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Gedichte von Bernd Hartmut.
Letzter Herbst
Noch einmal, wenn mit letzten vollen Händen
die Jahreszeiten ihren Glanz verschwenden
auf einen Tag voll spätem Licht und Blau,
erwacht die Stadt aus den verfrühten Träumen
von Schnee und Winter, und auf Bau und Bäumen
trägt sich der Herbst zum letztenmal zur Schau.
Und in dem Park, auf dessen breiten Wegen
die Winde die verwehten Blätter fegen,
erwacht die Sonne zwischen jedem Strauch
und malt auf die schon halberstorbenen Decken
der weiten Rasen ihre goldnen Flecken
und küsst den Marmorgott in sanftem Hauch.
Doch morgen wird dies alles sich schon ändern,
die Sonne zieht zu südlicheren Ländern
und keiner weiss, was gestern noch geschah.
Wer sieht das Gleissen auf den Regengossen,
wer hat die Augen vor dem Glanz geschlossen? -
Ach, keiner blieb hier stehn, nur unverdrossen
spielt noch ein Blinder Mundharmonica.
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Nachhall
Den Nachhall allen Wesens einzufangen,
begann mein Ohr, dem Weltengang zu lauschen,
des Schicksals rätselhaftem Unterfangen,
der Wellen stetem Auf- und Niederrauschen.
Denn allen, hoher Schöpfungstat Entstammten
ist Spur und Sprache durch ihr Sein verliehen,
die noch erklingen, wenn die jäh Entflammten
den Odem ihres Lebens schon versprühen,
Wie Wind und Wolke und die Dinge alle,
die einst entstanden, wieder zu vergehen:
die Gegenwart im raschen Niederfalle,
Vergangenheit voll flüsterndem Verwehen.
Und was ich in dem leisen Klang erlauschte,
schloss ich in mich in heiliger Bewahrung,
bis dass der Nachhall immer weiter rauschte
an meinem Ohr in früher Offenbarung.
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Eine Frühlingslegende
Als die Sonne schien im Garten,
stiessen wir die Flügeltüren auf,
und wir stiegen Hand in Hand,
weisse Treppen, sehen unverwandt
Und es war uns, als gewahrten
wir in ihrem glühend roten Kreis
tausend Sonnen, einem zarten
Beete gleich. - Wir schritten leis
zu der Flora, die aus weissem Steine
zwischen knospenden Gebüschen stand,
blumenstreuend senkt die kleine
Und es fielen tausend Sonnen nieder
von dem Himmel in die Hand hinein;
sie empfing und streute ewig wieder
auf uns ihre ersten Frühlungslieder,
ihren ersten Frühlingssonnenschein.
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Die verfehlte Strasse
Wir wählten lang vor Frührot diesen Steg,
da sich die alte Strasse plötzlich teilte,
und merkten nicht, dass unser Weg
dem Kreuzungspunkte schnell enteilte.
Der Mittag kam. Die Wolken heissen Staubs
entwichen nicht, um unsern Bliek zu klären;
kein Baum, kein Flitter grünen Laubs
war nah, dem Sonnenbrand zu wehren.
Nur wer hier weilte, weiss um alle Qual,
die sich dem Dürstenden im Fieber weitet,
und wie die Hitze, weiss und fahl,
an Schatten höhnend abwärtsgleitet.
So ritten wir in müdem schweren Schritt,
und plötzlich schrie die Angst aus unsern Kehlen:
O Freund, wie konnten wir beim Ritt
durch Dämmerung den Weg verfehlen?
Zurück, zurück, verlor sich doch der Weg,
den wir verschmähten, kaum erst hinterm Wald,
geschwind, die Sonne fällt sdhon schräg,
auf falscher Strasse werden wir sonst alt!
Wir wandten mühsam unsre Pferde um,
und als die Nacht uns still den Scheitel küsste,
da war er weiss. Wir standen stumm -
und um uns her - war alles Wüste.
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Gebet zu Orpheus
O dass der Sang nicht verklingt,
dass nicht das Feuer erlischt,
senke den Brand mir ins Herz,
schlage die Leier in meiner Seele,
Wenn die Flamme verglimmt,
wenn die Seite zerspringt,
in erstickender Stummheit,
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Michelagniolo
‘Ach, nicht dieses noch, Herr,
nicht dieses letzte, dies schwerste:
ungeliebt und nicht liebend,
lodernd inmitten der Brust,
bis ihr die Nacht kommt.’
Erz und Schmelze zugleich.
Doch die metallenen Zähren des lodernden Herzens
werden, erstarrt, noch künden von Gluten und Kämpfen
tausend Geschlechter nach Dir
weinen menschliche Tränen
über Deinen metallenen Zähren.’
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Mensch
In tausend Verwandlungen aber,
immer erlösungsbestrebt aus bunter Verkleidung,
fliehe ich hin auf der kurzen Bahn meines Lebens.
wissend nie, wann die Maske fällt,
brandet stets die unendliche Qual
doch es richtet ein Gott.
Wenn die Seele zu weit floh
vor dem Urblick von Antlitz zu Angesicht,
in das Wirrsal erträumter Leben und Taten,
nimmt er uns liebreich auf
in den gnädigen Schoss seines tiefsten
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Tanzendes Kind
Kleines Kind klatscht in die Hände,
Kind im Gaslaternenschein,
und die grauen Häuserwände
atmen seinen Frohsinn ein.
Tanzt und jubelt vor Entzücken,
stellt sich plötzlich ernst und alt,
legt die Hände auf den Rücken,
beugt die zierliche Gestalt
gegen Schattengitterstäbe,
lacht dann wieder, jauchzt und singt,
und als ob es das nur gäbe,
dreht es sich und tanzt und springt.
Harlekin und Zinnsoldaten
preist sein Liebesliedchen an;
immer wieder hört man singen:
lieber kleiner Hampelmann.
Kindes Tanz und Singen bannte
als ich scheidend um mich wandte,
während die Laterne brannte,
tanzte es noch immer fort.
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