Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdBoekennieuws.Zum Deutschen Humanismus
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der Gegenreformation mit wachsendem Erfolge geführt ward, dem Fortgang der klassischen Studien mehr und mehr Einhalt geboten und die erste grosse Epoche der Renaissance frühzeitig zum Abschluss gebracht hat.
ph. th. paracelsus
Die Männer, die die Herrschaft des Humanismus über die Geister, wie sie urn das Jahr 1500 tatsächlich bei fast allen abendländischen Völkern bestand, zu Fall brachten, wussten schon damals, als sie sich der neuen Mode in gewisser Weise anschlossen, meist sehr wohl, dass die Erforschung des klassischen Altertums nur ein Teil, und nicht einmal der wesentliche, der Bestrebungen war, die man unter dem Namen des Humanismus im weiteren Sinne zusammenfasste. Es entging ihnen nicht, dass sich im Humanismus ein System, eine Philosophie, eine Glaubenswelt erhob, die zum System der Scholastik, wie es in Kirche, Staat und Wissenschaft herrschte, in einem tiefen, umfassenden Gegensatze stand. Diese Männer, die den Dingen näher standen als spätere Gelehrte, die den Humanismus nach seinen öffentlichen Äusserungen beurteilen zu können meinen, wussten wohl, dass in solchen Äusserungen nur die Hälfte seines Wesens sich widerspiegelt, dass die echten Humanisten sich unter dem Druck der staatlich-kirchlichen Gesetzgebung längst daran gewöhnt hatten, gerade den wichtigsten Teil ihrer Zielpunkte nur im engsten Freundeskreise und bei geschlossenen Türen zu erörtern. Tatsächlich ist der Humanismus im Sinne der Männer und der Richtungen, die dies Wort zum Panier erwählten, unter dem sie kämpften, keineswegs bloss eine wissenschaftliche Richtung, auch nicht bloss eine Bewegung, die, sobald sie ihre wissenschaftliche Ziele - in diesem Falle also die Wieder- | |
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herstellung der antiken Literatur und Kunst - erreicht hatte, überflüssig geworden wäre, sondern er war eine Denkart, eine ‘Kunst’ - wie man im Sprachgebrauche der Vertrauten sagte - und zwar die Kunst der Künste, die wahre Lebenskunst und Lebensweisheit, die für alle Zeiten und für alle Menschen dauernde Geltung besass. Die Humanisten - so charakterisiert Georg Voigt diese Männer mit Recht - sahen sich als Lehrer der Menschheit an, die berufen seien, an Stelle anderer mattgewordener Mächte die Arbeit an den höchsten Zielen des Menschenlebens zu übernehmen. Nichts charakterisiert die Tatsache besser, dass im Lager der Humanisten selbst die Arbeit für die Antike nur gleichsam ein Aussenwerk der Festung war, an der sie bauten, als dass eine grosse Zahl derer, die sie zu ihren vornehmsten Wortführern zählten, sich nie mit der Antike beschäftigt hat, dass vielmehr ihr Streben auf die Naturphilosophie, auf die Mathematik, die Geometrie oder die Technik irgend einer Art gerichtet war, dass die meisten die Wissenschaften überhaupt nur um der Menschenerziehung und der Menschenwürde willen schätzten. Der Trieb, an der inneren Veredlung der eigenen Seele und der Menschheit zu arbeiten, war für den echten Humanisten der höchste Zielpunkt des Wirkens und Strebens. Der also verstandene Humanismus ist neben der Reformation der bedeutendste geistige Faktor für das abendländische Kulturleben überhaupt, insbesondere auch für Deutschland geworden, wo sich alle die charakteristischen Züge, die der italienische Humanismus im Zeitalter der Renaissance zeigt, in seinen grossen Vorkämpfern und Wortführern wiederfinden. Allerdings darf man gerade in Deutschland diese Vorkämpfer nicht ausschliesslich, ja vielleicht nicht einmal in erster Linie unter den Bahnbrechern des klassischen Altertums im engeren Sinne suchen. So wichtig die Tätigkeit von Altertumsforschern wie Reuchlin, Erasmus, Grotius, Lipsius, Rhenanus, Mutianus, Hessus, Adelmann, Pirckheimer und anderer auch für die Umgestaltung des Geisteslebens geworden ist, so ist doch die literarische Wirksamkeit derjenigen Humanisten, die als Naturphilosophen, Mathemathiker, Astronomen, Botaniker, Historiker und Geographen sich einen Namen erworben haben, mit dem Umschwung der Denkart mindestens ebenso eng verknüpft, ganz zu geschweigen, dass es auch auf dem Gebiete der Gottesgelahrtheit, der Philosophic und der Erziehungslehre Männer gegeben hat, die als echte Humanisten tief in die Zeitbewegungen eingegriffen haben. Gelehrte wie Regiomontanus, Cornelius Agrippa von Nettesheim, Theophrasius Paralcelsus von Hohenheim, Otto Brunnfels, Sebastian Franck, Seb. Castellio, Johann Denck zählen zu den bahnbrechenden deutschen Humanisten im weiteren Sinne des Wortes. Und darin lag die weitere grosse Bedeutung dieser deutschen Renaissance, dass sie zwei Jahrhunderte nach ihrer ersten Blütezeit bei uns eine Auferstehungs-periode von solcher Kraft und Wirkung gefunden hat, wie in keinem anderen Lande: das Zêitalter unserer Aufklärung und der déutschen klassischen Dichtung hat seine besten Kräfte aus der deutschen und italienischen Renaissance des 15. und 16. Jahrhunderts geschöpft. | |
Strunz, Franz. Theophrastus Paracelsus, sein Leben und seine Persönlichkeit. Ein Beitrag zur Geistesgeschichte der deutschen Renaissance. Mit 5 Beilagen, Buchausstattung von E.R. Weiss. 126 S. Brosch. M. 4. -, in Halbperg. geb. M. 5.-Diese Arbeit soll als Einführungsband zu den ‘Ausgewählten Werken’ | |
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gelten und ist ein erstmaliger zusammenfassender Versuch, das Gesamtbild des Paracelsus zu zeichnen. Sie beruht in seiner wissenschaftlichen Basis auf den Resultaten der modernen Paracelsusforschung. | |
Paracelsus, Theophrastus. Ausgewählte Werke. Herausgegeben und eingeleitet von Dr. Franz Strunz. Mit Leisten und Initialen von E.R. Weiss. Das Buch Paragranum. (Bd. I) 112 S. Brosch. Mk. 4. -, in Halbperg. geb. Mk. 5. Volumen Paramirum und Opus Paramirum. (Bd. II) 418 S. Brosch. M. 12.- in Halbperg. geb. M. 14.-Paracelsus war als Arzt, Naturforscher und Theologe zugleich bahnbrechend, denn er betrachtete Natur und Welt wie sie sind, und alles sah er im ‘Lichte der Natur’, indem er methodische Induktion und Vergleich, Sinnesauffassung und scharfe Kausalitätseinschätzung zu frischem Leben rief.... Er hat den ‘philologischen Ärzten’ und dialektischen Naturforschern des Mittelalters die neue chemisch-therapeutische Heilkunde, die physiologisch-pathologische Chemie, wie überhaupt eine Naturwissenschaft der Erfahrung und des Experimentes gegenübergestellt. Das Buch Paragranum ist eine knappe Zusammenfassung der naturwissenschaftlichen, philosophischen und der medizinischen Leitgedanken der Paracelsischen Lehre. Paramirum ist eine breite Ausgestaltung und eingehende Begründung seines Systems. | |
Bohnenberger, Karl. Mitteilungen über volkstümliche Überlieferungen in Württemberg. - Nr. 1. Sonderabdruck aus den Württembergischen Jahrbüchern für Statistik und Landeskunde, 1904.Durch die Zusammenstellung dieser Mitteilungen aus 600 Berichten (von der Vereimgung für Volkskunde ausgegebenen Fragebogen und dergleichen) hat sich der Verfasser ein grosses Verdienst erworben, denn in unsrer Zeit des Verkehrs und der Aufklärung schwindet der alte Volksglaube, der ja freilich meist ein Aberglaube ist, aber doch auch viel Alterwürdiges enthält, immer mehr dahin, verliert die mündliche Überlieferung gegenüber der Schulbildung mehr und mehr ihre Bedeutung. Der Volksglaube ist teils ein solcher ‘an überirdische Wesen’, teils ein solcher ‘an übernatürliche Wirkungen’, und beidemale spielen altheidnische Vorstellungen und Erinnerungen eine grosse Rolle. Wodan, der oberste Gott der Germanen, mit seinem Heergefolge lebt fort im ‘wilden’ oder ‘wütigen’ Heer, dass besonders in den heiligen Nächten der Wintersonnenwende, den ‘Weihnachten’, umzieht und sich durch Sturm und Donner, Brausen und Tosen zu erkennen gibt, nur selten aber gesehen wird. Der ursprünglich segenbringende Umzug hat sich unter christlichem Einfluss meist in einen bösen Teufelsspuk verwandelt. Sehr verblasst ist die Erinnerung an Wodans Gemahlin Fria, Hulda oder Berchta, die aber doch noch da und dort in der Weihnachtszeit als Hüllenfrau oder Berch erscheint. Wasser und Erde, Wald und Feld, Haus und Hof sind durch Geister belebt, die sich teils freundlich und hilfreich, teils boshaft und schädlich erweisen, je nachdem der Mensch sich zu ihnen stellt. Im ‘Schrätele’ hat sich das germanische scrat erhalten; die alten, oft wohltätigen Zauberinnen haben sich meist in schlimme Hexen verwandelt. Unter den bösen Geistern spielt selbstverständlich die erste Rolle der Teufel mit Geissfuss und Bockshörnern, oft auch in Tiergestalt, besonders als Pudel, erscheinend; des ‘Pudels Kern’ im | |
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Faust beruht daher auf alter Volksanschauung. Übernatürliche Kraft und Wirkungen müssen vor allem zur Heilung von Krankheiten bei Mensch und Vieh, zur Abwendung von Unheil von Haus und Herd, zur Verschaffung von Erntesegen und Wohlstand mithelfen. Hierbei ist besonders die Meinung von der ‘Ähnlichkeitswirkung’ tief im Volksglauben eingewurzelt; wenn z. B. ein Kind während der Taufe in seinem Händchen einen Wurm zerdrückt, bekommt es die Kraft, ‘Böses zu vertreiben, Schäden zu heilen’. Uralt ist der Glaube, bei abnehmendem Mond müsse man unternehmen, was schwinden und vergehen, bei zunehmendem, was wachsen und gedeihen soll; das haben dem König Ariovist schon seine Wahrsagerinnen geraten. Ähnliche Sammelforschungen in den Niederlanden würden wertvollen Vergleichsstoff liefern. Ludwig Wilser. | |
Andree-Nummer des Globus. - Zum 70.Geburtstage des bekannten Ethnographen Prof. Dr. Richard Andree (26. Februar) hat die Zeitschrift ‘Globus’, deren Herausgeber er viele Jahre gewesen ist, der eben erschienenen Nummer 7 ihres laufenden (87.) Bandes den Charakter einer Festnummer verliehen. Das würdig ausgestattete Heft, das den dreifachen Umfang der üblichen Globus-nummern hat, wird mit einem gelungenen Bildnis Andrees eröffnet und enthält zwölf, meist illustrierte Beiträge hervorragender Mitarbeiter der Zeitschrift, die dem Geburtstagskinde wissenschaftlich oder persönlich nahestehen, also vorzugsweise von Vertretern der völker- und volkskundlichen Fächer. Direktor Grabowsky ist mit einer Arbeit über Musikinstrumente der Dajaken (Borneo) vertreten; Professor Thilenius hat über ein Kapitel des Volksaberglaubens: ‘Kröte und Gebärmutter’ geschrieben. Professor Eduard Seler über Mischformen mexikanischer Gottheiten. Der bekannte Kolonialschriftsteller H. Seidel hat den Bewohnern der Tobiinsel (Karolinen) eine kleine monographische Darstellung gewidmet, während Sanitätsrat Berkhan den Leser nach Heiwân in Aegypten führt. In einem kleinen, aber interessanten Beitrag gibt Professor Karl von den Steinen auf den Marquesas gesammelte Proben einer früheren polynesischen Geheimsprache. Professor Emil Schmidt (Jena) verbreitet sich über die Grösse der Zwerge und der sogenannten Zwergvölker. Direktor Dr. Fuhse teilt einiges über die Eröffnung von Hügelgräbern (Braunschweig) mit und Professor Karl Sapper skizziert auf Grund seiner langen Bekanntschaft mit den mittelamerikanischen Indianern deren Charakter. Manch interessanten Ausblick eröffnet Karl Rhamm mit seinem Thema ‘Die Ethnographie im Dienst der germanischen Altertumskunde’; ein Kapitel aus der altmexikanischen Religion ist Dr. Preuss' Abhandlung über den Kampf der Sonne mit den Sternen in Mexiko, und des Baseler Anthropologen Professor J. Kollmann's Aufsatz ‘Neue Gedanken über das alte Problem von der Abstammung des Menschen’ darf ebenfalls allgemeiner BeachtungGa naar voetnoot(1) sicher sein. Das Heft, das eine Notiz von H. Andree, einem Sohn Richard Andrees, über die literarische Tätigkeit seines Vaters beschliesst, wird den zahlreichen Freunden des jetzt in München lebenden Geburtstagskindes gewiss sehr willkommen sein und kann auch einzeln zum Preise von 2 Mark durch den Buchhandel bezogen werden. |
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