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HANNES MEYER
FOTOCONSTRUCTION
CO-OP: 1926/II
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Ernst Kallai
Malerei und photographie
De grens tusschen schilderkunst en fotografie is, vòòr alle verschillen, fundamenteel door het stoffelijke onderscheid van schildersmiddelen eenerzijds en lichtgevoelige plaat, film en papier anderzijds aangegeven. Dit fundamenteele stoffelijke onderscheid is voldoende om een volkomen aan het objekt gebonden schilderkunstige voorstelling niet te verwarren met de fotografie van hetzelfde object, - hoe glad ook de factuur van de schilderij mag zijn. Zij bewerkt niettemin, dat totaal niet slechts als een eenheid van betrekkingen tusschen vorm en kleur en - somtijds - als ruimtelijke illusie, maar ook tegelijkertijd als een consistente stoffelijkheid-vol-spanning gevoeld wordt. Deze materieele indeeling, in zekere mate ‘orkestreering’ der vorm door de makelij, gaat bij de fotografie verloren. Het fotografische beeldvlak is een neutrale spiegel, waarin alle vormen en ‘tonen’ zonder tegenstand kunnen verschijnen. Het heeft noch een eigen spanning, noch een statische uitdrukkingskracht. Dit verlies aan scheppend leven wordt echter vergoed door de mogelijkheid het fotografische beeld bewegelijk te maken. De film is de optische beeldvorm van onzen tijd. Wij staan aan den grens van een maatschappelijk effectloos geworden, statische, cultuur, en een nieuwe, kinetische vormgeving van ons wereldbeeld, die reeds nu in een ongehoorde omvang tot de gevoelssfeer der massa is weten door te dringen.
Die Rückkehr der Malerei zur sachlichen Darstellung wird vielfach als eine Nachahmung der Natur beurteilt, die bedeutend einfacher und vollkommener mit der Photographie zu erzielen sei. Selbst ein so überzeugter Theoretiker der neuen Sachlichkeit wie Franz Roh warnt den Nachexpressionismus, in äussere Nachahmung der Gegenstände zu verfallen, weil damit ‘..seine Bedeutung schrumpfen und die ganze Malerei überrannt werden könnte von jenen prachtvollen Maschinen (Foto und Film), die uns nach der Imitationsseite hin so Unübertreffliches einheimsen.’ Das Abbilden der Natur käme für die Malerei lediglich als Rohvorlage oder als untergeordneter Teil der eigentlichen Bildgestaltung in Betracht.
Nehmen wir zunächst an, diese Einschränkung sei richtig. Es fragt sich, wo die Grenze liegt, bei der die Form aufhört Abbildung zu sein und in das Bereich der Gestaltung übergeht. Wohin gehört die peinlichst genaue Nachzeichnung eines Rasenstückes durch Dürer? Ist das Porträt des Kaufmanns Georg Gisze von Holbein etwa Nachahmung und nicht
ich freue mich kallai's sehr interessanten aufsatz zu veröffentlichen. ich stelle aber auch fest, dass ich mit ihm nicht in allen punkten einverstanden bin. aus diesem grunde, und weil das problem: malerei und fotografie heute besonders aktuell ist, möchte ich in diesen spalten eine diskussion über den artikel eröffnen.
moholy-nagy
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vielmehr ein Werk höchster künstlerischer Gestaltungskraft? Kann in der Malerei überhaupt eine bestimmte stilistische Grenze zwischen äusserem und verinnertem Erfassen der Natur gezogen werden oder ist diese Grenze eine vom jeweiligen Zeitstil unabhängige Frage persönlicher Kunstlerhingabe und - Qualität? In einer gegenständlich und stofflich so naturgetreuen, zudem noch atmosphärisch empfundenen Studie von Leibl ist mehr Beseelung und Gestaltung als in hundert schludrigen Nachläufern des Expressionismus. Das Gleiche lässt sich von einer ganzen Reihe bester Malereien der neuen Sachlichkeit behaupten, in denen Naturausschnitte mit geflissentlicher Vermeidung jeder besonderen Komposition rein perspektivisch dargestellt sind. Auch diese Gemälde sind unzweifelhaft Gestaltungen, trotz der nüchternen Genauigkeit, mit der sie das Äussere der Natur nachahmen. Denn ihre streng objektgebundene Darstellungsweise ist schöpferisch belebt von einer neuerwachten Liebe zu den nahen und nächsten Kleinigkeiten des Wirklichen.
Wenn aber der lebendige Antrieb einer malerischen Gestaltung auch heute noch gerade darin liegen kann, dass man selbst den bescheidensten Äusserungen der Natur andachtsvolle Bewunderung entgegenbringt, so ist es unmöglich, Nachahmung und Gestaltung als unvereinbare Gegensätze zu betrachten. Und es geht nicht an, jene ausschliesslich auf das Gebiet der Photographie beschränken, diese hingegen nur der Malerei zuweisen zu wollen. Um so weniger als die Photographie, auf ihre besondere Art, genau so darstellerisch und zugleich gestaltet wirken kann wie die Malerei. Sie braucht nur ihren Meister zu finden.
Wir kennen photographische Darstellungen, Bildnisse, Landschaften, die ihre Schönheit solch feinsinnigen und zarten Eingriffen in die Mechanik und Chemie der Entstehung verdanken, dass man sie als handwerkliche Gestaltungen hoher künstlerischer Kultur bewerten muss. Dies ist erst recht bei den Photogrammen solcher Künstler wie Man Ray, Moholy-Nagy, Spaemann-Straub der Fall, die sich von der Gebundenheit durch das Motiv bis zur völligen Gegenstandslosigkeit befreien und als geisterhafte Lichtemanationen wirken.
Der Unterschied zwischen Malerei und Photographie hat demnach nichts mit der Scheinalternative ‘Nachahmung oder Gestaltung’ zu tun. Auf beiden Seiten finden sich schöpferisch belebte d.h. gestaltete Abbildungen der Natur und Gestaltungen, die ausserhalb jeder gegenständlichen Bindung stehen. Auch die Frage, ob Handwerk oder Mechanik ist nicht entscheidend. Dem Maler ist die Möglichkeit gegeben, die Gesetzmässigkeit seiner Form dicht an den Rand einer lediglich errechneten Gesetzmässigkeit zu bringen, seine Faktur einer Politurglätte oder dem Glanz des Emailles anzugleichen. Es gibt genügend Bilder solcher Art (Mondrian, Malewitsch, Moholy-Nagy, Lissitzky, Buchheister u.a.m), die trotz mechanistischen Gebahrens und der theoretischen Ausfälle ihrer Schöpfer gegen diese Kunst, Malerei sogar ausgezeichnete Malerei sind. Wie viel handwerkliche Möglichkeiten sich anderseits dem Photographen bieten, wurde bereits angedeutet.
Schon diese wenigen Erwägungen zeigen zur genüge, dass die eigentliche Grenze zwischen Malerei und Photographie in ihrem Ausgang nicht formaler Beschaffenheit ist. Sie ist vor allen formalen Erweiterungen fürs erste durch die stoffliche Verschiedenheit der Malmittel und der lichtempfindlichen Platten, Filme und Papiere bedingt. Diese grundverschiedene stoffliche Bedingtheit genügt, um selbst eine vollkomen objektgebundene malerische Darstellung von der Photographie gleichen Motivs fernzuhalten. Der Unterschied ist wesentlicher als die Spanne, die zwischen einem bürgerlichen Genrebild und einem Picasso oder einer streng geistigen Komposition der Vergangenheit besteht. Er setzt sich in allen Fällen durch, in denen von der einen oder anderen Seite her eine äusserliche Angleichung zwischen malerischer und photographischer Bildgestaltung erstrebt wird. Die gewagtesten Zuspitzungen solcher Art kommen nicht aber die Grenze hinweg, die durch den Wesensunterschied der stofflichen Gestaltungsmittel gezogen ist: sie werden materialwidrig und aus diesem ersten und letzten Grunde zugleich auch stilwidrig.
Die Faktur einer Zeichnung oder eines Gemäldes mag noch so verrieben und geglättet sein, sie bewirkt trotzdem, dass die Gestaltung nicht nur als Einheit formaler und farbiger
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L. MOHOLY-NAGY
AV KONSTRUKTION 1923
FOTO: FIMMEN-LINDIG
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Beziehungen und gegebenfalls als räumliche Illusion, sondern zugleich als spannungsvoll konsistente Stofflichkeit empfunden wird. Die alten Gemälde ebnen und verwischen jede Spur der handwerklichen Entstehung; trotzdem strafft sich ihre Faktur vor stofflicher Erfülltheit, vor Freude an sinnlich durchkosteter materieller Verdinglichung. Ähnlich steht es mit der Faktur mancher Bilder der neuen Sachlichkeit. Auch die mitunter oeldruckartige Glätte solcher Malereien lässt die Faktur als den bis zur Tastbarkeit stofflich gesättigten, plastisch fühlbaren Träger der malerischen Erscheinung wirken.
Die Photographie ist zu diesem eindringlichen Grade der Materialisation und Verdinglichung unfähig. Gewiss, sie schafft Nachbildungen der Wirklichkeit, die blendend klar und deutlich sein können. Aber das real-stofflich bedingte Empfindungssubstrat dieser reichen Sinnestäuschungen ist überaus arm, fast wesenlos. Es beschränkt sich auf den matten Hauch der lichtempfindlichen Schicht von Platte oder Film und auf die emaillehaft glänzende oder getönte Textur des Kopierpapiers. In beiden Stadien, negativ wie positiv fehlt die Faktur, fehlt die optisch wahrnehmbare Spannung zwischen Bildstoff und Bild. Das Antlitz der Natur wird auf eine Formel allergeringster stofflicher Konsistenz gebracht, zum Licht-Bild sublimiert. Ob die zunächst nur helldunklen Abwandlungen des Lichtes in der Photographie mit der Zeit sich auch farbig entfalten werden, spielt dabei keine Rolle. Auch die Farbenphotographie kann nur ein stofflich neutrales Lichtbild der Natur sein. Sie mag den Schein der Wirklichkeit, dessen die Malerei fähig ist, an Eindringlichkeit erreichen, ihn sogar übertreffen. Die plastische Belebung, gewissermassen Orchestrierung dieses Scheins durch die Faktur geht ihr verloren.
Das Eingreifen der Faktur in alle Wirkungsmomente der Malerei hat äusserst wesentliche Folgen für die besondere Eigenart und Gesetzmässigkeit der Bildgestaltung in dieser Kunst. Die feinsten Sehwerte einer Komposition werden entscheidend gefordert durch die Tastwerte ihrer Faktur: durch Stoff, Menge, plastische Struktur und Oberfläche ihres Materialauftrages. Deshalb ist der simple Ersatz dieser Tastwerte durch Papiertextur und photomechanischen Druck so nachteilig für die Cüte selbst von solchen Reproduktionen, die an optischer Angleichung an das Original im übrigen Vorzügliches leisten.
Zunächst ist jede Faktur ein Niederschlag seelischer Erregungen. Ihr Stoff kann sehr verschieden sein, je nachdem, ob Mosaik oder Wandmalerei, ein Malen mit dünnflüssigem oder zähem Material oder das Arbeiten in irgend einer graphischen Technik vorliegt. Auch kann die Faktur zurückgedämmt und geebnet sein wie bei den sachlichen Stilen oder aufgelockert und zerrissen wie bei den ichbetonten Gestaltungen. Solche Unterschiede ändern nichts an der grundlegenden Eigenschaft jeglicher Faktur überhaupt: sinnlich-organische Verkörperung, lebendiger Empfindungsherd zu sein.
Durch diese Eigenschaft der Faktur werden selbst zuhöchst geistig gerichtete malerische Visionen unmittelbar in den Stromkreis unserer stofflicher Wirklichkeitsempfindungen eingeschaltet, unserem Dasein sozusagen einverleibt. So ergibt sich die grosse beschwingende Spannung zwischen der mitunter groben Fassbarkeit der Gestaltungsmittel und der geistigen Absicht, die sie verkörpern. Und in dieser Spannung liegt die besondere schöpferische Kraft, die eigentliche Schönheit der ganzen Malerei. Dagegen entrückt der Mangel an Faktur selbst die deutlichste photographische Naturdarstellung unserem stofflichen Wirklichkeitsempfinden. Sie mag noch so eindringlich den Schein des Wirklichen vortäuschen: dieser Schein bleibt wesenlos, ohne Gewicht, wie Spiegelungen in Glas oder Wasser. Ein entscheidender Gegensatz: die Malerei vermag gröbste Stofflichkeit der Mittel mit zartester Geistigkeit der Vision zu vereinen; die Photographie hat letzte stoffliche Verfeinerung der Gestaltungsmittel zu eigen und kann trotzdem Vorstellungen gröbster Realistik erregen.
Der sparsamste und durchsichtigste Farbenauftrag eines Aquarells etwa genügt, um selbst die gewagtesten räumlichen Illusionen in ihrer real-stofflichen Bedingtheit auf der Bildfläche genau abzugrenzen und festzulegen, sie stoffllich zu lokalisieren. Die in vorgetäuschten räumlichen Tiefen ausschwärmende optische Kraft des Bildes staut sich in der Faktur zur
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WILLY BAUMEISTER
LITHO
dichtesten und tatsächlichen Vordergründigkeit zusammen. Glatte und gelockerte Fakturen haben in dieser Beziehung unterschiedslos die selbe Wirkung: sie beschwingen die Illusion und verklammern sie gleichzeitig zu einem Realgefüge stofflicher Bindungen. Diese stofflichen Bindungen sind es, die der malerischen Bildfläche die Rolle zuteilen, mehr zu sein, als nur Durchblick auf eine Welt des Scheins. Sie sind es, die selbst bei dünnster und glattester Faktur die Bildfläche zu einer besonderen und wirklichen Dimension der Tastwerte erhärten und diese Bildfläche somit auch optisch als ein Feld eigener Spannung und lebendiger Fülle empfinden lassen.
Die Stärke dieser optischen Spannung kann natürlich sehr verschieden sein. Sie hängt zunächst von den Tastwerten der Faktur ab. Je kontrastreicher eine Faktur in ihrem Relief ist, je offener sie den schöpferisch-erregungsvollen Gang ihrer Entstehung zutage kehrt, um so kräftiger tritt ihre eigene optische Lebendigkeit innerhalb des Bildganzen in Erscheinung. Eine weitere Beeinflussing dieser optischen Eigenlebendigkeit der Bildfläche liegt in dem Grade, wie weit der räumliche Tiefenschein des Bildes entfesselt oder eingeengt wird. Eine Malerei kann den optischen Schwerpunkt ihrer Bildfläche in vorgetäuschte räumliche Tiefen verlegen. Die tatsächliche stoffliche Verankerung ihrer räumlichen Täuschungseffekte in der Faktur genügt, um die Fläche auch in solchen Fällen als verborgenen Träger dieser Scheintiefen wenigstens stellenweise mit aller Eindringlichkeit hervortreten zu lassen. An solchen Stellen aber entsteht eine deutlich wahrnehmbare Bildspannung: der Schein hebt sich gegen das stoffliche Substrat seiner Entstehung ab. Je mehr nun diese Spannung sich über den ganzen Bildumfang verbreitet, um so mehr tritt die Fläche in ihrer Gesamtausdehnung als ein Feld eigener optischen Vitalität hervor. Dies geschieht in dem Grade, in dem die Tiefengrenze des räumlichen Scheins im Bilde sich nach vorne drängt, sich den tatsächlichen zwei Ausdehnungen der Bildfläche einordnet. Je vollkommener diese Einordnung ist, um so mehr wird das spannungsvolle Vorhandensein der Bildfläche ins Augenfällige gerückt, von einer lediglich untergeordneten stofflichen Beschaffenheit zur optischen Wirkungsebene aller Bildinhalte durchgestaltet. War die illusionistische Darstellungsart bestrebt, über das Vorhandensein einer Bildfläche
möglichst effektvoll hinwegzutäuschen, so wird jetzt mit allen, entsprechend geänderten Mitteln ver- | |
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sucht, die undurchlässige tatsächliche Vordergründigkeit dieser Bildfläche aufs äusserste zu erhärten, sie in den Rahmen ihrer zweifachen Ausdehnung möglichst abweichungslos hineinzugliedern. Solche Einengung bedeutet keineswegs Verflachung, sondern gehaltvollste Verdichtung und straffste Anspannung des Bildes. Sie ist nur möglich durch das restlose Einbeziehen aller Wirkungsmomente des Bildes in eine Gestaltungsebene, die nicht nur als Augenschein, sondern auch in tastbarer Stofflichkeit da ist. Nur diese Stofflichkeit und somit plastische Wirksamkeit der Faktur ist es auch, die das umgrenzte innere Bereich des Bildes in spannungsvollem Gegensatz zu seiner Einfassung zu bringen vermag. Die optische Widerstandskraft, mit der eine Bildfläche sich gegen den Durchbruch illusionistischer Tiefen und gegen verflachende Erweiterungen behaupten kann, beruht letzlich auf ihrer Verdichtung, sozusagen Ausbetonierung durch die Faktur. Was in den Augenblick offenkundig wird, wo man stilistisch im übrigen verwandte Gemälde und Photographien mit einander zu vergleichen beginnt.
Es gibt Photographien, die ihren Bildraum ein flächiges Gefüge geben möchten. Sie verengen die natürliche Sicht, arbeiten mit verschränkten Diagonalen, die an den Bildrand anstossen oder mit quer durch das Bildfeld gezogenen Parallelen, die gleich den senk-
SPAEMANN-STRAUB
FOTOGRAMM 1926
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rechten oder wagrechten Grenzliniën des Bildes verlaufen. Indessen, je mehr sie bemüht sind, ihre Komposition flächig aufzuschichten und sie mit der Bildebene in struktivem Zusammenhang zu bringen, um so deutlicher merkt man, dass alle diese Bemühungen ins Leere greifen, weil die Photographie keine Faktur hat, in der solch mehrschichtige Bindungen stofflich realisiert werden könnten. Der Hauch der lichtempfindlichen Schicht, die Papiertextur bieten keinen Widerstand, gegen den eine Anlehnung und Anspannung des Bildgefüges möglich wäre. Die photographische Gestaltungsebene ist eine makellose durchlässige Spiegelfläche, in der alle Formen und Tönungen widerstandlos in Erscheinung treten können, um jedoch gerade durch diese Widerstandslosigkeit jede gefestigte Beziehung zur Bildfläche zwangsläufig verlieren zu müssen. Die vollkommene optische Neutralität ihrer Bindung durch das Lichtbildmaterial hat zur Folge, dass selbst die unmittelbarste photographische Nahsicht in eine unbestimmte Tiefe hinter die Bildfläche zu greifen scheint. Zwischen äusserster photopraphischer Vordergründigkeit und Bildfläche liegt immer noch der unfassbare matte oder glänzende Schein eines luftgetränkten Zwischenraums. In der Bildfläche selbst vermag keine photographische Gestalt sich auszubreiten. Eine optische Vereiningung mit dieser Fläche ist lediglich um den Preis der
L. MOHOLY-NAGY
FOTOGRAMM 1922
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völligen Verwischung und Auflösung der Form möglich. Die photographische Bildfläche hat eben nur die eine Verwendung, widerstandsloser Durchblick auf räumliche Lichtemanationen zu sein. Ihre eigene optische Erscheinung ist aus unüberwindlichen stofflichen Gründen konsistenz- und spannungslos. Daher sind alle Versuche, dieser Erscheinung trotzdem das Aussehen einer spannungsvollen Bildverklammerung nach Art der Malerei zu geben, so haltlos und leer. Sie sind gegen die Gestaltungsmöglichkeiten ihres Materials und somit stilwidrig.
Es bedarf nach dem Vorangegangenen keiner besonderen Darlegungen mehr, dass mit der Unmöglichkeit, ein photographisches Bild in struktiver Weise seiner Bildfläche zu verbinden, zugleich auch die Grenzen gezogen sind gegen eine Gestaltung der Statik in der Photographie. Gewiss, die Photographie ist, soweit nicht Film, bewegungslos wie die Malerei. Aber diese Bewegungslosigkeit kann nicht durch ein Gefüge von gegenseitig bedingten Spannungen versteift und ausdrucksvoll betont werden. Wiederum aus Gründen mangelnder Faktur nicht. Wie alle anderen Spannungen im Bilde, erhalten auch die statischen Spannungen der Malerei ihre Tragfähigkeit in letzter Instanz von der stofflichen Bindung und Erhärtung durch die Faktur. Die stoffliche Sättigung durch diese Faktur verleiht selbst einer vollkommen naturalistischen Darstellung besondere Schwere und Beharrungskraft im optischen Gleichgewicht ihrer Scheinwelt. Neben solch naturalistischen Darstellungen der Malerei wirken alle photographischen Kompositionen als spannungsloses passives Verweilen im Raume, auch wenn sie noch so reichlich mit statischen Verschränkungs- und Bindungszeichen der Form versehen sind. Ein barockes Deckengemälde hingegen oder eine schwebende Konstruktion, von Lissitzky oder Moholy-Nagy gemalt, wird immer noch im Bereich schwerkraftbeherrschter Züge und Gegenzüge verweilen, wo in einer photographischen Erdenlandschaft das optische Gleichgewicht kein spannungsvolles Zusammentreffen von
BAUHAUS DESSAU
FOTO: IRENE BAYER-HECHT
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Gegensätzen, keinen Kampf, sondern einen vorweggenommenen Zustand bedeutet. Dies lediglich aus Mangel an Faktur, an tatsächlicher stofflicher Durchgliederung und Beschwerung der Form.
Wie weit die Wirkungsmöglichkeiten der Faktur gehen, hat sich neuerdings am Kubismus und an verwandten künstlerischen Erscheinungen erwiesen. Picasso, Braque, Willy Baumeister u.a. verwenden die grösste Sorgfalt darauf, ihre Faktur als Komposition verschiedenster Tastwerte (rauh, glatt, dicht und porös, erhöht und vertieft), mehr noch, als ein Gefüge verschiedenster Stoffe (Oel, Papier, Graphit, Gips u.s.w.) zu gestalten. Diese fakturelle Gliederung verfolgt den Zweck, die farbig und formal bestimmten Teilflächen, aus denen das Bildgefüge zusammengeschichtet wird, in ihren tektonischen Beziehungen noch um ein weiteres hervorzuheben. Die Russen Tatlin, Pevsner, Rosanova, Altmann u.a.m. gestalten die Faktur fast zum Selbstzweck. Sie sind bestrebt, das Bild zum vollen Ausklang seiner tatsächlichen stofflichen Beschaffenheit zu bringen und alle anderen Wirkungsmomente des Bildes dieser Fakturrealistik zu unterordnen. So kommt es zu Gestaltungen, die trotz ihrer Einförmigkeit und Einfarbigkeit aufs höchste belebt sind. Wirkungen ergeben sich, denen die fakturlose Photographie niemals gewachsen sein kann.
Man hat zwar versucht, der Photographie durch gekörntes Papier und raffinierte Kopiertechnik den stofflich lebensvolleren Schein einer Faktur zu geben und diesen Schein im besonderen der rembrandtischen und impressionistischen Malerei anzunähern. Doch solche Vortäuschungen lassen erst recht das Nichts hinter der Atrappe empfinden. Als glücklicherer Weg hat sich das Zusammenfügen photographischer Kompositionen aus aufgeklebten Ausschnitten erwiesen (Hartfield, Gross, Hausmann, Moholy-Nagy, Hanna Höch, Citroen u.a.m.). Zumal innerhalb futuristischer und dadaistischer Absichten sind mit diesem Verfahren recht kräftige Wirkungen erzielt worden. Diese Photoklebebilder haben in der Fläche und in ihren statischen Beziehungen eine unbestreitbare Hochspannung. Doch auch hier bleibt noch ein Rest von Widerspruch bestehen zwischen der photographisch bedingten Wesenlosigkeit der Teilflächen und der Gesamtwirkung, die mit dem Vorhandensein einer tatsächlichen stofflichen Gliederungsebene, mit der Schicht von aufgeklebten Photoausschnitten erreicht wird. Solche Photomontagen sind ein Zwitterding zwischen Malerei und Photographie.
Stoffliche Verdinglichung durch die Faktur, Seh- und Gefühlswerte dieser Faktur, fakturbedingte Flächenspannung und statische Ausdruckskraft sind der Photographie versagt. Im Bereich dieser Wirkungsmomente braucht die Malerei keinerlei Konkurrenz der Photographie zu befürchten, ganz gleich, in welchem Grade sie komponiert oder beim blossen Nachbilden der Natur verbleibt. Eine Gefahr besteht hier nur für die Photographie, wenn sie nämlich Bildwirkungen, die im besonderen der Malerei vorbehalten sind, nachzuahmen versucht.
Die Grenzen, die mit der Faktur gezogen sind, bedeuten jedoch auch für die Malerei gewisse Einschränkungen. Es gibt Grenzen, über die hinaus ein Vortäuschen luchtdurchlässiger Farbenschichten, widerstandsloser Tiefenblicke und schwerkraftentrückten Schwebens, der Malerei schliesslich jeden stofflichen Spannungsgehalt entzieht. Ohne dabei verhindern zu können, dass mit der Tatsache einer Faktur ein Wirkungsmoment angeschlagen ist, das durch solche Entstofflichung der Sehwerte an seinem vollen Ausklang verhindert wird. Konstruktivisten haben im Bestreben, die Malerei zum Ausdruck einer rein technischen, vernunft- und bewegungsfreudigen Geistigkeit zu gestalten, auf diese Weise manchen experimentellen Schritt über die stofflich gezogenen Grenzen ihrer Kunst getan. Der Versuch einer grösstmöglichen stofflichen und somit flächigen und statischen Entspannung der Malerei führt auf das Gebiet der Photographie hinüber. Solch frei schwebender Immaterialität sind nur die Lichtemanationen, im besonderen die ungegenständlichen Lichtgestaltungen der Photographie fähig. Und diese Gestaltungen weisen ganz offenkundig auf den Übergang zur Bewegung hin. Sie entkleiden das Sehbild der Dinge seiner Stofflich- | |
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keit, um mit diesem Verlust an schöpferischem Leben auf der anderen Seite das wunderbar lebensvolle Plus der Bewegung zu erkaufen, in das bewegliche Lichtbild, in den Film einzugehen. In diesen Möglichkeiten der Photographie liegt ihre grosse Gefahr für die Malerei. Malerei oder Film: das ist die Schicksalsfrage der optischen Gestaltung unserer Zeit. In dieser Alternative kommt die historische Wendung unserer Geistigkeit zum Ausdruck. Wir stehen an der Grenze zwischen einer gesellschaftlich wirkungslos gewordenen statischen Kultur und einer neuen, kinetischen Gestaltung unseres Weltbildes,
die schon heute in unerhörte Breiten des Massenempfindens zu dringen vermag.
MAGNOLIA
FOTO: LUCIA MOHOLY
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