Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 17
(1898)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdEine Bemerkung ueber nooit.Dr. Van Veerdeghem hat jetzt in Bulletins de l'Acad. roy. de Belgique 3e sér. t. XXXIV no. 12, pp. 1055-1086 von seinem schönen fund auf der Kopenhagener bibliothek mitteilung gemacht und einige proben aus der wiederentdeckten lebensbeschreibung der heil. Lutgardis von Willem van Afflighem gegeben. Wir sehn daraus dass wir an dem gedicht ein in mancher hinsicht interessantes und wichtiges werk zurück gewonnen haben. Schon durch seinen versbau unterscheidet es sich von den anderen mnl. gedichten wesentlich und wird durch die regelmässigkeit desselben voraussichtlich auch allerlei schlüsse auf sprachliche dinge gestatten. Der vers besteht unabänderlich aus 4 hebungen mit stumpfem oder klingendem ausgang und je einer senkungssilbe zwischen den hebungen sowie vor der ersten hebung. Er schliesst sich also dem in der späteren mittelhochdeutschen kunstdichtung gebräuchlichen vers an. Zwei silben können in der senkung nur stehn, wenn sie sich in der | |
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aussprache leicht auf eine bringen lassen. Jedesfalls sind es fälle der allerleichtesten art zweisilbiger senkungen. Dagegen fehlt auch anderseits die senkung nie. In den mitgeteilten 500 versen kommen nur folgende ausnahmen vor. A 170 dat és verlóren árbéit. Man könnte hier wohl an eine form arebeit oder arrebeit denken. Doch ist wahrscheinlich die freiheit einzuräumen, die auch die mhd. dichter, welche zuerst die senkungen regelmässig ausfüllen, noch weiter führen: die senkung zwischen zwei hebungen kann fehlen, wenn die zweite hebung auf einer stärker betonten nebensilbe desselben wortes liegt, das die erste der beiden hebungen trägt. B 72 gepáijt hílt mar hár gevóch; ob auch dieser fall als weiterbestehnde freiheit anzusehn, oder gepáijet zu schreiben ist, möchte ich vorläufig nicht entscheiden. B 26 quam tote hir neder droeghen fehlt offenbar har hinter tote. Ausserdem sind folgende 3 fälle zu nennen: B 29 daer nóit dáges ín ne gínc, C 41 met sélker plagen óit sént, C 74 heft óit síder méest geclaget. Hieraus dürfte mit sicherheit hervorgehn dass der dichter für oit und noit zweisilbige formen gebrauchte, und ich bezweifle nicht dass die anderen teile seines werkes die beobachtung bestätigen werden. Welches waren nun diese formen? Nach gepaijt für gepaijet könnte man wohl an oiet, noiet denken. Aber bei der sorgsamen und genauen art der abschrift, die wir offenbar in dem codex haben, bezweifle ich dass eine form der vorlagen mehr als zufällig einmal geändert sein könnte. Derselbe einwand wäre betreffs einer form oite zu erheben, die ich mir Rb. 14568 var., angemerkt habe. Dann bleibt nichts übrig als oit, noit in sich für zweisilbig anzusehn, als ô-it, nô-it. Dem verzweifelten wort gegenüber, an dem sich sicher schon mancher grammatiker den kopf zerbrochen hat, ohne dass bis jetzt meines wissens auch nur ein nennenswerter versuch der etymologisierung öffentlich gemacht wäreGa naar voetnoot1), ist auch diese | |
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beobachtung vielleicht nicht belanglos. Ist sie richtig, so scheinen mir von lautlicher seite nur zwei möglichkeiten denkbar: entweder stand zwischen o und dem folgenden ursprünglich ein h, oder das o ist ein selbständiges wort gewesen. Für den zweiten teil eines ô-it wird man natürlich sofort an iet denken, dessen zwei formen iewet und iewent auch die doppelformigkeit oit und oint erklären würden. Allerdings scheinen sich, soweit wir belege haben, die formen mit n, oint und iewent, geographisch nicht zu decken. Dass iet in unbetonter silbe zu it geworden sein würde ist zweifellos. Für ein wort ô wüste ich nur den idg. pronominalst. au̯o ‘jener, der dort’ der im Arischen und Slavischen belegt ist (vgl. Fick, Vgl. Wörterb.4 1, 170; Brugmann, Grundriss 2, 769; lat. ōlim gehört allerdings wohl nicht dazu; vgl. Solmsen, Zur lat. lautgeschichte 92 f. und den dort angeführten aufsatz von Rozwadowski) geltend zu machen. In den meisten slav. sprachen ist er noch lebendig und wird hauptsächlich als gegensatz zum begriff ‘dieser’ gebraucht. Demnach könnte ein *au aiw wiht in einer altgerm. sprache im sinne von ‘zu jener zeit etwa, früher etwa’ bestanden haben, das später zu ô êo wiht geworden wäre und sich dann zusammengezogen hätte. Ich erinnere daran dass nach Mnl. Wdb. 3, 801 f. auch iet aus êo wiht in der bedeutung ‘jemals, je’ vorzukommen scheint. Natürlich ist es bei dieser hypothese bedenklich dass der pronominalstamm avo im Germ. sonst nirgends nachgewiesen ist, auch keine verbindung von aiw mit einem anderen pronominalstamm, der art wie himma daga, hî naht u.s.w. Aber das nl. adverbium scheint nun einmal ganz vereinzelt bleiben zu sollen, und einem so verzweifelten fall gegenüber möge man auch eine gewaltsamere hypothese verzeihen, die doch wenigstens die lautlichen möglichkeiten nicht ausser acht lässt.
Bonn, februar 1898. j. franck. |
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