Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdVerscheidenheden.Zur Vorgeschichte von Belgien. - Nach einem Bericht in ‘Het Volksbelang’ Nr. 52, 1904, hat Dr. Fris in Gent eine Reihe volkstümlicher Vorlesungen über diesen Gegenstand gehalten, die leider nicht frei von Irrtümern sind. Die paläolithische Zeit, von den ersten, rohesten Werkzeugen an, kann wohl 200,000 Jahre gedauert haben, doch bildet davon die Rentierzeit nur den letzten Abschnitt. Die Menschen der neueren Steinzeit sind nicht aus Asien gekommen, sondern müssen nach ihrem Schädel- und Knochenbau als Nachkommen der höchstentwickelten Rasse (race de Cro-Magnon, Homo priscus), der alten Steinzeit betrachtet werden, die nach der Eisschmelze in Nordeuropa ihre ererbten Fähigkeiten am besten ausgebildet hatten; nur die rundköpfige Rasse (race de Furfooz, H. brachycephalus) hat ihr Verbreitungszentrum in Asien und muss von dorther eingewandert sein. Für die Neolithiker fehlt uns freilich jedergeschichtlicheVölkername, doch reichen die Dolmen, Cromlechs und Menhirs in die geschichtliche Zeit herein und müssen entschieden mit den Kelten, die ja auch von gleicher Rasse waren, in Verbindung gebracht werden. Die Steinzeit hat nicht bis 750, sondern höchstens bis 2000 vor unsrer Zeitrechnung gedauert. Mit der Hallstattkultur haben die | |
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Kelten, deren jüngste Welle die Belgen sind, nichts zu tun; ihre Kultur ist die nach ‘La Tène’ benannte, jene andere haben rhätisch-norische, den Griechen näher als den Römern verwandte, Völker geschaffen. Die Kelten hatten, wie die kelt-iberischen Inschriften und die in griechischen oder lateinischen Inschriften gallischer Münzen zerstreuten Zeichen bekunden. ursprünglich eine mit den germanischen Runen übereinstimmende Schrift; das sog. ‘Ogham’ kommt nur auf den britischen Inseln vor und ist eine Art Geheimschrift. Die keltische und germanische Götterverehrung war zwar etwas verschieden, doch im Grunde nah verwandt. Die Druiden waren nicht nur Priester, sondern auch Gelehrte, mit nicht unbedeutenden Kenntnissen in der Naturwissenschaft, Himmelskunde, Zeitrechnung, Heilkunde u.s.w. Eine scharfe Scheidung zwischen Kelten und Germanen ist nicht möglich, da der kimbrische Stamm die verbindende Brücke zwischen beiden Völkern bildet. Es ist bedauerlich, dass auch in Gelehrtenkreisen, auf die doch das Volk bezüglich seiner Bildung angewiesen ist, noch so viele irrtümliche, mehr auf alte Vorurteile als auf Tatsachen begründete Vorstellungen herrschen. L. Wilser, Heidelberg. * * * Der Flussname Waal. - In einem Vortrag über ‘die Zeitverhältnisse sprach-geschichtlicher und urgeschichtlicher Erscheinungen’ auf der Greifswalder Anthropologenversammlung kam R. Much auch auf diesen Namen zu sprechen, der bei Cäsar Vacalus (dazu die inschriftlichen Matres Vacallienses), bei Tacitus Vahalis und bei Apollinaris Sidonius Vachalis lautet. Er hält die erste ganz richtig für die gallische Form, macht sich aber durch seine verkehrte Auffassung der ‘Lautverschiebung’ unnötige Schwierigkeiten. Es unterliegt keinem Zweifel, dass Cäsar den Namen in keltisch-kimbrischer. Tacitus in schwäbischer, Sidonius endlich in fränkischer Lautgebung schreibt, Das Stammwort ist wohl wah, Glanz bedeutend(?), in ahd wahhaltriu,Wacholder, wahs, Wachs, u. dgl.; das got. unvahs, tadellos, ist vielleicht ans usvahs verschrieben und hatte ursprünglich nicht eine verneinende, sondern eine verstärkende Vorsilbe. L.W. * * * Mercurius Cimbrius. - Ein Inschriftstein mit diesem Namen ist auf dem Heiligenberg bei Heidelberg, einer mit Mercurius Cimbrianus auf dem Greinberg bei Miltenberg gefunden worden. In der auch sonst manches Irrtümliche enthaltenden Schrift ‘Die Besitznahme Badens durch die Römer’ (Neujahrsblätter der badischen historischen Kommission), zieht Fabricius daraus den Schluss, dass am Main und Neckar Teile der Kimbern zurückgeblieben seien. Das vom Volksnamen Cimbri gebildete Eigenschaftswort lautet aber stets cimbricus. Hier dagegen haben wir es offenbar mit dem Beinamen eines keltischen Gottes zu tun, der von der gleichen Wurzel abgeleitet werden muss. Der Schluss, Mars Teutates oder Hercules Saxanus seien von den Teutonen oder Sachsen verehrte Gottheiten, wäre nicht berechtigter. Die Kimbern und Teutonen (mit ihnen hat der Miltenberger Stein Inter Toutonos nichts zu tun) sind nach der Schlacht von Noreia donauaufwärts und durch die Schweiz, wo sich ihnen die Helvetergaue der Tougener und Tiguriner anschlossen, nach Sülfrankreich, nicht durchs Main- und Neckartal an den Rhein gezogen. L.W. | |
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H.P. Berlage und sein niederländisches Haus. - In der Stadt Rembrandts ist dem modernen Geist ein neuer Apostel entstanden, H.P. Berlage, der berühmte Baumeister der Amsterdamer Börse und des niederländischen Hauses in Leipzig. Dieser rote Ziegelbau des Mannes steht in seinem konstruktiven Adel da wie ein monumentaler Protest gegen die Pseudorenaissance, wie sie nicht blos den Augustusplatz, sondern den ganzen Leipziger Ring verunstaltet. Spätere Jahrzehnte werden lehren, wie verheerend besonders Rossbach mit seinen Fassadenbauten gewirkt hat, wie durch diese rückwärts gewandte Talmiarchitektur dem Ungeschmack und der Unkultur Millionen geopfert worden sind. Berlage war der rechte Mann, die jüngere Leipziger Architektengeneration zu ermutigen, mit den neuen Idealen der Zweckmässigkeit, der struktiven Ehrlichkeit und der Stoffechtheit Ernst zu machen. In den ‘Stilgedanken’ sind Berlages Gedankengänge in gedrängter Weise niedergelegt, hier setzt er sich mit Semper und Viollet-le-Duc auseinander und widmet auch der Bauernhausrichtung im heutigen Bauen Worte der Abwehr. Berlage wendet sich auch nicht einseitig an den Verstand, er will den ganzen Menschen; wir bekommen keine neue Kunst, sagt er, wenn wir nicht unsere Gesinnungen, unsere soziale Sittlichkeit verbessern. Darin berührt er sich mit Scheffler, dass er grosse gemeinsame, das ganze Volk durchziehende Ideen für die unbedingte Voraussetzung einer zükunftigen Kultur hält. Die erste Auflage der Schrift wurde im Auftrage des Leipziger Kunstgewerbevereins gedruckt; es sind nur noch sehr wenige Exemplare von ihr vorhanden; die zweite Auflage im Auftrag des Albrecht Dürer-Vereins in Krefeld, der unausgesetzt bemüht ist, für Berlage im Rheinland zu wirken. Der Leipziger AusgabeGa naar voetnoot(1) ist zu wünschen, dass sie an den Geistern und an dem Geschmack dieser Stadt kräftig rüttelt. Der Leipziger Geschmack ist schon seit Jahrhunderten wesentlich klassizistisch, wenn wir gerade in diesen Tagen hoffen dürfen, dass er wieder einmal jung wird, eine Wiedergeburt erlebt, dann gebührt auch Berlage in der Erfüllung dieser Hoffnungen sein Platz. * * * Am 27. Februar wurde Direktor Müller, der lange Jahre die allgemeine deutsche Schule in Antwerpen geleitet hat, zu Grabe getragen. Seit einigen Jahren war er pensioniert, nachdem er ein volles Menschenalter die Schule geleitet und sie zu einer der angesehensten Anstalten der belgischen Handelsmetropole gemacht hatte. Ein besonderes Verdienst hat sich der Verstorbene dadurch erworben, dass er im Reiche viel dazu beigetragen hat, auf die Stellung und den ideellen Wert der deutschen Auslandschule in Wort und Schrift aufmerksam zu machen. Mit vielen Opfern gab er als erster eine Gesamtübersicht über die Entstehung und Entwickelung der auf dem ganzen Erdball verstreuten deutschen Schulen in seinem interessanten Buche: ‘Das deutsche Auslandsschulwesen’, das neben dem vom Deutschen Schulverein veröffentlichten Handbuch über dieselbe Frage zu den besten Quellen gehört. | |
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Für die Gründung anderer deutscher Schulen, z. B. in Brüssel, hat er unermüdlich gewirkt. Als vor einigen Jahren in London der Gedanke auftauchte, eine deutsche Schule zu gründen, holte man seinen sachkundigen Rat ein. * * * Kunstbrief. Von allen Künsten weist den in Belgien lebenden Deutschen keine so sehr auf die Heimat hin als die Musik. Nicht nur, dass uns jede Saison Gelegenheit gibt, anerkannte und noch aufstrebende Musiker zu hören, einige von ihnen haben geradezu Heimatrecht. Mottl, Richter, Nikisch und in den letzten Jahren auch Steinbach (Köln) sind nicht mehr und nicht weniger als die geistigen Führer auf musikalischem Gebiet. So ist es denn durchaus keine Seltenheit, wenn, wie in dem letzten Konzert, das Steinbach dirigierte, das Programm fast ausschliesslich deutsche Meister der Musik zu Gehör bringt. Die Kritik unterwirft sich vollständig dem Urteil der Auffassung und nötigt die hiesige Musikwelt, sich danach zu richten. Steinbach gehört auch jetzt hier zu den Sternen des Taktstocks. Von vornherein dankt man ihm mit freundlichem Beifall, der am Schluss des Konzerts zu herzlicher Begeisterung sich steigert. Das Alegretto der 7. Symphonie von Beethoven brachte er mit ungemein zartem Schmelz heraus und dem Schlussatz wusste er trotz des fremden Orchesters einen wunderbaren feurigen Jubel zu entlocken. Noch grösseren Beifall fand das sogenannte Brandenburgische Konzert von Bach, dass Steinbach für erste und zweite Geigen und Bässe bearbeitet hat. Wie üblich, schloss auch dieses Konzert mit einer Ouvertüre Wagners, der der Meistersinger. - Keine Kunstausstellung hat in diesem Winter so das Publikum interessiert, wie die des Künstlerbundes: ‘Libre Esthétique’ (Freie Kunst). Nachdem uns dieser Verein im vergangenen Jahre eine geschichtliche Übersicht des ‘Impressionismus’ gegeben hatte, wo man in selten günstiger Weise die neue Malweise von Manet bis Reuvir sehen konnte, hat er sich in diesem Jahre die dankbare Aufgabe gestellt, die Nachwirkungen dieser Neuerer vorzuführen. Die meisten Länder sind vertreten, wenn auch Belgien und Frankreich überwiegen. Deutschland zeigt Bilder von Dreydorff, Herrmann (Berlin), L. v. Hofmann (Berlin) und E. Nolde. Von den Bildern Dreydorffs gefällt vor allem ein Interieur, wo der Farbenwechsel des auf einen roten Vorhang fallenden Lichtes ebenso warmleuchtend wiedergegeben ist, wie im einzelnen Stilleben Herrmanns. In dem ‘Liebesgarten’ Hofmanns sowie in den ‘Tänzen’ wirkt nur die Linienführung. Gerade diese Bilder bestärken das hier verbreitete Urteil über die deutsche Malerei, nämlich dass sie mehr Wert auf gute Zeichnung als auf Farbe legt. Wenn man zwar die Bilder E. Noldes, der allerdings in Sizilien lebt, dagegen hält, so steht er ganz im Banne der Farbe: seine ‘Ernte’ und ‘Schönheit’ der Natur’ leuchten selbst an dem ihnen zugewiesenen schlechten Platz. Von den belgischen Künstlern ragen Ensor, Heymans, Verdeyen, Morren und Verstraeten hervor. Während Ensor in Farben schwelgt, die glänzende Möbel, schöne Vasen und Seidenstoffe erzeugen - seine Interieurs ‘Bürgerlicher Salon’ und ‘Russische Musik’ sind hervorragend - hat Morren den Frauenkörper mit einer Farbenkraft auf die Leinwand gezaubert, wie man es unter den Impresssionisten Belgiens noch nicht gekannt hat. Die übrigen beweisen durch Landschaften, dass gerade hier die Hauptstärke der gegenwärtigen belgischen Malerei liegt. Von den Holländern fällt Toorop auf. Er setzt die Farbe breit und kräftig auf, womit | |
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er in dem Porträt des Präsidenten Stein und in dem einer ‘Leserin’ Vorzügliches zustande bringt. Wenn wir noch auf die Bilder der Franzosen O'Conor und Morrice sowie die feinen Aquarelle des Engländers Clausen und die Landschaften des Amerikaners Butler hinweisen, so ist das Beste der interessanten Ausstellung genannt. |
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