das Wesen des Menschen in einem letzten Aufflammen aufglühen lässt, und iiber der Bewunderung dieser Schönheit und Grösse vergisst der Arzt das Heilgeschäft. Der Fall der Hanna ist dafür typisch. Durch íhren Tod wird ihm zur Gewissheit - was er schon lange fühlte -, dass er für seinen Beruf nicht taugt. Arzt und Künstler können sich in ihm nicht veremen, und diese Spaltung treibt Dr. Bürger schliesslich in den Tod. Dieser Freitod im Bereiche des Dichterischen war Carossas Rettung. Eine Folge dieser Spaltung ist auch die Auflockerung des Willens zum Heilen. Widerstandslos überlässt er sich dem tiefen Gefühl der Unmacht des Arztes gegen die zerstörenden, den Körper des Kranken zersetzenden Kräfte der Mikroben. Erschüttert fühlt er sich zu den unrettbar Verlorenen hingezogen und schliesslich sehnt er sich selbst nach der Auflösung und dem Zerfall. In dem längeren Gedicht ‘Die Flucht’ jedoch lässt ihn die Erscheinung des sterbenden Kindes erkennen, dass die dem Tode Verfallenen nur ein ehernes Gesetz erfüllen. Aus dem Zerfall werden neue Kräfte geboren; die Auflösung ist ein Aufgehen in das Urgöttliche. Nicht der Freitod ist hier das Ende, eine seelische Wandlung erfüllt ihn mit neuen Kräften. ‘Die Flucht’ bildet den Uebergang zu der neuen Haltung im ‘Rumänischen Tagebuch’. Carossa hat erkannt, dass das Unheimliche nie die letzte Lösung sein kann, dass die wahren Quellen und Heilquellen immer noch einige Schichten tiefer entspringen als in den Lagen, wo das Grauen entsteht. Er hat einsehen gelernt, dass auch die untergrabenden Kräfte dem Ganzen dienen, und zu den untergrabenden Kräften, aus denen eine neue Ordnung aufsteigen wird, gehort nach ihm auch der Krieg, der im
‘Rumänischen Tagebuch’ fast alles Zeitbedingte verloren hat. Von dieser Einstellung aus haben Leid und Tod das Grauenerregende verloren. Der Arzt erfüllt hier äusserlich unbewegt seinen Beruf. Doch lebt Carossa in einer furchtbaren Spannung. Die Wirklichkeit ist einer dichterischen Schau untergeordnet, die das Grauen so gefährdet wie eine Seifenblase umspannt. Nur so konnte der Dichter die Schrecken des Krieges überwinden. Während Dr. Burgers Bewunderung der Schönheit und Grosse des Menschen in der Todesnähe sich auf reine Aeusserlichkeiten beschränkte, erkennt Carossa jetzt die Steigerungen, die die menschlichen Seelenkräfte in der Nähe des Todes erfahren können. Die bloss sinnliche Aufnahme der Schönheit steigert sich im Arzt des ‘Rumänischen Tagebuches’ zur dichterischen Schau. Es kommen Augenblicke, wo vor einer rein geistigen Schau das wirkliche Leben zu zerrinnen scheint. Doch vor einem völligen Sich-Verlieren in die Sphäre des Geistigen bewahren ihn die aufsteigenden Bilder der Kindheit. Die künstlerische Gestaltung dieser Erinnerungen führt ihn allmählich zu einer festeren und harmonischeren Einigung seiner Kräfte. Die Bilder der Kindheit tauchen ihn wieder in das ungebrochene Licht, das ihn damals umleuchtete. Sie schützen ihn vor einem Sich-Verlieren an das Leben oder den Geist, sie tragen dadurch auch dazu bei, die Gegensätze zwischen dem Arzt und dem Dichter zu überbrücken. Im ‘Arzt Gion’ macht die Künstlerin eine ähnliche Entwicklung durch. Doch während Dr. Bürger sich vom Leben mitreissen liess und durch seine hemmungslose Hingabe das seelische Gleichgewicht verlor, sodass er das Leben nicht mehr ertragen konnte und den Streit aufgab, droht Cynthia