Naamkunde. Jaargang 2
(1970)– [tijdschrift] Naamkunde– Auteursrechtelijk beschermd
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Rheinische und westfälische ‘Staffel/Stapel’-Namen und die Bedeutung der Benrather Linie.In dem von P.J. Meertens eingeleiteten Twents-Achterhoeks Woordenboek von G.H. WaninkGa naar voetnoot(1) findet sich die Zusammensetzung stapelrech ‘kerzengerade, aufrecht’, vor allem für einen Mann gebraucht, der noch im Alter aufrecht geht, als ob er vierzig sei. Diese Einzelbeobachtung weist auf eine Vielzahl von Vorkommen und Verwendungsmöglichkeiten des Wortes stapel im Niederländischen hin, in den niederländischen Dialekten, in der niederländischen Hochsprache, in den Fachsprachen, im Niederländischen der frühen Neuzeit und im Mittelniederländischen. Das Material soll hier nicht ausgebreitet werden. Es verdiente aber eine gründliche Bearbeitung und eine umsichtige Darstellung, die die ganze Vielgestaltigkeit und den Reichtum des im Niederländischen Entfalteten vor Augen führen könnte. Im Deutschen ist eine derartige reiche Entfaltung des Wortes - sei es in seiner niederdeutschen Form stapel oder sei es in seiner hochdeutschen Form staffel - nicht ganz so deutlich gegeben. Doch bedürften auch hier die Mundarten und die historischen Entwicklungsstufen noch einer gründlicheren Aufarbeitung und ErforschungGa naar voetnoot(2). Dabei spielen die Namen eine besondere Rolle, weil sie unter Umständen mehr über ältere und ursprüngliche Verbreitung und Geltung aussagen können als etwa die in der deutschen Hochsprache heute noch vorhandenen wenigen Wörter und Wendungen. Ortsnamen mit dem Bestandteil staffel sind im ganzen hochdeutschen Raum anzutreffen, vom Bairisch-Österreichischen bis zum Ribuarischen südlich der Benrather Linie. Auf diesen Befund ist an anderer StelleGa naar voetnoot(3) bereits hingewiesen worden. Das Netz der betreffende Namen setzt sich aber nördlich der Benrather Linie fort, und zwar mit der unverschobenen Form stapel, | |
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so dass die Bedeutung der Benrather Linie als einer lautlichen Grenze auch im Verbreitungsbild dieser Namen klar hervortritt. Ich verweise auf den Stapelbach und den Flurnamen Stapelberg im Ennepe-Ruhr-Kreis, womit sich etwas südlicher im Oberbergischen Kreis der Staffelbach und die Siedlungsnamen Niederstaffelbach und Oberstaffelbach vergleichenGa naar voetnoot(4). H. JellinghausGa naar voetnoot(5) nennt beispielsweise ein Gut Stapel bei MünsterGa naar voetnoot(6) und eine gleichnamige Bauernschaft in Drente, ausserdem den alten Freistuhl Stapell beim Kloster Cappel bei Herzfeld, schliesslich StapelageGa naar voetnoot(7) (w. Detmold) und einen Beleg von a. 1160: Stappelvelde (bei Cloppenburg). Ebenso reichhaltig ist das Bild in den Flurnamen. J. Hartig hat mir aus dem von William Foerste aufgebauten Westfälischen Flurnamenarchiv in Münster die folgenden Belege zur Verfügung gestellt: Bornstapel (Urkataster a. 1826, Valdorf, Kreis Herford); Bonstapel, Bornstapel, Bovenstapel (Talle, Kreis Lemgo)Ga naar voetnoot(8); Stapel, Hinterm Stapel (Amecke, Kreis Arnsberg); am Stapel (Endorf, Kreis Arnsberg); Auf dem Stapel (Hopsten, Kreis Tecklenburg); Stapelloh (Eisborn, Kreis Arnsberg). Auf die Geschichte und auf die Bedeutung der Namen im einzelnen soll hier nicht weiter eingegangen werden. Schon H. JellinghausGa naar voetnoot(9) hat auf die mögliche Verschiedenheit der Bedeutungen hingewiesen: Im Mittelniederdeutschen sei der stapel eine Säule, auch Gerichtssäule, Perron an den Burgtoren, in der Volkssprache auch der Rumpf des Bauernhauses, die Gesamtheit der Holzpfeiler oder Ständer (mit den Querriegeln), worauf die Sparren gesetzt werden. Das erinnert natürlich etwas an den Stapel, von dem ein Schiff läuft. Aber neben diesem Fachwort des Schiffbaus und des Hausbaus ist in den Namen auch mit dem Niederschlag des Rechtslebens zu rechnen, mit dem Stapel als Rechtswort. Ausserdem wird aber auch an den Begriff ‘Stufe’ | |
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im allgemeineren Sinne zu denken sein, als Bezeichnung eines gestuften oder erhöhten Geländes, und zwar gerade auch in den Flurnamen.
In dem von Adolf Bach aufgebauten Rheinischen Flurnamenarchiv des Instituts für Geschichtliche Landeskunde der Rheinlande an der Universität in Bonn ist die verschobene Form staffel zwischen der Benrather Linie und dem Nahegebiet häufig vertreten. Ich nenne einige der Fälle, die N. Kruse aus dem Archivmaterial ausgezogen hat und die zum kleinen Teil auch von H. DittmaierGa naar voetnoot(10) behandelt worden sind. Die Belege werden in geographischer Folge vorgeführt, von den südlichen zu den nördlicheren Rheinlanden: Staffel (Odernheim, sw. Bad Kreuznach im Nahegebiet); auf dr Staffel (Volxheim, sö. Bad Kreuznach); uff de Staffel (Frei-Laubersheim, sö. Bad Kreuznach); auf Staffel, in Staffel, auf Staffel Weid (Breitenheim bei Meisenheim, sw. Bad Kreuznach); Staffel, unterst Staffel (Oberbrombach, w. Idar-Oberstein); in dr Staffelheck (Waldlaubersheim, sw. Bingen); Staffelmühle, Staffelmühlwiese, zum Staffelweg, auf dem Staffelweg, Staffelwiesen, auf dr Staffelbach, Staffelberg, Staffelhofgut, zum Staffelhof (Dienstweiler, sö. Birkenfeld); links dem Staffelwege (Birkenfeld); auf dem Staffel (Bergnassau-Scheuern, s. Nassau, im Lahngebiet); auf Staffels (Bad Bertrich, sw. Cochem, im Moselgebiet); hinter Staffels, vor de Staffels, Staffels beim Baur (Bremm, sw. Cochem); Staffelskaul, Staffelswald (Sosberg, sö. Cochem); am Staffelbruch (Hermeskeil, sö. Trier); Staffelsbach (Blindert, nw. Adenau, im Ahr-Eifel-Gebiet); an der Staffelslei (Baasem, s. Schleiden); op staffelbösch (Mützenich, nw. Monschau); auf Staffel (Rheinbreitbach, s. Bad Honnef am Rhein); Stafelsgasse (Oedekoven, w. Bonn); auf dem Staffeld (Keldenich bei Wesseling, n. Bonn); auf dem Staffelberg, am Staffelberg, im Staffelbergbusch (Winden, s. Düren); unter de Staffeld (wohl Overath im Bergischen Land). Zu diesen staffel-Flurnamen im Mittelfränkischen, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben, müssen nun die an anderer StelleGa naar voetnoot(11) schon genannten staffel-Namen der Rheinlande hinzu- | |
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gedacht werden, aber auch weitere historische Zeugnisse, z.B.: Stafele im Umkreis von Trier vom Anfang des 13. Jahrhunderts; under demo stafelsteine in Bingen-Gensingen von a. 1210Ga naar voetnoot(12); Staffels, auf Staffels, am Staffels, am Staffelsweg, Staffelspass, usw., in Bonn und Umgebung aus dem 16. und 17. Jahrhundert (nach Sammlungen, die mir Rektor J. Dietz/Bonn zur Verfügung gestellt hat) - u.a.m.Ga naar voetnoot(13). Hingewiesen sei beispielsweise auch auf den Staffelstein bei Malbergweich an der Strasse von Bitburg nach Prüm in der Westeifel. Es handelt sich offenbar um einen stark verwitterten runden Sandstein, einen ehemaligen römischen Meilenstein, den man in jüngerer Zeit mit einem Kreuz versehen hatGa naar voetnoot(14). Staffeln als Grenzsteine, Meilensteine, Gerichtssteine spielen offenbar eine Rolle neben den Staffeln als Stufen, als Bezeichnung gestuften oder erhöhten Geländes. Dementsprechend häufen sich die betreffenden Flurnamen in den felsigen, bergigen Gegenden, in den Tälern von Nahe, Rhein, Lahn, Mosel, Ahr, in der Eifel und im Bergischen Land. Die Benrather Linie als Lautgrenze wird auch hier spürbar, wenn man am Rheinstrom weiter nach Norden geht. Den staffel-Flurnamen südlich der Benrather Linie entsprechen hier die stapel-Namen, z.B.: Op den Stapelacker (Duisburg-Beeckerwerth); Stapeltor (Duisburg); Die Stapelschen Hufen (Duisburg-Beeck); Stapelbach (Brünen, nö. Wesel am Niederrhein); Stapelskath (Dingden, ö. Rees). Das Netz der Namen setzt sich also auch am Rhein nach Norden hin fort, erwartungsgemäss mit der unverschobenen Form des Namenwortes. Der Stapel als Fachwort des hanseatischen HandelsGa naar voetnoot(15), der im späten und ausgehenden Mittelalter weit nach Süden dringen konnte und der sich auch in der deutschen Hochsprache Geltung verschafft hat, scheint sich in der Namengebung südlich der Benrather Linie nicht ausgewirkt zu haben. Die Bedeutung der Benrather Linie im Falle staffel/stapel aber tritt noch schärfer hervor, wenn man die bezeichneten Verhältnisse vor | |
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dem Hintergrund der Flurnamen Stapp, Stappen (usw.) sieht, womit ein ‘Schritt, Tritt’, am ehesten also eine Stufe im Gelände gemeint ist oder eine Vorrichtung zum Übersteigen eines GrenzzaunesGa naar voetnoot(16). Die Belege des Rheinischen Flurnamenarchivs (Stapp, auf Stapp, jenseits Stapp, auf dem Stappen, Schemelsstappen, Stappenwiese, Stappsberg, Stappsdell) sind im Umkreis von Birkenfeld anzutreffen, im Ahrgebiet, bei Euskirchen (w. Bonn), im Kreis Heinsberg und bei Kettwig, mithin also im ganzen in Frage stehenden Gebiet südlich und nördlich der Benrather Linie. Da hier geminiertes p vorliegt, das im Mittelfränkischen nicht verschoben wurde, konnte die Benrather Linie bei diesen Namen naturgemäss nicht in Erscheinung treten. Die Namen sind also eine unter Umständen wichtige Spiegelung der Lautverhältnisse einer Landschaft, wie an den gegebenen Beispielen noch einmal vor Augen geführt werden sollte. Dem kommt natürlich auch sprachhistorische Bedeutung zu, da dies letztlich auf alte Verhältnisse zurückweist und auf die Grundlagen, die für das westliche Mitteldeutsche offensichtlich schon in der Merovingerzeit gelegt worden sindGa naar voetnoot(17).
Münster/Westf. R. Schützeichel. |
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