Naamkunde. Jaargang 16
(1984)– [tijdschrift] Naamkunde– Auteursrechtelijk beschermd
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Die Bezeichnungen der deutschen Sprache in den Wörterbüchern und Wörterverzeichnissen zwischen 1467 und 1560Im späten Mittelalter werden die verschiedenen geographischen Varianten des Kontinentalwestgermanischen zwischen Nordsee und Alpen in der Volkssprache wie auch in der lateinischen Gelehrtensprache mit demselben Namen bezeichnet. Das klassisch-lateinische Adjektiv theutonicus, das seit der Ottonischen Renaissance den barbarischen Volks- und Sprachnamen theodiscus/theodisca lingua verdrängt hatte, gilt als alleinige Bezeichnung mit Namenscharakter für die in den Niederlanden und in den hoch- und niederdeutschen Sprachräumen vorhandenen Existenzformen der germanischen Volkssprache. Die Ausbildung der Kultur- und Einheitssprachen im Laufe der frühen Neuzeit konnte in diesen Ländern nicht ohne Einfluß auf die Sprachbezeichnungen bleiben. Im niederländischen Nordwesten wird duits(ch) im 16. Jht. allmählich durch nederduits(ch) und nederlands(ch) abgelöst; im lateinischen Sprachgebrauch kann teutonicus sich als Sprachname behaupten; der gelehrte Humanistenausdruck belgicus macht ihm nur in beschränktem Maße Konkurrenz, wie F. Claes 1970 nachgewiesen hatGa naar voetnoot(1). Im Gebiet der sich ausbildenden hochdeutschen Schriftsprache scheint das alte Sprach- und Volksadjektiv deutsch in dieser Zeit überhaupt nie bedroht gewesen zu sein; im Bereich des Lateinischen hat allerdings eine grundlegende Veränderung stattgefunden: um 1550 haben germanicus und germanica lingua die früheren lateinischen Sprachbezeichnungen fast gänzlich verdrängt und treten sowohl im Norden als im Süden als die normalen Sprachnamen auf. Die Ablösung scheint zwischen 1510 und 1530 erfolgt zu sein und spiegelt sich im Wortgebrauch der Titel, der Vor- und Nachworte und der Widmungsschreiben und -gedichte der lexikographischen Werke dieser Zeit wider. Sie erlauben einen besseren Einblick in die Chronologie dieses sprach- und kulturgeschichtlichen Vorgangs. Wir gehen von Claes' | |||||||||||
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Bibliographischem VerzeichnisGa naar voetnoot(2) aus, das allerdings nicht immer den vollständigen Wortlaut der Titel enthält, und stützen uns weiter auf Autopsie vieler Drucke und Ausgaben. Das Material liefern die Titel, die Präliminarien und die Anhänge der Worterbücher sowie gelegentliche Markierungen und Angaben im Corpus der Dictionarien und Vocabularien. Nur vereinzelt werden die Worterbuchartikel, die sich auf die geographischen und ethnographischen Begriffe Deutschland und Deutsche(r) beziehen, herangezogen, es sei denn, daß ausdrücklich auf ‘deutsch reden’ oder auf die deutsche Sprache Bezug genommen wird. | |||||||||||
1. Theutonicus-theutonisareWie zu erwarten findet man theutonicus/theutonisare in manchem älteren Werk. Schon in der handschriftlichen Fassung der Praefatio des Vocabularius Ex Quo (1467) wird ausgeführt, quod latinum precedat et teutunicum subjungitur. Der Vocabularius rerum Registrum (1474) enthält neben häufigerem vulgariter und a vulgari zweimal auch a vulgari t(h)eutunico (i.v. gelima und stupa). In vielen Drucken von Johannes Melbers Vocabularius predicantium (1477-1480) findet man zwischen 1479 und 1500 den einführenden Satz: Incipit Vocabularius Variloquus idem vocabulum diversimodo acceptum varie theutonizando exprimens. Der Rusticanus terminorum (1482) nennt sich am Ende des Druckes (Explicit) vocabularius theutonicus in quo vulgares dictiones ordine alphabetico preponuntur & latini termini... sequntur. Im Corpus wechselt Teutschelande, germania mit Teutschelande, theutonia und findet man Teutschreden teutschsprechen, theutonisare; Teutscherman, theutonicus, thetonicus, thetonus, theotanus. Eine nach 1500 an einem unbekannten Ort gedruckte Ausgabe der Curia Palatium hat den Nebentitel Vocabularius pro Iuuenibus cum teutonico. Im zweiten Jahrzehnt des 16. Jht.s hebt Cingularius in der Einleitung seines Tersissima... Synonymorum Collectanea (1513) die venusta pleraque polyonyma der lingua teuthonica hervor und heißt ein in Lyon (1514) und Straßburg (1521) gedrucktes dreisprachiges Wörterverzeichnis Vocabularium Latinis, Gallis et Theutonicis verbis scriptum. | |||||||||||
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2. Theutonicus und alemanicusNoch häufiger sind allerdings jene älteren Werken, in denen theutonicus/Theutonia und almanicus/Almania nebeneinander vorkommen, wie das übrigens auch schon im späten Mittelalter der Fall war; vgl. das von De Man herausgegebene Glossar Res, esse, essentia, S. 133 und 150. In den meisten Werken ist theutonicus freilich der häufiger gebrauchte und weitaus geläufigere Ausdruck. Gerd van der Schueren nennt sein in Köln gedrucktes Wörterbuch (1477) Teuthonista vulgariter dicendo der Duytschlender, variiert im Vorwort zum zweiten Teil aber den Ausdruck: teuthonista alamanica quoque interpretatione der duytschlender nuncupanda. In den Vorreden tritt alamanicus noch zweimal als Sprachbezeichnung auf (I: primo loco alamanice, deinde latinice, II: in vulgari alamanico primo locentur ordine); theutonicus und theutonicalis werden jedoch häufiger (lx, 8x = 9x) verwendet. Auch Verdams Bearbeitung erweist theutonicum als den gebräuchlicheren Ausdruck:
Der Vocabularius scripturarum fidelibus (1477) weist in der Einleitung mittels der Wendung apposito vulgari theotonico auf den zweisprachigen Charakter des Werkes hin und verzeichnet im Corpus theotonisare tytdschreden, allerdings neben
Der Vocabularius incipiens teutonicum ante latinum (1483-84), von dem wir nur einen Auszug besitzen, enthält nach dem Wortlaut der Vorrede teutonica vocabula in alphabeticum ordinem redacta und kennt Almani als Volksbezeichnung (almanis ipsis in latina lingua principiantibus). Mit diesem Wörterbuch identisch ist der von Hupfupf gedruckte Straßburger Vocabularius primo ponens dictiones theutonicas (1515), auf dessen Titelblatt erwähnt wird, quomodo theutonica verba latine loquatur aut scribit. Er enthält die folgenden Artikel:
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In der schon aus dem niederländischen Urtext stammenden Einleitung der vielen Gemmae des nd.-md. und des kölnisch-elsässischen Zweiges steht zweimal teutonice neben latine. Germanus ist zugleich normales Eigenschaftswort und Sprachadjektiv (duytsch); daneben verzeichnen die von uns durchgesehenen Texte:
In dem ältesten Straßburger Druck (1493) stehen jedoch (als Mehr-Artikel) auch
verzeichnet. Nich unerwähnt bleiben darf, daß in den Gemmen teu, teuto, teutonice häufiger als Siglen (vor dem Übersetzungswort) Verwendung finden. Die Lübecker Vocabula juvenibus multum necessaria (1500) enthalten im Kolophon den Hinweis cum theutunico, verzeichnen aber im Kapitel De nominibus propriis die Sprachbezeichnung Almanicum důsche sprake (neben Germania..., Tethonia idem, Almanea vel Almania idem und Almanicus ein důdeschman). In Altenstaigs Vocabularius (1516) heißt die deutsche Sprache (vulgare vel) teutonicum und werden im Wörterbuchcorpus die Abkürzungen teu, teut, teuto neben teutoni nicht weniger als 400 mal vor volkssprachliche Entsprechungen eingesetzt. Vgl. auch Theutoni... populi Germanie qui et theutonici dicuntur die deutschen neben Saxones... illustris alemanie populi. Der Ländername Germania kommt im Syntagma populi germanie häufiger vor. In den Vocabula pro juvenibus (Leipzig ab 1492) kommt der Sprachname nicht vor. Wenn jedoch 1513 der Krakauer Drucker Vietor zusammen mit seinem Wiener Kollegen Singriener eine dreisprachige Bearbeitung herausgibt, nennt er das neue Werk Dictionarius trium linguarum Latine Teutonice Boemice potiora vocabula continens. Im Kapitel de Nominibus steht auch der Teutonicus (der Deutsche) wie in der Vorlage verzeichnet. Nach der Angabe Finis, welche den Abschluß des ursprünglichen Vokabulars signalisiert, wurde auf der letzten Seite ein Kapitel NUMERUS hinzugefügt; die drei Sprachspalten werden mit | |||||||||||
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Latinus Boemicus Almanicus überschrieben. Es ist nicht ausgeschlossen, daß dieser Anhang einen Auszug aus dem 13. Kapitel der Introductio quaedam darstellt, mit dem sie sprachliche Berührungen aufweist. Das Wiener Wörterbuch bildet die Grundlage von F. Mymers Dictionarium trium linguarum Latinae Teutonicae Polonicae potiora vocabula continens, das Vietor 1528 in Krakau druckte und das den alten Sprachnamen auch in späteren Krakauer (1541, 1555) und Königsberger Drucken behält (1570, 1592). Im ersten Druck werden auf der ersten Seite drei Spalten - Latine Teutonice Polonice - unterschieden. Als geographische und ethnographische Bezeichnungen werden jedoch nur Germania und Germani aufgenommen. Die obengenannte Introductio ist das einzige Wörterverzeichnis aus dieser Zeit, in dem alemanicus als alleinige Sprachbezeichnung für das Deutsche Verwendung findet. Diese viersprachige Bearbeitung der Vokabelsammlung Introito e porta (Venedig 1477) erschien zum ersten Mal in Rom im Jahre 1510 unter dem Titel Introductio quaedam utilissima, Vocabularius quatuor linguarum Latinae, Italicae, Gallicae, Alamanicae und wurde 1518 in Augsburg nicht weniger als dreimal gedruckt. Auch im Vorwort tritt der Sprachname alamanicum und alamanica auf; daneben verzeichnet das Glossar die Lemmata In Alemania, Alamannus, Alamania superior, Alamania inferior neben dem Satz: Est ista bona via eundi in Alamaniam? Aus der Introductio sind mehrere Reihen mehrsprachiger Wörterverzeichnisse hervorgegangen. Nur in zwei von ihnen bleibt alamanicus im Titel erhalten: in der fünfsprachigen lateinisch-italienisch-französischspanisch-deutschen Bearbeitung von F. Garon, Quinque linguarum utilissimus Vocabulista, Latine, Tusche, Gallice, Hyspane, Alemanice (Venedig 1526) mit Drucken in Nürnberg (1529, 1537, 1538), Augsburg (1531, 1533, 1540), Venedig (1533) und Lyon (1533, 1542), und im siebensprachigen Septem linguarum Latinae, Teutonicae, Gallicae, Hispanicae, Italicae, Anglicae, Almanicae dilucidissimus dictionarius (Antwerpen 1540); teutonicus bezeichnet hier das Niederländische (Duytsch); Hoochduytsch und Hochteuts entsprechen lingua almanica des lateinischen Titels. In Krakau druckte Ungler im Jahre 1532 die Introductio nach unter dem Titel Wokabularz... Dictionarius seu Nomenclatura quatuor linguarum. Latine, Italice, Polonice, et Theutonice, aprime cuiuis utilissimus... Die Krakauer Drucke aus 1566 und 1574 führen theutonicus weiter im Titel. Alamanicus ist aber keineswegs verschwunden. Diese alte Sprach- | |||||||||||
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bezeichnung findet sich in dem Hinweis am Ende der Präliminarien: Iste liber vocatur quaedam Introductio, sive porta cupientium addiscere linguas, sczt Latinam, Italicam, Polonicam & Almanicam, qualis multum est utilis, und steht über der deutschen Spalte (alamanice) auf der ersten Seite des Wörterverzeichnisses, wird aber schon auf der folgenden durch theuton. ersetzt. Zu den ursprünglichen alman-Lemmata ist noch Est pannus de Almania hinzugekommen (woher dieser Satz stammt, konnten wir noch nicht feststellen). Im Sex Linguarum Latinae Gallicae Hispanicae Italicae Anglicae Teutonicae dilucidissimus dictionarius (Augsburg 1530, mit Drucken in Nürnberg, Venedig, Zürich bis 1595) ist almanicus im Titel nicht nur durch theutonicus ersetzt worden, auch die Frage Est ista bona via...? ist verschwunden und Pannus de Alemania ist zu Pannus Teutonicus geworden. Im Titel des Wiener sechssprachigen Wörterbuchs endlich, das von Gabor Pesti bearbeitet wurde, nun auch Ungarisch enthält und in Wien mehrere Drucke erlebte (von 1538 bis 1568), findet sich schon die neue Sprachbezeichnung lingua Germanica. | |||||||||||
3. Germanicus - germanica linguaGeht man von den in Claes zitierten Wörterbuchtiteln aus, so tritt germanicus zum ersten Mal auf in einem wahrscheinlich 1522 in Straßburg erschienenen Druck des ein Jahr früher von M. Flach gedruckten Vocabularius Latinis, Gallicis et Theutonicis verbis scriptum; der neue Titel lautet: Dictionarius Latinis, Gallicis et Germanicis vocabulis conscriptus et denuo castigatus et locupletatus. Bereits 1513 jedoch findet sich der neue Sprachname in zwei Kapitelüberschriften von Murmellius' Pappa (Köln), die auf dem Titelblatt wiederholt werden:
In der Deventer Ausgabe von 1515, von der uns eine vollständige Photokopie zur Verfügung steht, finden wir neben den auch im Kölner Erstdruck vorhandenen Länder- und Volksnamen Germania, Germanus, Teutonus, Teuto im 5. Teil (Grammatik, de aduerbiis) noch Petrum germanice loquentem audiui und im Glossar (Teil I) den Artikel Creta, est genus albe terre germanice cryte. Der Kölner Druck hat hier allerdings teutonice, das wohl aus einem Gemma-Druck übernommen sein wird, | |||||||||||
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denn der 1495 bei M. Brandis in Magdeburg erschienene Druck dieses Wörterbuchs enthält den Artikel: Creta, est genus albe terre teu. krijte. Germanicus in den Artikeln Gansa, Arenga und Marchio und Germani i.v. Myopara und framea werden in etymologisch-archäologischem Sinne gebraucht. Es sei noch hingewiesen auf Mullus... piscis est quem Galli mullectum Germani vocant harderem und Squatina... quem Germani catulum maris vocant. Daß der Sprachname germanicus jedoch in Südwestdeutschland um 1515 alles andere als gebräuchlich war, zeigt der Sprachgebrauch des Freiburger Bearbeiters Gervasius Sopher aus Breisach, dessen Werk in Basel im Jahre 1517 von A. Petri de Langendorff gedruckt wurde. Zwar bleiben alle Angaben des Kölner bzw. Deventer Urdruckes erhalten, sonst aber erweist sich teutonicus als die Sopher geläufige Bezeichnung: 15 weitere Artikel enthalten die Siglen teu, teuto, teutonice (z.B. Solarium, Praetorium, Suspirium, Phrenitis), in der erweiterten Grammatik tritt die Sprachbezeichung teutonicus nicht weniger als 36mal auf (z.B. Teutonica praepositionum interpretatio; latinis articulis teutonici non respondent; Teutonici casuum articulis ex Cocleo...). Germania bleibt die normale Bezeichnung für Deutschland; Erasmus heißt polyhistor ille germanus; i.v. borbocha wird erwähnt, daß dieser Fisch almutzen Germanis inferioribus dicitur. Der Straßburger Druck von 1522 enthält nur die ersten vier Teile der Pappa und entspricht bis auf das stark gekürzte Titelblatt der Freiburger Vorlage. Auf der Rückseite des Titelblattes stehen zwei auffällige Kapitelüberschriften: Variarum rerum... cum patrij sermonis significatione und Precepta moralia... iuxta vernaculo, aus denen germanicus verschwunden ist. Im Marburger Druck (nach 1522) stehen zwischen Teil 4 und 5 Aliquot Adagia Erasmi Rott. Elegantissime ad Phrasim Germanicam non ad verbum translata und findet man im 5. Caput aufs neue Petrum germanice loquentem audiui. Murmellius wird zu den Viris illustribus inferioris Germaniae gerechnet. Der Mainzer Druck (1536) unterscheidet sich kaum von dem Marburger. Für Vietor, den Drucker der Krakauer Bearbeitung von 1526-1528 am Anfang einer stattlichen Reihe von in Polen erfolgten dreisprachigen Ausgaben, hat germanicus schon als geläufige Sprachbezeichnung zu gelten, wie aus dem geänderten Titel Dictionarius J. Murmellii variarum rerum, tum pueris tum adultis utilissimus, cum Germanica atque Polonica interpretatione und aus dem Widmungsschreiben von 1526 (dein vocabula | |||||||||||
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singula Germanicae ac Polonicae interpretanda) hervorgeht. Während germanicus und germani mit etymologisch-archäologischer Bedeutung erhalten sind, ist teuto. nur vor einer Übersetzung (pastillos... teuto. Basteten) stehengeblieben. Sonst finden zich teuthonus und theutonicus nur in den Widmungsgedichten:
1533 druckte Vietor in Krakau eine viersprachige Bearbeitung cum Germanica et Hungarica interpretatione, mit der sich ein Dictionarius Latine, Germanice, Polonice et Ungarice von 1531 vergleichen läßt, eine viersprachige Fassung von Mymers Wörterbuch aus 1528, das als Relikt aus dem Wiener Dictionarium von 1513 noch Teutonicae im Titel führte. In den drei letzten Drucken von Melbers Vocabularius Predicantium, die Claes (163, 164, 165) um 1504 ansetzt, springt das neue Principium in die Augen: Vocabularius dictus Variloquus, qui verbum polisemon ac aequiuocum lingua Germanica multifariam exponit, praedicantibus utilissimus. Das Widmungsgedicht Hexastichon ad lec(torem) dagegen schließt ab mit Exponit vario Theutona lingua modo. Es handelt sich deutlich um Nachdrucke einer älteren Vorlage mit neuem Titelblatt, erneuter Titulatur und Druckerangabe, in denen jedoch die Jahreszahl fehlt: Hunc nuper librum Knoblouchus rite premebat/Cuius apud Tribonos calcographia viget. Da Knoblouch zwischen 1500 und 1528 in Straßburg gedruckt hat, ist es keineswegs notwendig, Ch. Schmidts Datierung kritiklos zu bernehmen. Auf Grund der Tatsache, daß Knoblouch nur in drei Drucken aus 1513-1514 (Ch. Schmidt 85, 87, 89) den alten Stammesnamen heranzieht (Apud Tribotes), neigen wir dazu, diese Drucke eher um 1514 zu datieren. Adams (1220) erwähnt einen Melber-Druck von Knoblouch (Apud Tribotes Knoblouchus premebat) um 1518, den Claes nicht verzeichnet hat. Hat Knoblouch etwa die Jahreszahl weggelassen, weil es sich um den Nachdruck eines veralteten Werkes handelte? Auch der Anhalter B. Trochus scheint schon in seinem Promptarium (1517) mit germanicus als Sprachbezeichnung vertraut gewesen zu sein. Er verwendet immer Germania (im Titel seines Werkes: vernaculo interioris Germaniae apposito; sonst in Germania, pars Germanie, Germania inferior... superior) und Germani (z.B. locutio presertim nobis | |||||||||||
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Germanis und sonst) und zitiert die alten Völkernamen nur in: Teutones primo; alemanni secundo: germani ultimo dicti sunt. (III, 9). Auf die Sprache bezogen finden wir im gleichen Nidus (III, 9):
dem entspricht in III, 19 fridericus latini: friderich germani: fritze rustici. Die dreimal auftretende Sigle teu(tonice) in Deus Got teutonice; virgulato opere teu. sutentwerg und Colonia agrippina teu coln, dürfte eine ältere Zitierweise widerspiegeln (vgl. die Gemmae). Nach 1530 sind germanicum und germanica lingua die gängigen Ausdrücke sowohl in den Titeln als in den Einleitungen und Präliminarien der Wörterbücher und Wörterverzeichnisse. Im Titel des Wörterbuchs findet man sie bei P. Dasypodius (ab 1535), J. Serranus (1538), Petrus Codicillus (1535), E. Alberus (1540)Ga naar voetnoot(3), J. Frisius-J. Cholinus (1541), im Großen und im Kleinen Fries (1556), im Calepinus Pentaglottos (1545), Hexaglottum (1568), im Frankfurter Reimvokabular (1551), bei M. Ruland (1556)Ga naar voetnoot(4), J. Maaler (1561), Byber-Mylius (1566) und M. Crusius (1570). Sie treten auf in den Einleitungen und Praefationes, bzw. Widmungsschreiben und als Siglen bei J. Maior (1530), L. Lossius (1545, 1558), Melanchton (1549) und selbstverständlich bei den vorhin genannten Lexikographen, die germanicus im Titel ihrer Werke haben. Nur J. Maaler bildet eine merkwürdige Ausnahme. Der vollständige lateinische Titel seines Wörterbuchs (1561) lautet: Dictionarium Germanicolatinum Novum. Hoc est, Linguae Teutonicae, Superioris presertim, Thesaurus: in quo omnes fere Germanicae dictiones atque locutiones ordine Alphabeti enumerantur... In den Anweisungen zum Gebrauch des Wörterbuchs (Totius operis ratio et usus) finden sich jedoch nur Germanica lingua und Germanica. Gessner gebraucht einmal Teutonica nostra in | |||||||||||
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seinem bekannten Vorwort, in dem aber mehr als zwanzig Belege für germanicus zu finden sind. Diese Wendung steht am Ende seiner Praefatio, wo er stolz hervorhebt: ita ut facile ceteras fere omnes hodie vulgares linguas, sacri argumenti librorum multitudine & praestantia, Teutonica nostra superet. Wir nehmen an, daß eine erhabene Sprech- und Schreibweise in beiden Fällen den Gebrauch von theutonicus veranlaßt hat. Kommt sonst doch dieses alte Sprach- und Volksadjektiv in den Werken, die germanicus als Sprachbezeichnung verwenden, gelegentlich noch in Gedichten und poetischen Kontexten vor:
Vgl. auch Leo Coxus und Andreas Fridericus in den Krakauer Murmelliusdrucken und das Hexastichon ad Lectorem in Knoblouchs Melber-Ausgaben.
4. Die neue Sprachbezeichnung germanicus taucht in den lexikographischen Werken, die das Deutsche berücksichtigen, zum ersten Mal auf im zweiten Jahrzehnt des 16.Jht.s, und zwar im niederrheinischen Raum und zu einer Zeit, als Süddeutschland noch an theutonicus festhält. Bis 1530-1535 hat germanicus sich durchgesetzt. Die alten Sprachnamen theutonicus und alemanicus leben noch weiter in Worterbüchern, die auf ältere, vor 1515 entstandene Vokabularien zuruckgehen, manchmal bis in die zweite Hälfte des Jahrhunderts. Es handelt sich hauptsächlich um mehrsprachige Werke, die in der Peripherie des deutschen Sprachgebiets oder im nicht-deutschsprachigen Ausland entstanden bzw. verbreitet waren. Theutonicus scheint ein Wort des dichterischen Sprachgebrauchs geworden zu sein; alemanicus war schon früher verschwunden. Warum der Niederländer H. Junius in seinem Nomenclator von 1567 (Antwerpen) die deutschen Ausdrücke mit der Markierung Al. (Alemanis) versieht, bleibt noch zu untersuchen; er unterscheidet zwischen belgischen (= niederländischen) und alemanischen (= hochdeutschen) Interpretamenten, wo der Dilucidissimus von 1540 die beiden Sprachen als theutonicus und alemanicus, der Calepinus Pentaglottos (1540) sie als flandrica und germanica (lingua) charakterisiert. | |||||||||||
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Auch im Bereich der grammatischen Literatur läßt sich, wie Stichproben ergeben, im gleichen Zeitraum die gleiche Ablösung der alten Sprachnamen alemanicus und theutonicus durch germanicus beobachten. Die beiden ersten Jahrzehnte des 16.Jht.s erweisen sich als entscheidend für Veränderungen des Sprachbewußtseins und des Sprachgefühls in Deutschland. Daß der Wunsch, das Hochdeutsche vom Niederländischen abzuheben, hier eine Rolle gespielt hätte, ist kaum anzunehmen. Andere Gesichtspunkte, die ohne Zweifel mit dem Humanismus zusammenhängen, müssen den Ausschlag gegeben haben; ihnen nachzugehen und sie konkret zu erfassen, ist das Ziel im Gange befindlicher Untersuchungen.
Gent Gilbert A.R. de Smet |
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