Die Schützenfeststadt Neuß während des niederl. Unabhängigkeitskrieges.
Nur wenige der zahlreichen niederländischen und flämischen Besucher der rheinischen Schützenstadt, die sich für ihr großes vaterstädtisches Fest am letzten Sonntag im August rüstet, kennen die Beziehungen des alten ‘Nuys’ zu den Niederlanden.
Dabei hat kein Geringerer als der weit über die Grenzen seines Landes hinaus bekannte und geschätzte Historiker Johan Huizinga in seinem Buche ‘Herfsttij der Middeleeuwen’ die Stadt an Rhein und Erft erwähnt. Huizinga beschreibt darin die großartige Prachtenfaltung des Burgunderherzogs Karl des Kühnen bei der Belagerung der Stadt Neuss, die sich damals noch Nuys oder Nuis schrieb. Das Burgundische Mittelreich zwischen Frankreich und Deutschland stand mit ihm auf dem Höhepunkt seiner Macht. Selbst die stolzen flämischen und wallonischen Städte hatten sich ihm beugen müssen und auch das Herzogtum Geldern hatte er erobert. Schließlich rief ihn der Kölner Erzbischof Rupprecht in seinem Streit gegen das Domkapitel zu Hilfe. Angesichts der Größe Kölns warf sich Karl der Kühne erst auf das 35 KM nördlich vorgelagerte Neuss, die ‘immer treue Tochter Kölns’, wie es von ihr hieß. Trotz der elfmonatigen Belagerung mit insgesamt 56 Sturmangriffen vermochte der Burgunder die Stadt nicht zu nehmen. Unter seinen zahlreichen Hilfstruppen waren auch zahlreiche Niederländer, wie aus der Reimchronik des Neusser Stadtschreibers Christian Wierstraat hervorgeht. 1475 zog sich Karl der Kühne von der Stadt und dem heranrückenden Kaiserlichen Heer zurück. Zwei Jahre später fiel er vor Nancy. Neuß hatte dem Reich das nördliche Rheinland erhalten. Dazu eine Kuriosität: vor Neuß wurde dabei die erste Post per Kanonenkugeln ‘befördert’...
Kaum 100 Jahre danach hatten sich im Gefolge der Reformation die sieben niederländischen Provinzen gegen die Weltmacht Spanien zusammengeschlossen. Während die südlichen Niederlande den spanischen Druck erlagen und sich dort die neue Religion nicht behaupten konnte, hielt der Norden gegen die überlegene spanische Kriegsmacht stand. 80 Jahre lang dauerte dieser Kampf, bis Spanien 1648 die Unabhängigheit der Niederlande anerkennen mußte. Die Stadt Neuß lag zu nahe am Geschehen dieser Auseinandersetzungen, um völlig verschont zu bleiben. Als der Kölner Erzbischof Gebhard 1582 zur neuen Religion übertrat und eine Stiftsdame heiratete, ohne jedoch auf sein Kurfürstentum am Rhein zu verzichten, wie es der Augsburger Religionsfriede bestimmte, wählte das Domkapitel einen Bayernherzog zum Nachfolger, den auch Neuß anerkannte.
Der abgesetzte Erzbischof und Kurfürst erhielt Unterstützung von niederländischer Seite, während der neue sich an den spanischen Statthalter im Süden, den Herzog von Parma, wandte. Damit waren auch am Niederrhein die Fronten klar abgesteckt.
Im gleichen Jahr 1585, als Antwerpen von den Spaniern erobert wurde, wurde auch Neuß in die Religionswirren hineingerissen. In der Nacht vor dem städtischen Patronatsfest, dem heiligen Sankt Quirinus, nahmen niederländische Truppen Neuß im Handstreich und plünderten die Stadt völlig aus. Es dauerte nicht lange und die Spanier erschienen vor Neuß, nachdem sie etwa ein Jahr lang eine niederländische Besatzung in ihren Mauern gehabt hatte. 1586 stürmte die Spanier und ihre Hilfsvölker die Stadt, wobei sie völlig niederbrannte. Der niederländische Kommandant, Baron Pelden, genannt Kloudt, wurde dabei von den Spaniern erdrosselt.
Auch das blieb nicht die letzte kriegerische Berührung mit den Niederlanden. So lagerte Moritz von Oranien 1610, während des jülichbergischen Erbfolgekrieges im Weichild der Stadt. Während der Kriege Ludwigs XIV. gegen das Reich der Habsburger, bei dem ihn die Kölner Kurfürsten unterstützen, war Neuß nach Vauban'schem Muster zu einer starken Festung ausgebaut worden. Von hier aus sollte im Jahre 1672 der Angriff Ludwigs XIV gegen die Niederlande mit über 100.000 Mann vorgetragen werden; der französische König kam selbst nach Neuß, doch die Niederlande konnten den Angriffe abwehren. Trotz des Friedens von Nijmegen im Jahre 1679 blieben noch 38 französische Kompanien ein Jahr lang in der Stadt zurück. Die Besatzungen wechselten ständig, und was es auch nur, um die Stadt Neuß nicht dem Gegner in die Hände fallen zu lassen.
So besetzten die Franzosen 1701 die Stadt mit mehreren Regimentern gegen die niederländische Bedrohung - im gleichen Jahr war der spanische Erbfolgekrieg ausgebrochen - 1702 wurden sie von preußischen Truppen abgelöst, denen wiederum Niederländer und selbst Engländer folgten. Selbst um die Mitte des 18. Jahrhunderts finden