Rings Söhne.
‘Nun hör' den schwersten Kummer!’
Sprach Ring, zum Gaste gewandt.
‘Der stört mir Lust und Schlummer
Vier Söhne gab mir Odins Gunst,
Dass sie im Alter Trost mir sei'n,
Ich liess sie lehren jede Kunst,
Sie Odins hohem Dienst zu weih'n.
Schon sind sie nun entwachsen
Im fernen Lande der Sachsen
Steht Torgrim längst im Streit.
Die frommen Franken mäht sein Stahl,
Die Kirchen bricht er König Karls,
Es flüstert Irins Mönch zumal
Scheu von dem Sohne des Norlands-Jarls.
Mein Zweiter, Rolf der grimme,
Durchschweifet Meer um Meer,
Weit kennt man seine Stimme
Und fürchtet seinen Speer.
Des Mauren Goldschatz führt er fort,
Des Römers Reichtum nennt er sein,
Den alten Nibelungenhort,
Er holt ihn her noch aus dem Rhein.
Mein Dritter, Björn der schöne,
Der pflegt den Skaldensang,
Kleinode sind ihm die Töne,
Sein Ruhm ist Liedesklang.
Doch lehrte er manchen Gegner schon
Auch achten seiner Waffen Schall.
Von Königsthron zu Königsthron
Zieht er, willkommen überall.
Stolz bin ich auf die Knaben.
Kein Fürst lebt ringsumher,
Doch höre, Gast, mein Leid nun auch:
Ein vierter Sohn lebt mir daheim,
Dem taugtnichtkühner Recken Brauch.
Der horcht nicht auf des Sängers Reim.
An Kraft und Schönheit wäre
Er streift umher in Wald und Hag,
Auf Spiel nur steht sein Torensinn,
Tatlos verstreicht ihm Tag um Tag,
Tatlos zieht Jahr um Jahr ihm hin.
Wohl einem schlichten Knechte
Der Brüder Wort vergebens war,
Umsonst erschlug ich ihn schon fast,
Verstehst du nun, warum mein Haar
So früh erbleichte, edler Gast?’ -
Der Gast sah stumm zur Erde,
Still war's im dunkeln Raum,
Die Glut verglomm im Herde,
Es lud zu Schlaf und Traum.
Da fuhr mit Jauchzen Ring empor:
‘Sieh, greiser Gast, den wilden Streit!
Wie ragt mein Torgrim hoch hervor,
O stritt ich mit an seiner Seit'!
Das ist der Sachsen Ringen
Für Freiheit, Glauben, Land,
Das sind der Franken Klingen,
Die halten grimmig stand.
Schlag, Torgrim, zu! und jeder Streich
Brech' einen Frankenhelm entzwei!’ -
Da wurde Ring, der wilde, bleich,
Zurück sank er mit jähem Schrei.
Doch bald erhob sich wieder
Der Held von seinem Sitz.
‘Sieh, Greis, vom Himmel nieder
Zuckt blendend Blitz um Blitz.
Die See, sie wogt, die Brandung brüllt,
Die Riffe trennen dräuend sie!
Und Wog' um Wog' das Drachschiff füllt,
Allein mein Rolf verzweifelt nie.
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Stolz führt er Schwert und Steuer
Mein Rolf ihn immer fand.’
Da breitet Ring die Arme aus
Und stürzt in seinen Stuhl zurück,
Nie wieder kehrt sein Sohn nach Haus,
Im Stich lies ihn des Wikings Glück.
Noch einmal trotzig raffet
Die Faust greift, fest gestraffet,
Des wuchtigen Schwertes Knauf.
‘Ein Sängerstreit! Sieh dort, mein Gast!
Mein Björn ringt um den Siegerkranz.
Wie kühn er seine Harfe fasst!
Nun hör' sein Lied voll Kraft und Glanz!’
Der Gegner steht beschämet,
Wie er den Sang vernimmt,
Ihm ist die Zunge gelähmet,
Ihm ist die Kehle verstimmt.
Da reisst er wütend aus der Scheid'
Das Schwert und stösst es Björn ins Herz.
Ein Blutstrom färbt des Sängers Kleid,
Das Lied verstummt, fort dröhnt das Erz.
Da bricht gleich einer Eiche
Auch Ring zusammen, schwer
Stöhnt auf der Totenbleiche:
‘Nun hab' ich keinen mehr!
Drei Söhne, jeglicher ein Held,
Wie wenige der Nord gebar,
Nun gen' ich einsam aus der Welt
Und mein Geschlecht, das stolze, war!’
Die Flammen knistern leise,
Da ruft der Gast, der greise:
‘Steh auf! fass frischen Mut!
Der Söhne drei du sterben sahst,
Noch einen vierten nennst du dein.
Dem du am seltensten dich nahst,
Zum Erben setzt ihn Odin ein.
Wohl ist Halfdan kein Skalde
Wie Björn, kein Held wie Rolf,
Er baut das Feld, im Walde
Allein ihm wird erspriessen einst
Mit freier Stirn, mit gold'nem Haar,
Wenn du dein Blut erloschen meinst,
Blauäugiger Kinder frohe Schar.
Ist er auch kein Berserker
Wie Torgrim, wird ihm doch
Manen Sohn erwachsen, stärker
Und meidet Halfdan auch die See,
Ihm werden Enkel einst erblühn,
Die für Norwegens Eis und Schnee
Eintauschen Südlands ewiges Grün.
Schilt mir nicht mehr den Knaben -
Ich, Odin, schenkte ihn dir,
Von mir sind seine Gaben -
Auch ihn verdürbe der Stahl,
Aus dessen Blut ich erwecke
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