Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie Eiszeit in den Rheinlanden.In der Rheinprovinz finden sich häufig in den von früheren Flussläufen abgelagerten Kiesmassen und auch noch in den jetzigen Flussbetten auffallend grosse Gesteinsblöcke, die im Rhein selbst bei niedrigem Wasserstand für die Schiffahrt recht lästig werden können. Auf sie ist wohl der bei der dortigen Bevölkerung weit verbreitete Glaube zurückzuführen, dass es auch in diesem Teil Deutschlands Findlingsblöcke aus der Eiszeit gebe. Mit diesem Gegenstand beschäftigt sich Dr. Pohlig aus Bonn in einem Aufsatz über die Eiszeit in den Rheinlanden, der in den Monatsberichten der Deutschen Geologischen Gesellschaft veröffentlicht worden ist. Er weist darauf hin, dass jene einzelnen grossen Steine nicht als Findlingsblöcke zu betrachen sind, doch allerdings als eine Art von Wanderblöcken, die aber nicht vom Gletschereis an ihre jetzige Lagerstatt geschafft worden sind, sondern durch das Grundeis | |
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des Stroms. Das Grundeis bildet sich, wie der Name sagt, am Boden des Flussbettes und steigt dann in die Höhe, so dass es in die Lage kommt, auch grössere Steinmassen, wenn sie eingefroren sind, emporzuheben. Dann schwimmt das Eis mit einer solchen Belastung stromabwärts, daher kann es kommen, dass Gesteine aus dem Oberlauf des Rheins auf ziemlich erhebliche Entfernungen auf diesem Wege verschleppt werden. Noch häufiger haben die fälschlich als Findlingsblöcke betrachteten Steine überhaupt einen örtlichen Ursprung. Das trifft auf die kieseligen ‘Knollensteine’ zu, die aus der in Norddeutschland weitverbreiteten Braunkohlenbildung stammen und z. B. in Sachsen und Thüringen auch unter den wirklichen Findlingsblöcken zu finden sind. Im Rheinland liegen sie fast immer noch ungefähr an derselben Stelle, wo sie ‘gewachsen’ sind. Sie sind eben nur infolge ihrer grösseren Härte und ihres Gewichts erhalten geblieben, während die weiche Braunkohlenlagerung, in die sie ursprünglich eingebettet waren, durch Verwitterung oder Flutwasser zerstört worden ist. Vor der Kapelle auf dem Kreuzberg bei Bonn liegen einige derartige Knollensteine von seltener Grösse. Echte Wanderblöcke skandinavischer Herkunft, wie man sie in der norddeutschen Tiefebene allenthalben antrifft, sind in der Rheinprovinz nicht vorhanden, sondern man findet sie erst im westfälischen Münsterland und im östlichen Holland. Ganz anders liegen die Verhältnisse am sogenannten Oberrhein, der eigentlich diese Bezeichnung nicht verdient, nämlich in dem Gebiet des Schwarzwalds und der Vogesen. Dort in den süddeutschen Rheinlanden kann man die Spuren einer ehemaligen Gletscherbedeckung von örtlicher Entwicklung in ausgezeichneter Weise beobachten. Im Schwarzwald sind sie noch vergleichsweise gering und finden sich augenfällig nur in der Bildung des kleinen Feldsees unterhalb des Feldberggipfels. Ungemein grossartig dagegen sind die Zeugen einer früheren Vereisung in den Hochvogesen, wo die jetzt längst weggeschmolzenen Eisströme noch die Spuren ihrer unmittelbaren Einwirkung auf den Gesteinsgrund hinterlassen haben. Es fehlt weder die Abschleifung | |
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der Felsen noch die eigentümliche Erscheinung der Gletschertöpfe, wie man sie im Gebiet der nordischen Vergletscherung in Rüdersdorf bei Berlin und in der alpinen im Gletschergarten von Luzern und an andern Stellen in Augenschein nehmen kann. Dr. Pohlig weist aber mit grossem Recht darauf hin, dass die Vergletscherung der Hochvogesen auch für die unteren Rheinlande eine ganz ausserordentliche Bedeutung gewonnen hat, durch die aus den Schmelzwassern der damaligen Gletscher gebildeten Ströme. So verdankt das Tal der Mosel seine gewaltige Ausbildung dem Umstand, dass ihre Quellen damals von einem wohl 40 Kilometer langen Eisstrom gespeist wurden, der vom Ballon de Servance ausging und als Moselgletscher bezeichnet werden kann. Dr. Pohlig sagt von dem Seengebiet der Hochvogesen, dass es in bezug auf die Spuren früherer Vergletscherung in der Welt nicht seinesgleichen besitze. Nirgends biete sich eine so grosse Zahl anschaulichster Eisspuren, prächtigster Glacialseen, Karbildungen, Rundhöcker und Wälle von Moränenschutt auf so engem Raum und als so einheitliches Ganzes vereinigt. Zur Veranschaulichung dieser Tatsachen hat Dr. Pohlig mit grosser Sorgfalt ein Modell dieses wichtigsten Teils der Hochvogesen hergestellt, das ein Bild gewährt, wie es etwa aus einem hoch über der Gebirgskette schwebenden Luftballon bei Nachmittagsbeleuchtung zu erhalten sein würde.
In dem zweiten Teil seiner Untersuchung kommt Pohlig auf die mittelbaren Spuren der grossen Eiszeit in den Gebieten des Rheinstroms zu sprechen, die damals selbst nicht von Eis bedeckt waren. Auch in den preussischen Rheinlanden sind sie reichhaltig vorhanden und überall verbreitet. Die ältesten Zeugnisse der Eiszeit auf der Erde sind durch die Erforschung der Tierverbreitung erbracht worden. Wer sich ein wenig mit der Geologie des norddeutschen Flachlandes beschäftigt hat, wird davon gehört haben, dass sich in manchen Tonablagerungen die Reste arktischer Muscheln finden, deren Vorhandensein in diesen Gegenden nur durch die Annahme einer damaligen Bedeckung mit einem sehr | |
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kalten Meer erklärt werden kann. Ähnliches gilt von andern Gebieten Nord- und Mitteleuropas. In den Rheinlanden hat Pohlig eine Schicht entdeckt, die durch grosse Süsswasserfluten entstanden sein muss und aus Sanden besteht, die nach ihrer Gesteinszusammensetzung besondere Eigentümlichkeiten aufweisen. Ausserdem enthalten sie aber vereinzelte Reste von ausgestorbenen Lebewesen, die noch aus der Kreide oder gar noch aus der Juraformation stammen. Ein Unterschied zwischen diesen alten Überschwemmungen des Rheinlands und allen späteren besteht darin, dass sie nicht in der Richtung des Rheinstroms erfolgt sind, sondern entweder von Norden nach Süden oder allenfalls von Westen nach Osten. Über diesen Sanden lagern stellenweise grobe Flusskiese mit grösseren Geschiebeblöcken, die vielleicht noch der Tertiärzeit angehören, aber bisher keine Überbleibsel ausgestorbener Tiere oder Pflanzen geliefert haben, wonach sich ihr Alter mit grösserer Sicherheit bestimmen Hesse. Für die eigentliche Eiszeit gilt hinsichtlich der Rheinprovinz der Satz, dass die ältesten Absätze des Rheins, d.h. die Hauptmasse der ersten Flusschotter auf der Hochebene an den höheren Gehängen und in den Senken mit der Zeit der grössten alpinen Vergletscherung zusammenfallen. Gleichzeitig hat auch die grösste Arbeit in der Schaffung des eigentlichen Rheintals stattgefunden. Die gewaltigen Gletschermäntel der Alpen, der Vogesen und des Schwarzwalds lieferten eben während der kurzen heissen Sommer der Eiszeit ungeheure Massen von Schmelzwasser, die mit ausserordentlich viel Schutt und Geröll beladen und so zur Ausgrabung tiefer Täler besonders geeignet waren. Die mächtigsten Flussgerölle jener Zeit findet man noch jetzt auf den Hochflächen überall fast in der Richtung der heutigen Flussläufe und auch als Ausfüllung von Talsenken, wovon jetzt nur noch vereinzelte Schuttmassen in den Böden und an den Rändern der Täler übrig geblieben sind. Die sogenannte Zwischeneiszeit, eine Epoche milderen KlimasGa naar voetnoot(1) zwischen den | |
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beiden Abschnitten der eigentlichen Eiszeit, ist in der Rheinprovinz vertreten durch Schichten mit Resten des Mammut, des Urnashorns, des breitstirnigen Elchs, des eigenartigen Riesentiers Elasmotherium, das vermutlich Anlass zur Fabel vom Einhorn gegeben hat, und anderer grosser, jetzt ausgestorbener Säugetiere. In diese Zwischeneiszeit fiel auch die vulkanische Tätigkeit im Gebiet der Eifel, also die Bildung der dortigen, jetzt von Seen eingenommenen Krater, der Tuffe, vulkanischen Bomben u.s.w. Die letzte grosse Vergletscherung in Europa wird in der Rheinprovinz bekundet durch Flusschotter in den Talböden und durch den Löss oder die Hochflutablagerungen der damaligen Schmelzwasser. Dr. Pohlig bezeichnet diese Entwicklung eiszeitlicher Schichten in den Rheinlanden als geradezu vorbildlich, so dass ihr genaues Studium zu einer klareren Auffassung der geologischen Ereignisse dieser Zeiträume führen könnte. |
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