschichte der Friedenskonzepte wäre dies ein fundamentaler Umbruch: die Friede löst sich aus der Einbindung in die Struktur eines Herrschaftskonzepts und wird zur Angelegenheit zwischen den Staaten. Auf das ‘universale’ folgt das ‘absolutistische’ Bild des Friedens. Dennoch gibt es nach 1648 auch einen neuen Typus der Allegorie auf den zwischenstaatlichen Frieden: den Tempel des Friedens.
Als Frontispiz zu einem Lobgedicht aus Anlaß des Pyrennäenfriedens von 1659 erschien 1660 die erste Allegorie, die diesen Typus verwendet, ein Stich von Gabriel Le Brun mit dem ‘Tempel des dauerhaften Friedens, den Kardinal Mazarin errichtet hat’.Ga naar eind30. Der offene Tempel, zwischen dessen Säulen Tugendpersonifikatio- | |||||||||
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2. Gabriel Le Brun: Allégorie de la paix des Pyrenées. Titelblatt zu: A. Amalteo, Il Tempio della Pace, Paris 1660. Bibliothèque Nationale, Paris.
nen stehen, hat eine Statue der Pax als zentrales ‘Kultbild’. Auf den Stufen davor stehen im Gespräch die gekrönten Personifikationen der Länder, die den Frieden schießen. Frankreich deutet mit der rechten Hand auf die ‘Friedensgöttin’ hin, doch sind die Gesten ambivalent und stellen die Frage nach dem nächsten Handlungsmoment: werden sich Spanien und Frankreich im Händedruck verbinden, in Umarmung versöhnen, oder argumentieren sie darüber, wer als erste den Tempel betritt?
Hier hat sich jedenfalls die Position der Pax gegenüber dem Bild der Herrschaft, wie es auf Jost Ammans Radierung gegeben war, grundlegend geändert: Nun wird der Friede selbst zur übergeordneten Instanz, und der Friedensschluß zu einer kultischen Handlung nach antikem Muster, die von den Personifikationen der Länder vor ihren Völkern vollzogen wird. Durch die Widmungsinschrift dient das Bild zugleich als Ehrung der Politik Kardinal Mazarins. Der Krieg ist dabei, anders als in den Allegorien auf den Westfälischen Frieden, nicht überwunden. ‘Mars’ stürmt die Treppen herab, verjagt die Laster, und wendet sich dabei nach links. Die Türken am linken Rand sehen das mit Erschrecken - sie befürchten, sein nächstes Opfer zu sein. So stellt sich als Möglichkeit ein alter Topos wieder her: Friede zwischen den christlichen Ländern Europas hat den Krieg gegen die Türken zu Folge. | |||||||||
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Bernard Picart veröffentlichte sein Blatt ‘Traitez de Paix’ 1726 nicht als Allegorie auf einen bestimmten Frieden, sondern als ‘Musterbild’ für den Friedensschluß allgemein.Ga naar eind31. Am ‘Altar des Friedens’ auf den Stufen des Tempels reichen sich die Fürsten die Hand. Picart erläutert diesen Vertragscharakter, indem er Pax und Justitia auf den Sockel setzt und damit das alte Bild der Versöhnung von Gerechtigkeit und Frieden (nach Psalm 85,11) ins Zentrum stellt.Ga naar eind32. Unter den Personifikation im Tempel sitzt rechts auch die des Völkerrechts. Kontext dieser Allegorie ist die Diskussion um Völkerrecht und Frieden nach 1648. Die Institutionalisierung des Friedens, die hier imaginiert wird, findet sich auch in den großen Traktaten zum ‘Ewigen Frieden’ im 18. Jahrhundert, obwohl sie natürlich von der Realität weit entfernt blieb.Ga naar eind33. In solchen Allegorien wurde auch das Osmanische Reich in den Bereich des europäischen Friedens einbezogen.Ga naar eind34. Aktuell blieb dieser Typus von Friedensschluß als ‘Kult vor dem Friedenstempel’ noch bis zur Französischen Revolution; zum Frieden von Amiens 1802 wurde er, mit Napoleon im Zentrum, nochmals wiederbelebt.Ga naar eind35. | |||||||||
Die Institutionalisierung der FriedenskongresseAls Folge des Westfälischen Friedens läßt sich eine weitere Entwicklung beschreiben: die Institutionalisierung des Friedenskongresses. Die Verhandlungen in Münster und Osnabrück haben ‘das Instrumentarium einer kompletten Friedensvermittlung gelehrt’, das für die folgenden Friedensschlüsse Modell war.Ga naar eind36. Zwar wurde nicht der dauerhafte Friede institutionalisiert, wohl aber der Weg zum Friedensschluß. 1648 beginnt die große Epoche der europäischen Friedenskongresse. Das Flugblatt von Rombout van der Hoeye zum ‘Vrede van Munster’Ga naar eind37. zeigt deutlich, wie sich das Interesse der Öffentlichkeit genau auf den Ablauf des Friedenskongresses richtet: als Hauptbild ist der Austausch der Vertragsurkunden hervorgehoben, die Randszenen schildern Ankunft der Gesandten, Beeidigung, das ‘Theatrum’ der Proklamation und weitere Szenen.Ga naar eind38. Im Unterschied zu Jonas Suyderhoefs berühmtem Stich nach dem Gemälde von Ter Borch,Ga naar eind39. mit dem dieses Blatt vermutlich konkurrieren sollte, kommt es dabei nicht auf die präzise Wiedergabe von Ereignis und Umständen an; der Saal des Mittelbildes ist nicht der ‘Friedenssaal’ im Rathaus zu Münster.
Das graphische Schema von Haupt- und Randszenen ist nicht neu. Neu ist aber, daß der Westfälischen Frieden nicht mehr nur allegorisch dargestellt, sondern in bisher nicht gekanntem Ausmaß Gegenstand der ‘Bildreportage’ wird. 1648 treten, nach den Kategorien von Frederik Muller, die ‘Historieprenten’ neben die ‘Zinneprenten’. Von da an wird auf Flugblättern, in Einzelszenen wie in solchen Kombinationen, jeweils der Kongreß selbst zum Thema. Damit entsteht eine neues Bild für den Friedensschluß: er ist nicht mehr von einer Instanz gestiftet, sondern diplomatisch ausgehandelt. Akteure sind nicht mehr nur die Souveräne, sondern die Diplomaten. Wie in den großen Stichserien der ‘Pacificatores Orbis Christiani’ die Porträts der Gesandten festgehalten werden als Dokumentation der Personen, die den Frieden tatsächlich zustande gebracht haben (und nun nicht mehr hinter Papst oder Kaiser ‘verschwinden’), wird in solchen Flugblättern das | |||||||||
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Abbild der Ereignisse selbst zum Dokument dafür, daß der Friedensschluß ‘real’ ist.
Romeyn de Hooghe hat dieses Schema zum Frieden von Breda 1667 graphisch weiter ausgearbeitet.Ga naar eind40. Auf einem anonymen Flugblatt zum Frieden von Nijmegen 1678Ga naar eind41. ist im Mittelbild unter den zahlreichen Gesandten im Konferenzsaal die Beeidigung kaum mehr auszumachen. Die meisten Randszenen gelten den öffentlichen Feierlichkeiten und Inszenierungen, etwa den Feuerwerken. Solche Flugblätter dürfen nicht als exakte ‘Bildreportagen’ des tatsächlichen Handlungsverlaufs mißverstanden werden. Die Randszenen hier etwa sind aus Romeyn de Hooghes Blättern von 1667 übernommen. Zu fast allen Friedensschlüssen nach 1648 wurden solche Flugblätter kopiert oder variiert. Dabei prägte sich eine eigene Standard-Ikonographie für den Friedenskongreß aus: die Öffentlichkeit will eben sehen, daß die Gesandten verhandeln, unterschreiben, beeidigen, und daß anschließend proklamiert, getafelt und gefeiert wird. In der Bildpublizistik bindet sich die öffentliche Friedenserwartung geradezu an solche Szenen. Dies hat Folgen für die Inszenierung diplomatischer Ereignisse in den Medien bis heute: zu jeder Gipfelkonferenz müssen in Film und Foto die Zusammenkunft am Konferenztisch, das Unterschreiben von Verträgen und der Händedruck gezeigt werden.Ga naar eind42.
Auf einem Flugblatt zum Frieden von Utrecht 1713 ist auch die Allegorie wieder eingefügt.Ga naar eind43. In der Mitte steht ein ‘Vreede-Zinne-beeld’ mit Pax, die im Zentrum auf dem Globus sitzt. Es ist gerahmt wie ein Gemälde, und deutlich von den umgebenden Kongreßszenen abgesetzt. Für die Darstellung des Friedensschlusses sind die ‘Ereignisbilder’ notwendig geworden. Doch bleibt auch die Allegorie unverzichtbar? Das Verhaältnis von allegorischem ‘Kunstwerk’ und publiziertem Bildbericht ist auf diesem Stich selbst zum Thema geworden.
Der Westfälische Friede hat also keinen neuen Typus von Friedensallegorie zur Folge.
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