Lichtenberg over opvoeding.
Ueber die Erziehung soll man nicht räsonniren, sondern erst Erfahrungen sammeln, welche Nation die grössten, activsten Leute hervorgebracht hat, nicht die grössten Compilatoren und Bücherschreiber, sondern die standhaftesten, die grossmüthigsten, in künsten geschicktesten u.s.w. - Das möchte doch wol die englische sein.
Es war ein vortrefflicher Junge; als er kaum sechs Jahre alt war, konnte er schon das Vater Unser rückwärts herbeten!
Wenn man nur die Kinder dahin erziehen könnte, dass ihnen alles Undeutliche völlig unverständlich wäre.
Es ist ein schlechter Sohn, wenn ein Junge, auf den man etwas verwandt hat, am Ende ein Poet wird. Eltern, die bemerken, dass ihr Junge ein Poet von Profession werden will, sollten ihn so lange peitschen, bis er das Versemachen aufgibt oder bis er ein grosser Dichter wird.
Nachdem die Welt schon so lange gestanden hat, scheint es fast unnöthig, am Menschen weiter zu künsteln. Man lasse die Kinder so viel als möglich thun, und halte sie immer zu ältern, als sie selbst sind; man schwatze ihnen nicht viel von grossen Männern vor, sondern halte sie womöglich an, andere zu übertreffen. Wer immer angehalten wird, seine Spielkameraden zu übertreffen, der wird im vierzigsten Jahre alle seine Collegen übertreffen. Aus der Schule von Eton und West-Minster kommen Leute, die alles andere lieber thun, als schwatzen.
Wenn ich mir ein Vergnügen machen will, so denke ich mir einen von unsern fünfzehujährigen gelehrten Knaben in die Gesellschaft eines fünfzehnjährigen Engländers, der aus der Schule von Eton zurückkommt; den ersten im Haarbeutel, gepudert, demüthig und gespannt auf den mindesten Druck mit einer Menge Gelehrsamheit loszubrechen, in seinen Meinungen schlechterdings nichts anders als der kleine schlecht copirte Papa oder Präceptor, ein blosser Wiederschein, bewundert bis ins sechszehnte Jahr, im siebzehnten, achtzehnten, neunzehnten, zwanzigsten mit Erwartung und Stille angesehen, da indessen das auf hohlen Grund aufgeführte Gebäude zu sinken anfängt, im zweiundzwanzigsten, dreiundzwanzigsten u.s.w. ein mittelmässiger Kopf, und so bis ans Ende. Der Engländer hingegen hat sein reines lockiges Haar um die Ohren und Stirne hängen, die Miene blühend, die Hände zerkratzt und auf jedem Knöchel eine Wunde; in seinen Meinungen ist er bestimmt und eigen, irrt sich tausend Mal, aber verbessert sich selbst.
(Ausgewählte Schriften. Ed. von Reichel, bij Reclam.)