Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 15
(1896)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Heden.Über das nl. zeitadverbium heden hat zuletzt Dr. J.H. Kern, Limb. Sermoenen s. 30 aus anlass der limb. form hiden gesprochen. Er lehnt Cosijns annahme, dass heden durch eine mittelform *hieden (mit ie aus früherem iu) mit mnl. huden und hd. heute etymologisch vereinigt werden könne, ab und erklärt die entstehung von limb. hiden, nl. heden für unklar. Er scheint es nicht für nötig gehalten zu haben mein Etym. Woordenb. nachzuschlagen, oder wenigstens nicht, die dort ausgesprochene beurteilung von heden zu berücksichtigen, die, obwohl sie weder ganz neu noch abschliessend ist, doch allein geeignet sein dürfte, eine richtige auffassung des wortes in die wege zu leiten. Berechtigt ist es, wenn Kern die von Cosijn vor fast 20 jahren, N. en Z. 1, 219 ff., befürwortete identifizierung von heden und hûden (d.i. lautlich hü̂den) zurückweist. Hätten wir es noch mit einem *hêden, d.h. einem wort, dessen vocal ursprünglich lang war, zu thun, so wäre zwar für mich die vergleichung ebenso unglaublich, ich will aber zugestehn, dass sie sich dann immerhin mit einem schein von berechtigung in frage ziehen lasse. Indessen hat heden, wie auch Cosijn selbst annimmt, ganz sicher nur gedehnten vocal. Das beweist die stete schreibung des wortes seit der mnl. zeit mit einfachem e, das beweisen die mnl. reime (zb. Rein. I 3460 heden: vriheden, Alex. 1, 1154 heden: leden, Sp. h. 11, 38, 64 heden: Zweden, Lksp. 2, 50, 12 heden: seden; vgl. dazu Zs. f. deutsches altertum 25, 30 ff. und Muller Tijdschr. 7, 9), das beweist ohne zweifel auch die heutige aussprache, soweit heden als volkswort noch in mundarten vorkommt, die zachtlang und scherplang e genügend unterscheiden: zb. westfl. hedent De Bo-Samyn s. 393. Das e in heden geht also auf einen früheren kurzen vocal zurück, und zwar, wie limb. hiden darthut, auf kurzes i. Wir dürfen es nun mit | |
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aller bestimmtheit als eine bare unmöglichkeit bezeichnen, dass ein früheres iu in einer wurzelsilbe irgendwo, oder unter irgend welchen umständen zu ĭ habe werden können: eine annahme, die auch nicht mit dem schein einer analogie zu belegen wäre. Weiter aber ist neben westgerm. *hiu dagu aus (instrumentalem) *hijô dagôGa naar voetnoot1), as. hindag (accus.), got. himma daga (dat.) und hina dag (accus.) gar keine bildung aus den beiden gleichen elementen, nämlich dem pronominalst. hi- und dag abzusehen, aus der ein nl. *hid-n hervorgehn könnte; denn das hĭ- müste ein casus des pronominalstamms sein, und ein solcher ist meines wissens in dieser form, oder in einer form, die lautlich zu hĭ werden könnte, undenkbar. Also müssen wir schliessen, dass heden mit hûden nicht identisch ist, dass sich beide etymologisch überhaupt nicht so nahe stehn, und dass wir uns vielleicht durch eine zufällige ähnlichkeit, wie sie in der sprache vorkommen, zu einer voreingenommen- | |
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heit haben verleiten lassen, die der richtigen auffassung im wege steht. Cosijn hat in seiner untersuchung nachgewiesen, dass heden im Mnl. häufig genug den eigentlichen begriff ‘heute’ nicht enthält, sondern einen zeitlich viel enger begrenzten. Obwohl uns diese beobachtung, wie ich hier gleich vorausschicken will, in unserer eigentlichen frage nach der herkunft des wortes kaum fördern dürfte, wird es doch nicht ohne nutzen sein, eine anzahl beispiele etwas näher daraufhin anzusehen. Schon in sehr vielen fällen, wo wir allerdings auch ‘heute’ übersetzen können, passt der zeitlich engere begriff ebenso gut, oder besser. Zb. im Rein., wo Fierapeel im auftrag des königs, um Isegrim und Brun zu versöhnen, ihnen allerlei vergünstigungen anbietet und sagt (vs. 3454) dese grote vriheden
wille u die coninc gheven heden.
Wir könnten übersetzen ‘jetzt’, oder noch besser ‘von nun an, für die zukunft.’ König Lioen hat seinen kaplan aufgefordert, Reinaert, den pilgrim, einzusegnen; Bellijn macht umstände; der könig wird zornig und spricht (2972 ff.) ..... in acht weken
sone wanic u bidden so vele.
ooc haddic liever, dat uwe kele
hinghe, dan ic u heden bat.
‘ich denke nicht daran, Euch ein ganzes jahr lang so viel gute worte zu geben [wie Ihr es mir nötig machen wollt]; ich habe Euch auch jetzt schon zu viel gebeten, ich hätte Euch lieber hängen lassen sollen.’ Rein. II 6670 sulc heeft hier ... gheweest heden, dh. ‘soeben.’ Das noch heden Rein. I 625 gibt die lat. übersetzung, vs. 265, mit brevi, Rein. 634 mit jam (vs. 270), Rein. 1817 allerdings mit hac luce (vs. 834) wieder. Wenn heden unzweifelhaft im sinne von ‘heute’ gebraucht | |
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wird, wie zb. Troyen 5973, ebenso hedenmeer 5982, so steht es vielleicht häufiger, als allein, mit verdeutlichenden zusätzen. Zu diesem zwecke werden gebraucht 1. der genit. daghes ohne artikel, 2. derselbe mit artikel, 3. der dat. mit artikel, 4. der accus. mit artikel, 5. praepositionale zeitbestimmungen (no. 1-5 auf heden folgend), 6. accus. mit artikel, 7. praepositionale zeitbestimmungen (6 und 7 heden vorangehnd), 8. bestimmungen mit denen heden vermittels van verbunden wirdGa naar voetnoot1). Auch die form huden begegnet jedoch in derselben verstärkten ausdrucksweise, und auch das entsprechende deutsche zeitadverb mit denselben pleonastischen zusätzen: Otfrid dages hiutu; mhd. hiute disen tac, hiute an disem tage, unz hiute an disen tac, hiute des tages, woraus hiutes tagesGa naar voetnoot2), an dem tage hiute; mnd. huden van dage, hudes dages, hude to dage, huden dach (aus hude den dach). Ferner haben wir ja an franz. aujourdhui eine bekannte parallele, mit dem die mnl. ausdrücke, wie op den dach van heden, sicher nicht zufällig ganz genau überein- | |
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stimmen. Immerhin scheinen grade bei heden diese verbindungen ganz besonders häufig zu sein, und darin könnte man vielleicht ein anzeichen erblicken wollen, dass dies adverb ursprünglich nicht gradezu ‘an diesem tage’ bedeutet habe. Besonders aber in den verbindungen hedeneer und hedenmeer, welche die zeit vor und nach einem bestimmten zeitpunkt des gesprächs bezeichnen, tritt der begriff ‘heute’ oft genug ganz zurück, oder ist gradezu unmöglich. Im beginn des Walewein fordert der König seine ritter auf, das merkwürdige schachspiel zu gewinnen (67 ff.). In unmittelbarem bezug auf den ausgesprochenen wunsch sagt Walewein (113 ff.). ... coninc Artur here
die worde die ghi heden ere
seid ......
Ebenso in K. ende E. 848 ff. Elegast will einen sattel holen, den der dichter als besonders kostbar schildert (853 ff.); 867 f. sagt der dichter Elegast quam ten ghereide,
daer ic heden eer of seide.
und dann bringt Elegast den glücklich gestohlenen sattel mit den worten (947) gheselle ..... dits tghereide,
daer ic heden eer of seide.
Der Karlmeinet lässt an der ersten stelle heden, an der andern das ganze hedeneer weg. Im Seghelijn ferner besiegt der held einen gegner, geht unmittelbar darauf mit in dessen schloss, lässt sich bewirten und bietet als zahlung sulc payment .... als ic u gaf heden ere.
dh. eben solche schläge, wie ich sie Euch vorhin gegeben habe (6423 f.), und 6446 wird mit also wi heden eer spraken bezug auf etwas genommen, was etwa 200 verse vorher geschildert | |
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ist. Im Lancelot III 16838 gewährt der König Galyas eine bitte, und in der antwort darauf sagt G. 16873 ende sijt alder bede quite,
die gi gavet hedeneer.
Ähnlich deutliche beispiele gewähren noch Partonop. 5020 und Rose 5494. Wieder im Lanc., II 4126, bedeuten die worte in geve u verste hedemeer,
mit denen ein ritter seinem gegner den tod androht: ‘ich gebe Euch keinen augenblick länger frist’, und Moriaan 630 f. nu laet ons corten dese tale
het es hedemeer wel tijt
ist zu übersetzen ‘es ist nunmehr höchste zeit.’ Im Ferguut kämpft der held gegen einen ritter. Der letztere war aus dem sattel gehoben. steht wieder auf und zieht sein schwert. Ferg. sieht das, zieht gleichfalls vom leder und es heisst dann (1868) hedemeer wert die batalie
tusschen hen tween sterc ende groet.
Im selben gedicht sagt Lunette am frühen morgen zu ihrer dienerin nach einem gespräch laet ons opstaen hedenmeer
ende seggewi onse orisoen.
Lanc. II 39879 f. erteilt eine dame Walewein die erlaubnis, ihr schloss zu verlassen ...... ende hedemere
gevic u orlof te varne, here,
es ist aber die bedingung daran geknüpft, dass er am abend wieder zurück ist. Bezeichnend ist auch die verbindung lanc heden Hildeg. 184, 74 in van dat ic u vragede lanc heden, be- | |
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züglich auf den kurz vorangegangenen teil einer im gange befindlichen unterredung. Diesen thatsachen gegenüber ist aber mit recht betont worden, dass auch huden, welches doch zweifelsohne im grunde mit hd. heute dasselbe ist, also von hiu dagu ‘an diesem tage’ stammt, in denselben verbindungen mit gleicher bedeutung gebraucht wird. An einigen der besprochenen stellen haben andere handschriften huden, worüber Verdam im Mnl. Wrdb. auskunft gibt. Es ist also zuzugeben, dass huden im Gebrauch seine bedeutung verändert hat, dass aus dem begriff ‘was vor oder nach dem gegenwärtigen augenblick, aber noch innerhalb des laufenden tages liegt’ (wie M.L. I 72 daer ic huden meer aff zwighe, want vesper is over langhe gheluut) die beziehung auf den laufenden tag geschwunden ist, oder sich doch auf einen geringeren teil dieses zeitraums eingeschränkt hat. An der besprochenen stelle des Hildeg. hat die andere hs. langhe huden. Hier tritt also nicht nur die eigentliche Bedeutung von huden, sondern zugleich ja auch die von lanc, langhe zurückGa naar voetnoot1). ‘Lang’ ist freilich ein relativer begriff, und daher ist es möglich, dass mnl. over lanc steht, wo wir entweder das relative ‘über eine weile’, oder aber, wenn wir uns bestimmter ausdrücken wollen, eher ‘nach kurzem’, als ‘nach langem’ gebrauchen würden, zb. Rein. 3390 ff. die coninc .... sloech sijn hooft neder,
over lanc so hief hijt weder.
Aber mit der berufung auf die relativität des begriffes ‘lang’ kommen wir bei der phrase lanc heden nicht aus, sondern | |
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müssen, obwohl das bei einem so sprachlebendigen worte wie lang auffallend ist, ein zurücktreten der usuellen bedeutung vor der occasionellen (Paul Principien2 66 ff.), einen wirklichen bedeutungswandel annehmen. So auch in der synonymen verbindung lanc eer Belg. Mus. V 78, 74 und Ferg. 4145 ic sachne lanc eer te voet, dh. ‘soeben.’ Vs. 3638 steht im selben sinne, vielleicht allerdings nur vom schreiber, niet lanc eerGa naar voetnoot1). So ist auch in tjaermeerGa naar voetnoot2) die beziehung auf ‘jahr’ ge- | |
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schwunden, so dass es ‘in der nächsten zukunft, in zukunft, fortan, nunmehr’ bedeutet; ähnlich bei tavontmere, zb. Segh. 5213 als var. zu hudenmeer, wie auch tavont ‘heute, im gegensatz zu morgen’ bedeutet. Ausserdem hat man mit recht auf die parallelen franz. zeitausdrücke verwiesen: auch huimais, trotzdem es lat. hodie enthält, sich also mit hedenmeer, wenn heden ‘heute’ ist, vollkommen deckt, und andere composita von hui (s. Burguy2 II 266 ff.) haben die allgemeineren bedeutungen. | |
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Cosijn hat also vollkommen recht, wenn er sich durch die bedeutung von heden nicht bewegen lässt, von der möglichkeit, dass es mit huden identisch sei, abzusehen. Er hätte sich dabei auch auf das Alts. berufen können. In der schönen schilderung der hochzeit zu Kana werden dem wirte vorwürfe gemacht, dass er den besten wein zuletzt auftragen lasse mid thius scoldis thu us hindag er gebon endi gomean (Heliand 2064): also das in aller deutlichkeit ‘diesen tag’ bezeichnende wort in verbindung mit êr, und zwar sogar noch mit der betonung híndag èr, nicht hìndag ér, gerade so gebraucht wie mnl. heden eer. Trotzdem müssen uns die im eingang dargelegten lautlichen verhältnisse bestimmen, mit aller entschiedenheit die beiden wörter etymologisch voneinander zu trennen: heden muss schon im Altgerm. hĭ in der wzsilbe gehabt haben, hĭ als casus des stammes hi- besteht aber nicht. In der that enthält ja auch die annahme keine schwierigkeit, dass neben der bedeutungs-entwickelung vom bestimmteren zum unbestimmteren, wie in hindag er, in huden mere und in huimais, bei einem sonst gleichartigen ausdruck auch der umgekehrte vom weniger bestimmten zum schärfer begrenzten vorliege, dass huden meer und heden meer auf verschiedenen wegen auf denselben punkt gelangt seien. Ist aber ein casus von hi in composition mit einem nomen als etymon nicht möglich, so könnte doch unser gefühl für die zusammengehörigkeit von heden mit heute usw. vielleicht so weit richtig sein, als eine ableitung vom selben pronominalstamme in dem worte stecke. Auf diesem wege kommen wir in der that zu einem ergebnis. Cosijn hatte stark an an. heðan gedacht in ausdrücken, wie heðan frá, heðan ί frá ‘von nun an, fortan.’ Diese vergleichung würde jetzt um so näher liegen, als das nord. adverbium nicht, wie man früher annahm, langes e, sondern ein kurzes, aus älterem i hervorgegangenes hat (Sievers, Beitr. 16, 241 ff., Noreen, Altn. Gr. I2 § 142 anm.). Es ist eine paral- | |
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lelbildung zu hwaðan ‘von wo’, paðan ‘von da’, vom st. hi, und in der that würde ihm lautlich mnl. *hēden entsprechen. Aber wenn diese auffassung schon das bedenken hat, dass die bildungen von pronominalstämmen mit suffix -ðan nur im Nord. belegt sind, so wird sie weiter auch wieder durch ein lautliches moment unmöglich gemacht. Aus der besprechung von Kern aao. geht nämlich hervor, dass die grundform nicht *hiðan sein kann, weil bei einem a in der nebensilbe limb. nur heden zu erwarten wäre, während thatsächlich, öfter als dieses, hiden geschrieben wird. Weniger überzeugend ist Kern's ansicht, dass auch bei einem u in der nebensilbe nur e in der wzsilbe berechtigt sei, i nur bei folgendem i oder j vorkommen könne. Die sache ist bei dem vorliegenden material und dem schwanken zwischen i- und e-formen schwer zu beurteilen. Aber das natürliche scheint mir doch, dass in dem festen e eine wirkung des a zu erkennen sei, i also nicht nur bei i, sondern auch bei u bleiben könne, und in der that steht bei Kern's beispielen auch versikeren, versiekeren, wo wir nur auf sicurôn (nicht auf *sicurjan) zurückgehn könnenGa naar voetnoot1). Wäre Kern's ansicht richtig, so würden wir für heden auf eine grundform *hidin geführt; ich wüste aber nicht, was für eine bildung das sein könnte. Meiner ansicht nach ist auch eine grundform mit folgenden u möglich, und eine solche bietet sich uns auch in dem ahd. und afränk. hitumum dar. Die älteste form dieses adverbs ist Ahd. Glossen II 148, 24 in der verbindung danne hitumum zur übersetzung von demum belegt; ferner sind belegt hitamum in derselben bedeut., hitamun für demum, tandem, do hitamun für tunc demum, in zusammenhängendem text nur bei Notker do hitemon: zb. unde do hitemon geloubtun sie sinen uuortun; das Lat. hat nur et crediderunt verbis eius. Die vorliegende bedeut. ist also ‘(dann) erst.’ Da die glossen, welche | |
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die form hitumum bieten, auch sonst das auslaut. flexivische m durchaus bewahren, kann es keinem zweifel unterliegen, dass dies die ältere form, die mit schliessendem n aber durch die bekannte veränderung aus ihr hervorgegangen ist. Mit Scherer zur Gesch. d.d. Spr.2 594 ist also das wort zu den adverbien in der form des instr. plur. zu rechnen. Weitere beispiele dieser art mit zeitlicher bedeut. sind: von adjectiven oder partikeln gebildet: ahd. simblum, as. simblon, sinnon ‘immer’, an. driugum ‘häufig’, fornum ‘einst’, löngum ‘lange’ mhd. langen, mnl. dicken ‘oft’; von substantiven: mnd. vaken, nnl. vaak ‘oft’, ahd. hwîlôm ags. hvîlum, mnl. wilen ‘einst, zuweilen’, ags. pragum ‘aliquamdiu’, an. stundum ‘zuweilen’, tîðum ‘oft’, nóttum ‘nachts’, mhd. nehten ‘gestern abend.’ Andere beispiele s. Grimm Gr. 3, 94 f., 774; dazu Scherer a.a.o. Weiter ist nicht zu zweifeln, dass, wie auch Scherer annimmt, dieser casus hidumum zu einem superlativ des pronominalstamms hi gehört. Es ist also eine bildung, wie got. *hinduma in hindumist, ags. hindema ‘der hinterste, letzte’ (Brugm. Grndr. II 164). Hitumum verhält sich zu hitamun in bezug auf den mittelvocal, wie got. miduma zu ahd. metamo, got. *midjuma zu ahd. mittamo (Brugm. a.a.o. 157). Das germ. hidum- stimmt also zu lat. citumus, citimus ‘sehr nahe, zunächst befindlich’, superlativ zu citer ‘diesseitig, hierherzu liegend’, citerior ‘näher; eher.’ Auf grund dieser vergleichung können wir dem germ. adv. einen begriff wie ‘zunächst, nächstens, ehestens, jüngstens, fortan’ zuerkennen. Wie mit hitumum, so wird im Ahd. thanne auch mit az iungist verbunden. Nächstens, welches formell nächsten, dh. auch ein adverb in der form des dat. plur. von einem superlativ voraussetzt, also in der bildung mit hidumum übereinstimmt, geht aber ursprünglich nicht nur auf die nächstfolgende, sondern auch auf die nächstvorangegangene zeit; s. das Deutsche Wörterbuch; so bedeutet auch das entspr. mnl. naesten ‘onlangs’, s. Verdam Ferg. glossar. Der etymologie nach muss hidumum aber auch wohl die zwischen der näheren vergangenheit und zukunft eingeschlossene zeit mit | |
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bezeichnen können, also etwa dem begriff ‘jetzt’ entsprechen. In den ahd. belegen ist das wort auf die vergangenheit angewendet, dh. auf die in der erzählung als gegenwart vorgestellte vergangenheit; vgl. erzählendes jetzt, nun, hier usw. Ursprünglich muss es aber auf die gegenwart des sprechenden selbst gegangen sein. Es dürfte nun nicht schwer sein, zu erweisen dass ein solches wort zu mnl. hēden ‘heute’ werden konnteGa naar voetnoot1). Was die lautliche seite betrifft, so konnte ein etymologisch isoliertes hidumum, welches häufig unter geringerem satzton gebraucht wurde, kaum etwas anderes als hēden ergeben. Ob mhd. nen für nemen, kon für komen verglichen werden können, wage ich nicht zu behaupten. Insofern als eine verkürzung der beiden mittelsilben vorliegt, dürften die verbindungen wie wunderschön aus früherem wunderen, wundrum angeführt werden; ganz entsprechend ist aber Luxemburg aus Lutzelenburg und ebenso, mit verlust eines m, wie in heden, Ottersheim aus Utemaresheim (Förstemann 2, 1429). Ganz parallel ist nwestfäl. teoken wieke ‘nächste woche’ aus tôcomene für tôcomende weke (Jellinghaus Westf. Gr. § 150), und als eine weitere parallele dürfen wir das adv. midden nhd. mitten in anspruch nehmen. Wenn auch gegen Wackernagels annahme (vgl. Müller-Zarncke II 1976., Deutsch. Wb. 6, 2415) zu bedenken ist, ob nicht verschiedene ausdrücke in mitten aufgegangen sind, so kann es doch keinem zweifel unterliegen, dass es auch, und wohl hauptsächlich, ahd. in mittemin fortsetzt. Damit dürfte der lautliche beweis gesichert sein. Und auch von seiten der bedeutung dürfte die annahme keine schwierigkeit machen, dass ein adverb, welches vom gesichtspunct des gegenwärtigen augenblicks die nächstliegende zeit meint zu einem wort für ‘heute’ wer- | |
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den kann. Wir hätten dann das umgekehrte von dem, was wir oben bei den wörten für ‘heute’ gesehen haben, nämlich eine entwickelung der enger umschriebenen bedeutung aus der allgemeineren. Und das ist ja das gewöhnliche in der sprache. Eine beschränkung liegt auch vor in mhd. tagelanc, tâlanc, Teuthon. dalinc usw. ‘heute’ und in ähnlichen composita mit lang (Grimm Gr. III 99), denn sie müssen zunächst wohl ‘irgend einen tag lang’ und nicht ‘diesen tag lang’ bedeutet haben, und genau genommen ist ja dasselbe eigentlich auch der fall in unseren ausdrücken, wie ‘den ganzen tag lang, das ganze jahr lang’ und sehr vielen anderen, wenn wir sie auf einen bestimmten tag usw. einschränken. In der sippe von eher sind die bedeutungen ‘pridem’ und ‘mane’ vereinigt, es ist aber nicht sicher, welche von beiden die ursprünglichere ist. Hingegen wissen wir, dass früh wie gr. πρωί und skr. prâtar ‘des morgens früh’ zu der idg. partikel prô ‘voran, vorn, vorher’ gehört. In der anwendung auf die frühzeit des tages liegt also eine ähnliche beschränkung, wie in heden ‘an diesem tage’, wenn es früher ‘zu dieser zeit’, oder ‘von dieser zeit an’ bedeuteteGa naar voetnoot1). Eine noch bessere parallele haben wir an einem anderen, gleichfalls von einer partikel abgeleiteten adverb: zu dem grundwort des adj. fern, welches entfernung in raum und zeit bedeutet, gehört eine idg. bildung perut, peruti ‘im vorigen jahre’, skr. parut, gr. πέρνσι, germ. *fërup, mhd. vert, und wenn es sein sollte, dass dieser ausdruck zugleich ein wort enthält, welches wirklich ‘jahr’ bedeutet (Brugm. Grndr. II 8; dagegen 615), so ist das doch sicher nicht der fall in den gleichfalls zugehörigen as. fernum gêre ‘im vorigen jahre’, nhd. firn, fernig ‘vorigjährig’ neben got. fairneis ahd. firni ‘alt’ (s. mein Etym. Wdb. 1066). Also der allgemeinere begriff ‘in früher, oder ferner zeit’ ist zu dem enger bestimmten ‘im vorigen jahre’ geworden. | |
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Die oben beleuchteten bedeutungen von heden können, wie wir an den analogien gesehen haben, von der bedeutung ‘heute’ ausgehn. Ob sie nicht doch mit einer älteren bedeutung zusammenhängen, bleibe dahin gestellt. Bequem wäre die annahme gewis; heden eer wäre dann ‘zu einer zeit die vor der nächsten gegenwart liegt’, heden meer ‘zu einer zeit, die nach der nächsten gegenwart liegt’, oder ‘jetzt und weiterhin’; heden eer könnte ein gegensatz von wîlen eer, heden meer ungefähr ein synonymon von nu meer gewesen sein. Auffällig ist die verbindung lanc heden. Wie kann sie syntaktisch gerechtfertigt werden? Als verkürzter satz? Vgl. mundartlich heut acht tag, heut vierzehn tag für ‘heut über..... tage.’ Oder geht sie aus von einer bedeut. ‘von hier an’, die hidumum als vertreter des ablativs auch geeignet haben kann?Ga naar voetnoot1). Auch für hedeneer, hedenmeer würde die ablat. bedeut. passen. Allerdings sollte das letztere der etymologie nach (‘von hier an weiter’) dann eigentlich mit voortmere, oder deutsch hinfort, engl. henceforth identisch sein. Aber wenn diese bedeutung vielleicht auch hier und da zulässig wäre, zb. Ferg. 4624, Lanc. II 37682, so ist sie doch durchweg deutlich auf eine viel kürzere zukunft eingeschränkt. Das liesse sich aber als eine folge begreifen aus der zeit, da heden für das sprachgefühl noch mit den angehörigen des st. hi-, composita und ableitungen, zusammenhing, die eine engere gegenwart in raum und zeit bezeichnen. | |
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Ausser den schon berührten abkömmlingen des stammes hi mit zeitlicher bedeutung seien zum schluss noch einige andere solcher erwähnt: as. hina in êrhina ‘früherhin’; engl. hence ‘von nun an’; a year hence ist zu übersetzen mit ‘heute über ein jahr’, vgl. das oben angezogene heut acht tag; got. fram himma (nu) ‘von nun an, jetzt’, und hita (nu) ‘bis jetzt, bisher.’ Vgl. auch got. ni panamais, ni panaseips ‘nicht weiter, nicht mehr’, und lat. hîc ‘hier’ und hinc ‘von hier’ in der zeitlichen bedeut. ‘hierauf, nunmehr.’ Wäre es zu verwundern, wenn ein solcher ausdruck, den wir occasionell mit ‘heute’ übersetzen können, diese bedeutung für eigen behielte, wie es nach der hier entwickelten ansicht mit germ. hidumum in nl. heden der fall ist?
Bonn, Mai 1895. j. franck. |
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