De Nieuwe Gids. Jaargang 45
(1930)– [tijdschrift] Nieuwe Gids, De– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Ein neuer Erfolg der internationalen geistigen Zusammenarbeit von Dr. J. Vorstius Bibliotheksrat a.d. Preussischen StaatsbibliothekEs ist eine oft ausgesprochene Tatsache, dass Bibliographien jeder Art weniger bekannt sind und weniger benutzt werden, als der Lage der Dinge entspricht: so wichtig es für den Gelehrten ist, den notwendigen Überblick über die steigende Literaturflut zu erlangen und zu behalten, so wenig pflegt er die Bibliographien allgemeiner Art und diejenigen seines Fachgebietes für seine Studien systematisch auszuwerten, obwohl beide ihm, wenn sie zweckentsprechend angelegt sind, ohne grossen Zeitverlust sichere und erschöpfende Informationen zu übermitteln vermögen. Ein besonders hoher Wert kommt unter den Orientierungsquellen den laufenden Bibliographien zu, da sie ihrem Wesen nach in regelmässigen, kurzen Intervallen die neuesten Publikationen erschliessen und demnach auch für einen die Literatur seines Faches vollständig beherrschenden Gelehrten unentbehrlich sind. Denn jede Woche treten neue Bücher und Aufsätze ans Licht, und Stillstand bedeutet auch auf dem Gebiete der Literaturkenntnis und -beherrschung einen von Tag zu Tag bedenklicher werdenden Rückschritt. Um aber die laufenden Bibliographien benutzen zu können, muss der wissenschaftlich Arbeitende sie erst einmal kennen. Natürlich besitzt der Gelehrte im Durchschnitt die Kenntnis der inländischen Bibliographien seines Faches, aber schon die ausländischen sind ihm nicht mehr alle ohne weiteres geläufig, und ganz unsicher wird er vollends in der Frage der Literaturbeschaffung, wenn ihn die Bearbeitung eines Themas auf ein fremdes Fachgebiet führt. | |
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So hält man unwillkürlich Ausschau nach einem bequem benutzbaren Leitfaden durch das Gebiet der laufenden Bibliographie, der jedem in die Hand gegeben werden kann, der auf irgend einem Gebiet laufende bibliographische Information wünscht. Dass ein solches Hilfsmittel in den wenigen allgemeinen bibliographischen Nachschlagewerken, die uns die Nachkriegszeit beschert hat, vorhanden sei, wird man zunächst vermuten und sie daraufhin durchmustern. Doch wird man bald erkennen, dass in ihnen naturgemäss die laufenden bibliographischen Zeitschriften und Jahrbücher unter der Fülle des übrigen Materials derart versteckt sind, dass man Mühe hat, sie überhaupt herauszufinden, ja, was bedenklicher ist, dass sie durchweg im Vergleich mit den retrospektiven Bibliographien zu oberflächlich und summarisch behandelt sind. Das Handbuch der Bibliographie von G. Schneider, das diesen Mangel noch am wenigsten aufweist und dazu auch die ausländische Literatur ausreichend berücksichtigt, hat bekanntlich die Fachbibliographien aus seinem Plane ausgeschlossen und kann daher nur für ein kleines Teilgebiet hier den Führer abgeben; und den beiden von I.G. Mudge und J. Minto jüngst in Amerika und England veröffentlichten Zusammenstellungen fehlt es in bedauerlichem Masse an der notwendigen Internationalität, und gerade die laufenden Bibliographien sind dort arg stiefmütterlich bedacht. Nur eine Publikation der Weltliteratur gibt es, die das Bedürfnis nach einem bequemen und vollständigen Überblick über die laufenden Bibliographien befriedigt, nämlich der als erste bibliographische Publikation des Völkerbundes 1925 veröffentlichte ‘Index Bibliographicus’, eine unter der Redaktion von Marcel Godet, dem Direktor der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern, zusammengestellte internationale Liste bibliographischer Zeitschriften aus allen Wissensgebieten. Indessen bedarf es einer ernsten Prüfung, ob dieses Werk, dessen Unterlagen in den Jahren 1923 und 1924 gesammelt wurden, also nunmehr sechs bis sieben Jahren alt sind, noch heute in ausreichendem Masse seine Mission zu erfüllen vermag, oder ob es inzwischen in wesentlichen Partien überholt ist. Prinzipiell bildete der Gedanke, das Verzeichnis der laufenden bibliographischen Zeitschriften von Zeit zu Zeit neu aufzulegen, einen integrierenden Bestandteil des ursprünglichen Projektes. Dem geistigen Vater des Index Biblio- | |
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graphicus, Godet, war es von vornherein klar, dass eine bibliographische Liste der ‘bibliographies courantes’ selber auf dem Laufenden gehalten werden müsse, wenn mit ihr mehr als eine blosse Augenblickswirkung erzielt werden sollte. Und es liegt in der Natur der Sache, dass sogenannte ‘Bibliographien in der 2. Potenz’, also Bibliographien der Bibliographien, schneller veralten als andere bibliographische Hilfsmittel, zumal wenn sie sich auf laufende Bibliographien erstrecken, wie es hier der Fall ist. Denn die eigentlichen bibliographischen Zeitschriften haben oft nur eine kurze Lebensdauer, und bei den übrigen, die nur zum Teil einen bibliographischen Inhalt aufweisen, schwankt manchmal der bibliographische Gehalt und Wert im Laufe weniger Jahre ausserordentlich, da es in das Belieben der Redaktionen gestellt ist, ob und in welcher Ausführlichkeit sie in ihrer Zeitschrift einen bibliographischen Abschnitt veröffentlichen wollen. So sind es nicht nur die durch die Begründung neuer bibliographischer Zeitschriften entstehenden Lücken im Index, die ihn in seinem Wert herabgemindert haben, sondern auch veraltete Angaben über Zeitschriften, die entweder überhaupt nicht mehr leben, oder ihren bibliographischen Charakter inzwischen abgestreift haben. Wäre als Medizin gegen den zuerst genannten Übelstand noch das Hausmittelchen eines Supplementes denkbar, so ist dem zweiten nur mit einer Radikalkur, einer vollständig neuen Aufarbeitung des Materials, beizubekommen. Und hierzu scheint die Zeit in der Tat gekommen zu sein. Faktisch aufgerollt wurde die Frage im Herbst 1928, und zwar gab den Anstoss hierzu die Tatsache, dass ein verwandter Plan sich der Verwirklichung näherte, nämlich der eines Verzeichnisses geisteswissenschaftlicher bibliographischer Zeitschriften, das die Internationale Akademische Union zusammen mit dem Internationalen Institut für Geistige Zusammenarbeit des Völkerbundes vorbereitet. Bei der Prüfung des gegenseitigen Verhältnisses der beiden Unternehmungen durch die Bibliotheksexperten des Völkerbundes wurden so tiefgreifende Unterscheide in Arbeitsweise und Ziel festgestellt, dass man davon absehen zu können glaubte, die beiden Projekte aufeinander abzustimmen. Zugleich aber wurde das bisher nur mässige Interesse an der Erneuerung des Index Bibliographicus zu hellen Flammen angefacht. Nach eingehender Debatte beschloss die Internationale Bibliothekskonferenz beim Institut für | |
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Geistige Zusammenarbeit auf ihrer Pariser Tagung vom 11. bis 13. Februar 1929, in der ausser Godet-Bern besonders General-direktor Krüss-Berlin aufs wärmste für das Projekt eintrat, die Einsetzung eines aus den Herren Godet, Krüss und dem General-direktor der Pariser Nationalbibliothek Roland-Marcel bestehenden Ausschusses, der einen Plan ausarbeiten und zur weiteren Beschlussfassung vorlegen sollte. In ihrer Zusammenkunft vom 21. März 1929 beriet diese Subkommission des näheren über den modus procedendi. Es lagen zwei detaillierte Entwürfe hierzu vor: von Godet-Bern und dem Verfasser dieses Artikels, die im einzelnen durchberaten und unter Zugrundelegung des Godetschen Plans zu einem massgebenden Vorschlag zusammengearbeitet wurden. Die endgültige Gestalt des Plans weicht trotz durchgehender Übereinstimmung mit der Grundanlage der ersten Auflage in einigen Punkten von ihr ab. Die beiden wichtigsten Differenzen sind die Heranziehung der Staatsbibliothek zu Berlin zur verantwortlichen Mitwirkung bei der Gesamtredaktion und sodann eine im Hinblick hierauf gewagte Ausdehnung der bibliographischen Einzelangaben. Schon Godet selber hatte es für wünschenswert erklärt, dass eine der ganz grossen Nationalbibliotheken die Herausgabe übernähme oder an ihr beteiligt würde, da er bei der Bearbeitung der ersten Auflage die Erfahrung hatte machen müssen, dass die dringend erwünschte Nachprüfung und Ergänzung der an die Zentrale gemeldeten Angaben in der Schweizerischen Landesbibliothek auf Schwierigkeiten stiess. Wie anders stehen in dieser Hinsicht die Millionenbibliotheken da, in denen die bibliographischen Zeitschriften des Auslandes wenigstens in überwiegender Mehrzahl gehalten zu werden pflegen! In ihnen wäre somit Korrektur und Komplettierung unzuverlässiger oder fehlender Angaben ohne allzugrosse Mühe möglich. Auf Vorschlag von Generaldirektor Krüss wurde die Berliner Staatsbibliothek hierfür ausersehen, weil laut Ausweis der ersten Auflage des Index BibliographicusGa naar voetnoot1) Deutschland unter allen Staaten der Erde die grösste Zahl laufender bibliographischer Perodica besitzt, und der Schreiber dieser Zeilen zum Mitherausgeber des Werkes neben Godet bestimmt. Von dieser Lösung der Personen- | |
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frage verspricht man sich im wesentlichen drei Vorteile: Ausnutzung der bei der Ausgabe von 1925, die Godet bearbeitet hatte, gesammelten Erfahrungen, Auswertung der reichen Bestände der Berliner Bibliothek und schliesslich Bereicherung und Befruchtung durch enge Kooperation mit der ‘Internationalen Bibliographie des Buch- und Bibliothekswesens’, die sich dadurch ungezwungen ergeben wird, dass der Unterzeichnete zugleich Herausgeber dieser bibliographisch-bibliothekarisch-buchkundlichen Jahresbibliographie ist. In der im vorstehenden geschilderten Gestalt wurde der Plan im Juli 1929 von der Kommission für geistige Zusammenarbeit in Paris und zusammen mit deren übrigen Beschlüssen im September auf der Vollversammlung des Völkerbundes in Genf angenommen. Damit hat sich die weitverzweigte Organisation des Völkerbundes offiziell hinter das Unternehmen gestellt; das Völkerbundinstitut für Geistige Zusammenarbeit in Paris wird die Herausgabe übernehmen und die Publikation ebenso wie die Deutsche Kommission für Geistige Zusammenarbeit finanziell unterstützen. Nachdem so die Ausführung der Unternehmens gesichert erscheint, heisst es nun, frisch ans Werk gehen. Die Arbeitsmethode stellt einen dem Gegenstande, wie man hofft, angemessenen Kompromiss zwischen dem Prinzip der Zentralisation und dem der Dezentralisation dar, indem eine sichtende, ergänzende, ordnende, an letzter Stelle verantwortliche Zentrale in Berlin an der Durchführung des Planes entscheidend mitwirkt, die Ausarbeitung aber wie in der ersten Auflage des Index zunächst Sache der Nationalbibliotheken der einzelnen Länder ist, die damit je für ihr Land die Verantwortung namentlich für Auslassungen übernehmen. Dass die Mitwirkung an einer solchen bibliographischen Arbeit im Rahmen der einer Nationalbibliothek gestellten Aufgaben liegt, wird kein Einsichtiger bestreiten können. Es wäre ein enger, beschränkter Standpunkt, wenn die Zentralbibliotheken ihre Aufgabe damit für erschöpft hielten, dass sie die literarische Produktion ihres Landes sammelten und für die Benutzung auch der fernsten Geschlechter bereithielten. Nein, sie haben der lebenden Generation gegenüber auch noch andere Pflichten zu erfüllen, sie müssen, wo immer sich die Gelegenheit auch bieten mag, positiv auf Verbreitung von Kenntnis und Wissen hinarbeiten, durch Einrichtung von Auskunftsstellen und Tauschbüros, Erleichterung des Leihverkehrs | |
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und, wenn nötig, Übernahme zentraler bibliographischer Aufgaben sich als wahre bibliothekarische Zentrale ihres Landes ausweisen und schliesslich an den internationalen bibliothekarischen Aufgaben derart mitarbeiten, dass ihr Land würdig vertreten und die Sache gefördert wird. Möge es auch dan am 12. Februar zur Mitarbeit an dem neuen bibliographischen Unternehmen aufgerufenen 50 Bibliotheken und sonstigen Körperschaften an dem Geist echten Idealismus und bereitwilliger Hingabe an die Sache nicht fehlen!
Berlin, den 27. Februar 1930. |
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