Germania. Jaargang 7
(1905)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdSkizzen niederländischer Schriftsteller.
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Trittbrett befand, gab man bereits das Zeichen zur Abfahrt. Warum ich wohl so erpicht auf eine, vielleicht minderwertige, Originalskizze war, während doch die Übersetzungen gewandter Schriftsteller scheinbar einesichere Gewähr für gute, billigere Kost boten? Nun, einerseits zur Förderung des heimischen Schrifttums, da gerade die holländischen Schriftsteller und Verleger bei dem beschränkten Absatzgebiete einen schweren Stand haben, andererseits aber um von dieser herrlichen Übersetzungskunst verschont zu bleiben. Ohne meinen Schatz auch nur eines Blickes zu würdigen, beschäftigte ich mich unausgesetzt mit dem Gedanken, wie es möglich sei, beispielsweise Dahn (Originalpreis Mk. 4-5) oder Maupassant (Fr. 3.50) für 10 Cts. zu liefern. - Ich rede hier natürlich nur von nicht erlaubten Übersetzungen, diese sind selbstredend mit anderem Masse zu messen: ein Verleger der so anständig ist, für etwas, das er nicht zu bezahlen braucht, doch eine Vergütung zu geben, wird auch den Uebersetzer nicht übervorteilen. - Es ist überflüssig, im Rahmen dieses Aufsatzes näher darauf einzugehen. Ich wollte ja eigentlich nur zeigen, wie die Verhältnisse ‘vor etwa 10 Jahren’ gewesen sind; sie werden sich jetzt wohl gebessert haben?!?? Ich selbst vermag dies nicht mehr zu beurteilen; meine Ferienreisen führten mich nach anderen Gegenden. -
Der schrille Pfiff der Lokomotive, als die nächste Station in Sicht war, schreckte mich aus meinen Gedanken auf und führte mich zu der Neuerwerbung meines Bücherschrankes zurück; einem mässig dicken Buch eines unbekannten Autors. Die Bezeichnung ‘Eine Skizze’ nahm mich sofort für den Verfasser ein. Eine so umfangreiche Skizze gab mir die Ueberzeugung, dass ich wenigstens mehr Inhalt als meist langweilige Beschreibung zu erwarten hatte. Und ich wurde wahrlich nicht enttäuscht. Mit frischen leuchtenden Farben schilderte er, wie ein dralles Landmädel, seinem Liebsten in die Grossstadt folgend, schliesslich dort zu Grunde geht. Nichts neues eigentlich, aber die Begebenheiten, die Charaktere so naturwahr, so der Wirklichkeit entsprechend, dass ich unwillkürlich getroffen wurde von der feinen Beobachtungsgabe und Charakter- | |
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zeichnung des Verfassers. Auf dem Titelblatte stand ‘Trinette’, Skizze von Herman Heyermanns jr.Ga naar voetnoot1)Ga naar voetnoot2) Die Merkmale, die diese Skizze so vorteilhaft auszeichneten, kehren auch in den späteren Werken des Dramatikers wie des Romanciers wieder. Ich will zuerst den Romancier Heyermans behandeln, obwohl der Dramatiker weit bedeutender ist und sich zuerst bemerkbar machte. Für das Amsterdamer ‘Handelsblad’ schreibt er regelmässig jede Woche eine Skizze, und sobald eine Anzahl zusammen ist werden diese unter dem Titel ‘FalklandGa naar voetnoot3) Skizzen’ in Buchform herausgegeben. Es leuchtet sofort ein, dass eine solche handwerks-mässige Arbeit in diesem Umfange (bis jetzt sind nahezu 400 solcher Skizzen erschienen, inhaltlich leider sehr oft ohne jeden litterarischen oder sonstigen Wert sein muss. Ja es ist verwunderlich, mit welchen Sachen er da manchmal aufwartet, gerade als schreibe er für Kinder. Er erzählt uns oft die unsinnigsten Begebenheiten, dagegen stossen wir auch manchmal auf Typen, flüchtig hingeworfene Gedanken von einer Tiefe und Innerlichkeit, wie wir dies in der Litteratur selten antreffen. Hieran reihen wir auch ‘Kleine Verschrikkingen’Ga naar voetnoot4), ebenfalls eine Sammlung grösserer Skizzen. Vielfach finden wir aber auch, dass er mit zu düsteren, ja schwarzen Farben malt, hauptsächlich wenn er beabsichtigt, einen bestimmten Teil der Gesellschaft zu geisseln. Leider kann oder will er nicht einsehen, dass gerade in solchen Fällen die litterarischen Schönheiten, wenn auch nicht ganz verdrängt, so sehr in den Hintergrund geschoben werden. Durch blinde Parteiwut zerstört er so manches stimmungsvolle Bildchen. Was wäre z. B. aus seinem ‘Sabbath’ geworden, wenn er sich einer weniger einseitigen Darstellung befleissigt hätte. Er schildert die rein mate- | |
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riellen Genüsse eines jüdischen Pfandleihers ohne seine idealen Freuden, die doch unzweifelhaft nicht ganz fehlen, auch nur zu streifen. Doch mehr kommt diese Einseitigkeit in dem jüngst erst erschienenen Roman ‘Diamantstadt’Ga naar voetnoot1),Ga naar voetnoot2), zum Ausdruck, worin er das strenggläubige Judentum angreift. Zwar glaubt er nur die Religion als solche zu beleuchten, doch ist gerade beim Judentum eine Trennung von ‘Staat und Kirche’ eine Unmöglichkeit, sodass selbst ein unbefangener Leser, der das Buch ohne tieferes Nachdenken liest, nur Angriffe auf das Judentum herausfindet. Wie ungerecht er da in seinem blinden Eifer manchmal urteilt, bemerkt eigentlich nur ein genauer Kenner der Verhältnisse. Einiges möchte ich doch an dieser Stelle widerlegen und zwar nur um zu zeigen wie Tendenz den litterarischen Wert eines Werkes zu vernichten und das Urteil seines Verfassers zu verwirren vermag. Ursprünglich waren es einzelne Bilder aus dem jüdischen Volksleben in Amsterdam, immer traurig, ohne für unseren Begriff irgendwelche Lebensfreude, aber doch so herrlich, so wahr gezeichnet, dass man ein ungeahntes Vergnügen empfindet. Aber leider wird dies sehr getrübt durch die Tendenz, die Heyermans bei der Verarbeitung zu einem Roman hineingebracht hat. Er musste unbedingt eine Erklärung für die traurigen Zustände und Mittel zur Abhilfe geben. Leider ist er aber kein Volkswirtschaftler und lässt sich von seiner vorgefassten Meinung hinreissen. Der Held seines Romans ist ein ‘Sohn des Volkes’, der aus Amerika zurückkehrt und das Elend, in dem er selbst aufgewachsen, nun wirklich ‘sieht’ und empfindet. Das ist erklärlich, wie er aber dazu kommt, die Religion als Ursache zu bezeichnen, muss selbst einen gerecht urteilenden Atheisten befremden. Er behauptet ungefähr: das Judentum geht zu Grunde, wenn es sich nicht mit einer anderen Rasse verbindet. Aber dies wäre selbst die Auflösung. Ferner will es mir nicht einleuchten, | |
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dass ein Volk, wie es die Juden nun einmal sind, und das mit seinen Gesetzen seine Daseinsberechtigung bewiesen hat, nun auf einmal durch diese Gesetze zugrunde gehen muss. Es ist mir wirklich unklar, wie Heyermans, der doch selbst jüdischer Abkuntt ist, nicht einsehen will, dass nur die sozialen Zustände dieses Elend in jenem Stadtteil verschuldet haben. Das erste Drama Heyermans war ‘Dora Kremer’ (1893), in dem sich schon seine feine Beobachtungsgabe und Charakterisierung zu erkennen gibt. Gleichzeitig erschien ‘Ahasverus’, ‘Theo’, beides nicht viel mehr als gut ausgeführte dramatische Studien. ‘Kamertjeszonde’, 1890 erschienen, ist zwar ziemlich anstössig, war aber so erfolgreich, dass es fûnf Auflagen erlebte. Die bereits obenerwähnte Ansicht Heyermans, zur Stärkung des Judentums die Mischehe zu empfehlen, kommt auch in seinem 1898 erschienenen Trauerspiel ‘Ghetto’Ga naar voetnoot1) zum Ausdruck: Ein jüdischer Jüngling liebt ein christliches Dienstmädchen und wird von diesem wieder-geliebt. Der Vater ist natürlich gegen eine Heirat und bringt das Mädchen dazu, den Tod zu suchen, um so dem Sohne die ihm zugedachte Braut zuzuführen. Dieser jedoch verlässt ihn in rasender Verzweiflung auf Nimmerwiedersehen. Auch ‘Het zevende Gebod’Ga naar voetnoot2) (1899) hat einen wenig sittlichen Hintergrund. Der Held, ein junger Student, lernt eine Dame der Halbwelt kennen und lieben und will sie auch heiraten. Die Einwilligung der Eltern wird ihm jedoch nicht erteilt, und da er noch minderjährig, lebt er in freier Liebe. - Bald jedoch stirbt er an der in seiner Familie erblichen Schwindsucht. Das Stück dreht um die Frage, warum von dem Weibe vor der Ehe völlige Keuschheit verlangt wird, vom Manne dagegen nicht. Inzwischen schrieb er auch noch einige Einakter meist heiteren Inhalts und sehr treffend gezeichnetGa naar voetnoot3). Im Jahre 1900 erschien dann endlich das Seestück ‘Op Hoop | |
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van Zegen’,Ga naar voetnoot1) durch das er im Auslande bekannt geworden. Es ist wohl nicht nötig, den Inhalt dieses dramatischen Werkes, des besten aus Heyermans Feder, mit seinen vortrefflichen Charakterschilderungen mitzuteilen. Es hat den grossen Fehler, dass die Grundlage des Stückes, die Ausfahrt eines morschen Fahrzeuges, in anbetracht der strengen Hafengesetze Hollands, unmöglich ist. Im Jahr 1901 schrieb er das sozialdemokratische Soldatenstück ‘Het Pantser’,Ga naar voetnoot2) das geradezu als verfehlt zu betrachten ist. ‘Ora et Labora’ (1902) ist zwar nur eine Episode aus dem Leben friesischer Bauern und Zillenschiffer, umfasst aber in ihrem engen Rahmen das ganze Schicksal eines Menschen. ‘Bete und Arbeite’ ist das Zeitwort, das aus der Dichtung traurig und spöttisch zugleich herausklingt; eine Stimmung wird angeschlagen, ein trotziges Gefühl steigt auf und will sich entfalten, kämpft und wird geknickt, eine tiefergreifende Arie bricht ohne Ende ab. Ja, in ‘Ora et Labora’Ga naar voetnoot3),Ga naar voetnoot4 ), hat sich Heyermans wieder ein treffendes Lebenslicht geschaffen. Eines Nachworts bedarf es nicht, nur möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, dass Heyermans sich von der einseitigen Tendenzdichtung losreissen möge zum Vorteil der Litteratur und nicht weniger zu seinem eignen Nutzen. |
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