Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 5
(1885)– [tijdschrift] Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Mittelniederlaendische miscellen.V. *Gebben.Verdam will in dieser zeitseihrift 4,238 ein mnl. verbum gebben, ‘grappen maken’ nachweisen; er schliesst den artikel mit den worten ‘indien er geen gewichtige bezwaren tegen mijne verbetering [die hebben in gebben verändert] worden in het midden gebracht, zal ik aan het woord een plaats geven in het Mnl. Wdb.’ Ich habe allerdings so gewichtige beschwerden vorzubringen, dass ich hoffe das wort werde sich auch nicht einmal mit dem sternchen, welches ich ihm als todeszeichen in der überschrift gegeben habe, unter den sonst wol gesichteten stoff des trefflichen wörterbuches einschmuggeln. Verdam geht aus von einem dialectischen nnl. diminutivum gebbetje ‘grapje,’ vooral ‘luidruchtige grap.’ Schon der nächste schluss, dass dies nomen auf ein vb. gebben (aus gabbjan), in bedeutung gleich gabben, weise, hält nicht stich, ebensowenig wie etwa del ein vb. dellen, greb ein vb. grebben, bende ein vb. benden, hen ein vb. hennen, brug ein vb. bruggen voraussetzt. Allerdings dürfte gebbetje wol auf einen nominalstamm *gabbjo-. weisen. Doch können wir selbst das nicht einmal mit voller sicherheit behaupten, weil die ältere geschichte des stammes gabb überhaupt unbekannt ist. Vorausgesetzt dass gebbetje aus dem Nd. oder Niederrhein. eingedrungen sei, wie manches nnl. wort, könnte es sogar als diminutivum zu gabbe oder gabb gehören, d.h. den umlaut erst als diminutivum haben. Noch viel weniger aber vermögen ags. gabbjan, altfries. gabbia ‘spotten’ ein nl. gebben aus germ. *gabbjan zu stützen, denn sie gehen vielmehr auf gabbôn, die grundform auch von mnl. gabben on. gabba zurück, wie ags. sealfian, altfries. salvia auf germ. salbôn altfries. makia auf germ. makôn; vgl. Sievers Ags. gr.§ 411, Gr gr. 12 s. 911, Heyne kurze Laut- und Flexionslehre s. 218. Ein germ. *gabbjan wäre vielmehr ags. gebban, altfries. gebba. A priori ist also nl. *gebben nicht zu erschliessen, und die | |
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stelle, wo es tatsächlich in einenm mnl. texte gestanden haben soll, hat auch keinen raum für das verbum. Es ist in Maerlants Sp. hist. 18, 36, 91 wo die latein. worte non erit tibi scurrilitas sed grata urbanitas; sales tui sine dente, ioci sine vilitate, risus sine cachinno, vox sine clamore, incessus sine tumuliu, quies tibi non desidia erit übersetzt werden mit Dijn hebben sal niet tonbandelic wesen,
Maer van hovesceit uutghelesen;
Dijn wise wort si sonder fel,
Ende sonder tijtverlies dijn spel;
Dijn lachen sonder scachgen al,
Ende dijn luut sonder gescal,
Dijn wandelen si sonder fierhede;
Dijn rusten sonder ledichede.
V. kann nicht glauben dass M. scurrilitas ‘een woord met eene zoo sterk sprekende beteekenis, nl. grappenmakerij, snakerij’ durch hebben (‘houding’) könne widergegeben haben. In dieser wendung liegt aber ein irrtum eingeschlossen: non erit tibi scurrilitas ist übersetzt durch dijn hebben sal niet tonbandelic wesen, also das nomen scurrilitas durch die verbindung von hebben mit tonbandelic, oder da hebben farblos, neutral ist, scurrilitas durch das mit te verstärkte onbandelic, eine übersezzung die nicht schlechter trifft, wie verschiedene andere an der stelle. Hebben ist der substantivierte infin. des reflex. vbs. hem hebben ‘sich halten, sich betragen’ (in derselben bedeutung hat die ableitung hebbinghe bestanden, s. Kil. s.v.), und der infin. verliert ganz der regel gemäss das pronomen, vgl. Gr. gr. 4,259. Eines weiteren beleges bedarf das wort, um glaubhaft zu sein, nicht im mindesten; wenn hem hebben ‘sich verhalten’ bedeutet ist der infin. dijn hebben ‘dein verhalten’ ebenso möglich, wie von irgend einem vb. eine zufällig nicht belegte flexionsform: wenn etwa die ganze mnl. literatur kein beispiel für die form du loeghes ‘da lachtest’ bietet, werden wir darum ihre existenz doch nicht anzweifeln, noch viel weniger, wenn sie an einer stelle vorkommt, einen weiteren beleg verlangen. | |
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Ja, wenn das vb. *gebben sonst erwiesen wäre, kïnnte es hier doch nicht gestanden haben. Maerlant hätte ja dann gesagt ‘deine spassmacherei soll nicht zu lose, sondern ausgewählt höfisch sein’, mithin erit tibi urbanitas ganz falsch mit ‘deine spassmacherei soll ausgewählt höfisch sein’ ubersetzt, während er in wirklichkeit richtig sagte dijn hebben sal sijn van hovesceit uutghelesen. Die construction *gebben ‘grappen maken’ schwebt mithin völlig in der luft, und ich protestiere gegen einen versuch, sie auf den gesunden boden des Mnl. Wörterbuchs zu verpflanzen. | |
VI. Oogst.Mnl. ô = nnl,. ô und mnl. oe = nnl. oe werden immer noch nicht strenge genug auseinander gehalten. Dass man durchaus nicht behaupten dürfe die laute reimten zusammen, habe ich zuletzt Anz. f.d. Altert. u.d. Litter. IX 39 f. betont. Noch minder kann, von wenigen in. meiner mnl. gr. erörterten fällen abgesehen, lautlich oe za ô, oder ô zu oe werden, und auch das ist höchst selten dass sich zufällig die beiden laute berühren. Ein solcher fall tritt bei dem worte oogst ein. Diese nnl. form ist regelrecht ans mnl. ôgest ‘august ernte, herbst’, syncopiert - in genauerer phonetischer schreibung - oochst entstanden: Kilian oogst, Merlijn 12891 te ogeste, und entstammt mit ahd. augusto (agusto) mhd. ougeste, ougest mnd. ôgest aus lat. augustus, welches die germ. betonung auf der ersten silbe annahm und im Nl. und Nd. einem ausahmslosen gesetze zufolge sein au in ô verwandelte. Die kleine declinationsdifferenz zwischen ohd. augusto mhd. ougeste einerseits und mhd. ougest mnl. ôghest anderseits ist nicht von bedeutung. Ahd. agusto beruht wahrscheinlich auf übergang des vocals der noch unbetonten silbe in a; jedesfalls ist es identisch mit der roman. grundform *agústo, *agósto von fr. août u.s.w. Der | |
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lautübergang ist häufiger, vgl. Kluge Etym. wb. unter almosen und mein Etymol. wdb. unter babijnGa naar voetnoot1). Weit gewöhnlicher als oogst mit ä= nnl. o (wie in oog, boom u.s.w.) hat das Mnl. aber eine form mit dem diphthongen oe: oeghest, oechst, die häufiger ohne die gutturalis erscheint. Der ausfall der gutturalis in den von lat. augustus stammenden wörtern ist weiter verbreitet. Es kennt ihn das Mhd. und Md.: des oustin Jersoschin 7. c., oust Ludw. Kreuzf. 8022, des oustis ibid. 98 b. In der regel entwickelt sich die form zu ouwest, indem oust mit irrationalem vocal zu ouest und dies zu ouwest wird (beispiele im Mhd. wb. 21,454 a). Directen übergang von zweisilbigem ougest zu ouwest, also von g zu w, nehme ich nicht an. Im Mnd, werden folgende formen und schreibungen bezeugt: ogest, oust, aust, ouwest, owest, owst, oist, oyst, ost, davon oist, ost und owst als die geläufigsten. Das Nnd. hat augst, aust, awest, awst, owest, oost, und zwar scheint die form mit g wesentlich schriftdeutsch zu sein. Nur die formen mit ô können im Nd. die ungestört entwickelten sein, denn lat. au muste im Alts. ô werden wie im Nl.; das ou, au ist auf rechnung des stets lebehdig bleibendon einflusses der lat. form za setzen. Als eine weitere wirkung dieser controlle müssen wir aber wahrscheinlich auch die erhaltung der gutturalis ansehen, denn die geläufige form ist ganz entschieden ôst, aust (aus einsilbigem, syncopiertem oochst, auchst), und es ergäbe sich mit wahrscheinlichkeit dass überhaupt schwund der gutturalen spirans vor s (und anderen consonanten) als lautregel fürs Deutsche und Nl. aufzustellen, mithin beispiele wie hoogste, wie mnl. du draechst hd. du trägst von dragen als wirkungen des systemzwanges zu constatieren seien. Der vorgang wäre dem analog, durch welchen germ. paihsmon zu nl. deesem, mehstus zu mest, draugmo- (von driegen) zu droom wurden; zu vergleichen wäre ferner u.a. | |
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mnl. herst für herfst und die assimilation von germ. hs zu ss. Wie aufmerksam anderseits; so zu sagen, die sprache zuweilen gegen die gutturalis war, beweisen vielleicht formen wie oexst Oorl. v. Albr. bl. 25, des ouxtes, ouxten (verbum) Bijb. von 1477 mit einer entwickelung von chs wie im Hd. in höchst, nächste, ochse u.s.w., beweist sicher die mnl. schreibung oechghest, welche die vor dem consonant eintretende verschärfung (oechgh(e)st aus oechst, wie lachghen aus hlahjan) zum ausdruck bringt. Die controlle des lat. namens würde die constatierte doppelformigkeit zur genüge erklären. An der schreibung des Mnl. ist nicht zu sehen, dass das wort oe hat, den oeghest, oechst könnten an sich eben so gut ôghest, oochst sein. Den diphthongen beweisen aber reime und die heutige aussprache, vielleicht auch eine lautentwickelung im Mnl. Ich lasse eine anzahl von beispielen folgen: oeghest Rb. 33450 var. C., hoechghest 8835 var. C., oechst Lksp. 3,26,134, oegst Rb. 8835 var. C., oest Nat. bl. 2,1098. Rb. (text) 1265. 8835. 13213 var. B C (B hoest). 15015 var. B C. 33450 var. B., hougst Lksp. 3,26,134 var. I., oust Rb. (text) 13213. 15015. 2048. 23390. 33450. 33530. Kausl. 1 vs. 8901. Franc. 7970. te oustene (verbum) Rb. 23063, var. D. te ouste; var. D der Rb. schreibt 8835 (an dieser stelle nach der ausgabe auch B). 13213. 2048 oeust, womit wol nichts anderes, als mit oust (so D 23063) gemeint ist, dieselbe 15015 und 33450 ouest, worin vielleicht derselbe irrationale vocal zu constatieren ist, wie in mhd. mnd. ouwest. Oeste reimt zu moeste Stoke 6,683 und 6,908, oest: verroest bei Cats und ähnlich bei Vondel. Die neuere sprache hat oegst, oest (vgl. z.b. De Jager Archief 5,201, Taalgids 8, 2, De Bo 756), das Westfläm. ougst, oust (De Bo a.a.o.) Man darf in dem ou der nl. formen nicht das alte au von lat. augustus erkennen wollen, denn dies muste ausnahmslos in ô übergehen; ausserdem geht es schwerlich an die neue einwirkung des lat. verantwortlich zu machen, wie fürs Nd., weil nämlich die formen mit ou, so viel ich sehe, ausschliesslich fläm. sind. Und speciell fürs Fläm. lassen sich sehr gute | |
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andere gründe geltend machen. Gehen wir von mnl. oeghest, oechst aus, so kommen wir ohne weiteres auf fläm. ou (Mnl. gr. § 30); der vor dem guttural entwickelte vocallaut wäre dann auch in der form oust geblieben, nachdem sie den consonanten verloren hatte. Natürlich geht auch mnl. oeghest auf den lat. namen zurück, wie Maerlant sich bewust ist, wenn er Rb. 20848 schreibt Dat menne [Octaviaen] daer omme Augustus hiet,
Dat meerre jof oust bediet.
Nun würde der eine, oder der andere vielleicht sagen oegest stehe statt ôgest und das etwa durch angebliche parallelen zu stützen suchen, wie mnl. verdoemen neben verdomen, durch reime wie so: toe, sone: te doene, Salomone: noene neben Salomone: crone (Maerl. Alexander uitgeg. door Franck, Inleid. LXXIX f.), hoot (hoofd): spoet (Merlijn). Allein die grammatik, welche die lautgesetze richtig beobachtet und anwendet, sieht sofort von dieser möglichkeit ab, weil nie auf dem entsprechenden sprachgebiet ein au, oder ein aus au entstandenes ô ein oe gibtGa naar voetnoot1). Die form, welche mnl. oegest ergab, könnte in keinem falle genau so gelautet haben, wie die aus welcher ohd. augusto anl. ôgest | |
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nnl. oogst erwuchs; als die letztere noch augusto- war, müsste jene * ôgusto- geklungen haben, so dass * ôgust und august neben einander ins Altnl. entlehnt worden seien. Da aus frnz. ou nl. oe resultieren kann (Mnl. gr. § 125; Etym. wdb. s.v. boekel, bootsen), drängt sich der gedanke an afranz. coust auf. Allein diese aus a(g)osto entstandene form genügt nicht als etymon für ein mnl. oegest, weil das g fehlt und das ou eine andere stellung hat, als das oe in oegest. Wenn wir sicher sein dürften dass oegest ohne nebeneinflüsse aus einer roman. form entstanden sei, dürften wir auch mit bestimmtheit auf die existenz des postulierten * ôgust schliessen. Theoretisch kann seine möglichkeit nicht geläugnet werden, weil lat. au öfter frnz. ou ergiebt, mithin, da mnl. oe (fläm. ou) frnz. ou entspricht, (Mnl. gr. a.a.o.) auch mnl. oe ergeben konnte; Diez giebt Gr.3 1,171 die beispiele alouette (alaudetta), ou (aut), chou (caulis), loue (laudo), enroue (raucus). Auch wäre nicht ganz undenkbar dass augústo auf seinem weg zu agústo ein * ogusto passiert hätte; welches in altnl. * ôgust fixiert worden wäre; wegen ô, oe aus ŏ vgl. Kluge Etym. wb. s.v. dom und nl. foelie aus foliaGa naar voetnoot1). Wäre die gegebene deutung richtig, so hätte | |
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ich unrecht getan, im glossar zu meiner mnl. gr. oest und oust als besondere formen auzusetzen; sie verhielten sich wie genoech und genouch. Für die etymologie ist es aber ein empfindlicher mangel dass jenes * ogust- anders gar nicht bezeugt ist, und es bietet sich eine andere erklärung der tatsachen, gegen die, so viel ich sehe, nichts entscheidendes eingewandt werden kann: sie würde eine art von volksetymologischer umdeutung voraussetzen, die quelle von oegst wäre in der tat afrnz. aoust, welches nl. oest, oust ergeben hätte; der abfall des unbetonten a wäre zu vergleichen fällen wie nl. brat, pruik (vgl. mein Etym. wdb. s.v. borat), weiter solchen wie an. postulli, ahd. postul aus apostolus, germ. biskop aus episcopus. Die formen oegest, oechst, ougst müssten dann auf anlehnung an nl. oogst, oder an lat. augustus beruhen. Wirklich scheinen die formen ohne g nicht nur die häufigeren, sondern auch die älteren; zb. in den hss. der Rb. überwiegen sie doch bedeutend. Und wir haben auch bestimmte anzeichen dafür, dass man aus bewusten gründen das g schrieb, ohne es auszusprechen, wenn nämlich Vondel woest: oegst reimt (Doorenbos Meesterstukken s. 21 und 309). Analogien hat besonders das Frnz. zahlreich in den consonanten, welche es im späteren mittelalter und in der neuzeit der etymologie zu liebe seinen lautlich aus dem Lat. entwickelten formen zugefügt hat. Es verschlägt nichts, dass das Nwestfläm. in oust tatsächlich den laut ou hat, denn in diesem dialect besteht er auch sonst für frnz. ou, zb. in tousen ‘spijs of drank proeven’, frnz. toucher (De Bo 1174), mousen ‘bespieden’, frnz. moucher (De Bo 715). Um weitere beispiele habe ich mir keine mühe gegeben, weil die beiden grade zeigen dass vor s der laut ou möglich ist. Wie weit sich damit meine in der Gr. ausgesprochene vermutung vereinigen lässt, mnl. ou aus frnz. ou komme die frnz. ausprache zu, lasse ich dahin gestellt. Von wichtigkeit wäre eine ausgiebige kenntnis der nl. volksdialecte; denn wenn die herleitung aus franz. août das richtige trifft, müsste da, wo ein gelehrter oder literarischer einfluss in der sprache nicht zu | |
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erwarten ist, die form ohne das g erklingen. De Bo giebt für das Fläm. allerdings die form mit g ohne einschränkende bemerkung an; doch gilt die ohne dasselbe daneben. Das verhältnis des g ist anscheinend ganz gleich in nl. oe(g)st und nd. ô(g)st, au(g)st, aber nach dem erörterten wären die gründe doch einigermassen verschieden. Auffallend ist dass in nl. oogst m.w. der schwund des g nicht bezeugt ist. Ist die form nicht volkstümlich gewesen? | |
VII. Omnaghel.In der stelle Seghelijn van Jesus. 937 ff. Siet daer een sweert behaghel
Hets weert omtrent een omnaghel,
Hets so roost, ie wane dat bloyt,
Het snede wel boter, waert ghegloyt!
erklärt das glossar omnaghel als ‘een kromgebogen nagel, omgeklonken nagel aan een paardenhoef’ und rechtfertigt das nicht belegte wort seiner bildung nach mit nnl. omoog. Ich glaube kaum dass diese berufung die erklärung erhärten könnte. Aber wir haben hier, wie ich nicht zweifle, ein ganz anderes wort, mit der viel bezeichnenderen bedeutung ‘nagelwurzel, neidnagel.’ In dieser bedeutung, neben welcher sich vielfach auch die von ‘fingerwurm, umlauf’ einstellt, muss * angnagel bestanden haben, welches wenigstens gemeinwestgerm. war: ags. angnoegle ‘paronychia’, engl. agnail (und hangnail) ‘neidnagel’ und ‘fingerwurm (fijt)’, fries. ongneil, ogneil in denselben bedeutungen, vgl. Grimm gr. 13,416 anm. Grimm erkennt die spuren desselben wortes auch in einigen deutschen ausdrücken, die einen stechenden schmerz im finger bezeichnen (besonders bei frost), wie unnegeln, einnegeln (vgl. Schweizer. Idioticon von Staub und Tobler 1,151 ff.), sowie auch in der abd. glosse anguis ung nagal (Steinmeyer und Sievers die ahd. Glossen 1, s. 12, 36). Leider ist die glosse kaum zu gebrauchen, da sie jedesfalls ein mis- | |
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verständnis enthält. Wie mir Steinmeyer brieflich mitteilt, schliesst er sich an Graffs ansicht, wonach anguis hier doppelt glossiert sei, durch ung und durch nagal und ung ‘schlange’ bedeute (unguis st. anguis verstanden). Aber das gemeinte wort heisst sonst hd. unc, unch, niemals ung, d.h. es hat ein germ. k. Aus dem zuletzt genannten grunde geht es aber auch nicht an, mit Grimm a.a.o. in dem ersten teil des ausdrucks angnagel für das fingerübel unter berufung auf hd. wurm für ‘fijt’ ein wort ‘schlange’ zu erkennen, ‘entweder vom stechenden schmerz, oder weil sich das geschwür wie wurm oder schlange um den nagel windet, daher auch der umlauf;’ auch deshalb nicht, weil die bedeutung ‘neidnagel’ doch am meisten gewähr als ursprünglichste hat. Richtiger stellt Beckering-Vinckers - und derselben ansicht ist Steinmeyer - T.- en Letterbode 1,296 den ausdruck zusammen mit aambei (aus *angbei; vgl. aamborstig), mit ags. angseta oder angset ahd. angsezzo ‘carbunculus, pustula’ und ahd. anchweiz, anchweizza, anchweizzo ‘pustula, papula’ (für ang-kweizzo?).. Angnagel erklärt er als ‘peinigender (eigtl. beengender) nagel.’ Dafür lassen sich anführen die bezeichnungen nl. nijpnagel, nd. nhd. dwangnagel, nd. notnagel, vielleicht auch nijdnagel selber, obwol dies volksetymologisch anders aufgefasst wird (vgl. Kilian und Weigand); darnach wäre also ang- das adject eng. Seine verwendung in den anderen benennungen für krankhafte auswüchse lässt sich füglich auch von der bedeutung ‘beengend, peinigend’ aus begreifen; eine speciellere bedeutung wie ‘krankhaft’ vorauszusetzen, erlaubt die grundbedeutung der wz. ‘einengen, zusammenschnüren’ nicht. Ich möchte hier nicht abbrechen, ohne auf eine schwierigkeit anfmerksam zu machen, die die von mir im Etym. wdb. angenommene deutung von Beckering-Vinckers bei aambei lässt: in der historischen zeit hat die sippe von eng nur die heutige bedeutung, allenfalls noch bezug auf ‘beengtheit des gemüts,’ und es ist deshalb auffällig dass man zu einer zeit, da das frnz. beie ‘beere’ entlehnt war, noch das compositum * angbeie ‘quälende beere’ habe bilden können. Darum bleibt die frage, ob nicht in dem bei doch etwas | |
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anderes steckt, ein germ. wort, welches ja allenfalls volksetymologisch an bei ‘beere’ angelehnt und eventuell umgeformt sein könnte. Was Grimm a.a.o. zusammenstellt, enthält auch noch andere etymolog. rätsel, in die wir uns hier aber nicht weiter vertiefen wollen, wo es uns nur um erklärung der stelle aus Segh. zu tun ist. Wir sind erst zu einem mnl. *angnagel ‘nijdnagel’ gelangt, während wir hier omnaghel lesen. Ong- haben wir auch in der fries. form, entstanden durch übergang von a vor nasal in o (Grimm gr. 13,406). Im Fläm. dürften wir in dialectischer aussprache vielleicht vor nasalverbindung auch o erwarten. Dass der verfasser des Seghel. sich rein dialectische reime erlaubte, beweist die einigemal widerkehrende bindung von tol: al (3441 3497, 10779) d.h.: ol, vgl. De Bo s. 599. Doch sind mir beispiele von o für a vor nasalverbindung in betonter silbe nicht bekannt, und ich würde eher an eine verbreitung der fries. form an den küsten entlang nach Flandern denken, wie zb. fries. eiland gemeinnl. geworden, wahrscheinlich auch hiel fries. ist. Eine grundform *ungnagal, ablautend zu angnagal, würde fläm. o ohne weiteres erklären; aber auf jene ahd. glosse darf man sich nicht berufen, eher auf das dialect. unnegeln. Jedesfalls dürfen wir uns ein fläm. ongnagel gefallen lassen, welches aber immer noch von dem überlieferten omnaghel absteht. Hier hört bei dem ἅπαξ λɛγόμɛνον jede sicherheit auf. Vielleicht liegt bloss ein fehler des schreibers vor, dem das wort unbekannt gewesen sein könnte, wie auch die schreiber der varianten es nicht verstanden; oder aber omnaghel ist eine volksetymolog. umdeutung von ongnaghel, oder onnaghel, wozu sich ongnaghel leicht assimilieren konnte. Ein lautlicher übergang von ongnaghel zu omnaghel liegt übrigens m.e. auch nicht ausserhalb der möglichkeit, es wäre eher eine art von dissimilation als assimilation; als einigermassen ähnlich dürfte man vielleicht bomgat aus bonggat oder bondgat anführen (vgl. mein Etym. wdb.), welches nicht durch bongaert, bongert aus bômgarde widerlegt werden kann, weil bon- | |
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gaert und bomgat nicht gleiche betonungsverhältnisse haben. Lässt sich die beweiskette auch nicht fest schliessen, so zweifle ich doch kaum, dass der verfasser der Seghelijn hat sagen wollen ‘so wertlos wie ein neidnagel’ mit einem ausdruck der seiner sonstigen art und weise ganz besonders gemäss wäre.
Bonn, August 1885. johannes franck. |
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