wird zum ersten Male die occitanische Bewegung der allgemeinen Bewegung der nationalen Minderheiten eingeordnet, den Tschechen, den Flamen, den Kroaten usw.
Aus der Erkenntnis heraus, dasz man zuerst in engem Rahmen die Sprache reinigen und einheitlich gestalten müsse, fanden sich am 21. Mai 1854 in dem kleinen Landschlöszchen von Font-Ségugne 8 Personen zusammen. Unter ihnen der erwähnte Roumanille, der feurige und temperamentvolle Aubanel, dessen freie, erotische Gedichte (Venus d'Avignon, 1885) später den Zorn der katholischen Kirche erregten, und der noch junge Mistral. Diese Zusammenkunft ist die Geburtsstunde der ‘Félibrige’. Nach langen Ueberlegungen wählte man für die neue literarische Bewegung diesen Namen, der sich aus ‘faire livre’ (Bücher machen) ableitet.
Nach allen Seiten war so der Boden vorbereitet, auf dem das Werk Mistrals wachsen und Anerkennung finden konnte. Mistral wurde 1830 als Sohn begüterter Eltern geboren. Bereits während seiner Schulzeit schlosz er innige Freundschaft mit Roumanille. Nach einigen kleineren Werken erschien 1858 sein grösztes Bauerngedicht ‘Mirèio’. In der Art wie er die einfache Liebesgeschichte zweier Menschen gestaltet, der reichen Besitzertochter und dem armen Korbflechtersohn, zeigt sich der grosze Poet. Keine Idylle entsteht, sondern das Epos des Bauern in Südfrankreich. Mit Recht faszt Lamartine seinen Eindruck in die Worte zusammen: ‘Ein Land wurde ein Buch.’ An der starken, natürlichen Schilderung der ländlichen Verhältnisse erkennt man, dasz Mistral kein dekadenter Städter war, der auf das Land flüchtete, um dort Ruhe und Primitivität zu suchen. Klar formte er alle Bindungen, zeigte ehrlich, wie es auch auf dem Lande Arme und Reiche gibt, dasz Brutalität und Grausamkeit, Herrschdortsucht und Habgier ebenso herrschen, wie in der Stadt. Gesund ist das Land, natürlich seine Bewohner, aber dieselben Fehler und Leidenschaften wie überall.
Literarisch und kulturell liegt die Bedeutung Mistrals, wie sie sie André Chamson letzthin in Berlin vor einem Kreise junger Deutscher kurz formuliert hat: ‘In seiner Darstellung der Welt, die weder eine historische noch eine nationale Wiedergabe ist. Sie ist fast eine Vision des ewigen Angesichts der Civilisation