De Nieuwe Taalgids. Jaargang 77
(1984)– [tijdschrift] Nieuwe Taalgids, De– Auteursrechtelijk beschermd
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Vondels Gedicht ‘De Tooneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’ und die Truppe Fornenberghs im Jahre 1653Gunilla DahlbergIn der älteren Theatergeschichte Amsterdams hat ein Gelegenheitsgedicht von Joost van den Vondel eine gewisse Rolle gespielt. Eine Theatertruppe im Dienst des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich drückt hier den Mitgliedern des Magistrats zu Amsterdam ihre Dankbarkeit aus, weil diese einer Theatervorstellung beigewohnt und dadurch den Schauspielern Ehre erwiesen hätten: De Tooneelbroeders van den Aertshertoge LEOPOLDUS
Aen Magistraet en Wethouders van Amsterdam; Toenze met hunne tegenwoordigheit het tooneel vereerden. Hebt lof, o eedle Aemstelheeren,
Die onze bede niet ontzeit,
En met uw tegenwoordigheit
Hier quaemt het treurtooneel vereeren.
Dus is ons speelrol afgerolt
In 't licht der Denemercksche kroonen,
Dus moghten wy de kunst vertoonen
Den Keizerlycken Leopold,
En Holstein, Hollants bontgenooten,
Beminners van den hoogen schoen,
Die geest en wetenschappen voên
In hoven, en op trotse sloten.
Nu bloeit Athene in Amsterdam;
Dewyl het milt met zyne gunsten
Het hooft der zeevaert kranst met kunsten
En loof, dat van Parnassus quam.
Zoo moet het nieuwe raethuis ryzen,
Het Oost en Westen eeuwen langk
Vergulden uwe beurs en banck.
Zoo moeten wy uw heuscheit pryzen.
Grootachtbre Vaders, dat uw heil
Zich wyder streck' dan eenigh zeil.
Das Gedicht finden wir unter dem Namen Vondels wieder in der Anthologie Hollantsche Parnas, of verscheide Gedichten, gerijmt door J. Westerbaen, J.v. Vondel, J. Vos., G. Brant, R. Anslo en andere voornaamste Dichters onzer Eeuwe, die von Tobias van Domselaer zusammengestellt und 1660 bei Jacob Lescaille in Amsterdam gedruckt wurde. Laut der Vorrede des Redaktors enthielt die Sammlung über neunzig Vondel-Gedichte, die damals noch nicht publiziert waren. In einem im Buche wiedergegebenen Brief an Lescaille erteilt Vondel seine Genehmigung, die Gedichte zu drucken, und in diesem Zusammenhang beklagt er sich darüber, dass viele Verleger die Gedichte ande- | |
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rer unter seinem Namen herausbringen.Ga naar voetnoot1 Dass Vondel selbst das betreffende Huldigungsgedicht zu Ehren des Amsterdamer Magistrats verfasst hat, dürfte damit als gesichert gelten. Das Gedicht für die ‘Tooneelbroeders’ wird in van Lenneps Vondel-Ausgabe v.J. 1861 wiedergegeben. Die inneren Kriterien sollen nach van Lennep die Vermutung nahelegen, dass es 1653 geschrieben wurde, eine Datierung, die sich auch in van Vlotens, Stercks und Verweys Ausgaben wiederholt.Ga naar voetnoot2 Diese Zeitangabe ist von den Theaterhistorikern im allgemeinen akzeptiert worden, die darin ein wichtiges Indiz für die Identifizierung der Truppe sehen wollen. Seitdem H. Junkers seine Auffassung über die Identität der Truppe in Niederländische Schauspieler und niederländisches Schauspiel im 17. und 18. Jahrhundert in Deutschland (1936) vorlegte, hat man nicht in Zweifel gezogen, dass das Gedicht sich auf eine Vorstellung von Jan Baptist van Fornenberghs Gesellschaft bezieht, die in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts über ein eigenes Theater im Haag verfügte, aber wegen ihrer Gastspiele auch in anderen Teilen der Republik und im Ausland bekannt ist.Ga naar voetnoot3 Die Schlüsse betreffend das Gedicht sind indessen fragwürdiger, als man sich in der Regel vorstellt.Ga naar voetnoot4
In W. von Gersdorffs Geschichte des Theaters in Kiel unter den Herzogen zu Holstein-Gottorp bis 1773 (1911-1912) war Junkers auf Angaben gestossen, in denen er die ältesten Belege dafür sieht, dass rein holländische Schauspieler in Deutschland tätig gewesen waren. Im August 1649 suchte eine Truppe ‘Brüsselsche Comedianten’ Spielgenehmigung in Hamburg, aber sie wurde vom Magistrat abgewiesen. Einige Wochen später sorgte dieselbe Theatertruppe für die Unterhaltung im Zusarhmenhang mit einer | |
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fürstlichen Hochzeit auf dem Schloss Gottorp und kehrte dann nach Hamburg wieder wo ihr Gesuch, dort spielen zu dürfen, nochmals abgelehnt wurde. Ein Empfehlungsschreiben des Herzogs Friedrich von Holstein-Gottorp für ‘des Hern Ertzhertzogen zu Oesterreich, vnsers freundtlichen Geliebten Herrn Oheimbs, Ld: Comoedianten’ an den Magistrat in Hamburg Ende September scheint indessen dem Vorhaben eine Wendung angebahnt zu haben, denn im Oktober konnten die Schauspieler ihre Vorstellungen in der Stadt einleiten.Ga naar voetnoot5 Wie Junkers hervorhebt, unterliegt es keinem Zweifel, dass die aktuelle Truppe im Dienst des Erzherzogs Leopold Wilhelm von Österreich stand, der während der Jahre 1648-1656 Statthalter der spanischen Niederlande war und in Brüssel seine Residenz hatte. Nach Junkers liessen die Komödianten des Erzherzogs auch i.J. 1653 von sich reden: in Gdańsk, wo ‘Ertzhertzogks Leopoldi bestalten Comoedianten’ nach einer von J. Bolte angetroffenen Quelle vom 14. Juli ein Antrag um Spielgenehmigung abgeschlagen wurde,Ga naar voetnoot6 und in Amsterdam gemäss dem Gedicht Vondels, das ja u.a. an Aufführungen vor dem Herzog von Holstein erinnert. Nach Junkers bereitet es keinerlei Schwierigkeiten, die Truppe zu identifizieren. Jan Baptist van Fornenbergh hatte im Frühjahr 1647 eine Theatertruppe mit Jillis Noseman, Abraham Sybant, Salomon Fino und Trial Parker gebildet, die nach einem Vertrag drei Jahre lang spielen sollte. Es stimmt schon, dass die Schauspieler im Frühjahr 1649 im Haag einen Schuppen mieteten, aber nichts spricht dafür, dass sie vor 1656 in der Stadt auftraten. Eine Erklärung könnte nach Junkers sein, dass die Truppe in der dazwischenliegenden Zeit in Brüssel, Amsterdam und in anderen europäischen Stadten gespielt hatte. Die Puzzlestücke scheinen ein zuverlässiges Muster zu bilden. Auch ein Gastspiel holländischer Komödianten am Hofe der Königin Christina in Stockholm, das Junkers der Truppe Fornenberghs zuschreibt, und eine Angabe, dass Trial Parkar im Sommer 1653 in Kopenhagen gespielt hat, reimt sich durchaus mit dem Junkersschen Bilde.Ga naar voetnoot7 Infolgedessen ist niemand auf den Gedanken gekommen, die Erwägungen Junkers' anzuzweifeln, um so mehr als sie in H. Liebrechts Histoire du théâtre français à Bruxelles (1923) eine gewisse Stütze finden. Diese Darstellung war Junkers nicht bekannt, aber sie wurde später von Schrickx ins Blickfeld gerückt. Liebrecht kann zeigen, dass die Truppe Fornenberghs 1649 im Dienst Leopold Wilhelms in Brüssel stand, wo sie sich im Februar für eine Reise nach Deutschland um Pässe bemühte, und Schrickx hat später auch andere Details entdeckt, die mit dem Besuch der Gesellschaft in den spanischen Niederlanden zusammenhängen.Ga naar voetnoot8 Einige bisher nicht erörterte schwedische | |
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Quellen, die den Aufenthalt der Hollander in Schweden i.J. 1653 sichern, stören indessen das hier skizzierte Bild. Auch andere Komplikationen, welche die Schlüsse Junkers' und anderer Forscher etwas fragwürdig machen, verdienen Aufmerksamkeit.
Schon F.A. Dahlgren hat in seiner Schrift Förteckning öfver svenska skådespel uppförda på Stockhoims theatrar 1737-1863 (1866) einen Passus in einem Brief von dem jungen Hofmann Johan Ekeblad beachtet, datiert Stockholm am 25. Mai 1653, nach dem am vorhergehenden Abend hollandische Komödianten vor der Königin Christina aufgetreten waren. Die Königin hatte indessen an der Aufführung wenig Gefallen gefunden: Hennes majestät har i denna veckan haft 2 stycken comedier på slottet på italienisk, och i natt som var spelte de hållenske comedianterna för hennes majestät, hvilket henne intet mycket behagade.Ga naar voetnoot9 Dieser älteste Beleg dafür, dass holländische Komödianten in Schweden gespielt haben, ist den Theaterhistorikern sowohl in Schweden wie in anderen Ländern wohlbekannt. Hinzu kommen einige Angaben in Quellen, die C. Silfverstolpe aufgespürt hat, die nachher mit der Notiz Ekeblads verknüpft wurden. Silfverstolpe zieht teils die nicht näher präzisierte Angabe heran, dass der ihm unbekannte ‘Trial Parkau’ i.J. 1653 600 dlr. smt. für eine Gruppe Komödianten, die vor Königin Christina gespielt hatten, quittierte, teils kann er feststellen, dass die Zahlkammer im Sommer 1653 einer holländischen Theatertruppe 400 rdr. bezahlt hat.Ga naar voetnoot10 Im allgemeinen wird wohl angenommen, dass sich die Auszahlungen in beiden Fällen auf dieselben Schauspieler beziehen.Ga naar voetnoot11 Niemand scheint aber an das Zahlkammerbuch gegangen zu sein, wo diese Vermutung ausdrücklich bestätigt wird. Man hat auch nicht entdeckt, dass die Datierungen von erheblichem Interesse sind. Der Besuch der holländischen Komödianten in Stockholm 1653 zog sich viel länger hinaus, als man in der Regel annimmt. Wie aus dem Brief Ekeblads hervorgeht, befand sich die Truppe Ende Mai in Stockholm. Laut einer Assignation des schwedischen Reichs- und Kammerrates vom 8. Juni entrichtete die Zahlkammer am 16. Juni den Schauspielern, die vor der Königin aufgetreten waren (‘för Comoedianterne som för Hennes Kongel. Maij:tt spelat hafwa’), 150 dlr. smt. von den in Aussicht gestellten 400 rdr. (= 600 dlr.smt.).Ga naar voetnoot12 Namen der Truppenmitglieder werden nicht genannt. So spät wie am 20. September hat Trial Parkar die restliche Summe, 450 dlr. smt., quit-tiert.Ga naar voetnoot13 | |
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Ohne auf Einzelheiten einzugehen, hat der schwedische Musikforscher E. Kjellberg unsere Aufmerksamkeit auf eine Reihe früher unbekannter Akten in den Hofstaatsrechenschaften Maria Eleonoras gelenkt, die das Vorhaben der holländischen Truppe in Schweden näher beleuchten.Ga naar voetnoot14 Königin Christina hat, nach Ekeblads Notiz zu urteilen, die holländischen Schauspiele wenig geschätzt. Sie sah indessen ein, dass diese bei der Königinwitwe Maria Eleonora von Brandenburg, der Witwe Gustaf Adolfs, grösseres Interesse finden könnten. Es wurde festgelegt, dass die Komödianten vierzehn Tage lang der Königinwitwe auf dem Schloss Nyköpingshus, ca 100 km südlich von Stockholm, ‘aufwarten’ sollten, und zwar gegen ein Honorar von 400 Gulden. Ausserdem wurde der Truppe freien Lebensunterhalt gewährt, wie auch Vergütung für die Reisen (einschliesslich Essen) nach und von Nyköping. In einem Brief vom 10. Juni, der als Verifikation den Hofstaatsrechenschaften Maria Eleonoras beigefügt wurde, ist von diesem Vertrag die Rede. Aus den Rechenschaften geht auch hervor, dass die Truppe aus dreizehn Personen bestand. Es waren: Dirk Kalbergen, der am 12. Juni vor der Abreise der Schauspieler von Stockholm nach Nyköping eine Summe Geld quittierte, zwei Musiker, ausserdem zehn Männer und Frauen.Ga naar voetnoot15 Zu den dreizehn Truppenmitgliedern gehörten vermutlich, ausser Parkar und Kalbergen, Jan Baptist van Fornenbergh, Jillis Noseman und der Musiker Rockus Coenraad Eekhout und ihre Frauen. Noseman hatte im Januar 1653 der Taufe eines Kindes des Ehepaares Eekhout in Hamburg beigewohnt und befand sich also aller Wahrscheinlichkeit nach mit ihnen auf Reisen.Ga naar voetnoot16 Adriana van den Bergh-Noseman, Susanna Eekhout und Elisabeth Kalbergen sollten zwei Jahre später die ersten Schauspielerinnen der ‘Schouwburg’ Amsterdams sein, und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie die ersten berufsmässigen Schauspielerinnen waren, die vor einem schwedischen Publikum auftraten.Ga naar voetnoot17 Maria Eleonora hatte früher mehrmals ausländischen Komödianten ihr Wohlwollen erwiesen, und wie wir finden werden, hat sie auch die Holländer auf entgegenkommende Weise empfangen.Ga naar voetnoot18 Der Grund, dass die Truppe Parkars nach Nyköping gesandt wurde, war vermutlich eine vornehme, von Maria Eleonora arrangierte Hochzeit, die am 19. Juni auf Nyköpingshus stattfinden sollte, und deren Kosten von Königin Christina bestritten wurden. Anwesend war u.a. der oben erwähnte Johan Ekeblad. In einem Brief an seinen Vater erzählt er, dass die Königin sich an den Hochzeitsfestlichkeiten beteiligt und am folgenden Mittwoch vor Sonnenaufgang Nyköping verlassen hatte, gerade wie die Theatervorstellung zu Ende war (‘om morgonen före solen gick upp, rätt som comedian till ända var’).Ga naar voetnoot19 | |
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Die Hofstaatsrechenschaften Maria Eleonoras geben an die Hand, dass man am 30. Juni dem Komödianten Trial und seiner Gesellschaft eine Summe von 480 dlr. smt. für fünf Wochen Aufwartung der Königinwitwe bewilligte: Comaedianten Trial medh sine compagnoner 13 personer som opwachtat H.M: t uthj Nyekeping medh spelande för 5 weckurs tijdh effter giort Accord.Ga naar voetnoot20 Die holländischen Schauspieler konnten sich zweifelsohne eines grossen Erfolgs erfreuen, denn man hatte sie gebeten, noch einige Wochen in Nyköping weiterzuspielen. Am 1. Juli wurde Dirk Kalbergen und Trial Parkar für die ersten vierzehn Tage 400 Gulden entrichtet, und am 16. Juli konnten sie für die darauf folgenden zwei Wochen die entsprechende Summe erheben.Ga naar voetnoot21 Wann und wie die Vergütung für die fünfte Woche ausgezahlt wurde, bleibt unklar. Am 6. August stossen wir wieder auf den Namen Parkar in den Hofstaatsrechenschaften Maria Eleonoras. Diesmal bekommt Parkar 40 rdr. für seine Aufwartung der Königinwitwe auf dem Schloss Ulvsunda in der Nähe von Stockholm.Ga naar voetnoot22 Am 20. September befindet sich Parkar, wie bereits erwähnt, wieder in der Hauptstadt, wo er die restlichen 450 dlr. smt. für die Vorstellungen am Hofe Christinas erhält.
Das Gastspiel der holländischen Komödianten in Schweden im Sommer 1653 ist heute lückenlos dokumentiert, weshalb man die Angaben, dass sie damals Kopenhagen und Gdańsk besucht hätten, nur mit grosser Skepsis betrachten muss. Von Ende Mai bis Mitte Juni ist die Truppe in Stockholm. Von dort begibt sie sich nach Nyköping, wo sie von Mitte Juni bis Ende Juli spielt. Anfang August und Ende September befindet sich Parkar - und mit ihm allem Anschein nach die ganze Truppe - noch in der Stockholmer Gegend. Die sich des öfteren wiederholende Behauptung, dass Parkar im Sommer 1653 mit seiner Truppe Kopenhagen besuchte, erweist sich bei näherer Kontrolle als falsch. Sie geht auf ein Missverständnis zurück, das in V. Møllers ‘Københavns første Teater’ wurzelt, wo der Verfasser die Reflexion macht, dass die unwürdigen und gefährlichen Rollen in einem Komödienballett v.J. 1653 am dänischen Königshof von Berufsschauspielern unter Leitung von Parkar ausgeführt wurden: Naeste Aar m a a her igen have vaeret en Komedianttrup (rimeligvis en hollandsk under Trial Parkau). Thi ved Hove opførtes der en Komedieballet. Og skønt fine Folk nok inlod sig paa pantomimisk Dans, skyede de sikkert at udføre ‘Komediens’ som oftest mytologiske Figurer, dels fordi dette var under fornemme Personers Vaerdighed, men dels ogsaa fordi det var forbundet med Fare.Ga naar voetnoot23 | |
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(Nächstes Jahr mag eine Komödiantentruppe hier wieder erscheinen [billigerweise eine holländische Truppe unter Trial Parkau]. Denn am Hofe wurde ein Komödienballett aufgeführt. Und obschon vornehme Leute sich auf pantomimischen Tanz einliessen, scheuten sie sich gewiss davor, die in der Regel mythologischen Figuren der ‘Komödie’ auszuführen, teils weil das unter der Würde vornehmer Personen war, aber teils auch, weil das mit Gefahr verbunden war.) Den Beweis, dass gerade die Gesellschaft Parkars an der Vorstellung teilgenommen hätte, erbringt Møller nicht. Die fehlerhafte Schreibung des Parkarschen Familienamens (‘Parkau’) deutet indessen darauf hin, dass er auf den Notizen Silfverstolpes basiert, wo ja dieselbe fehlerhafte Form steht. Im Hinblick auf die Angabe Silfverstolpes, dass Parkar sich 1653 in Stockholm aufhielt, lag der Schluss vermutlich nahe, dass Parkar auf seiner Reise nach oder von der schwedischen Hauptstadt auch Kopenhagen besucht hätte. Nachher hat T. Krogh die unglückliche Behauptung weiterbefördert. Krogh geht ausdrücklich davon aus, dass Møller auf eine ihm unbekannte Quelle baut und meint seinerseits, dass die Kombination mit den schwedischen Quellen, die Silfverstolpe heranzieht, seine eigene These stützt, dass die Parkarsche Gesellschaft im Sommer 1653 in einem Schauspiel bei der Taufe des Prinzen Jørgen in Kopenhagen aufgetreten ist.Ga naar voetnoot24 Weil in diesem Jahr kein anderes dänisches Hofballett bekannt ist als dasjenige, das bei der Taufe des Prinzen aufgeführt wurde, darf man voraussetzen, dass Møller und Krogh vom selben Schauspiel reden. Ihre Behauptung, dass Parkar an diesem Ballett teilnahm, kann indessen nicht akzeptiert werden. Dagegen sprechen entschieden die chronologischen Verhältnisse. Das Schauspiel bei der Tauffeier, De fire Elementer, fand nach dem erhaltenem dänischen Programmtext am 17. Juli statt (nicht im Juni, wie Krogh und andere Forscher geitend machen).Ga naar voetnoot25 Am Tage zuvor hat Parkar in Nyköping seine Quittung geschrieben. Die Bemerkung Vondels, dass die ‘Tooneelbroeders’ auch ‘In 't licht der Denemercksche kroonen’ gespielt hätten, kann im Hinblick auf die schwedischen Quellen jedenfalls nicht auf einen Kopenhagener Besuch der Parkarschen Gesellschaft im Sommer 1653 anspielen. Was der Dichter mit seiner Formulierung ausdrücken will, bleibt indessen ein Problem. Mitunter stösst man auf die Angabe, dass die Truppe Fornenberghs schon 1651 Kopenhagen besucht hat.Ga naar voetnoot26 Dabei beruft man sich indessen auf eine Vermutung Kroghs im Anschluss an einen Hinweis auf eine anonyme Theatertruppe, die am dänischen Hofe gespielt hätte.Ga naar voetnoot27 In Wirklichkeit ist es noch eine offene Frage, ob holländische Schauspieler vor 1660, als das Gedicht Vondels gedruckt wurde, Kopenhagen besucht haben. Die Formulierung des Dichters setzt auch nicht einen solchen Besuch voraus. Sind ‘De Tooneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’ mit den | |
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Brüssler Komödianten identisch, die im Herbst 1649 auf dem Schloss Gottorp spieken, was uns wahrscheinlich vorkommt, so kann man sich mit der Feststellung zufriedengeben, dass das dänische Königspaar, Frederik III. und Sophie Amalie, in der aktuellen Zeit dort Gäste waren.Ga naar voetnoot28 Der Aufenthalt Parkars in Nyköping fällt allem Anschein nach auch mit dem Besuch der Komödianten des Erzherzogs Leopold Wilhelm in Gdańsk zusammen. Nach Bolte wurden die betreffenden Schauspieler am 14. Juli von Gdarisk abgewiesen, also zu einem Zeitpunkt, wo sich Parkar mit seiner Truppe noch in Nyköping aufhielt. Hier machen die kollidierenden Angaben einen noch schwerverständlicheren Eindruck als im vorigen Falle. Die Quelle Boltes (ein Bittgesuch oder ein Magistratsprotokoll?) nennt ausdrücklich ‘Ertzhertzogks Leopoldi bestalte Comoedianten’, und man darf wohl deshalb nicht in Zweifel stellen, dass eine Theatertruppe mit Anknüpfung an den Hof Leopold Wilhelms Gdańsk besucht hat. Die Identität der Schauspieler ist aber problematisch. Wenn man bedenkt, dass Parkar und Fornenbergh sowohl vor als auch nach 1653 als Truppenleiter zusammenarbeiteten, ist es wenig wahrscheinlich, dass sie 1653 verschiedene Gesellschaften leiteten. Die Truppe in Nyköping war ausserdem, wie wir schon festgestellt haben, so gross (dreizehn Personen), dass sie schwerlich bloss einen Teil einer grösseren Truppe ausmachen konnte, deren andere Hälfte auf dem Kontinent spielte. Wenn die Datierung Boltes korrekt ist, kommt es uns natürlicher vor, dass die betreffenden Komödianten des Erzherzogs mit Parkar und Fornenbergh nichts zu tun hatten. Weil Erzherzog Leopold Wilhelm wegen seines grossen Theaterinteresses bekannt ist und im Laufe der Jahre an seinem Hofe viele Schauspieler protegierte, mag ein solcher Schluss völlig plausibel sein. Die einzige Schauspielergesellschaft, die Leopold Wilhelm am Anfang der 50er Jahre des 17. Jahrhunderts angestellt hatte, war aber u. W. die französische Truppe Philandres, die 1651 und 1652 in Brüssel spielte.Ga naar voetnoot29 Im Hinblick auf die rein sprachlichen Schwierigkeiten möchte man kaum annehmen, dass diese sich nachher gerade nach Gdańsk begeben hätte. Deshalb liegt wohl doch die Vermutung am nächsten, dass die Gesellschaft Parkars und Fornenberghs sich hinter der Bezeichnung ‘Ertzhertzoges Leopoldi bestalte Comoedianten’ versteekt. Trifft das zu, so ist die Boltesche Datierung des Besuches in Gdańsk nicht korrekt. Das Problem kann mutmasslich nie aufgeklärt werden. Die Quelle lässt sich heute nicht mehr wiederfinden, weder im Stadtarchiv zu Gdańsk, dessen Sammlungen während des Zweiten Weltkrieges weitgehend verloren gingen, noch in den historischen Sammlungen der dortigen Stadtbibliothek.Ga naar voetnoot30 Dass Parkar so ispät wie am 20. September den grösseren Teil der Vergütung für das holländische Gastspiel in Stockholm quittierte, veranlasst auch gewisse Erwägungen über Vondels Gedicht ‘De Toneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’. Man hält es für wahrscheinlich, dass das Gedicht 1653 für eine Vorstellung auf dem grossen Jahrmarkt in Amsterdam geschrieben wurde. Diese Jahrmärkte pflegten bunte | |
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Scharen von holländischen und ausländischen Schauspielern heranzulocken und führten manchmal auch zu Extravorstellungen in der Amsterdam ‘Schouwburg’.Ga naar voetnoot31 Die Märkte wurden am Sonntag nach dem 17. September eingeleitet, d.h. spätestens am 24. September, und dauerten zwei Wochen.Ga naar voetnoot32 Wenn die Truppe Parkars und Fornenberghs sich noch am 20. September in Stockholm aufhielt, ist eine Vorstellung vor Beendigung des Marktes wenig glaubhaft. Schon die Tatsache, dass das Vondel-Gedicht die Aufführungen vor verschiedenen Fürsten und königlichen Hoheiten hervorhebt, aber nicht die Vorstellungen an den Höfen der Königin Christina und der Königinwitwe Maria Eleonora erwähnt, stimmt uns bedenklich. Gilt das Gedicht einer anderen Truppe? (Auch die Komödianten in Gdańsk wurden dann nicht mehr so rätselhaft sein.) Oder muss auch diesmal eine falsche Datierung erwogen werden?
Die Angaben Vondels über die früheren Vorstellungen der ‘Toneelbroeders’ entsprechen genau den Schlüssen, die man unter Beachtung auch anderer Umstände über die Tätigkeit der Fornenberghschen Truppe i.J. 1649 ziehen kann. Wie schon aus der obigen Darstellung hervorgeht, wissen wir, dass die Truppe Anfang 1649 am Hofe Leopold Wilhelms in Brüssel spielte und dort auch für eine Reise nach Deutschland Pässe verlangte. Man darf deshalb damit rechnen, dass gerade diese ‘Brüsselschen Comedianten’ im Herbst 1649 auf dem Schlosse Gottorp vor dem Herzog von Holstein-Gottorp und dem dänischen Königspaar auftraten. Aber auch andere Einzelheiten sprechen dafür, dass das Gedicht Vondels für die Fornenberghsche Truppe geschrieben wurde. Wie B. Albach neuerdings zeigen konnte, hatte Vondel bei der Inszenierung des Schauspiels Gebroeders sich besonders für zwei angehende Mitglieder der Truppe Fornenberghs interessiert. Aus einem erhaltenen Exemplar des Schauspiels mit eigenen Notizen des Dichters ersieht man, dass dieser für Trial Parkar und Jan Baptist van Fornenbergh kleinere Änderungen in Text und Rollenbesetzung gemacht hat. Auch der vierzehnjährige Jillis Noseman hatte eine Nebenrolle bekommen. Vondel muss also diese Personen gekannt haben, und es liegt wohl deshalb nahe anzunehmen, dass er für sie ein Gedicht schrieb.Ga naar voetnoot33 Man weiss ferner, dass die Truppe Fornenberghs dann und wann in Amsterdam auftrat. In den Quellen der 60er Jahre des 17. Jahrhunderts wird wiederholt bestätigt, dass sie in der Stadt gespielt hat, und zwar, wie Albach dank einem sensationellen Fund feststellen konnte, mit derartigem Erfolg, dass 1663 erwogen wurde, Fornenbergh die Leitung der Amsterdamer ‘Schouwburg’ anzuvertrauen.Ga naar voetnoot34 Schon vorher | |
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scheint die Truppe den Schauspielern des Stadttheaters scharfe Konkurrenz geboten zu haben. lm Vorworte der 1704 erschienenen Ausgabe der Quinault-Bearbeitung De wanhebbelijke liefde, welches die Übereinstimmungen zwischen dem Inhalt des Theaterstücks und der verwickelten Verwandtschaftsrelationen der Familien Fornenbergh und Noseman ins Auge fasst,Ga naar voetnoot35 ergibt sich, dass die Truppe Fornenberghs in den Niederlanden, in Deutschland, Dänemark, Preussen und Schweden gespielt und auch zur Zeit des Jahrmarktes in Amsterdam bejubelte Vorstellungen gegeben hat: én in kérmistyd, verlóf kreegen eenige weeken hier in onze Stad te speelen, daarze groote toeloep hadden om de kóstelykheid hunner kleederen, kunstige Tooneelen, goede nieuwe Toneelstukken, én ordéntelyke uitvoeringe, vergezélschapt van deftige Speelsters, (waar onder ook hunne eigene Vrouwen,) in een tyd dat alle vrouwe-rollen op onzen Schouwburg nóg door mans persoonen wierden uitgevoerd.Ga naar voetnoot36 Wie aus dem Zitat hervorgeht, denkt der Verfasser an Aufführungen in Amsterdam vor dem Frühjahr 1655, wo die erste Schauspielerin, Adriana van den Bergh, an der ‘Schouwburg’ angestellt wurde.Ga naar voetnoot37 Es bleibt dagegen unklar, ob sich die Beschreibung auf ein bestimmtes Gastspiel in Amsterdam vor 1655 oder auf wiederholte, erfolgreiche Gastaufführungen in der Stadt bezieht. Manches spricht also dafür, dass Vondel unter der Bezeichnung ‘De Toneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’ die Truppe Fornenberghs verstand. Die herkömmliche Datierung des Vondelschen Gedichts steht dagegen, wie eine nähere Prüfung zeigt, auf sehr wackligen Füssen.
In seiner Vondel-Ausgabe diskudert und referiert van Lennep die Dichterwerke unter Bezugnahme der Dichterbiographie. 1653 huldigt Vondel in einem Gedicht dem beliebten Seehelden Marten Harpertzoon Tromp, der sich im Kriege der Niederländer gegen England hervorgetan hatte. In unmittelbarem Anschluss an diese Huldigung schneidet van Lennep das Gedicht ‘De Tooneelbroeders’ an. Er will darin eine Anspielung auf das Tromp-Gedicht sehen, und die beiden Gedichte scheinen also nach seiner Ansicht aus ungefähr derselben Zeit zu stammen: Het is waarschijnlijk op dezen zegekrans, ter eere van Tromp gevlochten, dat Vondel zinspeelt in een gedicht, dat hy omtrent dezen tijd ten gevalle van een reizend tooneelgezel-schap vervaardigde.Ga naar voetnoot38 Die Anspielung sollte augenscheinlich in den Zeilen 13-16 vorliegen: Nu bloeit Athene in Amsterdam; Die Deutung van Lenneps des Ausdruckes Het hooft der zeevaert ist indessen sehr weit | |
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hergeholt. Es kann nicht stimmen, dass Vondel hier an einen berühmten Vertreter der holländischen Kriegsflotte denkt. Vielmehr dürfte er auf Amsterdam zielen: Die Stadt Athen hat ‘schöne Künste und Lob’, die vom Parnass stammen, zu einem Kranz geflochten, den sie Amsterdam, der vornehmsten Stadt der holländischen Seefahrt, überreicht - eine Deutung, die übrigens der Herausgeber selbst in einer Fussnote vorschlägt! Wenn van Lennep das Gedicht datiert, scheint er bloss auf die wenig gelungene Annahme zu bauen, dass sich Vondel hier auf sein Gedicht an Tromp bezieht. In den meisten Vondel-Ausgaben, die ich kontrollieren konnte, wird aber diese Zeitangabe van Lenneps ohne Kommentar übernommen, unabhängig von der eigenen Deutung des Ausdrucks Het hooft der zeevaert. J. van Vloten, der mit van Lennep eine Anspielung auf Tromp sehen will, versieht allerdings in seinem Inhaltsverzeichnis die Jahresangabe 1653 mit einem Fragezeichen.Ga naar voetnoot39 Sterck und Verwey schreiben nur ‘Van 1653’.Ga naar voetnoot40 Diferees Ausgabe des Gedichts, die nicht an Tromp anknüpft, verzichtet auf eine Datierung.Ga naar voetnoot41 Weil das Gedicht für ‘De Tooneelbroeders’ mit grösster Wahrscheinlichkeit mit Tromp nichts zu tun hat, muss die Vermutung, dass es gerade 1653 verfasst wurde, als schlecht begründet gelten. Wir haben schon feststellen können, dass das Gedicht vermutlich mit der Truppe Parkar-Fornenbergh zusammenhängt. Weil diese sich im Sommer und Herbst 1653 in Schweden befand, liegt die Annahme näher, dass die Huldigung für den Magistrat in Amsterdam aus einem anderen Jahr stammt. Die Frage ist nur, welches Jahr am ehesten in Frage kommt.
Der älteste uns überlieferte Text des Vondelschen Gedichts für ‘De Tooneelbroeders’ findet sich, wie schon eingangs erwähnt wurde, in der Anthologie Hollantsche Parnas. Nach dem Vorwort Lescailles lag diese am 29. April 1660 druckfertig vor. lm Vorworte Domselaers wird betont, dass der Beitrag Vondels früher nicht publiziert worden war: Gy zult 'er in vinden meer dan negentigh dichten van den grooten Poëet J.v. Vondel, die nooit eenigh mensch in druk zagh, en meest alle den lof en gedachtenis van treffelyke mannen begrypen. Wir brauchen also kaum nach einem älteren Druck zu suchen. Der Terminus ante quem der betreffenden Theatervorstellung scheint demnach der 29. April 1660 zu sein. Das zitierte Vorwort des Stückes De wanhebbelijke liefde kann uns leider nicht zu einer näheren Präzisierung des Zeitpunkts verhelfen. Das der Verfasser des Vorworts sich vor allem an die Tätigkeit Fornenberghs in Amsterdam vor dem Jahr 1655 erinnert, schliesst natürlich nicht aus, dass die Vorstellung, an die Vondel denkt, in der späteren Hälfte der 50er Jahre des 17. Jahrhunderts stattfand. Um eine nähere Datierung möglich zu machen, empfiehlt es sich, auch die Haltepunkte zu prüfen, die uns der eigene Text Vondels vermittelt. Am Ende seines Gedichts lässt Vondel ‘De Tooneelbroeders’ dem Magistrat in | |
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Amsterdam ihre Glückwünsche aussprechen. Unter anderem wird eine Hoffnung auf das Gedeihen des neuen Rathauses ausgedrückt: Zoo moet het nieuwe raethuis ryzen.
Het Oost en Westen eeuwen langk
Vergulden uwe beurs en banck.
Infolge der mächtigen Expansion Amsterdams während der ersten Dezennien des 17. Jahrhunderts war das mittelalterliche Rathaus zu klein und anspruchslos geworden. Im J. 1640 wurde deshalb beschlossen, ein neues Rathaus auf dem Dam zu bauen. Erst 1648 hatte man indessen den geeigneten Platz gefunden. Der Grundstein wurde gelegt, um den Status der niederländischen Republik als selbständiger Nation nach dem Frieden in Münster zu feiern. Trotz starker Proteste gegen die Kosten des Stadthauses, in dem man in weiten Kreisen einen unnötigen Prahlbau des Magistrats sehen wollte, schoss der Bau in die Höhe. Das Unternehmen wurde im Juli 1652 unterbrochen, als das alte Rathaus abbrannte, und während des Krieges mit England konnte nicht weitergebaut werden. Im Mai 1654 wurde der Friede in Westminster von einer Galerie des noch nicht fertig gebauten Rathauses offiziell verkündet. Die Bauarbeit wurde im April 1655 wieder aufgenommen, und schon am 29. Juli 1655 fand die feierliche Einweihung statt, obgleich die Einrichtungsarbeit noch nicht völlig abgeschlossen war.Ga naar voetnoot42 Es liegt auf der Hand, dass der Rathausbau aktuell war, als Vondel sein Gedicht für ‘De Tooneelbroeders’ schrieb. Im übrigen ist es zweifelhaft, ob seine Formulierung für die Datierungsfrage von Belang ist. Möglicherweise wird in der interessante Zeile ‘Zoo moet het nieuwe raethuis ryzen’ die Hoffnung ausgedrückt, dass das Weiterbauen planmässig fortschreiten wird. Fasst man die Formulierung auf diese Weise auf, so ist der Tag der Einweihung der Terminus ante quem des Gedichts. Dass eine derartige Hoffnung ausgesprochen wurde, war vielleicht besonders am Platz, bevor der Hauskörper vor dem Kriegsausbruch fertig gebaut war, aber auch nach dem Kriegsschluss, als die Bauarbeit wieder aufgenommen wurde, wäre sie durchaus verständlich. Wenn man die weite Zeitperspektive in den Zeilen ‘Het Oost en Westen eeuwen langk/Vergulden uwe beurs en banck’ ins Auge fasst, kann die Formulierung natürlich auch denWunsch aussprechen, dass das neue Rathaus in Zukunft jahrhundertelang zum Himmel ragen möge. Ein solcher Wunsch kann jedes Jahr in der Zeit bis an die Drucklegung des Gedichtes 1660 aktuell gewesen sein. Dass Vondel das neue Rathaus zur Sprache bringt, ist also für die Datierungsfrage kaum ausschlaggebend. Das Gedicht vermittelt uns aber auch andere, interessantere Information. Nach Vondel hatten ‘De Tooneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’ früher vor dem Erzherzog, dem dänischen Königspaar und dem Herzog von Holstein-Gottorp gespielt. Die Vorstellungen an den schwedischen Höfen werden dagegen nicht herangezogen, und der Schluss liegt also nahe, dass das Gedicht in der Zeit nach dem Schauspielerbesuch in Brüssel und dem Aufenthalt auf dem Schloss Gottorp im Herbst 1649 geschrieben wurde, als man, wie schon hervorgehoben wurde, vor dem Herzogspaar von Holstein-Gottorp und dem dort anwesenden dänischen Königspaar auftrat, aber vor der Reise nach Schweden im Frühjahr 1653. | |
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In der Biographie Vondels scheinen keine Einzelheiten dagegen zu sprechen, dass das Gedicht für ‘De Tooneelbroeders’ 1650, 1651 oder 1652 verfasst wurde. Wie wir finden werden, reimt sich indessen die Geschichte der Fornenberghschen Truppe schlecht mit dem Jahre 1650, während die politischen Geschehnisse das Jahr 1652 wenig wahrscheinlich machen. Von der Tätigkeit der Truppe Fornenberghs kann man im Jahre 1650 in der niederländischen Republik keine Spuren finden. Die Vermutung liegt also nahe, dass die holländischen Schauspieler, die im Frühling 1650 und Anfang 1651 in Gent und Brügge spielten, gerade die Fornenbergher waren, die sich nach ihrem Besuch in Norddeutschland nach Flandern begeben hatten.Ga naar voetnoot43 Man darf wohl davon ausgehen, dass sich die Truppe auch im Sommer und Herbst 1650 in den spanischen Niederlanden aufhielt. Im Mai 1651 finden wir die Truppe Fornenberghs im Haag wieder, und nichts scheint dagegen zu sprechen, dass sie sich einige Monate später auf dem grossen Jahrmarkt in Amsterdam befand.Ga naar voetnoot44 1652 lassen sich Mitglieder der Truppe im Zusammenhang mit einer Kindtaufe in Amsterdam dokumentieren.Ga naar voetnoot45 Im Hinblick auf den fortdauernden Krieg gegen England ist es indessen wenig vorstellbar, dass das Gedicht Vondels dieses Jahr für eine Aufführung auf dem Markt geschrieben wurde. Viele Belege können dafür angeführt werden, dass man im 17. Jahrhundert während eines Krieges aus Furcht vor dem göttlichen Zorn auf Theatervorführungen verzichtete. In den Kriegsjahren 1652-1654 wurde allerdings kein ausdrückliches Theaterverbot erlassen (die ‘Schouwburg’ hat z.B. auf übliche Weise weitergespielt),Ga naar voetnoot46 aber man darf vielleicht davon ausgehen, dass jedenfalls die im Gedicht lobgepriesenen Magistratsmitglieder ihre Theaterbesuche etwas beschränkt hatten. Diese Umstände lassen uns vermuten, dass 1651 eine plausible Datierung des Gedichts Vondels und der darin erwähnten Theatervorstellung ist. Die Tatsache, dass Vondel die Tätigkeit der ‘Tooneelbroeders’ an den schwedischen Königinhöfen unterdrückt, könnte aber auch auf politische Realitäten zurückgeführt werden. Mitte der 40er Jahre des 17. Jahrhunderts waren die Beziehungen zwischen Holland und Schweden aus zollpolitischen Gründen gestört, und eine deutliche Verslechterung trat ein, als Königin Christina die Bitte der Generalstaaten um Hilfe im Kriege gegen England abschlug. Noch unter der Regierung Karl Gustafs (1654-1660) führten die kollidierenden Handelsinteressen der beiden Grossmächte zu Konfrontationen.Ga naar voetnoot47 Man darf wohl deshalb auch die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass das Gedicht Vondels nach dem Besuch der holländischen Schauspieler in Schweden verfasst wurde. Tätsächlich spricht manches andere für eine solche Annahme. Ins Blickfeld rückt der Friedensschluss 1654. | |
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Durch den Erlass der englischen Navigationsakte 1651 und die Absperrung zwischen Dover und Calais erlitt die holländische Seefahrt einen beträchtlichen Abbruch. Mit dem Friedensschluss im Frühling 1654 wurde aber die Blockade beseitigt, und die Hollander konnten mit einem künftigen finanziellen Umschwung rechnen. Die Schlusspartie im Gedichte Vondels spiegelt vermutlich die vom Frieden erweckten Hoffnungen wider: die Meere waren jetzt ohne Einschrankungen zugänglich, Handel und Wohlstand zu Frommen. Im Gedicht ‘De Tooneelbroeders’ erkennt man gelegentlich Anklang an das grosse Vondelsche Gedicht Inwydinge van 't stadthuis t'Amsterdam, das im Zusammenhang mit der grossen Einweihungsfeier im Sommer 1655 gedruckt wurde. Das könnte an die Hand geben, dass die Gedichte in dieselbe Periode gehören. In beiden steht das Stadthaus im Zentrum, und auch der Umstand, dass im Theatergedicht die Börse den Handel und den Wohlstand symbolisieren darf, lenkt unsere Blicke auf das Einweihungsgedicht, welche die Tätigkeit im Börsenhaus am Dam ausführlich preist.Ga naar voetnoot48 Es ist zu vermuten, dass Amsterdam während der Monate nach dem Frieden in Westminster ein attraktives Ziel der Truppe Fornenberghs ausmachte. Ende Mai wurden als Folge des grossen Ereignisses allerlei Festlichkeiten eingeleitet. Die Zeremonien, als der Friedensschluss verkündigt wurde, und die folgende Unterhaltung auf dem Dam werden in Vondels Gedicht Inwydinge van 't stadthuis t'Amsterdam eingehend und lebhaft geschildert: Van hier wert, op 't gejuich der aengedronge stede
En alle de gemeent, den zeevaertnutten vrede,
Gesloten tusschen Brit en Batavier, gehoort,
En 't volck verkuntschapt hoe nu d'yzere oorloghspoort
Ter zee gesloten was, en zoo veel kopre monden
Van 't gruwzaem zeegedroght, die schip op schip verslonden.
Men zagh die steigeringe en masten gansch in 't groen,
En 't onvolbouwt stehuis met loofwerck en festoen
Behangen in triomf, met hangende prieelen.
De Dam ontvouwt hierop de pracht der schouwtooneelen.
De waterzege steeckt haer vreughdevieren aen,
Die geven schooner glans, by d'uitgebluschte maen.
De Vredefaem schept lucht op allerhande tongen,
En zet die havens op, die teffens opensprongen,
Als deuren uit haer slot. Wat zeilvlugh is en ree
Licht ancker voor den wint, en kiest de vrye zee.Ga naar voetnoot49
Die Theaterszenen, auf die Vondel hier anspielt, sind die zehn ‘vertoningen’ von Jan Vos, die an die Kriegsereignisse erinnerten und die in Anwesenheit des Magistrats auf dem Dam aufgeführt wurden.Ga naar voetnoot50 Auch der Besuch des Magistrats bei den ‘Tooneelbroeders’, der nach der Dichterhuldigung zu urteilen remarkabel war, lässt sich in der allgemeinen Freude nach dem Friedensschluss leicht erklären. Es ist in der Tat höchst | |
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wahrscheinlich, dass die Truppe Fornenberghs 1654 das wonnetrunkene Amsterdam aufsuchte.Ga naar voetnoot51 Es kann festgestellt werden, dass mehrere Truppenmitglieder sich im Sommer und im Herbst in der Stadt aufhielten: Noseman, Kalbergen und die Brüder Sybant schlossen im August einen Spielvertrag mit der ‘Schouwburg’ ab, und Ende September wurde ein Kind Parkars im Beisein Kalbergens getauft.Ga naar voetnoot52 Die Rechenschaften des Spinnhauses geben an die Hand, dass ‘Duytse Comedianten’, d.h. holländische Schauspieler, nachdem der Herbstmarkt zu Ende war, der Armenfürsorge eine ungewöhnlich grosse Summe Geld entrichteten.Ga naar voetnoot53 Zu dieser Zeit bekam das Spinnhaus einen Teil seines Betriebskapitals von fremden Schauspielern, die in Amsterdam Vorstellungen gegeben hatten - und in diesem Falle ist man natürlich geneigt, namentliche an die Truppe Fornenberghs zu denken.
Unsere Prüfung des herkömmlichen Bildes der Tätigkeit der Truppe Fornenberghs, veranlasst durch neulich angetroffenes schwedisches Quellenmaterial aus dem Jahre 1653, hat gewisse Einzelheiten in ein neues Licht gestellt. Es hat sich ergeben, dass ein Besuch, den die Truppe nach allgemeiner Auffassung im Sommer 1653 in Kopenhagen ablegte, aus chronologischen Gründen nicht hat stattfinden können. Dass die Truppe im Juli 1653 Gdańsk und zur Zeit des Herbstmarktes Amsterdam besucht hätte, ist auch nicht mit dem schwedischen Material vereinbar. Weil eine Vorstellung auf dem grossen Jahrmarkt in Amsterdam 1653 unwahrscheinlich ist, wurde die Aufmerksamkeit auf das Vondelsche Gedicht für die ‘Tooneelbroeders van den Aertshertoge Leopoldus’ gelenkt, das nach hergebrachter Auffassung gerade aus 1653 stammen sollte. Alles spricht dafür, dass es für die Truppe Fornenberghs geschrieben wurde. Den Inhalt hat man indessen falsch gedeutet und infolgedessen falsch datiert. Est ist uns freilich nicht gelungen, einen bindenden Beweis für eine alternative Datierung zu erbringen, aber est lässt sich nicht bezweifeln, dass das Gedicht kaum mehr am Platze sein konnte als im freudetaumelnden Amsterdam nach dem Friedensschluss mit England 1654. |
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