Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Aus Deutsch-Belgien und Lützelburg.
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mich des Französischen zu bedienen, auf die Gefahr hin, wegen dieses anscheinenden Mangels an Bildung über die Achsel angesehen zu werden. Im Gasthof, in dem ich abstieg, befand sich, ich darf wohl sagen bereits zu meinem Erstaunen, nur Kellner, der leidliche Kenntnisse in der deutschen Sprache besass, leider war er nicht immer zur Stelle. Die Gäste ausser mir sprachen nur französisch. In meinem Zimmer hing ein französisches Bild aus dem Krieg von 1870; der Marchand tailleur hatte Abbildungen französischer Uniformen ausgestellt.Ga naar voetnoot(1) Endlich hatte ich es heraus, wo man die deutsche ‘Arloner Zeitung’ kaufen konnte, nämlich in der ‘Imprimerie Willems’. Ein öffentlicher Hinweis auf das Blatt fehlte am und im Hause gänzlich. Als ich die Verkäuferin darauf hinwies, antwortete sie, dass die Leute es ja wüssten. Die Zeitung ist in leidlichem Deutsch geschrieben, ganz klerikal; ihre Geschäfts-Anzeigen sind grossenteils französisch.
Kurz und gut, ich war, wie man zu sagen pflegt, ‘geknickt.’ In diesem Seelenzustande suchte ich einen der dortigen führenden deutschen Männer auf, den Schriftführer des ‘Deutschen Vereins’, Professor Warker. Da hörte ich endlich gutes Hochdeutsch. Der Herr entstammt aber auch einer Trierer Familie. In liebenswürdiger Weise widmete er sich mir den ganzen AbendGa naar voetnoot(2) und gab mir viele wertvolle Aufschlüsse, namentlich an der Hand der bisher erschienenen vier ‘Jahrbücher’ seines Vereins. Ich kann somit weiter noch Folgendes aus Deutsch-Belgien mitteilen:
Belgien hat längs seiner östlichsten Grenze drei deutsche Sprachinseln, nämlich im Süden um Arel zwischen Lützelburg (Luxemburg) und Frankreich, mit ungefähr 35,000 Einwohnern, im Norden unweit Aachen um Altenburg und Aubel, in 14 Gemeinden, und | |
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in der Mitte um das Dorf Bockholz oder Bochholz,Ga naar voetnoot(1) in der Ecke zwischen dem Deutschen Reich und der Nordspitze von Lützelburg. Im ganzen leben etwa 50,000 Menschen mit hochdeutscher Sprache dort oder zerstreut über das ganze Königreich.Ga naar voetnoot(2) Dazu kommen noch an 1000 Seelen im neutralen Gebiet Moresnet, das deshalb von der belgischen Verwälschung verschont geblieben ist. Zusammen sind es 32 deutsche Gemeinden. Von diesen haben die neun nördlichsten eigentlich eine mehr niederdeutsche, vlamische Mundart. Seit etwa 100 Jahren ist jedoch auch hier hochdeutsch die Schriftsprache, und zwar dank den deutschen Geistlichen, die von Aachen aus regelmässig dorthin entsandt wurden. Das Eintreten dieser für die deutsche Sprache erklärt sich wahrscheinlich aus dem Gegensatz zu den überwiegend evangelischen Holländern. Jetzt bilden diese Gemeinden mit Moresnet zusammen ein deutsches Dekanat mit ausschliesslich hochdeutscher Kirchen- und Unterrichtssprache.
Das Dorf Hertzig (Hachy), 2 Stunden westlich von Arel, ist der am weitesten vorgeschobene Posten, den das hochdeutsche Sprachgebiet besitzt auf seiner langgestreckten Grenze von den Alpen bis zur Maas. Es ist ein lebender Beweis dafür, dass die Sprachgrenze wenigstens in dieser Gegend fast gar nicht zu unseren Ungunsten verschoben ist, trotz andauernd ungünstiger Umstände während eines Zeitraumes von etwa 15 Jahrhunderten. Das haben wir hauptsächlich dem zähen deutschen Bauernstande zuzuschreiben. Wenn es auf die Städter allein ankäme, wäre auch dort alles verwälscht. Die Erfolge der französischen Sprache und auch Sitten erklären sich im Grunde aus der Geschichte. | |
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Früher als Deutschland besass Frankreich bereits am Ende des 11. Jahrhunderts ein blühendes Schrifttum in seiner eigenen Sprache, die auch in das Urkundenwesen und sonstige Angelegenheiten des öffentlichen und privaten Lebens eindrang, zumal in den Grenzländern. Darüber hinaus eroberte sie in ganz Mittel-Europa die höfischen Kreise und die Ritterwelt. Dazu kam für die Grafschaft Lützelburg ein wallonisches Herrschergeschlecht, die Grafen von Namür, die, gleich den Grafen von Flandern, sich mehr als französiche Fürsten fühlten. Sogar Heinrich VII. von Lützelburg, der im Jahre 1308 den deutschen Kaiserthron bestieg, sprach gewöhnlich französisch. Das färbte natürlich auf die höheren Schichten der ganzen Bevölkerung ab. Selbst dort aber trat 100 Jahre später ein erstaunlicher Umschwung zu Gunsten des Deutschen ein, als dieses erstarkte. Dieser erfreuliche Umstand sollte jedoch nicht lange dauern. Der Rückschlag kam mit der Ausdehnung der burgundischen Herrschaft. Als Sprache des herzoglichen Hauses und Hofes und der neuen Regierung kehrte das Französische wieder ein in alle Verhandlungen dieser mit dem Volk und in die gebildeten Stände. Trotzdem blieb das Deutsche im Verkehr, in den Privat-Urkunden und der Verwaltung der Städte und Dörfer. Es wahrte sich also immer noch sogar eine amtliche; wenn auch untergeordnete Stellung. Somit war das Land zweisprachig geworden, und die leider so oft wechselnden Regierungen (Burgund, Spanien, Oesterreich, Frankreich, Niederlande) rüttelten wenigstens daran nicht. Andererseits bekundete selbst Oesterreich - wie stets - während seiner Herrschaft dort nicht die geringste Teilnahme für die deutsche Sprache. Ihre verhängnisvollste Zeit jedoch erlebt diese in der Neuzeit. Im Londoner Vertrag von 1839 trennten die Grossmächte das Grossherzogtum Lützelburg (Luxemburg) und damit den grössten Teil der deutschen Provinz von Belgien. Damit war die Areler Gegend aus ihrem 1000jährigen Zusammenhang mit Deutschland gerissen und der Verwälschung preisgegeben; denn von der französelnden belgischen Regierung und dem ebenso geleiteten Nachbarländchen hatten sie dagegen keinen Schutz zu erwarten. Nunmehr suchte die fremde Sprache die | |
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Herrschaft völlig an sich zu reissen, vor allem in Arel selbst. Man verdrängte das Deutschtum zunächst aus der Stadtverwaltung, aus dem schriftlichen Verkehr, aus der Kirche zur Hälfte, sodann aus der Schule, in die das Französische als Leitsprache eingeführt wurde, und endlich aus dem Munde vieler geborener Deutsch-Belgier, da ja auch hier, wie überhaupt im ganzen Westen, der hoch entwickelten französischen Schriftsprache eine untergeordnete Mundart, die luxemburgische, gegenübersteht. Was von dieser übrig blieb, wurde noch durch eine Unmasse französischer Ausdrücke verunziert, noch schlimmer als in Lützelburg. Aehnlich sieht es in den anderen deutschen Städten aus Der Staat sandte ausschliesslich wallonische Beamte dorthin, selbst in die Dörfer; so leben in Arel allein, in Folge seiner Eigenschaft als Hauptstadt einer überwiegend wallonischen Provinz, etwa 1500 Menschen, die nur französisch reden. Viele andere halten es mit ihnen, weil das als vornehmer und vorteilhafter gilt, und das weibliche Geschlecht aus angeborener Vorliebe für diese geläufige Sprache. Daraus erklären sich auch die französischen Geschäftsbezeich nungen und Anzeigen. Das geflissentliche Vermeiden alles Deutschen lässt geradezu auf Aengstlichkeit schliessen. Bedeutend besser steht es auf dem Lande. In den meisten Dorfschulen ist Deutsch die Unterrichtssprache, wenngleich man auch dort dagegen arbeitet. Allein die Bauern halten fest an ihrer angestammten SpracheGa naar voetnoot(1), an den deutschen Kalendern und Zeitungen, sie sind die Hauptbezieher der ‘Arloner Zeitung’ (jetzt im 19. Jahrgang), der ‘Fliegenden Taube’ (jetzt bereits im 58. Jahrgang) zu Aubel und des ‘Freien Worts’ (jetzt im 20. Jahrgang) zu Dolheim. Diese drei Blätter sind daher auch streng katholisch, während verschiedene liberale deutsche Blätter begreiflicherweise in den Städten keinen genügenden Rückhalt fanden und daher bald eingingen. Seit 1903 erscheint noch das ‘Grenz-Echo’, belgisch-deutscher General-Anzeiger zu Welkenraedt-Herbesthal. Zum wohlverstandenen eigenen Nutzen hält es die Geistlich- | |
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keit mit den Bauern, und daher mit deren Sprache, wie meist auch in Vlamland. Bis zum Jahre 1892 galt Arel als uneinnehmbare Festung der liberalen Partei. Da fiel es einem katholischen Bewerber ein, die Wähler einmal in deutscher Sprache zu bearbeiten - und er siegte. Das ‘Jahrbuch’ von 1902 bemerkte dazu sehr zutreffend: ‘Wer zum Volke in dessen Sprache redet, dem gehört es. Die Muttersprache erweckt nicht nur ein grösseres Vertrauen als eine fremde Sprache, sondern das Volk versteht besser, es fühlt gleichsam den Sinn dessen, was man in seinen Lauten zu ihm spricht. Kein Wunder also, dass nur der Mutterlaut das Volk zu hehrer Begeisterung zu entflammen vermag.’ Mit dem Wälschtum dringt natürlich auch dessen unsittliches Schrifttum vor, und überhaupt die Gegner christlicher Sitten und geordneter gesellschaftlicher Zustände, namentlich die Sozialdemokratie. Die meisten Kinder verlassen die Schule, ohne eine Sprache gründlich erlernt zu haben. Selbst während der Schuljahre ist es nicht leicht, ihnen Religions- und Sittenlehre in befriedigender Weise beizubringen.
Alle diese Erwägungen veranlassten schliesslich Geistliche und andere deutsche Männer zur Gründung eines Schutzes für die deutsche Sprache, den ‘Deutschen Verein’. Er entstand i.J. 1892, umfasst ganz Deutsch-Belgien und stieg von 18 bald auf etwa 100 Mitglieder. Sein Begründer ist Professor Kurth von der Lütticher Hochschule, jetzt Ehrenvorsitzender; den Vorsitz führt Richter Jungers und das Schriftführeramt Professor Warker, beide zu Arel. Die Aufklärung über den Verein in der Oeffentlichkeit besorgt hauptsächlich die gewandte Feder des Lütticher Hochlehrers Dr. Bischoff. So stammen von ihm die Aufsätze in den ‘Alld. Bl.’ Nr. 36 von 1896 und Heft 8 der Zeitschrift ‘Zur guten Stunde’ von 1900. (Mit Abbildungen). Der Verein hatte sich auch, leider nur vorübergehend, dem ‘Alldeutschen Verband’ angeschlossen. Er will nicht eine dem Französischen feindliche Bewegung hervorrufen, sondern der deutschen Sprache in Belgien ihr Recht wahren, sie vor Unterdrückung durch die in ihrem Gebiet ansäs | |
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sigen fremden Elemente schützen. Damit hat er noch vollauf zu thun und er bemüht sich auch redlich in dieser Richtung. Zunächst ist es sein Bestreben, möglichst weite Kreise für die deutsche Sprache zu erwärmen. Durch Flugschriften, Vorlesungen, Volks-Büchereien, gediegene Vorträge und hübsche Abendunterhaltungen in verschiedenen Städten hat man bereits die Gleichgiltigkeit vieler Volksgenossen besiegt, sie ihrer schönen und reichen Muttersprache neu gewonnen. Vorträge über die deutsche Sprache, das deutsche Volkslied, die deutsche Spruchdichtung, die alten Germanen und aus der heimatlichen Geschichte waren dafür recht geeignet. Leider halten sich die Liberalen zurück, indem sie noch dazu dem Verein die satzungswidrige Verfolgung politischer und religiöser Zwecke vorwerfen. Herr Warker weist diese Vorwürfe zurück. Manche wollten damit nur ihre eigene Teilnahmlosigkeit bemänteln; sie seien zu bequem oder unfähig, das in der Muttersprache Versäumte nachzuholen, oder versprächen sich keinen augenblicklichen materiellen Nutzen davon. Wenn sie es verschmähten, mit katholischen Männern Hand in Hand zu gehen, so sollten sie doch ihrerseits ebenfalls eine deutsche Bewegung ins Leben rufen. Jedenfalls dürfen jene Gegner sich nicht mehr wundern, dass der Verein auch Vorträge über katholisch-religiöse Stoffe veranstaltet hat und sogar über den Kulturkampf im Deutschen Reich, über ‘jene Zeit grossartigen Ringens der katholischen Kirche gegen staatliche Gewaltherrschaft’, wie es im Jahresbericht von 1901, S. 18, heisst. Vor allem sucht man es zu erreichen, dass in den deutschen Gegenden nach Möglichkeit auch Staatsbeamte angestellt werden, die der einheimischen Sprache mächtig sind. Man würde dann sogar mit Wallonen zufrieden sein. Allein diese sind, wie immer, viel zu bequem, um nicht zu sagen faul dazu, selbst wenn sie dadurch bessere Stellen erlangen und unentgeltlichen Unterricht geniessen können. So müssen viele Deutsch-Belgier mit ihren Beamten durch Dolmetscher verkehren und laufen dadurch Gefahr für ihre Freiheit, Ehre und Vermögen. Mit Recht weist man dort auf den Unterschied hin mit Polen. | |
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Gleich von Anfang an suchte der Verein nach vlamischem Vorbild auf die gesetzgebenden Körperschaften zu Gunsten der deutschen Sprache einzuwirken, in verschiedener Beziehung, aber bisher nur mit kleinersn Erfolgen, hatte man sich doch bisher gar nicht geregt und war vergessen worden. Bei der Beratung des Schulgesetzes versprach der Unterrichts Minister, Deutsch sollte die Leitsprache in den Elementarschulen Deutsch-Belgiens bleiben. In Arel war sie es leider nicht mehr. Dort wird sogar der wenige Unterricht in der deutschen Sprache gerade an den niederen Schulen auf französisch erteilt. Da ist es nicht zu verwundern, wenn selbst deutsche Kinder das Erlernen des Vlamischen bevorzugen, um damit besser fortzukommen. Nach dem Gesetz über die Gemeindewahlen sind neuerdings die Mitglieder der Wahl-Kollegien berechtigt, ihren Eid in deutscher Sprache abzulegen. Dagegen gelang es nicht, im Jahre 1898 der deutschen Sprache die sonstige Gleichstellung mit der vlamischen zu erringen, namentlich darin, dass alle Gesetze auch in ihr abgefasst würden. Der Vereins-Bericht verschweigt - wohl des lieben Friedens wegen - dass gerade die vlamischen Abgeordneten, im Gegensatz sogar zu anderen Vlamen und selbst Wallonen, geschlossen, fast verächtlich und unter Entstellung der wahren Sachlage in Deutsch-Belgien, dagegen ankämpften, an der Spitze ihr Führer Coremans - alles in alter deutscher Sondertümelei, wohl aus Furcht, sie könnten sonst ihre eigenen Forderungen nicht durchsetken. Im Grunde sind doch beide deutsche Volksstämme aufeinander angewiesen; möge also dadurch kein dauernder Riss zwischen ihnen entstanden sein. Inzwischen hat man auch nichts derartiges wieder vernommen. Infolge jenes Misserfolgs wurden im deutschen Belgien binnen 14 Tagen nahezu 5000 Unterschriften unter Massen-Bittschriften zusammengebracht. Sie wurden dem Senat vorgelegt und hatten wenigstens den Erfolg, dass der Post- und Eisenbahn-Minister Vandenpeereboom eine Verfügung dahin erliess, dass bei Besetzung von Aemtern in deutschen Gemeinden solche Beamte vorgezogen werden sollten, die der dortigen Sprache machtig seien. | |
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Auch die Unterrichts-Verwaltung machte daraufhin einige Anläufe zu gerechterer Behandlung. Sie schuf am Areler Athenäum (Gymnasium) eine deutsche Abteilung, in der nämlich der deutsche Sprachunterricht auch auf Deutsch erteilt wird. Selbst ein Lehrkursus für Lehrer und Lehrerinnen zu ihrer Aus- und Fortbildung in der deutschen Sprache wurde bereitwilligst zugestanden, doch kam der Plan aus verschiedenen Gründen nicht zur Ausführung. Man beabsichtigt daher allgemeine öffentliche Unterweisung im Deutschen und ausserdem Bittschriften des Inhalts, dass es bei den öffentlichen Prüfungen den beiden anderen Landessprachen gleichgestellt werde. Bezeichnend ist die Nichtbeachtung, die dem Verein seitens der Areler Stadtverwaltung zu Teil wird. Er hatte nämlich Ende 1899 darum gebeten, bei der bevorstehenden Erneuerung der Strassenschilder darauf auch die deutsche Benennung anzubringen Dieses Gesuch wurde sogar in französischer Sprache abgefasst, da der Stadtrat keine andere kennt. Noch heute aber wartet man auf eine Antwort, falls eine solche nicht darin erblickt werden kann, dass ein halbes Jahr später die neuen Strassenschilder abermals einsprachig französisch waren. Inzwischen wechselten Post und Eisenbahn den Minister. Der neue aber nimmt auf die Deutsch-Belgier keine Rücksicht mehr. Jetzt giebt es daher in der ganzen Gegend kaum noch einen Bahnhofs-Vorsteher, der deutsch versteht. Der am Stationsgebäude von ‘Martelange’ angebrachte Urname ‘Martelingen’ ist sogar wieder verschwunden. Infolgedessen hatte man auch den neuen Minister um deutsch-sprechende Beamte und weiter um deutsche Aufschriften und Bekanntmachungen gebeten. Immerhin hat der ‘Deutsche Verein’ verhältnismässig schon viel erreicht, angesichts des grossen Widerstandes der vielen halben und ganzen Feinde und seines eigenen behutsamen Vorgehens. Bei seiner Gründung vor 13 Jahren konnten bei der fast allgemeinen Gleichgiltigkeit sogar seine besten Freunde sich des Gedankens nicht erwehren, dass man nur noch für die Ehre kämpfe, | |
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nicht für den Sieg. Schon nach wenigen Jahren war jedoch aller Kleinmut verschwunden. Die Hauptsache ist, dass das Volk erweckt wurde und unter leichteren Bedingungen freudig das festhält, was seine Vorfahren aus schwerer Zeit mit grosser Ausdauer und Opferfreudigkeit ihm hinterlassen haben, das teure Gut der deutschen Muttersprache. Weitere Erfolge auch auf dem Gebiete der Gesetzgebung können da nicht ausbleiben. Unsere besten Wünsche dafür begleiten die wackeren Kämpfer. Im Jahre 1903 sandte mir Herr Professor Warker auch noch das fünfte Jahrbuch, das ich in der Oktober-Nummer der ‘Germania’ jenes Jahres besprach. Es ergänzt und bestätigt meine obigen Ausführungen. Seitdem habe ich von dort keinen Bericht mehr erhalten. -
Das auffallende Hervortreten der französischen Sprache selbst in dem fast rein deutschen Grossherzogtum Lützelburg erklärt sich ebenfalls aus der geschichtlichen Entwicklung in früherer Zeit. Recht übertrieben ist aber das krampthafte Festhalten daran selbst jetzt noch. Hier fehlt gänzlich der entschuldigende Hinweis auf die vielen wallonischen Beamten wie in Deutsch-Belgien. (Der Staat gehört sogar zum deutschen Zoll-Verband). Der oft geradezu lächerliche Deutschenhass spricht also dabei hauptsächlich mit, d.h. der Widerwille gegen das tatkräftige Deutschtum seitens eines Krähwinkels, der, abseits vom grossen Weltgetriebe, die alte Philisterhaftigkeit und Beschränktheit beibehalten hat. Dem Übergangsländchen fehlt ein ausgeprägtes Stammesgefühl. Französisch gilt auch hier von jeher für feiner, eleganter, namentlich der minderwertigen, nur auf ein kleines Gebiet beschränkten Mundart gegenüber. Dieser Grund hat auch jetzt noch seine Berechtigung, namentlich darf eins nicht übersehen werden: Die hochdeutsche Sprache in der Schweiz hat seit Jahrhunderten einen festen Halt an der Bibel-Übersetzung. Diese kommt aber für das fast rein katholische Lützelburg nicht in Betracht, ebenso wie in Elsass-Lothringen. Trotzdem spricht das Volk seine angestammte Sprache, und selbst die Gebildeten geraten im Eifer leicht aus dem oft falschen Französisch in die heimische Mundart. Um so | |
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lächerlicher wirken die rein französischen Aufschriften auf allen öffentlichen Gebäuden und an den meisten Geschäften, der Gebrauch der fremden Sprache auf den amtlichen Bekanntmachungen, den Fahrplänen der einheimischen Eisenbahn, den Briefmarken, selbst den Wegweisern u.s.w. Die malerische Landeshauptstadt liegt noch immer nicht am Flüsschen Elze, sondern an der Alsette. Auch in der Rechtspflege, in der Volksvertretung und im höheren Schulwesen, teilweise sogar im niederen, wird das Französische begünstigt, obwohl unter den 220,000 Einwohnern nur 4000 französisch-sprechende leben. Dem Namen nach gilt sogar Franken-Währung, in Wirklichkeit sieht man aber fast nur deutsches Geld und einheimische Scheidemünze. Die Verhältnisse sind eben stärker als der böse Wille. Ein Glück ist es auch, dass die Hauptbahn vertragsmässig seit 30 Jahren unter der Verwaltung der reichsländischen Bahnen steht, die natürlich überall die deutsche Sprache zur Geltung bringt. Die Zugehörigkeit zum deutschen Zollverein ist ebenfalls nicht ganz ohne Einfluss. Seit dem 1. Oktober 1903 besteht sogar eine gewisse Post-Einigung zwischen beiden Staaten. (Mögen Belgien und Niederland diesem Beispiel bald folgen!) Das Ländchen geniesst nur Vorteile vom deutschen Reich; unsere schwere Militärlast kommt ihm voll zu statten,Ga naar voetnoot(1) so dass es, ohne Gegenleistung, sein beschauliches Dasein weiterführen kann und zum Dank dafür versetzt man uns nach Möglichkeit Mückenstiche und liebäugelt mit Frankreich. In vielen Schaufenstern der Hauptstadt las ich einen Aufruf in französischer Sprache mit der Bitte um Beiträge für die Erneuerung des Kreuzes auf dem Schlachtfeld von Crécy, ‘la Croix de Bohême’, wie es da heisst, und zur Errichtung eines Denkmals für den Böhmen-König Johann den Blinden und die Franzosen und Fremden, die für Frankreich an jenem Tage, dem 26. August 1346, starben. Unterschrieben war der Aufruf vom Ausschuss in Luxemburg, den Herren Vannerus, Präsident des Staatsrats und luxemburgischer Gesandter in Paris, und 3 Professoren, namens | |
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Schaack, N. van Werveke und A. Herchen. Und das geschah kurz vor der 600. Wiedekehr des Tages der Gülden-Sporen-Schlacht! Uns soll es ja gleich sein, wie die deutschen Stämme im einzelnen ihr Dasein einrichten, um am besten, ihrer Eigenart entsprechend, sich ausleben zu können. Die Form ist Nebensache; doch eins müssen wir dringend fordern, nämlich, dass sie nach Möglichkeit zusammenhalten und in der Not sogar sich gegenseitig beistehen. Ein Volksstamm, der sich dieser Gemeinbürgschaft entzieht, handelt unsittlich, das heisst, im höchsten Maasse unrecht. Allmählich bricht auch in den massgebenden Kreisen Lützelburgs die Erkenntnis durch, dass der jetzige Zwitterzustand unhaltbar ist. Abgeordnete reden in der Kammer bereits deutsch, Zeitungen treten für die deutsche Volkssprache ein. Das deutet schon auf einen Umschwung zum Besseren. Im Grunde ist es doch auch erfreulich und ermutigend für die Zukunft, dass das Volk, namentlich wieder die Bauern, an seiner Muttersprache festgehalten hat, trotz der Ungunst vieler Jahrhunderte. Wir Reichsdeutsche sollten uns mehr um das Land bekümmern, es möglichst oft besuchen. Es ist in mehrfacher Beziehung, nicht zum wenigsten durch seine Naturschönheiten anziehend. Der nationale Reiseführer Nr. 3 beschäftigt sich auch mit ihm.Ga naar voetnoot(1) Möge er viel benutzt werden. Recht wünschenswert wäre es auch, dass Reichsdeutsche in grösserer Zahl sich dort dauernd niederliessen; schon die niedrigen Steuern sollten manchen dazu verlocken. Wir dürfen die Lützelburger nicht als einen verlorenen Posten des Deutschtums betrachten. Sie singen zwar noch immer mit Begeisterung: ‘Mir welle keine Preisse sin!’ So sollen sie wenigstens einmal gute Deutsche werden. |
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