Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie Sprachenfrage in der Kapkolonie.Ga naar voetnoot(1)Wer mit Nationalitätenkämpfen in Europa einigermassen vertraut ist, dem wird der Kriegsschauplatz, auf dem in Südafrika mit blutigem Ernste zwischen zwei Rassen um die Vorherrschaft gekämpft worden ist, einen wunderlichen Eindruck machen. Man muss einen guten Teil englischen Firnisses wegkratzen, ehe man auf das holländisch-afrikanische Holz kommt. Selbst in Mittelpunkten des Afrikandertums wie Paarl oder Worcester findet man nur ganz vereinzelt holländische Ladenaufschriften, die Sprache des Handels, der Behörden, des Unterrichts u.s.w. ist so gut wie ausschliesslich englisch. Trotzdem ist holländisch durch Gesetz und Verfassung als Landessprache mit gleichem Rechte wie englisch anerkannt. Aber das Gesetz ist ein toter Buchstabe, es wird | |
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in der Praxis nicht ausgeführt, die holländische Sprache hat ein Recht, aber für dieses Recht wird nicht gekämpft. Die tiefste Ursache dieses Zustandes, der den schwächsten Punkt in der Stellung des holländischen Afrikandertums bedeutet, ist die Abweichung der gesprochenen Sprache vom Schriftholländisch. Von Holländern wird gewöhnlich darauf hingewiesen, dass diese Abweichung nicht grösser sei, als die der meisten in Holland selbst gesprochenen Dialekte von der Schriftsprache. Das mag zutreffen; aber in Holland ist die Schriftsprache die Sprache der Gebildeten und für jedermann die Sprache des Brots, die Sprache, die ihm zum Vorwärtskommen unerlässlich ist, in Südafrika nicht. Ein hervorragend gebildeter Afrikander des Freistaats sagte mir über sein Verhältnis zur holländischen Sprache: ‘Ich habe auf dem Kollege in Stellenbosch vier Jahre eifrig holländisch getrieben, ich bin dann drei Jahre in Holland auf der Universität gewesen und ich darf wohl sagen, dass ich die Sprache einigermassen gut beherrsche. Aber ich empfinde sie heute noch wie eine fremde Sprache und ich atme erleichtert auf, wenn ich mit einer Rede zu Ende bin, die ich in Schriftholländisch halten musste.’ Dieser Mann ist ein glühender Afrikander, er war einer der hervorragendsten Generale während des Krieges, er spricht zu Hause und mit seinen Freunden nur afrikanisch.
Man mag diese Tatsache bedauerlich finden, aber man wird verstehen, wie sich die gegenwärtigen Zustände daraus entwickelt haben. Mit der Besitzergreifung des Kaps durch England sind die meisten Fäden, die die Buren mit Holland verbanden, zerrissen. Ein Band war zwar die Kirche; denn die Kirchensprache ist das Schriftholländisch, und dem allgemeinen Empfinden der Buren würde es wie eine Entweihung erscheinen, wollte man das Afrikanisch zur Kirchensprache machen. Die Verbindung mit Holland erhielt aber gerade auf diesem Gebiete einen sehr empfindlichen Stoss, als in den 60 er Jahren die liberale Richtung in der protestantischen Theologie aufkam und die nach Holland gesandten jungen Theologen vielfach von derartigen Ansichten durchtränkt | |
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nach Südafrika zurückkehrten. Da schien den Buren der rechte Glauben in Gefahr; die jungen Leute mussten nun auf das theologische Seminar nach Stellenbosch, an das orthodoxe Schotten als Lehrer berufen werden. Die Verbindung mit der reformierten Kirche in Schottland übte aber auch noch auf dem Gebiet der Mädchenerziehung ihren Einfluss aus. An die Mädcheninstitute, die teils von der reformierten Kirche gegründet wurden, teils noch heute direkt von ihr abhängen, wie das grosse Kollege in Wellington, wurden meist amerikanische Lehrerinnen berufen und die amerikanische Methodistenkirche unterstützte diese Institute auch materiell. Das wirkte wieder auf den Gottesdienst zurück, der mit Rücksicht auf diese Lehrerinnen teilweise in englischer Sprache abgehalten wurde. Aber natürlich gehen in diesen Gottesdienst nicht nur die Lehrerinnen, sondern auch deren Schülerinnen. In einem Vororte von Kapstadt predigte der Geistliche der reformierten Kirche, der einer der leitenden. Afrikander ist, vor dem Jamesonraid nur mehr englisch; erst nach dem Jamesonraid wurde die Mehrzahl der Gottesdienste wieder in holländischer Muttersprache gehalten, die sich jetzt eines weit stärkeren Besuches erfreuen als der englische, der doch, nicht ganz aufgegeben wurde. Heute noch wird in Wellington und Worcester englischer Abendgottesdienst gehalten, in Kapstadt wurde er erst während des Krieges abgeschafft, in Stellenbosch tobte ein Kampf um den englischen Abendgottesdienst gerade während meiner Anwesenheit in der Kapkolonie. Diese Geschichte ist in mannigfacher Hinsicht charakteristisch. Von den Schülern des theologischen Seminars wurde die Anregung zu einer Petition gegeben für Abschaffung des englischen Abendgottesdienstes; an der Spitze der Bewegung stand ein junger Mann mit dem urschottischen Namen Mc. Donald. In einer Gemeindeversammlung wurde nun die Frage erörtert, wobei eines der älteren, sehr einflussreichen Gemeindemitglieder für die Beibehaltung des englischen Gottesdienstes die Bibel ins Feld führte, wo doch stände, dass das Evangelium allen Völkern gepredigt werden müsste; ein charakteristisches Beispiel für die Naivetät, mit der die Sprachenfrage von ganz gebildeten Afrikandern be- | |
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handelt wird. Schliesslich erklärte sich die Versammlung aber doch mit grosser Mehrheit für die Abschaffung und der Kirchenrat musste dann wohl oder übel dieser Forderung Folge leisten. Die oft gehörte Behauptung, dass die Kirche das Hauptbollwerk der holländischen Sprache in Südafrika sei, ist, wie obige Tatsachen beweisen, sehr cum grano salis zu nehmen. Die niederländischreformierte Kirche hatte z. B. durch ihre Generalsynode bereits anfangs der 70 er Jahre den Beschluss gefasst, dass englischer Gottesdienst und Predigt dort zulässig sei, wo ein Bedürfnis dafür vorhanden ist. Dieses Bedürfnis hatte sich aber natürlich mit der zunehmenden Anglisierung der Gemeindemitglieder ganz von selbst ergeben. Jetzt wird natürlich die Kirche auch von dem Strome des erstarkenden nationalen Gefühles vorwärts getrieben und unter den Geistlichen der Kirche gibt es selbstverständlich gleichfalls eine ganze Anzahl, die in den ersten Reihen für die Rechte der holländischen Sprache kämpft. Im übrigen geht freilich der materialistische Zug, der das ganze Leben Südafrikas durchzieht, auch an den Dienern der Kirche nicht spurlos vorüber und die reiche Bezahlung, die die Pfarrer erhalten, wirkt auf die Ideale etwas verfallend. Besonders bezeichnend ist z. B. der häufige Wechsel in der Besatzung der Pfarrstellen, indem die Geistlichen jeder Verbesserung ihrer materiellen Lage ohne Rücksicht auf ein dauerhaftes Verhältnis zu ihrer Gemeinde nachgehen.
Der wundeste Punkt des Afrikandertums in der Kapkolonie ist indess zweifellos die Schule. In der Theorie steht es den Eltern, die eine Schule gründen wollen, frei, Englisch oder Holländisch als Unterrichtssprache zu bestimmen. Aber in der Praxis soll die Schule die Kinder auf ein antidiluvianisches System von schriftlichen Examinas, die die Kapuniversität abhält, drillen und diese Examina sind rein englisch. Anderseits muss ein gewisses Pensum im Englischen bewältigt werden, worauf die Schulinspektoren allein sehen; von dem Erfolge auf diesem Gebiet hängt die Beurteilung des Lehrers ab, der, selbst wenn er ein guter Afrikander ist, doch durch das System gebunden bleibt. An der Spitze des | |
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Unterrichtswesens der Kapkolonie steht ferner ein Schotte, Dr. Muir, der ein eifriger Jingo ist, während sich sein Vorgänger, Dale, dem Afrikandertum sehr entgegenkommend bewies. Indess die Stärke des Holländischen ist die feste Wurzel, die das gesprochene Holländisch, die ‘Afrikandertaal’, im südafrikanischen Boden hat und die allein allen Bemühungen sie auszurotten, Jahrhunderte widerstehen könnte; damit ist gesagt, dass der Boden immer vorhanden ist, auf dem eine verstärkte Pflege der Sprache einsetzen kann. Dass der Bond den Kampf um die Rechte der holländischen Sprache schwer vernachlässigt hat, gerade in der Zeit, wo er an der Macht war und ohne Schwierigkeiten viel zum Schutze derselben tun konnte, steht ausser Zweifel, sein Verhalten erinnert mich sehr an die Gründer der deutschliberalen Partei in Oesterreich in den 70 er Jahren. Aber die öffentliche Meinung drängt auch ihn und verhängt Zensuren über ihn, wo er in alte Laster verfällt. Als kürzlich bei der Feier der Eröffnung eines Bewässerungskanals verschiedene Abgeordnete dem anwesenden Landwirtschaftsminister zu Liebe englisch sprachen, erschienen einige sehr geharnischte Briefe in ‘Ons Land’, die sich die Herren, die es anging, schon der nächsten Wahlen wegen zur Kenntnis nehmen dürften. Endlich geht jetzt etwas vor, was für die künftige Gestaltung des Schulwesens nicht ohne Belang sein dürfte. Es würde hier zu weit führen, wenn ich auseinandersetzen wollte, in welcher Weise die Buren der Kapkolonie an die bestehenden, von der Regierung unterstützten Schulen gebunden sind. ‘Ja, wenn wir 10 Mill. Mark hätten, dann könnten wir ein eigenes unabhängiges Schulwesen einrichten und wären von der Regierung unabhängig ’, sagte einer der bedeutendsten Bondführer zu mir. Ich glaube, dass diese Summe in der Tat nicht zu hoch gegriffen ist; sie könnte auch wohl von der Kap kolonie aufgebracht werden, aber doch nur, wenn sie völlig einig und von der Gefahr der jetzigen Zustände für die Zukunft ihres Volkstums überzeugt wären. Hier sitzt der Haken! Nun ist es dem Ministerium Jameson beigekommen, mit dem eigenartigen Geschick, das es hat, heikle Fragen aufzurollen, seine Kunst auch | |
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am Schulwesen zu versuchen; wenn an irgend etwas, so hätten die Engländer an diesen Verhältnissen, die für sie so ungeheuer günstig liegen, nicht rühren sollen. Das Endziel der Schulvorlage geht wohl auch auf stärkere und raschere Anglisierung hinaus, aber dies ist nicht sonderlich augenfällig. Die Hauptsache ist, dass der Wirkungsbereich der örtlichen Schulausschüsse beschnitten werden soll und die Hoffnung ist nicht unberechtigt, dass die Verletzung von Kirchturminteressen bewirken wird, was weitausschauende Sorge für den Bestand des eigenen Volkstums nicht fertig brachte. Dies sei indess nur ein skizzenhaftes Bild der Sprachenverhältnisse in der Kapkolonie; über die Zukunftsaussichten des Holländischen und seines afrikanischen Dialekts werde ich noch einiges zu sagen haben, wenn mein Rundgang um Südafrika beendet ist. |
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