Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 80
(1964)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Auteursrechtelijk beschermd
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Zu G. de Smet, J. van Mierlo en het Veldekeprobleem
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zurückweichend, um dann, bereichert um die Argumente seines Gegenüber, die er anders verwendet, nur umso kräftiger, oft auch übertreibend, seine Grundposition zu verteidigen. Es ist eine Tragik, daß dieser Literarhistoriker von Rang manchen Seiten der Grundlagenforschung seines Faches so wenig Bedeutung beimaß, wie De Smet mehrfach bemerken muß, so etwa der Textkritik und der historischen Sprachgeographie. So wurde im wissenschaftlichen Streitgespräch gelegentlich aneinander vorbei geredet oder v. Mierlo gab sich gar Blößen, die man heute am besten schweigend übergeht.
De Smet behandelt nacheinander v. Mierlos Äußerungen zu Veldekes Herkunft und Stand, zur Chronologie seiner Werke, zu Veldekes Verhältnis zur rheinischen Literaturtradition (Eilhart und Alexander), zur Vorgeschichte von Veldekes Kunst, zur Herkunft seiner Verskunst und epischen Sprache, nimmt knapp Stellung zu Vertretern gegenteiliger Ansichten, oft mit eigenen Argumenten, und weist anschließend auf immer noch offene Fragen. De Smet erkennt als Grundanliegen aller Veldekestudien v. Mierlos, Veldekes Kunst als Bestandteil einer eigenständigen niederländischen Literatur- und Kulturentwicklung zu erklären, wobei sein Begriff des ‘Niederländischen’ sich erst langsam, und nie ganz, im Laufe wissenschaftlicher Streitgespräche von den Vorstellungen moderner Grenzziehungen gelöst hat. Für ihn gibt es literarische und kulturelle Strömungen, sofern er sie überhaupt zugibt, nur von West nach Ost, nicht von Ost nach West. Mußte er schon Flandern als Ausgangspunkt für Veldekes Kunst allmählich aufgeben, so weicht er doch nur zurück bis nach Lüttich. Die nicht nur benachbarte, sondern in vielem übergreifende Kölner Kirchenprovinz bleibt außerhalb des Blickfeldes. De Smets Studie über uferstan, Beitr. 82 Sonderband (Halle 1961), 175 ff., zeigt an einem Einzelbeispiel, wie sehr dadurch Wesentliches übersehen werden konnte. Es bleibt der Forschung nach De Smet vorbehalten, der Geschichte des zweisprachigen Fürstbistums Lüttich noch manche Einzelzüge abzugewinnen, die das Bild der Kulturströmungen in den niederlothringischen Landen abzurunden vermögen. Auf das reichstreue Kulturdreieck Aachen, Lüttich, Maastricht im 12. Jahrhundert ist jetzt erneut ausdrücklich gewiesen in der historischen Skizze von Jean Lejeune, Land ohne Grenze. | |
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Aachen / Lüttich / Maastricht, Brüssel 1958. In der niederländischen Literaturgeschichte folgt jedenfalls die flämisch-brabantische Hochblüte der Literatur einer limburgischen Frühblüte. Das Schwergewicht hat sich landschaftlich verlagert. Veldekes Herkunft und Stand werden für uns, wenn nicht Dokumente von außen hinzutreten, immer im Dunkeln und v. Mierlos Hypothesen damit unbewiesen bleiben. Aber über des Dichters Bildungsgrad wird man bei fortschreitenden Einzelstudien mit der Zeit klarer sehen. Als ein Beispiel führ ich nur die Namen der Eneide an, zu der uns E. Mager ein kritisches Namenverzeichnis anlegte, dem ich folgende Einzelheiten entnehme. Die meisten von den über 150 Namen stimmen zum Roman d'Eneas, Veldekes Quelle. Es bleibt ein kleiner Rest, von denen, sofern es nicht biblische Namen, deutsche Orts- und Personennamen oder die Namen der berühmten Heldenschwerter der Epik sind, einer zu Vergil stimmt, Antenor. Alexander als Beiname des Paris kennen wir aus Dares Phrygius und Dictys Cretensis, dorther, auch aus Statius und dem Roman de Troie, Licomide. Athamas kommt im Vergilkommentar des ServiusGa naar voetnoot2) vor, aber nicht als Trojaner, sondern als rex Thebanorum, auch bei Ovid und Statius gehört er nach Theben. Calabre und die Veneciane stehen gleichfalls bei Servius, dort aber helfen die Einwohner Venedigs Aeneas, nicht Turnus wie bei Veldeke. Alles in allem sind es etwas dunkle Zuflüsse, die uns in den Umkreis der Quellen des klassischen Dreigestirns der anglonormannischen Romane um Theben, Troja und Eneas führen. Sie sind aber kaum selbst benutzt. Also Reminiszenzen aus der Schullektüre? Das Verhältnis von Eneide und Straßburger Alexander hatte v. Mierlo im Einklang mit seiner Grundposition dahin bestimmen wollen, daß der Alexander unter dem Einfluß der höfischen Diktion der Eneide aus einer älteren Fassung umgearbeitet sei, während van Dam und Teusink dem Alexander und damit der rheinischen Literatursprache die Priorität zusprachen. Da das Abwägen von Parallelstellen gegeneinander allein nicht weiter gebracht hat, auch bei methodischem Einbezug des Basler Alexander und französischer Fassungen, ist es | |
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De Smet zu danken, daß er den Blick auf sprachliche Argumente lenkt. Er spricht aus, was auch uns ständig bei der Arbeit begegnete. Gerade in den Parallelen zwischen Eneide und Alexander häuft sich der östlichdeutsche Wortschatz, was für Entlehnungsrichtung von Osten nach Westen spricht. stucke der ausgesprochen mndl. Bedeutung ‘tempus’ scheint dem entgegenzustehen (De Smet Anm. 33). Aber E. Ulbricht vom Althochdeutschen Wörterbuch in Leipzig steuerte mir aus dem dortigen Material einen Beleg aus den Monseer Glossen bei Gl 1, 748, 55-58, wo fünf Handschriften des 10.-12. Jh. aus Tegernsee, Wien und Göttweig ad tempus ‘eine Zeitlang’ der Acta Apostolorum 19, 22 mit zi einemo stuche glossieren, eine sechste, der Cim 22201, eine Windberger Hs., mit zienī zite. Man sieht, wie vorsichtig man sein muß. Aber jedes abschließende Urteil wäre verfrüht, ehe nicht sämtliche Übereinstimmungen, so weit möglich, sprachlandschaftlich festgelegt sind, wobei sorgsam geschieden werden muß, wie weit natürlich gewachsene, verschieden weit reichende Wortschatzverbände vorliegen, und in welchen Fällen man von literarischer Entlehnung sprechen darf oder muß. Mit Wortschatzuntersuchungen stehen wir noch am Anfang. Außerdem brauchten wir ein vergleichendes Wörterbuch der epischen Sprache der mittelniederländisch-westmitteldeutschen (‘rheinischen’) Literatur. Ein Anfang dazu bei Maud Bülbring, Zur Vorgeschichte der mittelniederländischen Epik. Eine vergleichende Untersuchung der Kampfformeln, Bonn 1930. V. Mierlos Alexanderthese wurde jetzt erneut von C. Minis aufgegriffenGa naar voetnoot3). Außer dem Basler Alexander zieht auch er nun sprachliche Erscheinungen heran. Alex. S soll z.B. seinen rd: rt - Reim 1731 erden: swerten aus der Eneide haben. Aber auch dort ist der Reimtyp selten. Hat der Alex. S nur zwei Belege, so die Eneide bei doppeltem Umfang sogar nur drei, vgl. Veldeke XIIGa naar voetnoot4) S. 115 f. Nimmt man mit J. KuhntGa naar voetnoot5) S. 88 für den Alexander noch die beiden geburte: wurde hinzu, da bei werden kaum mehr mit gram- | |
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matischem Wechsel zu rechnen ist, so käme rd: rt sogar schon Lamprecht zu. Im allgemeinen allerdings ist im Rheinfränkischen die Lautverschiebung durchgeführt, aber den Reimtyp erde: swerte kennt vereinzelt z.B. auch Herbort. Um die wirklich um Veldeke bezeugte Literaturprovinz, wie sie Sente ServasGa naar voetnoot6) S. VII ff. knapp skizziert ist und zu der nun De Smet noch den ältesten limburgischen Vers von 1130 stellt, hat sich v. Mierlo leider nie gemüht. So mußte er auch zu schiefen Urteilen über die Vorgeschichte und Bedeutung von Veldekes Vers- und Reimkunst kommen. De Smet betont mit Recht, was dann Minis in seinem oben genannten Vortrag noch breiter begründet, daß das Lob der deutschen Dichterkollegen in erster Linie dem Inhalt und den glänzenden Beschreibungspartien in Veldekes Werk gilt, weniger der an gleichzeitigen deutschen Beispielen gemessen noch immer nicht vollkommenen Reimund Verstechnik. Wir erwarten mit Spannung die von De Smet angekündigte Neuausgabe des limburgischen Trierer Floyris wie seine Studie über die Fremdwörter der Denkmäler der limburgischen Literaturprovinz. Man sollte ruhig sehr verschiedene Wege gehen, um ein gleiches Ziel zu erreichen. Abweichende Ergebnisse fordern dann zu erneuter Überprüfung des gewählten Weges heraus. V. Mierlo strebte Gleichem zu wie wir. Trotz Mißverständnissen kann De Smet S. 16 sprechen von ‘geleerden, die...in zekere zin dicht bij elkaar stonden’. Und wir haben das Gefühl, wenn v. Mierlo unsere kritische Ausgabe des Eneas-RomansGa naar voetnoot7) noch erlebt hätte, die wir 1964 der Öffentlichkeit vorlegen werden, hätte er unsern Bemühungen, nach Minneliedern und Servatiuslegende auch den höfischen Ritterroman trotz seiner östlichen Geschicke fest in Veldekes limburgischer Heimat anzusiedeln, sein Wohlwollen nicht ganz entziehen können.
Leipzig und Berlin, Januar 1964. Gabriele Schieb |
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