Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Eine frisische Runeninschrift.
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berger und Siebs versucht, aber, wie mir scheint, mit wenig Glück, obwohl die mit scharfem Messer in das zähe Holz eingeschnittenen Zeichen sehr deutlich und gut erhalten sind, nach der der genannten Veröffentlichung beigegebenen Abbildung zu schliessen. Von den sieben Runen der Inschrift kann man höchstens über die vierte (die erste nach dem Trennungszeichen) und die letzte im Zweifel sein. Um ein ganz unbefangenes Urteil zu hören, zeigte ich die naturgetreue Abbildung meinen beiden Söhnen, Gymnasiasten, die zwar die gemeingermanischen Runen kennen, in dieser Sache aber ohne jede Voreingenommenheit waren, und beide antworteten auf die Frage nach der Bedeutung der betreffenden Zeichen unabhängig von einander, übereinstimmend und ohne Besinnen ‘W’ und ‘A’, gerade wie auch ich sie gelesen hatte. Die Nachbildungen im Text aber, die erste vom Zeichner des Reichsmuseums für Altertümer in Leiden verfertigt, die andere nach Siebs, geben beidemale die vierte Rune als B, obgleich von einem unteren Hügel auf der Photographie nicht das mindeste zu sehen ist; es befinden sich an der Stelle nur einige Unebenheiten des Holzes. Ich lese daher das zweite, nach den trennenden Punkten beginnende Wort nicht, wie meistens geschehen, boda, sondern woda. Die fünfte Rune, das Zeichen für den o-Laut, hat statt der gemeingermanischen die angelsächsische, infolge veränderter Aussprache aus der a-Rune abgeleitete Gestalt, die letzte dagegen auf dem obersten der beiden gleichlaufenden, schrägen Seitenstriche einen in der Mitte aufgesetzten kleineren, aber scharf eingeschnittenen senkrechten Stab, muss also als Binderune aufgefasst werden. Ihre Bedeutung wäre dann ai oder an, wovon ersteres keinen, letzteres dagegen einen sehr guten Sinn gibt, nämlich Wodan, den Namen des höchsten Gottes der Germanen. Um völlig dieser Lesung zu entsprechen, müsste der aufgesetzte Stab eigentlich den Schrägstrich durchschneiden, dies ist aber vielleicht durch durch Versehen unterblieben, oder es war in jener Gegend für den oft vorkommenden Laut an die Binderune in der vorliegenden Gestalt gebräuchlich. Ueber die drei ersten Runen hat sich kein | |
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Streit erhoben, sie werden von allen Erklärern eda, oder, wenn man den Lautwert des gemeingermanischen a-Zeichens mundartlich etwas verändert annimmt, edae gelesen. Die beiden Worte EDA WODAN geben einen guten, dem Gegenstand entsprechenden Sinn, ‘Wodan helfe’, wenn wir das erste von einem freilich nicht zu belegenden, aber aus dem angelsächsischen ed, ead = salus, securitas, felicitas zu erschliessenden Zeitwort edan, helfen oder schützen, ableiten, das auch das französische aide, Helfer, aider, helfen, besser erklärt als das lateinische adiuvare, das seinen Stamm fast ganz, bis auf ein stummes e, verloren haben müsste und daher, im Vergleich mit dem italienischen aiutare, bei Ableitung der französischen Wörter sprachliche Schwierigkeiten macht. Die Inschrift besteht demnach aus sogenannten Siegoder Schutzrunen (an. ‘sigrunar’ und ‘biargrunar’), wohl von schöner Hand für einen geliebten Helden zum Schutz gegen feindliche Schwerter geritzt und ihm in den Kampf, zuletzt auch ins Grab mitgegeben. Sigrunar thu skalt rista,
ef thu vilt sigr hafa,
ok rista a hialti hiörs,
lesen wir im Sigrdrifumal der Edda, Siegrunen sollst du ritzen,
wenn Sieg du willst haben,
auf schneidigen Schwertes Griff.
Die angelsächsische Form des o, wie auch der beiden a auf der gleichfalls in Frisland, 1846 bei Harlingen, gefundenen Hadamünze, einer gleichfalls im Frisischen Museum von Leeuwarden befindlichen Nachbildung eines römischen Goldsolidus des Kaisers Theodosius, hat nichts auffallendes, wenn man bedenkt, dass ausser Angeln und Sachsen auch Frisen nach Britannien ausgewandert und dort als Cantuarii im südöstlichen Teil des Landes sesshaft geworden sind. Man braucht deshalb - bei beiden Fundstücken - durchaus nicht, wie Siebs an Boeles schreibt, an ‘angelsächsischen Import’, auch nicht an eine ‘Uebertragung von Runen- | |
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schriftformen’ zu denken, sondern die einfachste Erklärung, von der der Breslauer Germanist ‘vorsichtigerweise ... absehen will’, rechnet mit ‘älterer Gemeinschaft’, d.h. nimmt an, dass die Sonderentwickelung der angelsächsischen Runen zumteil älter ist als die Auswanderung und schon auf dem Boden des Festlandes begonnen hat. Gegen die Deutung von Siebs, Kedae bodthing, ‘er (oder es) künde das Gericht’, die ja sprachlich nicht unmöglich wäre (von den altfrisischen Wörtern ketha, ahd. Quedan, ‘sagen’, und bodthing, ‘angesagte Volksversammlung’, muss eingewendet werden, dass das 7. Zeichen der Inschrift nicht die ‘thorn-Rune’, sondern ein deutliches und unbezweifelbares a ist, dass weder von dem k des Anfangs, noch dem ing des Schlusses die geringste Spur auf der hölzernen Schwertklinge zu entdecken ist. Es fehlt also für die Lesung ‘kedae bodthing’ die tatsächliche Grundlage, und Boeles hat vollkommen recht, wenn er, aufgrund seiner sehr zuverlässigen Abbildung, schreibt: ‘De lezers kunnen nu zelf oordeelen over de onjuistheid der opvatting van Prof. Siebs en over de vraag of er na het laatste teeken nog sporen van andere teekens te vinden zijn.’ Wenn er aber schliesslich meint, die Ungewissheit bleibe bestehen und die Möglichkeit sei vorhanden, ‘dass neue Funde uns etwas vorwärts bringen’, so kann ich diese Ansicht nicht teilen. So erfreulich weitere Funde frisischer Runen wären, zur Aufklärung in dieser Frage würden sie nichts beitragen können: die Inschrift des Schwerts von Arum muss so, wie sie ist, verstanden werden oder nicht.
Im gleichen Heft ist ein nicht weniger merkwürdiger, 1877 bei Lemmer gemachter Fund beschrieben und abgebildet, ein mit einem Christuskopf und altertümlichem Rankenwerk verzierter Stein (roter Sandstein), den ich nicht für einen ‘Grabstein’, sondern für ein Pfeilerbruchstück aus einer altchristlichen Kirche halte. Boeles vergleicht ihn mit dem Runenstein von Jellinge, mit dem er aber nur äusserliche Aehnlichkeit zeigt (hier vertiefte Arbeit nach Art der Holzschnitzerei, dort erhöhte); viel mehr erinnert er an die Bildwerke aus der alten, höchst wahrscheinlich | |
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im 7. Jahrhundert erbauten Peterskirche in Metz und an den fränkischen, im Bonner Museum befindlichen Grabstein von Niederdollendorf. Demnach wäre der Stein bedeutend älter als das 13. oder 14. Jahrhundert, wohl aus einer der ersten, bald nach der Bekehrung der Frisen im 8. oder 9. Jahrhundert erbauten Kirchen stammend. |
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