gerechtigkeit den Deutsch-Belgiern gegenüber ist damit ein Ende gemacht worden. Schwer war diese allerdings nicht, da deutsch-belgische Gelehrte und Schriftsteller erst in allerletzter Zeit angefangen haben, sich ihrer Muttersprache zu bedienen; wenn sie aber selbst ihre Muttersprache verleugneten, konnte man füglich auch von ihnen absehen. Hoffentlich wird ihnen der Beschluss der Akademie ein Sporn sein, auf dem kaum betretenen Wege rüstig weiter zu schreiten. Auch der belgischen Regierung kann dieser Beschluss als nachahmungswertes Beispiel vorgehalten werden. Die Regierung hat bisher der dritten Nationalsprache die völlige Gleichberechtigung noch nicht zugestanden. Es gibt wohl ministerielle Anordnungen, die hier und da dem Deutschen ein kleines Entgegenkommen zeigen; sie sind aber nur Bruchstück und werden meistenteils nicht befolgt. Die Post- und Eisenbahnverwaltung gibt seit ein paar Jahren deutsche Übersetzungen einzelner ihrer Verordnungen heraus; dies sind jedoch nur etwa Tarifverzeichnisse, die ein paar Leute interessieren, während diejenigen Berichte, die dem Volke jeden Augenblick vor Augen kommen, noch immer nur französisch-vlämisch erscheinen. Die Ernennung des Deutschen kundiger Beamten für Deutsch-Belgien ist zwar ministeriell empfohlen, aber niemand hat noch daran gedacht zu diesem Zwecke Prüfungen einzurichten, die diese
Kenntnis beweisen sollen, wie dies tatsächlich für das vlämische Land geschieht. Die zahlreichen Wettstreite zur Erlangung kleiner Beamtenstellen sind noch immer dem Deutsch-Belgier fast unzugänglich, weil sie nur enweder vlämisch oder französisch sind. Die Muttersprache ist als Leitsprache des Unterrichts im vlämischen Lande gesetzlich vorgeschrieben; eine ähnliche unbedingt erforderliche Massregel besteht für Deutsch-Belgien nicht. Dies sind ein paar von den zahllosen Posten, welche die Deutsch-Belgier zu erobern haben, um nicht etwa die völlige Gleichstellung zu erlangen, sondern nur das Mass von Anerkennung, welches das einfachste Gerechtigkeitsgefühl erfordert.
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Der grosse vlämische Landtag in Antwerpen (Rhein. Westfäl. Zeitung).- Unter grosser Beteiligung fand am Sonntag der diesjährige vlämische Landtag statt, der dem vlämischen Volke und dem ganzen Lande den Zustand des geistigen Lebens in Belgien, soweit es in vlämischer Sprache seinen Ausdruck findet, in historischen Rückblicken mit anschliessenden Forderungen für die Zukunft vor die Augen stellt. Ausser den Festrednern, die sämtlich in der vlämischen Bewegung seit Jahren einen guten Klang haben, waren auch einige Senatoren und Abgeordnete sowie die Bürgermeister von Antwerpen und Gent und der frühere Bürgermeister von Brüssel auf dem Landtag vertreten. Der Vorsitzende weist in seinem Willkommengruss kurz auf den Zweck dieser Tagung hin, die bei Gelegenheit der Unabhängigkeitsfeier Belgiens die Lage des vlämischen Volkes untersuchen soll. Ein Gedicht von Verhulst, dem Verfasser des Dramas: Jesus der Nazarener, und der Vortrag des Liedes: Artevelde's Geist aus dem Oratorium ‘Die Schelde’ von Benoit, erweckten begeisterte zukunftsfrohe Stimmung.
Zunächst gab Professor Fris-Gent eine Übersicht über die Sprachenverhältnisse in den vereinigten Niederlanden bis zur Trennung von Belgien und