Nieuwe en oude talen?!
‘Die englische Sprache hat... noch eine andere preiswürdige Einfachheit erreicht: das Geschlecht ist auf seinen ursprünglichen Sitz, die Pronominalbezeichnung, zurückgebracht. In den übrigen Sprachen, in welchen das Geschlecht erscheint, finden wir, dasz das Geschlecht des Substantivs einen Einflusz auf die Form der Wörter ausübt, die zu ihm in das Verhältnis des Prädikats oder Attributs treten, sich in ihnen abprägt, und viele, wohl die meisten, erkennen hier ein wirkliches grammatisches Geschlecht an, indem sie zugleich in diesem Anbringen eines Merkmals des Geschlechts des Substantivs wie in dem Hinzufügen anderer analogen Merkmale (der Zahl, des Kasus, der Person) an cinem andern Wort die Auszerung eines logischen Gefühls in der Sprachbildung, in der Abwesenheit solcher Merkmale einen minder logischen Charakter sehen. Ein jeder wird sich bei einigem Nachdenken leicht überzeugen, dasz es für die Aufgabe und Intention der Sprache an sich ganz unnötig ist, neben dem Substantiv selbst die Nebenvorstellung besonders hervorzuheben, geschweige denn sie eben am Prädikate oder Attribut hervorzuheben, das dadurch gar nicht modificiert wird, und dasz die Sprache gar nicht die sehr verkehrte und sehr unlogische Absicht hat, als eine Eigenschaft des Prädikats zu bezeichnen, was nur eine des Subjekts ist. Diese ganze Entfaltung von Formen am Prädikat und Attribut ist (- ich wage es kaum, die ketzerische Wahrheit zu sagen -) eine luxuriöse Verzierung, entstanden aus der Unbehülflichkeit der jungen Sprache, aus ihrem Streben nach Deutlichkeit bei noch nicht festen und klaren Normen oder aus ihrer kindlichen, wiederholenden Umständlichkeit.’
Madvig, Kleine philologische Schriften, S. 27-28.