De Zeventiende Eeuw. Jaargang 13
(1997)– [tijdschrift] Zeventiende Eeuw, De– Auteursrechtelijk beschermd
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Krieg und Frieden
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1. Govaert Flinck, Salomo bittet Gott um Weisheit. Leinwand 113,9 × 101,8 cm. Greenville, S.C. Bob Jones University, Collection of Sacred Art.
Später baute er Gott einen Tempel: Bei der Einweihung öffnete sich der Himmel und die Herrlichkeit des Herrn erfüllte den Raum. Diese Geschichte hatte vor Govaert Flinck kein Maler in einem Gemälde dargestellt. Flincks Gemälde weicht auch ganz wesentlich vom biblischen Text ab: Woran liegt das? Wie sollte er einen so abstrakten Wunsch ‘Gutes und Böses unterscheiden zu können’ visualisieren? In den Bildunterschriften der druckgraphischen Darstellungen dieses Themas wird die Bitte, die Fähigkeit zu erhalten - Gutes von Bösem zu unterscheiden - als eine Bitte um ‘Weisheit’ (sapientia) beschrieben, so in den Icones biblicae nach Hans Holbein d.J. (Abb.3,4).Ga naar eind4. Diese Definition der Unterscheidung von Gut und Böse als Weisheit hatte auch Vondel in seiner Beschreibung des Rathausprogrammes übernommen. Flinck | |
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2. Govaert Flinck, Salomo bittet Gott um Weisheit. Leinwand 465 × 450 cm. Signiert und datiert: G. Flinck 1658. Amsterdam, Rathaus (jetzt: Königliches Schloß).
kannte Vondel gut und hat ihn porträtiert. Vondel schreibt, im Ratsaal werde u.a. dargestellt, wie Salomo kniend, nach dem Bauen von Gottes Schwelle, die Weisheit von Gott erbittet, in Gottes geweihtem Tempel: hoe Salomo geknield, na'et bouwen van Gods drempel,
De Wijsheid bidt van God, in Gods gewijden tempel.Ga naar eind5.
Flinck überträgt die Bildsprache der Texte der Bibelillustrationen und des Gedichtes in sein Bild, denn für die allegorische Abbildung der Gestalt der Weisheit bestand eine Ikonographie, die u.a. von Ripa beschrieben war: Als festes Attribut hat sie ein Buch, bei Ripa (Abb. 5) z.B. trägt sie ein Buch und eine Öllampe. Die knappen Zeilen hätten schwerlich für die Ausgestaltung des gesamten Bildes gereicht. Weitere Anregungen erhielt er - was bisher übersehen wurde - offensichtlich von Joost van Vondel, der ein Gedicht (von Guillaume de Saluste) | |
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3. Hans Holbein d.J., Salomo bittet um Weisheit. ‘Historiarum Veteris Testamenti Icones’ (Lyon 1538-1549) Holzschnitt zu II Chronik 1.
aus dem Französischen ins Niederländische übertragen hatte. In diesem langen Gedicht ist nämlich unsere Szene ausführlich beschrieben und nach dem Muster - Herkules am Scheidewege - ausgestaltet. Salomo steht vor der Wahl, zwischen Weisheit, Gesundheit, Reichtum und Ruhm zu wählen: Het tweede lid begrijpt hoe God aan Salomo verschijnt wien glorie, rijkdom, gezondheid en wijsheid aangeboden worden. Hij, van den Heiligen Geest gedreven, stelt, met goede reden, de wijsheid boven alle andere, waarmede hem God begaaft, om zijn gaven in hem te kronen.Ga naar eind6. Die vier durch Gott gewährten Gaben werden in dem Gedicht als Allegorien beschrieben, die an ihren Attributen erkennbar sind: Die Weisheit hat ein Buch, die Gesundheit einen Phoenix, der Reichtum ein Füllhorn, der Ruhm eine Trompete. Flinck übernimmt Motive des Gedichtes, variiert sie jedoch so, daß der Betrachter sofort erkennen kann, daß in dieser Szene die Weisheit die Hauptperson, die gewünschte Gabe ist. Sie ist in Gestalt einer jungen Frau aus dem mit Putten und Engeln bevölkerten Himmel herabgestiegen: die zusätzliche gewährten Gaben, die (Zu)gaben erscheinen als kleine Putti und tragen die von Vondel erwähnten Attribute. Salomo, vor die Wahl gestellt, hat sich für die Weisheit entschieden. Das Thema ‘Salomos Gebet’ vermittelte innerhalb des Programmes eine bestimmte Botschaft, die mit der Funktion des Saales, in dem es hing - dem Ratssal und den Aufgaben des Rates zusammenhing. In dem von Vondel übersetzten französischen Gedicht ist ausführlich die Vorbildhaftigkeit dieser Szene beschrieben: Ein weiser Regent wie Salomo besitzt Kenntnis aller göttlichen, natürlichen und irdischen Dinge, vornehmlich in der Regierung seiner Untertanen und in der Rechtsprechung. Dies macht ihn zu einem guten Vorbild für Regierung und die Szene geeignet für ein Ratszimmer. Ähnlich lautet ein weiteres Gedicht Vondels, das unter das Gemälde gefügt wurde. Sich enger an den biblischen Text anlehnend, schreibt er hier - den Inhalt der Geschichte zusammenfassend - Salomo werde, da sein Gebet und Opfer Gott behagen, die Weisheit nachts vom Himmels Thron verheißen mit Reichtum, Ehre und einem langen Leben. Wo Weisheit Rat geben kann, da blühe der Staat: | |
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4. Hans Holbein d.J., Salomo weiht den Tempel ein. ‘Historiarum Veteris Testamenti Icones’ (Lyon 1538-1549) Holzschnitt zu II. Chronik 7.
Daar Salomons gebed en offer Godt behagen,
Wordt hem de Wysheit 's nachts beloofd uit 's-Hemels troon,
Met-enen Rijkdom, Eer en veel gewenste dagen.
Waar wijsheid raden mag, daer spant de Staat de Kroon.Ga naar eind7.
Während Flincks Monumentalgemälde noch immer in dem Friedensmonument hängen, das nun als Palast Dienst tut (im Sommer ist es für die Öffentlichkeit zugänglich), befindet sich die kleine Version - die er Kleve schenkte, nicht mehr im Klever Rathaus, sondern in den Vereinigten Staaten in Greenville (S.C.), The Bob Jones University Collection. Wie es dort hingekommen ist, ist noch unerforscht. Für uns sind mehrere andere Fragen wichtig, die man sich merkwürdigerweise in der Forschung noch nicht gestellt hat. Die Grundsteinlegung des Amsterdamer Rathauses fand im Jahre 1648 statt. Der endlich erreichte Friede erlaubte es, das seit etwa 1639 geplante Rathaus viel monumentaler zu bauen als ursprünglich geplant und der verwirklichten Friedenssehnsucht auch im ikonographischen Programm des Rathauses an entscheidenden Stellen Ausdruck zu geben. Die Allegorie des Friedens ist die zentrale Figur des Gesamtprogramms. So stellt sich die Frage: Besaß die Darstellung über die Vorbildhaftigkeit der salomonischen Weisheit hinaus, die bei der Beratung der Bürgermeister notwendig war, noch eine zweite Botschaft, die mit der Funktion des Amsterdamer Rathauses als Friedensmonument zusammenhing? Weist uns die Programmbeschreibung von Vondel, nach der Salomo nicht in Gideon, sondern im Tempel von Jerusalem um Weisheit gebetet habe, auf eine besondere (bisher übersehene) Bedeutungslage hin? Was wollte Govaert Flinck, als er eine kleine Version dieses Monumentalgemäldes seiner Heimatstadt schenkte, dem Klever Rat vermitteln? Um dies herauszufinden und um ihm ein Fundament zu geben, müssen wir zuerst einen Einblick in die Amsterdamer Politik bekommen (in die entscheidenden Jahre zwischen 1639 und 1648), dann kurz einen Blick auf die Klever Politik werfen. Erfreulicherweise hat Flincks Lehrer, Rembrandt, in einen Gemälde die Amsterdamer Politik visualisiert. Zuerst der historische Hintergrund. Holland, vor allem Amsterdam, war seit etwa 1639 der Eroberungen Frederik Hendriks in den Grenzgebieten überdrüs- | |
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5. Die Weisheit. Ripa, Iconologia, Ausg. Pers, Amsterdam 1644, S. 620.
sig geworden, weil sie hohe finanzielle Aufwendungen dafür aufbringen mußten, die sie lieber in den Ausbau der Flotte gesteckt hätten. Daher gingen die Staaten von Holland dazu über, ihre Truppen zurückzuziehen. Die holländischen Städte standen hier also in deutlicher Gegnerschaft zum Statthalter. Die abweichende Einstellung von Holland ist von Rembrandt in einem allegorischen Gemälde zum Ausdruck gebracht worden, nämlich DER EINTRACHT DES LANDES (Abb.6).Ga naar eind8. Er schuf es offensichtlich als Vorlage für eine politische Radierung, die am oberen und unteren Bildrand mit erklärenden Unterschriften versehen werden sollte. Deshalb hatte Rembrandt auch bei dem Gemälde den oberen und unteren Streifen freigelassen. Der Auftrag zerschlug sich. Rembrandt besaß dieses Bild daher noch im Jahre 1656. Es wird in seinem Inventar erwähnt. Die überzeugendste Beschreibung der Einzelheiten des Bildes ist bisher dem Kunsthistoriker Wolfgang Schöne gelungen, dessen Deutung ich gekürzt unter Benutzung seiner Formulierungen wiedergebe. Der linke Komplex veranschaulicht in konzentrierter Form die Verfassung der Vereinigten Freien Niederlande in ihrer geschichtlichen Herkunft. Die Säule vergegenwärtigt die eigene Staatsgewalt, der an sie gelehnte Pergamentband mit den vier Siegeln sicherlich die Urkunde der Utrechter Union (...).Ga naar eind9. [Der leere Thron symbolisiert die Souveränität.] | |
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7. Rembrandt, Die Bürgerwehrkompanie des Frans Banning Cocq und seines Leutnants Willem van Ruytenburgh. Bez.: Rembrandt f. 1642. Leinwand 363 × 437 cm. Amsterdam, Rijksmuseum.
Besonders auffällig ist, daß viele Reiter des Hintergrundes Frederik Hendrik in die Schlacht folgen, während andere in die Festung zurückkehren. Vorn besteigen zwei Reiter ihre Pferde. Aber ausgerechnet ein Ritter auf einem Schimmel, der an einer herabhängenden Satteldecke das Wappen von Amsterdam trägt, schließt sich diesem Aufbruch in den Kampf nicht an, sondern reitet in die entgegengesetzte Richtung. Ihm folgen viele Reiter. In diesen unterschiedlichen Verhaltensweisen der Reiter (Aufbruch zum Kampf und Abbruch des Kampfes) scheint der politische Konflikt, der Anfang der vierziger Jahre schwelte, ausgedrückt zu sein. In dieser Auseinandersetzung hat unter Leitung von Amsterdam das friedenswillige Holland den Frieden mit den Oraniern durchgesetzt. Vielleicht sind deshalb die Wappen der holländischen Städte durch ineinandergeschlagene Hände miteinander verbunden. Der Friedenswunsch fand seinen Ausdruck in frühen Bildern - wie der Eintracht des Landes - der sich ankündigende Sieg Amsterdams wurde in Bildern wie der sogenannten ‘Nachtwache’ (Abb.7) symbolisiert.Ga naar eind13. Rembrandt bildet in seinem Gruppenbildnis der Bürgerwehrkompanie des Kapitäns Frans Banning Cocq einzelne Schützen mit Waffen und Uniformen aus verschiedenen Zeiten des Aufstandes ab und hält so angesichts des sich ankündigenden Friedens einen Rückblick auf den 80 jährigen Krieg. Angesichts der sich verändernden Weltlage | |
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8. Govaert Flinck, Die Kompanie von Jan Huydecoper van Marseveen feiert den Westfälischen Frieden. Leinwand 165 × 513 cm. Signiert und datiert: Flinck 1648. Amsterdam, Amsterdams Historisch Museum.
wurde im selben Jahr, in dem Rembrandt die Nachtwache vollendete, der Antrag gestellt, die Übungsplätze hinter den Voet- und Handboogdoelen zu bebauen. Die Entscheidung wurde damals noch verschoben, der Plan wurde erst nach dem Westfälischen Frieden realisiert.Ga naar eind14. Der endlich erreichte Frieden triumphierte in Aufführungen, Festen, literarischen Werken und bleibend in der Bildsprache von zwei monumentalen Schützenbildern, die aus Anlaß des Westfälischen Friedens gemalt wurden, das eine von Bartholomeus van der Helst, das andere von Govaert Flinck (Abb.8).Ga naar eind15. In beiden Bildern, und den Gedichten, die auf sie gemacht wurden, wird die Bedeutung des Friedens betont, auf den die Handelsstadt Amsterdam - schon aus wirtschaftlichen Interessen - so großen Wert legte. Ich gehe hier nur auf das Gruppenporträt des Klever Künstlers ein. Govert Flinck wurde von Joan Huydecoper, Kapitän einer Bürgerwehrkompanie, beauftragt. Huydecoper gehörte zur jungen protestantischen Stadtaristokratie. Sein Vater hatte eine maßgebliche Rolle bei der Durchsetzung der Alteratie in Amsterdam (Ersetzung der katholischen Stadtregierung durch eine vorwiegend protestantische und der Teilnahme am Aufstand). Daher ließ Huydecoper ein Schützenporträt, in dem sein Vater nach der Alteratie 1578 als erster mit seiner Kompanie Wache hielt, in den Oude Saal der Voetboogdoelen umhängen und für den Platz daneben ließ er ein monumentales Schützenbild malen, wie er mit seiner Kompanie als erster in den Frieden zieht. So konnten die beiden Bilder Propaganda machen für das Geschlecht Huydecoper. In dem Gedicht von Jan Vos werden unter den Stichwort ‘Krieg und Frieden’ die Bedeutung der beiden Huydecopers analogisiert: So wie der Graf van Maarseveen (Huydecoper) als erster in den ewigen Frieden gezogen sei, so sei sein Vater als erster für den Staat in den Krieg ausgerückt. Vernunft und Tapferkeit, die Kraft der freien Städte, zögen es vor, nicht mehr die Kriegsuniform zu tragen, sondern stattdessen den alten Groll zu überwinden: | |
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Hier trekt van Maarseveen de eerst' in d'eeuwige vrede
Zoo trok zijn vaader d'eerst in't oorlog voor de Staat.
Vernuft en Dapperheid, de kracht der vrije steede
verwerpen 't oude wrok, in plaats van 't krijgsgewaadt
Zo waakt men aan het IJ na moorden en verwoesten.
De wijzen laten het zwaard wel rusten, maar niet roesten.Ga naar eind16.
Der Vater hatte also eine wichtige Rolle beim Aufstand, der Sohn beim Friedensschluß. Die Kapitäne und Leutnants der Kompanien, die sich aus Anlaß des Westfälischen Friedens mit ihren Schützenkompanien malen ließen und damit Propaganda für ihre Politik machten, entstammten der Stadtaristokratie. Sie machten Reklame für ihre Familien. So auch Huydecoper. Im Hintergrund ließ er sogar noch das neu erbaute Haus Huydecoper abbilden. Die Propaganda war nicht vergeblich. Beide Kapitäne, die sich 1648 hatten porträtieren lassen, wurden später Bürgermeister, sowohl Huydecoper als auch Cornelis Jansz. Witsen. Und auch dem Leutnant von Flincks Bild war dieser Erfolg zugedacht. Alle drei saßen einige Jahre später auch in der Kommission, die den Rathausbau und die Rathausausstattung bestimmten. Für die Gestaltung zogen sie den Klever Apelles heran, der nicht nur ein glänzender Porträtmaler wie v.d. Helst war, sondern auch ein großer Historienmaler. Als er seine beiden ersten Bilder für das Rathaus gemalt hatte, darunter das Salomobild, war man so zufrieden mit ihm, daß Künstler wie Rembrandt übergangen wurden und er den großen Auftrag bekam, 12 Monumentalgemälde für das Rathaus zu malen. 6 Jahre sollte er daran arbeiten. Doch er verstarb, lange bevor er sein Werk vollendet hatte. Hinterlassen hat er uns aber u.a. zwei monumentale Bilder für das Rathaus, darunter das Salomobild, ferner dessen an Kleve geschenkten Entwurf. Warum haben die Amsterdamer Aristokraten die ungewöhnliche Szene mit Salomo für das Ratzimmer malen lassen? Vermittelt die Szene uns außer dem Bild vom guten Regenten noch eine zweite Botschaft? Warum die Wahl von Salomo? Wie dachte Vondel, der die Amsterdamer Politik in Vierzeilern zusammenfaßte, über Salomo? Für welche Politik stand Salomo? Kehren wir noch einmal zu dem frühen Gedicht über Salomo zurück, das Vondel ins Holländische übertragen hatte. In der Einleitung dazu sagt er selbst in eigenen Worten: Der Poet beschreibt wunderbar in diesem Buch die Herrlichkeit von Salomo, dem Sohn Davids, während seiner weisen Regierung die Vorabbildung des wahren Salomo, des Friedensfürsten.Ga naar eind17. Salomo war im 17. Jahrhundert nicht nur ein Exempel für die weise Regierung, sondern - was in der Forschung bislang übersehen wurde - auch für den Friedensfürsten, Typus des wahren Friedensfürsten. Schon im Alten Testament galt er nämlich als der große Friedensfürst, was in seinem Namen zum Ausdruck kommt. Wir nennen ihn heute Salomo oder Salomo (weil die griechische Bibelübersetzung seinen Namen so transkribiert hat). Im Hebräischen steht jedoch Schelomo. Vom hebräischen Schalom (Friede) ist sein Namen hergeleitet. Er ist der Friedensfürst. Salomo führte im Gegensatz zu David keine Kriege. Militärisch war er defensiv eingestellt. Er bewahrte den durch David erreichten Frieden. Die Charakteristik seiner Wirksamkeit als Friedenserhalter war im 17. Jahrhundert Allgemeingut. Wir finden sie nicht nur bei Vondel. | |
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Auch die Staatenbibel charakterisiert Salomo in der Zusammenfassung, die sie dem I. Buch der Könige voranstellt, als einen König, in dessen Land Frieden herrschte: Es heißt dort: ‘Salomo wurde gesegnet mit Weisheit, Reichtum, Ehre und in seinem Land mit Friede, Reichtum und Überfluß an allen Dingen.’Ga naar eind18. Salomo ist nicht nur abgebildet als Vorbild für ein weise Stadtverwaltung, die gut Recht spricht. Er ist auch der Friedefürst, der durch eine weise Regierung Friede erhält und damit all das ermöglicht, was eine Handelsstadt zur Blüte benötigt: Reichtum, Überfluß, Ehre, internationale Beziehungen, Weltgeltung. Salomo war geradezu die Verkörperung der Friedfertigkeit Amsterdams. In einem bisher nicht beachteten Gedicht über Flincks Gemälde, das Petra Jeroense in ihrer Doktoraalschrift über Govaert Flinck veröffentlichte, wird auf diese programmatische Doppelfunktion hingewiesen.Ga naar eind19. Es stammt von Gerard Brandt, einem remonstrantischen Dichter und angehenden Pastoren. Er löst in seinem Gedicht die Anspielungen, die für den gebildeten Betrachter schon in der Wahl der Hauptperson präsent waren, auch für den minder Gebildeten auf und macht auch dem heutigen Betrachter deutlich, warum gerade die Gestalt Salomos diese Doppelfunktion erfüllen konnte: Vorbild für eine gute Regierung nach außen und nach innen zu sein als Friedensfürst und weiser Regent. De groote vredevorst van Salem, Salomon,
Verkreeg meer wijsheit als de werelt vaten kon,
Maar niet als door 't gebedt. Laat d'overheit dan leeren
Van wie de Wijsheit komt om Staaten te regeeren.Ga naar eind20.
Daher stellen Simson und David im ursprünglichen Programm des Amsterdamer Rathauses die Helden dar, die im Aufstand das neue Israel von den Philistern befreiten. Salomo ist dagegen der Friedensfürst, der den Frieden bewahrt und gut regiert. Das ist die zweite Botschaft des Bildes. Wenn Govaert Flinck die Skizze dieses Bildes Kleve schenkte, dann wünschte er seiner Geburtsstadt nicht nur eine gute Regierung, sondern endlich auch Friede, ein Wunsch, der erst spät besiegelt wurde. Die Amsterdamer Ratsherren haben Salomo aber auch noch aus einem dritten Grunde als zentrale Figur ausgewählt. Salomo erbaute nach der Erscheinung in Gideon den Tempel von Jerusalem. Vondel plaziert aber die Erscheinung Gottes, in dem ihm Weisheit, Ehre, Reichtum und ein langes Leben zugesagt werden, im Programmgedicht in den Tempel.Ga naar eind21. Daher benutzt Flinck für sein Gemälde als Anregung nicht nur Holbeins Holzschnitt des Gebetes um Weisheit, sondern auch der Einweihung des Tempels, um so auf beide Ereignisse anzuspielen. Die Rekonstruktion des Tempels von Jerusalem mit seinem Programm - das eine Harmonie der Welt erstrebte - war neben Vitruvs Beschreibungen des Forums die Grundlagen für das Amsterdamer Rathaus.Ga naar eind22. In diesem neuen Tempel Salomos sollte die Weisheit den Herrschenden geschenkt werden, wie sie dem Friedensfürsten Salomo gegeben wurde, so daß Amsterdam blühe wie Israel unter Salomo. Vielleicht mag dieser Hinweis bewußt machen, daß das Programm des Rathauses kein allgemeingültiges nationales ist, sondern sich sehr deutlich auf die spezifische Amsterdamer Situation bezieht. Noch eine Schlußbemerkung: der bedeutende aus Kleve stammende Maler | |
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Govaert Flinck hatte angesehene Amsterdamer Aristokraten als Mäzene und propagierte mit seinen Werken die Rolle Amsterdams und dessen Aristokraten. Auch der Dichter Joost van Vondel, dessen Gedanken er ins Bild umsetzte, war kein geborener Amsterdamer. Seine Familie stammte aus Antwerpen, war wegen des menonitischen Glaubens nach Köln geflüchtet. Dort wurde Vondel 1587 geboren. In den neunziger Jahren wurde es auch dort zu gefährlich und die Familie zog schließlich nach Amsterdam. Dort brachte er die Geschichte Amsterdams in kritischen und in lobpreisenden Worten wie kein anderer in Worte. Er konvertierte später zum katholischen Glauben. Ein nach Köln emigrierter Antwerpener (Vondel), ein geborener Leidener (Rembrandt) und ein geborener Klever (Flinck) haben die Geschichte Amsterdams, ihr Friedensstreben, in den besprochenen Bildern überzeugend abgebildet. Städtische Identität wurde schon damals in einer multikulturellen Gesellschaft nicht durch einheimische Kräfte allein ausgedrückt. Im Gegenteil: Amsterdam verdankte seine Größe dieser Weltoffenheit. Wenn jetzt 350 Jahre Niederlande in Europa gefeiert wird, dann ist dies auch ein Bekenntnis zu dem intellektuellen und künstlerischen Austausch, der das 17. Jahrhundert, ein Jahrhundert von Krieg und Frieden, zum Goldenen Zeitalter machte. |
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