De Gulden Passer. Jaargang 61-63
(1983-1985)– [tijdschrift] Gulden Passer, De– Auteursrechtelijk beschermd
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Kölner drucker und verleger in Antwerpen (15. und 16. jahrhundert)
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rhein die Hcrstellung und der Vertrieb von Büchern in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts zur Blüte kamen und im Handelsverkehr bald eine bedeutende Rolle spielten. Buchdruck und Buchhandel hielten sich, ungeachtet ihrer Bedeutung für das kulturelle und geistige Leben, im Rahmen der bewährten wirtschaklichen Beziehungen. Was fürden Weinhändler oder mit Fertigwaren der kölnischen Produktion handelnden Kaufmann gilt, das trifft auch mutatis mutandis auf die Jünger der Schwarzen Kunst zu. Es ist seit langem bekannt, daß kölnische Drucker und Verleger Niederlassungen in Antwerpen katten und daß umgekehrt in Köln die Produktion Antwerpener Verlage im buchhändlerischen Sortiment angeboten und mitunter auch durch Kölner Firmen zur Frankfurter Buchmesse weitergeleitet wurdeGa naar voetnoot2. Es kann jedoch nicht übersehen werden, daß die wirtschaftsgeschichtliche Forschung von diesem Teilbereich keine oder doch nur ungenügende Notiz nimmtGa naar voetnoot3. Eine gründliche Aufarbeitung desThemas wäre darum gewiß geboten, sie kann aber hier nicht geleistet werden. Ich muß mich vielmehr darauf beschränken, das in den Umrissen seit langem bekannte Bild um einige Linien und Schattierungen zu bereichern, indem neue Fakten vorgelegt, Datierungen verbessert und Beziehungen überprüft werden. Das Ziel ist nur bescheiden, aber es könnte uns doch ein Stückchen weiter hinführen zu der gründlichen und umfassenden Darstellung, welche die geistesgeschichtlichen Aspekte des Themas ebenso wie die wirtschaftshistorischen zu berücksichtigen hätte. | |
1. Heinrich QuentelGegen Ende der siebziger Jahre arbeitete der aus Strafiburg stammende Heinrich Quentel in KölnGa naar voetnoot4. Er tat sich mit dem Notar und Münz- | |
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meister Johann Helman zusammen. Das von ihm begründete Unternehmen blühte noch im 17. Jahrhundert. In einem etwas überraschenden Zusammenhang hat vor einem Jahrhundert Alphonse Goovaerts die Entdeekung zur Sprache gebracht, daß Quentel sich etliche Jahre in Antwerpen aufgehalten habeGa naar voetnoot5. Er habe in der Hooghstraat gegenüber dem Sint-Jans-Hospital von 1483 bis 1487 gewohnt. Goovaerts knüpft an diese Feststellung Vermutungen über Quentels Wirken in Köln, die jedoch durch den Fortschritt der Forschung gegenstandslos geworden sind. Weil die Entdeckung in einer Anmerkung versteekt war, hat es nahezu vier J ahrzehnte gedauert, bis man in Deutschland davon Notiz genommen hat. Im Jahre 1919 hat Ernst Voulliéme sich des Falles angenommen, allerdings mufite er zuvor von P. Bonaventura Kruitwagen O.F.M. darauf aufmerksam gemacht werdenGa naar voetnoot6. Er wies in diesem Zusammenhang darauf hin, daß in Quentels Kölner Druckerei mit dem Jahre 1484 neue Lettern, wie sie auch von süddeutschen Offizinen verwendet wurden, in Gebrauch kamen. Der Name Quentels komme bis 1488 in keinem dieser Drucke vor, wohl sei der Druckort Köln durch Angaben der Schlußschriften gesichert. Erst seit dem 22. Februar 1489 begegne der Name Quentel wieder in einem Kolophon. Er schließt daraus: ‘Vielleicht leitete Qu. in Antwerpen eine Verkaufsfiliale, ähnlich der Fust-Schöfferschen in Paris, während sein Schwiegervater Joh. Helman die Geschäfte der Kölner Drukkerei besorgte.’ Man hat aber auch vermutet, daß Quentel us politischen Gründen in der Stadt an der Schelde untertauchtc, weil er mit dem Rat der Stadt Köln in Konflikt geraten seiGa naar voetnoot7. War der Drucker vielleicht in jenen Aufstand gegen die städtischen Behörden verstrickt, der in den Karnevalstagen 1482 seinen Höhepunkt erlebte und mit der Hinrichtung der Rädelsführer am Aschermittwoch und den folgenden Tagen endete?Ga naar voetnoot8 Die chronologischen Parallelitäten passen nicht schlecht zu dieser Annahme, zumal noch im Frühjahr 1486 der Fall eines angeblich am Aufstand beteiligten Goldschmiedes untersucht wurde. Sieht man jedoch genauer zu, so verliert die Hypothese, die unseren Druckerverleger unter die politi- | |
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schen Aktivisten rechnet, an Boden. Aus den Briefbüchern der Stadt wissen wir, daß der Rat sich auswärts für das Unternehmen Helman & Quentel einsetzte. Er tat das am 8. September 1483 in Osnabrück und am 25. Juni 1484 in LübeckGa naar voetnoot9. Johann Helman wäre wohl auch nicht im Dienst der Stadt als Münzmeister geblieben, wie er es am 15. Februar 1483 nachweislich warGa naar voetnoot10, wenn sein Eidam zu den Rebellen gehört hätte. Nein, es waren allem Anschein nach ausschließlich geschäftliche Gründe, die Heinrich Quentel nach Antwerpen föhrten und ihn hier auch zum Hauseigentümer machten, Für die Reisetätigkeit des Druckers in den Niederlanden haben wir ein lebcndiges Zeugnis in einem Brief, den ein Heinrich Trach am 10. November 1482 an den Basler Verleger Johann Amerbach richteteGa naar voetnoot11. Es scheint sich um einen Bruder des in Speyer tütigen Druckers und Buchhändlers Peter Drach zu handelnGa naar voetnoot12, und er schrieb, wie der Nebensatz ‘cum rediero ex Antwerpia’ verrät, wohl aus Antwerpen. Er berichtet, zusammen mit zwei anderen Kölner Bürgern sei Quentel ‘amarissimo ac turpidissimo in carcere’ festgehalten worden, d.h. die Kölner Kaufleute waren Strauchrittern in die Hände gefallen, die sie ‘per quindenam’ festhielten. Nur einer mitleidigen und guten Frau sei es zu verdanken, daß Freunde der Festgehaltenen von der Geschichte Wind bekamen und in Köln Alarm schlugen. Aus Köln schickte man ‘certos nuncios ad castrum, ubi tenti fuerunt et sunt’. Die Kerkermeister jedoch behaupteten, keine Kölner in ihrem Gewahr zu haben. Quentel verlor sein Pferd und alle seine Ware. Fatalerweise hatte er auch mit seinen Geschäftspartnern abgerechnet und Gelder einkassiert; die waren ebenfaUs verloren. Trach bittet den Empfanger seines Briefes, ihm die Antwort nach Köln zu senden ‘ad scillam post Minores ad dominum Her- | |
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man de Ketwich an der Margardengasse’. Der spätere Buchdrucker Hermann Bungart von Kettwig war also zu Beginn der achtziger Jahre bereits als Buclihändler tätig, er wohnte in der Mariengartengasse im Hause ‘Zur Meerjungfrau’(?)Ga naar voetnoot13. Als ‘Herman buchfuhrer zue Callen’ erscheint Bungart auch im Rechnungsbuch des Peter Drach aus SpeyerGa naar voetnoot14. Er war dem Verleger und Buchhändler 17 Gulden schuldig, die ihm sein Bruder (Heinrich?) vorgestreckt hatte, als dieser nach Michaelis 1484 ‘von Antorff’ kam. Aus dem Rechnungsbuch geht auch hervor, daß Quentel geschäftlich mit Drach zu tun hatte. Der Kölner Drucker empfing durch einen Mittelsmann nach Ostern 1484, als Markt zu Köln war, einen Posten Bìcher, die er Drach noch zu bezahlen hatte. Es kann darum kein Zweifel bestehen, daß Heinrich Quentel in der fraglichen Zeit (1483-1487) nicht völlig von Köln abwesend war und keinesfalls dauernd in Antwerpen gewohnt hat. Er dürfte es aber so gehalten haben, wie wir es dank der günstigen Quellenlage von Peter Drach wissen: Er führte eigene Verlagsproduktion und die Bücher anderer deutscher Firmen in Antwerpen ein und verkaufte sie auf den Messen. Auf dem Rückweg brachte er in Antwerpen gedruckte Bücher mit nach Hause. Wie andere Kölner Kaufleute auch hielt er es offenbar für einträglicher, die Geschäfte an der Schelde selbst in die Hand zu nehmen und sich nicht oder nicht nur auf Agenten oder Faktoren zu verlassen. Da war es sinnvoll, ein Haus zu besitzen, in dem man wohnen konnte, seine Waren lagern, anbieten und verkaufen konnte. Es ist sehr eindrucksvoll zu sehen, wie die in den wirtschaftlichen Beziehungen zwischen den beiden Städten ausgebildeten Usancen auch für den Buchhandel geitenGa naar voetnoot15. | |
2. Franz BirckmannEtwas anders liegen die Dinge bei Franz Birckmann, dessen Bindungen an Antwerpen weit stärker gewesen sein müssen, Aus der Geschichte | |
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des Kölner Buchdrucks und Verlagswesens ist er aber ebensowenig wegzudenken, Als älteste Nachricht kündet von ihm ein Missale ad consuetudinem insignis ecclesiae Sarum, also ein Meßbuch für die englische Diözese Salisbury, das am 20. August 1504 fertig wurdeGa naar voetnoot16. Das Buch nennt keinen Erscheinungsort, gibt aber preis, daß Wolfgang Hopyl in Paris für Gerhard Cluen und Franz Birckmann tätig gewesen ist. Der zuerst genannte Mann dürfte um diese Zeit noch den Ton in dem gemeinsamen Unternehmen angegeben haben. Er wird im Rechnungsbuch des Peter Drach dcr Buchführer Gerhard von Amersfoort genannt, der ‘bij dem monster zu Callen’, d.h. in der Nähe des Kölner Doms, wohnteGa naar voetnoot17. Die Eintragung betrifft Lieferungen Drachs vom Herbst 1484. Aber er hatte auch lebhafte Bezichungen nach Antwerpen hin und vereinbarte z. B., daß ein englischer Schuldner eine Summe von 264 Goldgulden ihm 1501 und die Folgezeit in Raten von 33 Gulden auf den Messen dieser Stadt bezahlen solleGa naar voetnoot18. Gerhard kam offensichtlich regelmäßig zu den Messen und Märkten nach Antwerpen, der Engländer schuldete ihm die stattliche Surnme für die Lieferung gedruckter Bücher. Im übrigen wird der Buchhändler als Kölner Bürger bezeichnet, der in Amersfoort ansässig sei. Gerhard Cluen war auch im Sommer 1504 in Antwerpen, wo er am 18. Juni einen Schöffenbrief erwirkteGa naar voetnoot19. Hier dürfte er auch die aus Paris herantransportierte Auflage des Meßbuches für Salisbury erwartet und über den Kanal weitergeleitet haben. Wenn er es nicht selbst tat, dann war es sein Teilhaber, Franz Birckmann. Das ist nicht nur aus Gründen des gesunden Menschenverstandes zu vermuten. Die Bedeutung Antwerpens für den Umschlag der kontinentalen Buchproduktion und die hier | |
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blühende Fertigung englischsprachiger Texte und anderer speziell für den englischen Markt bestimmter Bücher ist durch viele Beispiele belegtGa naar voetnoot20. Am 23. März 1510 vollendete Wolfgang Hopyl eine Neuauflage des für Salisbury bestimmten Meßbuches, das diesmal allein auf Kosten von Franz Birckmann zustande kamGa naar voetnoot21. Wieder wird über den ‘Erscheinungsort’ nichts gesagt, und es ist nach wie vor unwahrscheinlich, daß es Köln war. Entgegen dem, was man an den verschiedensten Stellen lesen kann, ist Birckmann erst ab 1511 am Rhein sicher nachweisbar, Da erwarb er zusammen mit seinem Bruder Arnold das Wohn- und Geschäftshaus in der heutigen Straße ‘Unter Fettenhennen’Ga naar voetnoot22. In dem 1512 erschicnenen Breviarium Coloniense, dem allem Anschein nach dritten Buch seines Verlages, nennt sich Birckmann einen Kölner Bürger, das Buch könne gekauft werden ‘Colonie in pingui gallina apud edem sacram atque ecclesiam maiorem trium regum’Ga naar voetnoot23. Es kann kaum ein Zweifel daran bestehen, daß Franz Birckmann das Bürgerrecht von Köln durch die Heirat mit Gertrud von Amersfoort, der Tochter seines Geschäftsfreundes (und ehemaligen Prinzipals?), erworben hat. Dieser Weg über die Tochter eines Bürgers war damais gang und gäbe. Dic kölnischen Bürgeraufnahmebücher verzeichnen ihn und seinesgleichen nichtGa naar voetnoot24. Eigentümlicherweise hat die Kölner Bürgerin Gertrud Amersfoort die Schelde dem Rhein vorgezogen. In Antwerpen scheint sic ihre Kinder geboren zu haben, hier ist sie wohl auch gestorben. Die beiden Kinder dieser Ehe, Franz und Anna, wurden nach dem Tod der Mutter von einer Magd in Antwerpen erzogenGa naar voetnoot25. Nach den Zertifikationsbüchern von Antwerpen hielt sich Birckmann 1513 in der Stadt auf, wo er mit Büchern, aber auch mit Spezereien und Gewürzen handelteGa naar voetnoot26. | |
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Nimmt man die Geburt der Kinder als Zeichen für eine gewisse Seßhaftigkeit, so müßte man die Geburtsjahre kennen, um etwas über eine länger andauernde Niederlassung in Antwerpen sagen zu können. Der junge Franz Birckmann wurde am 27. Februar 1533 bei der Universität Löwen (also nicht in Köln!) in die Matrikel eingetragenGa naar voetnoot27. Die Eintragung nennt ihn ausdrücklich ‘ab Antwerpia filius Francisci’ und verrat überdies, daß der Student noch nicht eidesfähig war; denn für ihn schwur ein Magister Servatius Hass. Franz war also noch keine 14 Jahre altGa naar voetnoot28. Aber sehr viel jünger, als die Statuten vorschrieben, kann er auch nicht gewesen sein. Gehen wir von dreizehnoder zwölf Jahren aus, dann wurde Franz 1520 oder 1521 geboren. Im Jahre 1560 sagte Joris Bonte, einst Gehilfe Birckmanns und nun selbständiger Drucker, aus, er sei in das Haus des Ehepaares Birckmann gezogen, als der junge Franz auf die Welt kamGa naar voetnoot29. Er sei dann sechs Jahre andauernd dort wohnen geblieben; ausgezogen sei er kurze Zeit nach dem Tod der Hausfrau Gertrud. Wir wissen aber leider nicht, wann Gertrud gestorben ist, so daß uns dicse Überlegungen nicht viel weiterführen. Was wir mit Sicherheit sagen können, das ist der Zeitpunkt, zu dem Franz Birckmann die Tochter des Gerhard von Amersfoort bereits zur Frau hatte: lm Jahre 1511 wurde das Ehepaar in das Kölner Schreinsbuch eingetragen, als es zusammen mit Bruder und Schwager Arnold das Stammhaus des Unternehmens kaufte. Von einem dauernd genutztcn Haus in Antwerpen horen wir erst verhältnismäßig spät. Am 16. Mai 1523 druckten zwei Antwerpener Typographen für Birckmann eine Streitschrift gcgen die Astrologen von Cornel Duplicius van ScepperGa naar voetnoot30, Den Kunden wird offeriert, das Buch zu Antwerpen im Hause des Verlegers und in Köln im Haus ‘sub intersigno pinguis gallinae'zu kaufen. Daraus möchte man schließen, daß 1523 die Niederlassung Birckmanns in Antwerpen noch nicht den Namen ‘In de Vette Hinne’ u.ä. trug. Dafür ist, wenn ich richtig sehe, der älteste Beleg in einem Erschemungsvermerk | |
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von 1526. In einer Ausgabe der Bibel in lateinischer Sprache heißt es auf dem Titelblatt (siehe die Abbildung): ‘Prostant in pingui gallina, cum Antwerpiae apud portam Camerae, tum Coloniae circa templum Cathedrale’Ga naar voetnoot31. Abb. 1: Titelblatt Birckmanns von 1526 mit Hennen-Signet und zweifacher Verlagsadresse.
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Mit sicherem Instinkt hat Birckmann den Wert dieser Bezeichnung für die von ihm verlegten ‘Markenartikel’ erkannt und auch seine Niederlassung in Antwerpen unter das Zeichen der Henne gestellt. In Këln hatte er nach dem Erwerb von zwei Häusern unter einem Dache namens ‘Blankenberg’ offensichtlich eine ältere Bezeichnung wiederbelebt. In den Schreinsbüchern heißt das Haus 1487 bereits ‘zo der vetter hennen’, um die Wende zum 15. Jahrhundert gab es einen Wirt ‘zo der hennen’ beim DomklosterGa naar voetnoot32. Offenbar handelt es sich hier um eine alte Gastwirtschaft, die dein Unternehmen Birckmanns und noch der heutigen Straße ‘Unter Fettenhennen’ ihren Namen gegeben hat. Als Arnold Birckmann am 26. Februar 1522 seinen Anteil des Kölner Stammhauses belastete, da war die Benennung ‘Vettehenne’ bereits eingebürgcrt, so daß sie in der Schuldverschreibung gebraucht wirdGa naar voetnoot33. Auch die einprägsamen Signete mit der Henne stnd erst von 1526 an nachgewiesenGa naar voetnoot34. Bis dahin hatte sich Birckmann damit begnügt, seine schematische Handelsmarke, die er ausweislich der in Antwerpen geführten Zertifikationsbücher auch zur Kennzeichnung seiner Warensendungen verwendete, auf den Titelblättern unterzubringenGa naar voetnoot35. | |
3. Heinrich Egkert von HombergEngere kölnisch-rheinische Beziehungen dieses Druckers und Buchhändlers, der 1500 von Delft nach Antwerpen kam, liegen nicht ohne weiteres offen. Bei näherem Zusehen gibtes jedoch Nachrichten, die geeignet sind, über die Herkunft des Mannes zu modifizierten Vorstellungen zu gelangen. Am 28. Mai 1487 wurde ‘Henr, Ecker de Homberch’ bei der Juristischen Fakultät der Universität Köln eingetragenGa naar voetnoot36. Leider hat der Rektor oder sein Vertreter bei der Führung der Matrikel in diesem Fall darauf verzichtet, die Herkunftsdiözese zu nennen. Vielleicht geschah das auch, weil der Eingetragene gar nicht die Absicht hatte zu studieren, son- | |
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dern wie im selben Jahre auch Johann Koelhoff in seiner Eigenschaft als Buchgewerbetreibender in Verbindung zur Fakultät tratGa naar voetnoot37. Etwa fünf Jahre vorher ist der Kölner Druckerverleger Konrad Winters von Homberg von der Bühne abgetreten und wohl gestorbenGa naar voetnoot38. Dieser hatte sich gegen Ende seiner Tätigkeit auch mit dem Druck von Meßbüchern für die Diözesen Köln und Utrecht beschäftigt. Es wird wohl kein bloßer Zufall sein, daß auch Christian Snellaert, mit dem Heinrich Eckert in Delft zunächst zusammenarbeitete, um 1495 für seine Ausgabe des Missale Trajectense Letternmaterial verwendete, das nach dem Urteil von Lotte und Wytze Hellinga aus Köln (aus der Hinterlassenschaft des Konrad von Homberg) zu stammen scheintGa naar voetnoot39. Daß Heinrich Eckert um diese Zeit regelmäßig in Köln Geschäfte hatte, geht auch aus dem Rechnungsbuch des Peter Drach hervor. So sandte dieser item 50 soeben ausgedruckte Meßbücher ‘gein Callen’. Es war wiederum ein kölnischer Buchführer, der die Verbindung zwischen Speyer und Delft herstellte: ‘Item funffzig mespucher ligen zu Gallen hinder Wilhelm buchfürer’Ga naar voetnoot40. Auch von Antwerpen aus hielt Heinrich geschäftliche Beziehungen nach Köln hin aufrecht. Am 4. Oktober 1506 vertraute er zusammen mit vier anderen Männern einem an den Rhein fahrenden Fuhrunternehmer Hans Heseler Waren anGa naar voetnoot41. Bemerkenswert ist, daß es in diesem Fall keine Bücher waren, die er verschickte, sondern ‘un tonneau de fourches’. Auch andere Gründe sprechen m.E. dafür, dafi Heinrich Eckert wie Konrad Homberg aus Homberg am Niederrhein (heute im Stadtgebiet von Duisburg) stammte. Dieser damals vor allem von Rheinschiffern bewohnte Ort liegt im niederfränkischen Sprachgebict. Die unternehmenden und reisefreudigen Einwohner wurden durch den Rhein in die Niederlande geführt, sie haben gewiß auch die bis Köln gehende Schiffahrt | |
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mit tiefgehenden Schiffen betrieben. Daß ein Mann dieser Herkunft für dauernd in der niederländischen Küstenzone sein Unterkommen fand, nimmt nicht wunder. Daß derselbe Mann auch regeknäßig oder doch wenigstens häufig zu den Frankfurter Messen reiste, liegt ebenfalls nahe. Gegen unscre Annahme scheint zu sprechen, daß Heinrich Eckert sich gelegentlich auch ‘Butzbach’ nannte. Man hat daraus geschlossen, daß der Drucker aus Hessen stamme. Liege doch Butzbach ‘in de buurt van Homberg in Hessen Z, van Kassel’, meint VerheydenGa naar voetnoot42. Es gibt in Hessen zwei Orte des Namens Homberg, von denen der eine (an der Ohm) in Luftlinie 38 km von Butzbach liegt. Der andere (an der Elze, südlich von Kassel) bringt es auf immerhin 85 km Luftlinie, Die wirklichen Entfernungen sind in einem gebirgigen Land, wie es Nordhessen ist, nicht unwesentlich größer. Man könnte auch an das heutige Bad Homburg v.d. Höhe denken, das sogar nur 20 km südlich von Butzbach liegt. Aber ich meine, daß dieser ‘Übername’ gar nichts mit der Herkunft des Druckers zu tun hat. Er taucht zum ersten Mal in einem Sanctorale für das Bistum Lüttich auf, das für Heinrich Eckert ‘alias Butzbach’ 1500 in Paris gedruckt wurdeGa naar voetnoot43. Aus den Prozeßakten eines Rechtsstreits, der 1505 vor den Schêffen von Frankfurt am Main geführt wurde, geht hervor, daß Eckert auch dort mit seincin zusätzlichen Namen bekannt warGa naar voetnoot44. Es ist durchaus nichts Ungewöhnliches, dafi solche Namen aufkamen, weil die betreffende Person besondere Beziehungen zu einem Ort hatte. Als Beispiel kann auf Johann von Westfalen verwiesen werden, der in Löwen auch ‘Johan van Aken (de Aquisgrano)’ u.ä, hieß, weil er dort bei Heiligtumsfahrten und Königskrönungen seinen Geschäften nachgingGa naar voetnoot45. Was könnte ein Mann, der vom Niederrhein stammte und in den Niederlanden wohnte, mit einer hessischen Kleinstadt zu tun haben? | |
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In Butzbach war 1468 von Marienthal im Rheingau aus eine Fraterherrenniederlassung begründet wordenGa naar voetnoot46. In Marienthal waren es fünf Jahre vorher Brüder des Kölner Hauses ‘Weidenbach’, die das dort gegründete Haus bezogen batten. Die Tätigkeit der Fraterherren oder Brüder vom gemeinsamen Leben als Bücherschreiber und Seelsorger ist in den letzten Jahren immer wieder herausgestellt wordenGa naar voetnoot47. In Marienthal hatte man sogar eine Zeit lang gedruckt und vor allem auch Liturgica unter der Presse gehabtGa naar voetnoot48. Mit liturgischen Büchern hatte aber auch Heinrich Eckert bevorzugt sein Brot verdient. Hier seien erwähnt das Breviarium Leodiense von 1500 und ein Brevier für die Windesheimer, die mit den Fraterherren enge Beziehungen unterhieltenGa naar voetnoot49, Es mag darum sein, daß Heinrich Eckert mit diesem Brüderhause Butzbach in Verbindung stand und daß er, wenn er seine liturgischen Bücher an den Käufer zu bringen trachtete, das immer wieder betonte. So hatte er eines Tages seinen Spitznamen weg und führte ihn als geschäftstüchtiger Mann zuweilen auch selbst, weil eine Berufung auf die Brüder, welche der spätmittelalterlichen Schreibkunst zu einer Nachblüte verholfen hatten, für den Absatz nur förderlich sein konnte. | |
4. Jan GymnicusMit einiger Hartnäckigkeit ist von der Kölner Buchgeschichtsforschung die Meinung vertreten worden, der am Rheine tätige Johann Gymnicus (+ 1544) habe in Antwerpen eine Zweigniederlassung unterhaltenGa naar voetnoot50. Dasselbe wird auch von dem jüngeren Johann Gymnicus, der vor 1553 gestorben sein muß, behauptet. Die Gründe für diese Annahme waren zu keiner Zeit besonders gewichtig. Man hat sich mehr oder weniger auf | |
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die Namensgleichheit mit dem in Antwerpen nachgewiesencn Ioannes Gymnicus verlassen und sich darauf berufen, daß die in den beiden Städten entstandenen Drucke ungefähr gleichzeitig sind. Hätte man genauer zugesehen, so wären sehr bald eindeutige Belege gefunden worden, die eine Identifizierung der niederländischen und rheinischen Persönlichkeiten verbieten. Was die deutsche Forschung versäumt hat, wurde durch Lode van den Branden inzwischen geleistet. In einer gründlichen Studie hat er Klarheit geschaffen über die Lebensumstände des Antwerpener Buchhändlers und Druckers und eine Bibliographie der von ihm gedruckten und verlegten Titel vorgelegtGa naar voetnoot51. Mit Johann Gymnich (Gymnicus) aus Köln und scinem gleichnamigen Sohn kann er auf keinen Fall mehr gleichgesetzt werden. Es variieren die Lebensdaten genau so wie die Namen der Ehefrauen und die der Kinder. Van den Branden hält auch Verwandtschaft zwischen den Gymnichs in Antwerpen und Köln für unwahrscheinlich, obwohl er zugeben muß, daß Jan Gymnick von auswärts an die Schelde gekommen seiGa naar voetnoot52. Andererseits zählt er selber einige Tatbestände auf, die mir doch auf Beziehungen der in Antwerpen tätigen Druckerfamilie zu Köln hinzuweisen scheinen. Am 16. Februar 1542(43) sandte Jan zwei Ballen Stoff (‘sayen’), ein Faß Baumöl und ein Faß Zucker an die Verleger Johann Birckmann und Gottfried Hittorp in Köln, eine weitere Sendung mit Tuch ging wenige Tage später abGa naar voetnoot53. Geschaftliche Verbindungen zwischen Gymnicus und Hittorp haben wohl auch die Üebernahme von Buchschmuck aus der Werkstatt des Eucharius Cervicornus, der für den Kölner Verleger arbeitete, in die Wege geleitet. Diese, wie man zugeben muß, vereinzelten Nachrichten gewinnen an Gewicht, wenn man sie in Zusammenhang mit den Usancen der Kaufleute und Fernhändler sieht. Pohl hat zu diesem Thema etwas gesagt, was zitiert zu werden verdient: ‘In Antwerpen bedienten sich die Kölner Kaufleute Bevollmächtigter und Faktoren. Verwandte, häufig Söhne Kölner Kaufleute, waren als Bevollmächtigte eines Kölner Hauses in Antwerpen tätig. In der Regel arbeiteten in Antwerpen ansassige Kölner und eingesessene Antwerpener Kaufleute als Faktoren für Kölner KaufleuteGa naar voetnoot54’. | |
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Van den Branden hat auch die in Betracht konimenden Universitätsmatrikeln durchforscht und festgestellt, daß bei der Kölner Universität am 21. Januar 1520 ein ‘Johannes de Gemenich’ aus der Kölner Diözese immatrikuliert wurdeGa naar voetnoot55. Nach den vorgeschriebenen anderthalb Jahre hat dieser Student den Grad des Bakkalaureus erworben. Wie Keusse zur Matrikeleintragung ergänzend (in der Fußnote) anführt, wurde ihm weil er ‘pauper’ war, die Prüfungsgebühr erlassen. Der Name lautet jetzt ‘J. Gymmeniych’! Warum sollen wir diese Nachrichten nicht auf den späteren Buchhändler und Drucker in Antwerpen beziehen? Auf die Kölner Gymnichs passen sie nicht. Von Belang scheint mir auch folgende Beobachtung zu sein. Im Gegensatz zu der Art und Weise, wie die Leute sie benannten, führten beide Drucker mit Vorliebe die latinisier Namensform ‘Gymnicus’. In dem Schöffenregister von Antwerpen heißt im Frühjahr 1524(25) der niederländische Buchhändler ‘Jan ghemmick’Ga naar voetnoot56. Johann Gymnicus, der Kölner, hieß ursprünglich ebenso, wernn man die Lautgesetze in Rechnung setzt. Als junger Mann hatte der rheinische Johann enge Bindungen zu dem bekannten Humanisten Hermann von dem BuscheGa naar voetnoot57. Dieser gab vor dem 20, September 1511Ga naar voetnoot58 einen Kommentar heraus, der sich mit des Lactantius Hymnus paschalis (‘Salva festa dies’) befaßt. Vorangestellt ist ein Brief an Johann Gymnicus aus Essen den ‘auditor domesticus’. Der Humanist beruhigt seinen ‘Haushörer’ über eine Frage der lateinischen Wortwahl und fährt nach einer ebenso umständlichen wie überzogenen Beweisführung fort: ‘Proinde non gymmich, ut vernaculi tui solent, sed gymnicum te, hoc est litteraru et gymnasiorum primarium amicum, nisi id mihi non permittis, et appello ipse et appllandum aliis commendo.’ Ich meine darum, daß die ursprüngliche Namensgleichheit der beiden Männer und die Tatsache, daß beide dem ehrenvollen Rat des Hermann von dem Busche folgten, auf eine Verwandtschaft zwischen ihnen hinweist. Üeber den Grad der Verwandtschaft kann man jedoch nur noch spekulieren. Lassen wir darum lieber diese Frage offen! | |
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SummaryThe economic relations between Antwerp and Cologne date back to the high Middle Ages. Since about 1470 they also extend to printing and the book trade, a fact which has scarcely been recognized by scholars studying economic history. In order to illustrate these business connections between the two cities some new facts and correlations concerning the printers and booksellers Heinrich Quentel, Franz Birckmann, Heinrich Eckert of Homberg and Jan Gymnicus will be presented. |
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