Nederlandse historische bronnen 1
(1979)–Anoniem Nederlandse historische bronnen– Auteursrechtelijk beschermd
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Teil II
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ausgedachtes Organisations-System zu tarnen und gleichzeitig die Möglichkeit eines Verrates ihrer Organisationen fast vollkommen auszuschalten. Die Führer der Organisationen kennen zwar die Unterführer, diesen sind jedoch ihre Führer meistens nur unter Decknamen bekannt und die Unterführer untereinander sind sich vollkommen fremd. Die einzelnen Angehörigen der Organisation kennen nur die ihnen unmittelbar vorgesetzten Unterführer, während ihnen die Leiter und Angehörigen der Nachbargruppe vollkommen unbekannt sind. Durch das Einbauen von V-LeutenGa naar voetnoot6 ist es, obwohl diese Tarnung die Arbeit der Deutschen Sicherheitspolizei sehr erschwerte, wie sich aus Ziffer C) ergibt auch im Jahre 1942 gelungen, die bestehenden Widerstandsorganisationen weitgehend aufzurollen und zu zerschlagen. Allerdings versuchen sich die Mitglieder immer wieder zu sammeln und Splittergruppen zu bilden. | |||||||||||||||
B.) Ziel und Aufgabe der Widerstandsorganisationen:Die Hauptwiderstandsorganisation, die bisher in den Niederlanden in Erscheinung trat und die zum grössten Teil zerschlagen wurde, war der ‘Ordedienst’ (O.D.). Ziel und Aufgabe dieser Organisation diente den meisten anderen Widerstandsorganisationen als Vorbild. Nach dieser Organisation richteten sie sich aus. Angebliches Ziel des O.D. war die Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung in den Niederlanden nach dem Abrücken der deutschen Truppen, da man in diesem Falle blutige Ausschreitungen gegen die NSB-er erwartete. Von den Mitgliedern und Funktionären wurde immer behauptet, dies sei das Ziel ihrer Organisation gewesen. In Wirklichkeit war dies jedoch eine äusserst durchsichtige Tarnung. Diese Organisation hatte einen absolut deutschfeindlichen Charakter. Bei der Gründung des O.D., im Juli/August 1940, rechnete man mit einer unfreiwilligen Freigabe der Niederlande durch die deutschen Truppen wegen des Ausbruchs einer Revolution in Deutschland oder einer Landung englischer Truppen in den Niederlanden und den übrigen besetzten Gebieten. Mehrfach sah man im Frühjahr 1941 diesen Zeitpunkt gekommen. In diesem Augenblick sollte die Organisation ein Vorgebilde für eine neue niederländische Wehrmacht sein, die die Landung englischer Truppen zu begünstigen und ihre Kampfhandlungen zu unterstützen hatte. In dem vom O.D. aufgestellten Organisationsplan würde als Zeitpunkt des Einsatzes der Organisation der Augenblick angegeben, in dem eine gesetzliche Regierung oder eine Be- | |||||||||||||||
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satzungsmacht nicht mehr vorhanden war. Hierbei dachte man zweifellos nur an eine Invasion der Engländer, weil ja bei einem geregelten Abzug der deutschen Truppen eine ordnungsmässige und dem Deutschen Reich zusagende Regierung in den Niederlanden vorhanden gewesen wäre. Im Augenblick der Invasion sollte die Mobilmachung der Organisation und die Besetzung sämtlicher Regierungsgebäude, Industrieanlagen und Verwaltungen durchgeführt werden. Beweis für das wahre Ziel der Organisation, nämlich Unterstützung der englischen Truppen und Störung des Rückzuges der Deutschen Wehrmacht durch Kampfhandlungen und Sabotagehandlungen ist die Tatsache, dass im Organisationsplan Anweisungen über ‘Kriegsgefangene’ und ‘Kriegsgerichte im Feld’ aufgeführt sind. Darüber hinaus waren eine ganze Reihe Mitglieder des O.D. mit der Beschaffung von Nachrichtenmaterial zum Nachteil der Besatzungsmacht beauftragt. Ausserdem war eine Terrorgruppe zur Beseitigung von NSB-Mitgliedern auf ‘geräuschlose’ Weise vorgesehen. Ein angestrebtes Ziel des O.D. war die Zusammenfassung aller in den Niederlanden bestehenden illegalen Organisationen zu einem schlagkräftigen Instrument. Zur Durchsetzung seiner Ziele verfügte der O.D. auch über Waffen. Es konnten z.B. 4 leichte Maschinengewehre, 50 Gewehre, 38 Karabiner, 130 Pistolen, 150 Handgranaten, 70.000 Schuss M.G., Gewehr- und Pistolenmunition sowie vieles andere Material sichergestellt werden. Die Sicherstellung dieses Materials ist ein deutlicher Beweis für die wahren Ziele des O.D. Ebenso wie diese Organisation O.D., deren Ziele erläutert wurden, hatten sich in den Niederlanden eine ganze Anzahl grösserer und kleinerer Organisationen, die alle nach diesem Muster aufgebaut waren, gebildet. Einzelheiten bei der Bekämpfung dieser Widerstandsorganisationen in den Niederlanden ergeben sich aus dem Absatz C. | |||||||||||||||
C.) Bekämpfung: a) Ordedienst:Die Zerschlagung eines Teiles des O.D. erfolgte im Laufe des Jahres 1941. Im Herbst 1941 fand jedoch eine Neubildung statt, die inzwischen wieder zerschlagen werden konnte. Bei der Bekämpfung dieser Organisation wurden insgesamt 457 Funktionäre festgenommen. Hiervon sind bisher 112 rechtskräftig zum Tode verurteilt worden. Am 13.5.42 wurden 72 und kurz darauf weitere 24 der Verurteilten erschossen. 8 Personen erhielten lebenslängliche Zuchthausstrafen und 4 wurden zu Zuchthausstrafen von 2-15 Jahren verurteilt. 50 Mitglieder dieser Organisation sind in einen Konzentrationslager eingewiesen worden, wogegen 183 Personen wieder ent- | |||||||||||||||
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Leden van de verzetsgroep de Oranjegarde worden door het Luftgaufeldgericht in het gebouw van de Hoge Raad te Den Raag berecht en daarna afgevoerd
Rijksinstituut voor Oorlogsdocumentatie | |||||||||||||||
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lassen wurden. Gegen die übrigen Personen laufen z.Zt. noch Strafverfahren bei dem Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden. Nach den neuesten Ermittlungen gegen Ende der Berichtszeit gelang es Restbeständen des O.D., sich wieder zu sammeln. | |||||||||||||||
b) Leeuwengarde:Die zweitgrösste unter den bisher erfassten Organisationen ist die Widerstandsorganisation ‘Leeuwengarde’. Sie wurde im Laufe des Monats Mai 1942 aufgerollt und hatte besonders in den Städten Rotterdam und Arnheim gearbeitet Insgesamt sind 85 Personen festgenommen worden, von denen 15 Personen von dem Kriegsgegericht des Wehrmachtbefehlshabers in den Niederlanden rechtskräftig zum Tode und 8 zu Zuchthausstrafen von je 15 Jahren verurteilt wurden. 27 Personen sind einem Konzentrationslager überstellt worden, wogegen 35 Personen wieder entlassen wurden. Bei der Bekämpfung dieser Organisation sind ebenso wie beim Ordedienst grössere Mengen Waffen und Munition, darunter auch 3 Maschinengewehre erfasst worden. | |||||||||||||||
c) Vrij Nederland:Bei der Bekämpfung der Hetzschriftenorganisation ‘Vrij Nederland’ sind insgesamt 61 Personen in den Monaten October bis Dezember 1942 festgenommen worden. Ausserdem konnten zwei Druckereien, in denen laufend grössere Mengen der illegalen Monatsschrift ‘Vrij Nederland’ hergestellt wurden, ausgehoben werden. Bei der Auflösung einer Versammlung dieser Organisation wurden 3 Funktionäre durch Schusswaffengebrauch tödlich verletzt. Die Aufrollung dieser Organisation dauert z.Zt. noch an. | |||||||||||||||
d) Oranjegarde:Bei der Bekämpfung der Widerstandsorganisation ‘Oranjegarde’ wurden insgesarnt 55 Personen festgenommen. Hiervon sind durch Urteil des Gerichtes des Marinebefehlshabers in den Niederlanden 6 zum Tode, 2 zu lebenslänglichen Zuchthausstrafen, eine zu 10 Jahren Zuchthaus und eine zu einem Jahr Gefängnis verurteilt worden. 5 Personen wurden einem Kl.Ga naar voetnoot7 überstellt, zwei Personen sind bisher noch nicht abgeurteilt und 33 wieder entlassen worden. | |||||||||||||||
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e) Koet:Ga naar voetnoot8Diese Widerstandsorganisation breitete sich in Delft, Groningen und Leeuwarden aus. Bei der Zerschlagung in Juni 1942 wurden 40 Personen festgenommen. 10 Angehörige der Organisation sind dem Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden zur Aburteilung überstellt worden; 6 wurden in ein Kl. eingewissen und der Rest von 24 Personen wieder entlassen. Das Urteil gegen die Angehörigen der Organisation steht noch aus. Bemerkenswert ist, dass sich unter den Angehörigen dieser Organisation vorwiegend niederländische Offiziere, Polizeibeamte, Professoren, höhere Verwaltungsbeamte und Studenten befanden. | |||||||||||||||
f) Goedhardt:Bei der Bekämpfung der Widerstandsorganisation ‘Goedhart’Ga naar voetnoot9, die sich insbesondere mit der Herstellung von Hetzschriften befasste, sind 51 Personen festgenommen worden. 17 Personen wurden vom Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden bisher rechtskräftig zum Tode verurteilt und 9 in ein Kl. eingewiesen. | |||||||||||||||
g) N.O.WC - De Geusen -Ga naar voetnoot10:Diese Organisation wurde im März 1941 aufgerollt, wobei 50 Mitglieder festgenommen wurden. Im August 1942 verurteilte das Reichskriegsgericht 4 führende Mitglieder dieser Organisation zum Tode. | |||||||||||||||
h) Door Eenheid Victorie (D.E.V.):Bei der Aufrollung dieser Widerstandsorganisation sind 26 Festnahmen erfolgt. 16 Personen sind dem Wehrmachtbefehlshaber in den Niederlanden zur Aburteilung überstellt worden. Das Urteil steht noch aus. 4 Personen sind in ein Kl. eingewiesen und 6 entlassen worden. | |||||||||||||||
i) Putten:Bei der Aushebung dieser Organisation wurden 13 Personen festge- | |||||||||||||||
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nommen. Im August 1942 verurteilte das Kriegsgericht 3 hiervon rechtskräftig zum Tode, 2 zu 15 und 1 zu 10 Jahren Zuchthaus. 6 Personen sind in ein Kl. eingewiesen worden. | |||||||||||||||
k)In Haarlem wurde eine V-Person, die in eine Widerstandsorganisation eingebaut war, erschossen. Die Täter konnten ermittelt und festgenommen werden. Sieben hiervon sind vom Wehrmachtbefehlshaber zum Tode verurteilt worden, wogegen die Urteile gegen die übrigen 3 Personen noch ausstehen. | |||||||||||||||
l) Jeugdfront - Vrij Nederland -:Im Frühjahr des Jahres 1942 wurde in Rotterdam erstmalig das Bestehen einer reinen Jugend-Widerstandsorganisation beobachtet. Auch sie hatte das gleiche Ziel wie alle übrigen Organisationen nämlich, die Ausführung von Sabotagehandlungen, Sprengstoff-Attentaten und ‘zu gegebener Zeit’ die Unterstützung der einrückenden englischen Truppen mit ‘Rat und Tat’. 7 Angehörige dieser Organisation sind festgenommen und in ein Kl. eingewiesen worden. | |||||||||||||||
D.) Hetzschriften - Propaganda:Bei allen diesen rechtsgerichtetenGa naar voetnoot11 illegalen Widerstandsorganisationen tritt neben der Vorbereitung und Durchführung der Sabotagehandlungen eine ausgedehnte Hetzschriften-Propaganda in den Vordergrund. In periodisch erscheinenden Zeitschriften, in Flugschriften und Streuzetteln, wird die niederländische Bevölkerung aufgefordert, dem Hause Oranien die Treue zu halten und alles zu tun, was die Stellung der deutschen Besatzungsmacht und der deutschen Behörden in den Niederlanden erschüttern kann. Nachdem man im Jahre 1941 die Oranien-Propaganda bereits vorsichtig und versteckt betrieb und nachdem man das Tragen illegaler Abzeichen als zu gefährlich erkannte, sind im letzten Jahre insbesondere Führerbeleidigungen, Verächtlichmachung des Deutschen Volkes, Tragen von Silbermünzen mit dem Bildnis der niederländischen Königing an der Tagesordnung gewesen. Der Abwurf englischer Flugschriften in niederländischer Sprache ging Hand in Hand mit diesen Machenschaften. Teilweise wurde hiermit beabsichtigt, die Verbindung des niederländischen Königshauses mit der niederländischen Bevölkerung aufrecht zu erhalten. Die Oranien-Propaganda sucht dabei durch die Herstellungen von | |||||||||||||||
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Fotokopien der in diesen Feindflugschriften enthaltenen Bildern nach besten Kräften mitzuwirken. Seit der Einziehung der Silbermünzen nahm die Herstellung von Armreifen, Anstecknadeln, Teelöffeln usw. aus Geldstücken mit dem Bildnis der niederländischen Königin überhand.
Darüber hinaus sind die rechtsgerichteten Kreise dazu übergegangen, in einem verstärkten Masse Greuelhetze zu betreiben. Dabei konnte die Erfahrung gemacht werden, dass die straffälligen Personen bei ihren Vernehmungen aus ihrer Einstellung gar kein Hehl machten und die ihnen zudiktierten Strafen kaltblütig auf sich nahmen. Neben Flugschriften werden immer wieder periodisch erscheinende Druckschriften vertrieben. Die bedeutesten sind:
Am stärksten verbreitet und inhaltlich sowie technisch am besten aufgezogen ist die periodische Hetzschrift ‘Vrij Nederland’. Sie erscheint in zwei Ausgaben, von denen eine in England hergestellt wird. Die Hersteller dieser Ausgabe werden von einem Kreis geschickter Journalisten unterstützt. Die in den Niederlanden hergestellte Ausgabe ist wesentlich einfacher gehalten, als die englische Ausgabe. Mit der Bekämpfung der Widerstandsorganisationen ging auch die Bekämpfung der Verbreitung der Hetzschriften Hand in Hand. In Amsterdam ist es gelungen, eine Hetzschriftenzentrale, die gekoppelt war mit einer Zentrale für die Fälschung von Personenausweiskarten, auszuheben. Darüberhinaus wurden in allen Teilen des Landes eine grosse Anzahl Personen wegen der Herstellung und Verbreitung deutschfeindlicher Hetzschriften im Laufe des Jahres festgenommen. | |||||||||||||||
E.) Abhören ausländischer Sender:Die deutschfeindliche Haltung niederländischer Kreise wird durch das Abhören ausländischer Sender, insbesondere der englischen Nachrichten, stark beeinflusst und bestärkt. Im Jahre 1942 konnten insgesamt 248 Personen wegen Rundfunkverbrechens oder -vergehens festgenommen werden. Es wurden insgesamt 360 Rundfunkapparate sichergestellt. Insgesamt ergingen im Jahre 1942 durch die deutschen Kriegsge- | |||||||||||||||
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richte in den besetzten niederländischen Gebieten gegen Angehörige nationaler und kommunistischer Widerstandsorganisationen 238 Todesurteile.Daneben wurden in der gleichen Berichtszeit auf 20 Geiselnzurückgegriffen. Ausserdem musste eine grosse Anzahl von Personen zu Zuchthausstrafen verurteilt oder in ein Konzentrationslager eingewiesen werden. Im einzelnen wurden im Jahre 1942 vorübergehend oder auf Dauer festgenommen:
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b) Kommunismus und MarxismusGa naar voetnootc.A.) Organisation:Sofort nach dem Einmarsch der deutschen Truppen war die CPN in den Niederlanden verboten und aufgelöst worden. Die Parteileitung der CPN war hierauf vorbereitet und hatte sich, wie der Aufbau und | |||||||||||||||
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die Arbeitsweise der illegalen CPN erkennen lassen, die Erfahrung der nach den Niederlanden emigrierten deutschen Kommunisten weitestgehend zu Nutze gemacht. Bis zum Beginn des Jahres 1942 war der Aufbau der CPN in den gesamten Niederlanden in drei Abteilungen gegliedert. Gruppe I bestand aus besonders vertrauenswürdigen und bisher absichtlich in der Öffentlichkeit noch nicht in Erscheinung getretenen Mitgliedern. Diese Gruppe blieb im Hinblick auf die Möglichkeit eines polizeilichen Zugriffs vorerst im Hintergrund. Die Gruppe II stand im aktiven Einsatz. Die Gruppe III umfasste diejenigen zuverlässigen Kommunisten, die zu sehr bekannt waren, um im Augenblick ohne Gefährdung des Gesamtapparates und ihrer Personen eingesetzt zu werden. Nachdem die Gruppe II früher als man im gegnerischen Lager gedacht hatte, schlagartig aufgerollt werden konnte, trat zu Beginn des Jahres 1942 die Gruppe I auf den Plan. In den ersten Monaten des Jahres 1942 ist der bisherige Apparat der CPN in den gesamten Niederlanden grösstenteils aufgerollt worden. Hierauf führte die CPN eine Neuorganisation des Parteiapparates durch. Es wurde nun unter Anwendung der Fünfer-Gruppen sowie von Decknamen unter Einschaltung von Verbindungsmännern und Kurieren eine Geheimorganisation geschaffen, deren schlagartige Zerstörung unmöglich erschien. Die Gruppenleiter dieser 5-er Gruppen wurden laufend ausgewechselt und ebenso wie ihre Kuriere und Verbindungsmänner laufend in anderen Bezirken des Landes eingesetzt. Das System der Decknamen wurde durch ein Zahlensystem ersetzt. Durch die in Ziffer c) erwähnte grosse Anzahl von Festnahmen und Verurteilungen von Funktionären und Mitarbeitern der CPN sank der Stamm der geschulten Funktionäre von Monat zu Monat. Eine Schulung der neu hinzugekommenen Mitglieder und Funktionäre war sehr erschwert und fast unmöglich gemacht. Die von der CPN herausgegebenen Hetzblätter ersetzten nicht die frühere Partei- und Schulungspresse. So ging nach und nach der CPN die geistige Bindung zu ihrem Parteiprogramm verloren. Sie büsste damit ihren parteipolitischen Charakter immer mehr ein und sank zu einer antideutschen Geheimorganisation herab. Die Bekämpfung dieser Geheimorganisation wurde in Anbetracht des aufgebauten Kurierapparates mit seinen zahlreichen Verbindungsmännern von Monat zu Monat schwieriger. Bei Festnahmen und Vernehmungen machte sich eine zunehmende Härte bemerkbar. Gegen Ende des Jahres 1942 verlegte man sich in kommunisti- | |||||||||||||||
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schen Kreisen weniger auf die Propagandatätigkeit grösseren Stils, als auf die Tätigkeit in kleineren Gruppen und Zellen, in denen Sabotageakte vorbereitet und durchgeführt wurden. Dies hatte zur Folge, dass die CPN nach aussen hin bewusst einen immer nationaleren Charakter annahm und dass auch Angehörige bürgerlicheGa naar voetnootd Kreise, die gleichfalls - wenn auch aus anderen Motiven - den Kampf gegen die Besatzungsmacht führten, sich der CPN anschlossen, um sie als Mittel zur Erreichung ihres Zieles zu benutzen. | |||||||||||||||
B.) Betätigung:Die Tätigkeit der CPN zu Beginn ihres Eintritts in die Illegalität war zunächst propagandistischer Natur. Eine intensive Wühl- und Zersetzungstätigkeit schlachtete die auftauchenden Probleme der verschärften sozialen Frage und der kriegsbedingten Einschränkungen im kommunistischen und deutschfeindlichen Sinne aus. Hierbei benutzte die CPN die illegale Parteizeitung ‘De Waarheid’ und grosse Mengen Flugblätter. Darüberhinaus nutzte die CPN die Geburtstage des Hauses Oranien, die Anordnungen der deutschen Behörden, insbesondere die deutschen Judenmassnahmen, die Erschiessung von Geiseln, die Gerüchte über die Machtübernahme Musserts usw. dazu aus, um eine äusserst rege deutschfeindliche Hetze zu betreiben. Eine besondere Rolle bei der Flugblattverteilung spielte der Kurierdienst. Kuriere wurden von Amsterdam aus nach allen Teilen der Niederlanden mit Exemplaren der verbotenen Parteizeitung ‘De Waarheid’ ausgesandt. Neben der propagandistischen Hetze aber, die auch im Jahre 1942 anhielt, ging zu Beginn des Jahres 1942 die CPN zu Sabotageund Terrorakten über. Angriffsobjekte für ihre Handlungen waren Wehrmachtdepots, Eisenbahnanlagen und öffentliche Gebäude, in denen Sprengkörper, Brandsätze und dergleichen zur Entzündung gebracht wurden. Ein beliebtes aber in seiner Ausführung primitives Sabotagemittel der CPN war die Kombination von Brandsätzen mit Zeitzündern. In Puddingpulverschachteln befand sich ein Gemisch von Kaliumchlorat und Zucker. Dem Gemisch wurde ein mit Salpetersäure gefülltes Präservativ beigefügt. Sobald dieses durch die Säure - in etwa 12 Stunden - zerfressen war, kam die Säure mit dem Gemisch in Verbindung, wodurch sich der Brandsatz entzündete. Allerdings führ- | |||||||||||||||
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ten diese Sabotageakte nur in sehr wenigen Fällen zu den angestrebten Erfolgen. | |||||||||||||||
C.) Bekämpfung:Im Berichtsjahr 1942 gelang es die CPN in den Niederlanden weitgehend aufzurollen, grosse Teile zu zerschlagen und geplante Aktionen durch rechtzeitigen Zugriff zu verhindern. Es wurden im Berichtsjahr 1942 wegen kommunistischer und marxistischer Betätigung insgesamt 950 Personen festgenommen. Erwähnenswert sind folgende Einzelaktionen und Verurteilungen im Kampfe gegen die CPN: | |||||||||||||||
Februar 1942.Festnahme vom 26 Funktionären der CPN in Rotterdam. | |||||||||||||||
März 1942.Aufrollung einer kommunistischen Betriebszellen-Organisation, die sich in Amsterdammer Rüstungsbetrieben betätigt hatte. Angehörige dieser Organisation hatten z.B. in den Fockerwerken Brände angelegt. 19 Festnahmen. | |||||||||||||||
Mai 1942.Bei der Hetzschriftenverbreitung im Limburger Grubengebiet wurden 24 Personen festgenommen. | |||||||||||||||
Juni 1942.Aushebung von Gruppen der CPN mit insgesamt 79 Personen in Delft und Amsterdam, darunter die marxistische Jugendgruppe ‘Rote Falken’. | |||||||||||||||
Juli 1942.Festnahme des Führers der niederländischen Freiwilligen der ‘Internationalen Brigade’ im rotspanischen Bürgerkrieg - Laros -. | |||||||||||||||
September 1942.
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Oktober 1942.Aufrollung eines Zeitungsverteiler-Apparates der CPN und Aushebung einer Hauptverteilungsstelle der Hetzschrift ‘De Waarheid’. | |||||||||||||||
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November/December 1942.Festnahme von 70 Funktionären und Mitgliedern der CPN im Stadtbezirk Amsterdam. Aushebung von 6 Gruppen. Dadurch entscheidende Schwächung der CPN in diesem Distrikt. | |||||||||||||||
Verurteilungen:August 1942.Feldgericht des Kommandierenden Generals im Luftgau Holland verurteilte 17 Funktionäre der CPN zum Tode und 9 zu lebenslänglicher Zuchthausstrafe. | |||||||||||||||
September 1942.a) Verurteilung von 7 Kommunisten durch das Deutsche Obergegericht, 4 Todesstraffen, 3 zu Zuchthausstrafen von 8-15 Jahren. b) Verurteilung einer Flugblattverteilergruppe; in 4 Fällen auf Todesstrafe und in 2 Fällen auf lebenslänglichen Zuchthausstrafen erkannt. | |||||||||||||||
Oktober 1942.Als Sühne für laufend verübte Sabotagehandlungen wurden 15 Geiseln erschossen, hierunter 12 ehemalige Parteifunktionäre der CPN und 3 Gewerkschaftsfunktionäre. | |||||||||||||||
November 1942.a) Das Kriegsgericht in Arnheim verurteilte 15 Angehörige einer kommunistischen Organisation, denen etwa 15 Brandstiftungen zur Last gelegt wurden, zum Tode. b) Das Feldgericht im Luftgau Holland verurteilte von 19 Mitgliedern illegaler kommunistischer Organisationen 18 wegen Sabotage, Feindbegünstigung usw. zum Tode. | |||||||||||||||
D.) Bekämpfung kommunistischer und marxistischer Splittergruppen:a) Revolutionäre Sozialistische Arbeiterpartei (RSAP). Diese Partei verkörperte die trotzkistische Richtung des Kommunismus. Als Organ erschienen 14-tägig die Hetzschrift ‘Spartakus’ sowie in unregelmässigen Zeitabständen verschiedene Flugschriften, von denen sich eine ‘Marx-Lenin-Luxemburg-Front’ nannte. Bei der Aushebung der RSAP im März 1942 wurden Gruppen in Amsterdam, Alkmaar und Haarlem sowie die gesamte illegale Parteileitung und die führenden Distriksfunktionäre für die gesamten Niederlande - insgesamt 20 Personen - festgenommen. Eine Geheimdruckerei wurde hierbei ausgehoben. 8 Spitzenfunktionäre dieser Organisation sind vom Sondergericht des Deutschen Obergerichts zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. | |||||||||||||||
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b) Internationale Sozialistische Bewegung (ISB):Bei der Bekämpfung der illegalen marxistischen Organisation ‘Internationale Sozialistische Bewegung’ wurden eine Anzahl führender Mitglieder dieser Organisation im November 1942 festgenommen. Eine Druckerei, in der etwa 15.000 Stück der äusserst deutschfeindlich eingestellten Hetzschrift ‘De Vonk’ hergestellt worden war, wurde ausgehoben. | |||||||||||||||
E.) Bekämpfung der kommunistischen Sabotage- und Spionageorganisation ‘Niederländische Volksmiliz’:Am 18.10.1942 gelang es, die kommunistische Sabotage- und Spionageorganisation ‘Niederländische Volksmiliz’ auszuheben und in einem überraschenden Zugriff 120 Mitglieder dieser Organisation festzunehmen. Die Organisation gliederte sich in Patrouillen, Gruppen, Abteilungen und Brigaden. In den einzelnen Brigaden waren Sabotagegruppen, Ausspähgruppen, Strassenkampfgruppen und Gruppen für die Verteilung von Hetzschriften eingesetzt. Aufgabe dieser Organisation war Spionage- und Sabotagetätigkeit. Ihre Mitglieder hatten umfangreiche Sprengstoffattentate, Brandstiftungen und Ausspähungen durchgeführt. Nach der Zerschlagung im Oktober 1942 reorganisierte sich die Organisation im Dezember 1942 neu. Inzwischen wurde sie jedoch wieder erfasst und nach Festnahme von fast sämtlichen Funktionären aufgerollt. Bisher sind in einer Verhandlung gegen die erste Personengruppe 9 Personen zum Tode verurteilt worden. | |||||||||||||||
F.) Verbotener Waffenbesitz:Obwohl der unerlaubte Besitz von Schusswaffen mit den schwersten Strafen bedroht ist, ist die Entwaffnung der Bevölkerung noch nicht restlos zur Durchführung gekommen. Im Berichtsjahr konnten insgesamt 173 Personen wegen verbotenen Besitzes von Schuss-, Stichund Schlagwaffen festgenommen werden. Grosse Mengen Gewehre, Pistolen, Revolver, Stich- und Schlagwaffen wurden sichergestellt. In 3 Fällen wurde wegen Besitzes von Schusswaffen die Todesstrafe verhängt. In 160 weiteren Fällen ist auf Gefängnisstrafe erkannt worden, bezw. wurden die betreffenden Personen in Schutzhaft genommen. | |||||||||||||||
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c) Politische KirchenGa naar voetnootc:A.) Die Entwicklung der kirchlichen Haltung:Im ersten halben Jahr nach der Besetzung der Niederlande durch die deutschen Truppen war die Haltung der Kirchen aller Richtungen abwartend und zurückhaltend. Allmählich wurde im Jahre 1941 durch einen Hirtenbrief sämtlicher niederländischer Bischöfe und durch Kanzelabkündigungen der verschiedenen evangelischen Kirchengemeinschaften eine äusserst offene deutschfeindliche Kampfstimmung hervorgerufen. Kirchliche Kreise wurden zum Träger einer intensiven reaktionären Stimmungsmache. Im Jahre 1942 nahm der Kampf der Kirche gegen die Anordnungen der Besatzungsbehörde und gegen die vermeintliche allmähliche Durchdringung der niederländischen Bevölkerung mit nationalsozialistischem Gedankengut und Einrichtungen schärfere Formen an. Träger dieses Kampfes war in der katholische Kirche vorwiegend die Katholische Aktion. Hirtenschreiben behandelten die auftauchenden Probleme und gaben der katholischen Bevölkerung Anweisungen für ihre Haltung. Es wurden Hirtenschreiben zur Frage der christlichen Schule, über den niederländischen Arbeitsdienst, über die Judenfrage, die Arbeiterverschickung nach Deutschland und die Festnahme von Geistlichen als Geiseln verlesen. Weit wichtiger als diese öffentliche Stellungnahme waren jedoch geheime Schreiben, die der Geistlichkeit und dem Laienapostolat bindende Vorschriften für ihre weltanschauliche Haltung gaben. Derartige Schreiben befassten sich mit dem niederländischen Landstand, mit der niederländischen Arbeitsfront, mit dem Beitritt von Katholiken zur Ärztekammer und mit dem Arbeitsdienst. Diese Anweisungen waren in ihren Auswirkungen verderblicher als die Hirtenbriefe, weil sie den Gläubigen bei Hausbesuchen immer wieder eingehämmert wurden und weil für den Fall der Nichtbefolgung die Exkommunikation angedroht wurde. Auch in den evangelischen Kirchengemeinschaften nahm der Kampf gegen die Anordnungen der Besatzungsbehörde im Jahre 1942 schärfere Formen an. Diese Kirchengemeinschaften wandten sich in Kanzelabkündigungen und Rundschreiben gegen die nach | |||||||||||||||
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ihrer Ansicht nationalsozialistischen Berufseinrichtungen. Besonders scharfe Kritik übte man an den gegen die Juden getroffenen Massnahmen. Da die evangelischen Kirchen jedoch in viele kleinere und grössere Gruppen zerfallen, erwiesen sich ihre Massnahmen nicht derartig wirkungsvoll wie die der katholischen Kirche. Bemerkenswert ist es jedoch, dass sich in der Mitte des Jahres 1942 die evangelischen Kirchengemeinschaften mit der katholischen Kirche zu gemeinsamen Kampf zusammen fanden. Es wurden gemeinsam Protestschreiben und eine Kanzelabkündigung entworfen und auch teilweise zur Verkündiging bezw. zum Versand gebracht. Später scheiterte jedoch wieder ein gemeinsames Vorgehen an der inneren Uneinigkeit der Kirchengemeinschaften. | |||||||||||||||
B.) Bekämpfung der Politischen Kirchen:Bei der Bekämpfung von Geistlichen, die den Bestimmungen der Neuordnung in den Niederlanden zuwiderhandelten, sei es durch deutschfeindliche Äusserungen oder Propaganda, sei es durch Hirtenbrief- oder Rundschreibenverbreitung, oder sei es dass sie auf andere Weise den deutschen Aufbau störten, wurden im Jahre 1942 insgesamt 54 katholische Geistliche und 16 Laien, im Gegensatz zu 31 katholischen Geistlichen und 45 Laien im Vorjahre, festgenommen. In der gleichen Zeit wurden insgesamt 90 evangelische Geistliche und 2 evangelische Laien festgenommen gegenüber 8 evangelische Geistliche im Jahre 1941. Bei einem Vergleich der Zahlen zwischen katholischen und evangelischen Geistlichen muss man berücksichtigen, dass sich die kirchliche Oppositionsbewegung auf dem katholischen Sektor im Jahre 1942 auf die weniger fassbare Innenarbeit und auf dem evangelischen Sektor auf den äusseren Vorstoss verlagert hat. Darüberhinaus wurde in der katholischen Kirche die gesamten Jugendorganisationen sowie eine ganze Reihe katholischer Vereinigungen wegen deutschfeindlicher Betätigung verboten und aufgelöst. Auch auf protestantischer Seite wurde die Jugendorganition der reformierten Kirche, (das ist die zweitgrösste der protestantischen Kirchen) wegen deutschfeindlicher Betätigung verboten und aufgelöst. Im Berichtsjahr wurde festgestellt, dass eine ganze Anzahl Klöster als Brutstätten deutschfeindlicher Einstellung und Haltung angesehen werden muss. Wegen Feststellung derartigen deutschfeindlichen Verhaltens - Feindbegünstigung - wurden in der Berichtszeit 10 Klöster, insbebesondere solche an der niederländisch-belgischen und niederlän- | |||||||||||||||
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disch-deutschen Grenze, aufgelöst und geschlossen. Teilweise mussten die Insassen wegen Feindbegünstigung und Spionage festgenommen werden. |
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