Verscheidenheden.
Von deutscher Bau- und Bildhauerkunst. - Ein Kunstfreund aus Essen schreibt uns folgende sehr beherzigenswerte Zeilen: Eine Künstlerreklameschrift mit hochtrabender Biographie über den Schöpfer des Essener Schillerbrunnens wurde mir heute zugesandt und veranlasst mich, Ihnen diesen Herzenserguss zu senden.
Essen ist eine reiche Stadt, - der Künstler war von jeher auf des Reichen Tafel angewiesen - man denke an Venedig, Rom, Nürnberg etc. Gute Arbeit braucht Zeit und braucht Geld. Doch die Hauptsache ist das verständige Entgegenkommen der Reichen.
Wir Deutschen brauchen Heimatkunst: wir brauchen Baumeister und Künstler, deren Geschmack und Können sich unserer Heimat, unserm Klima, unserer Natureigenart anpassen. Die alten südländischen Kunstbauten sind schön - wunderschön, - aber zu uns, in unsere Natur herüber copiert, passen sie nicht. Nehmen Sie zum Beispiel den schönen Witteisbacherbrunnen in München, ein Meisterwerk des Meisters Hildebrandt. Jeder Kunstfreund wird sich in den sechs Sommermonaten daran erfreuen, aber in den anderen langen sechs Wintermonaten ist er ein Bretterkasten - hässlich. (Der Magistrat Münchens will nun den Bretterkasten mit architektonischen Prospektiven bemalen!) So ähnlich wird der Essener Steelertorplatzbrunnen, so ist der Essener Schillerbrunnen und viele andere.
Also sollen wir uns nur in den Sommermonaten an unseren Platzzierden erfreuen? - Ist ‘unser’ Winter nicht schön? - Ja - der Winter ist gewiss schön, aber unsere Städte mit all den italienisch-französischen Bauwerken machen den Winter so hässlich. - Wie herrlich ist doch der Winter in einer alten deutschen Stadt, die noch hohe Dächer, überdeckte Fusswege, überdachte Brunnen hat! In solch einer Stadt fühlt man sich auch bei Regenwetter wohl. Wie schön, wie einzig ist es im Winter, wenn Schnee auf den vielen Dächern und Dächchen liegt!
Wir müssen uns wieder der heimischen Bauart unserer alten Baumeister (erstes Jahrhundert n. Chr.) nähern: natürlich nach hygienischen Grundsätzen und mit Verwertung unserer technischen Hilfsmittel, aber mit dem künstlerischen Sinn dieser alten Meister. Wir müssen den fremden Stilmischmasch abstreifen.
Weg mit dem Barock, dem Rokoko und anderem Gusszeug, mit den kleinen südländischen Dächern und den südländischen Brunnen und Denkmälern. Nicht soviel Ornament und Zeug auf die Häuser, sondern grosse ruhige Flächen, mit wenigen aber dann gut gemachten Zierpunkten, - einheitlichen Stil in der Gruppierung von Strassen und Plätzen - mit heimischen Materialien arbeiten.
Der Bildhauer ist nur ein Teilarbeiter, er soll die alten südländischen Meister studieren und dann lernen, wie sie Ornament und Figur richtig und schön machen konnten. Dann aber das Erworbene unserer heimischen Baukunst anpassen.
Nur so können wir eine ‘deutsche Bau- und Bildhauerkunst’ gewinnen. -