Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Die Pflege des Landschafttheaters
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Anschauungen, die aus dem Innersten eines Volkes entsprungen sind, dass wir auch noch die germanischen Feste feiern. Der geschickten Anpassungsfähigkeit des Christentums ist es teilweise gelungen, dem Fest der Ostara auch eine christliche Bedeutung zu geben. Aber nicht hat es die Bräuche, die das Fest als heidnisches Kennzeichnen, auszurotten vermocht. Der Hase ist das heilige Tier der Ostara, sie selbst eine Göttin der Fruchtbarkeit, sie deutet das neu auf-keimende Frühlingsleben an; die Sitte Eier zu schenken und Osterhasen, ist nichts anderes als ein Opferbrauch, wie er unsere Vorfahren im Rauschen des Haines mit ihrer Frühlingsgöttin verband. - Das Pfingstfest sollte unsere Walpurgis ersetzen, wo der Einzug des Maigrafen das Nahen des Sommers kündetGa naar voetnoot(1). - Und die bedeutendsten Feste, Mittsommer (Heidnisch) Sonnenwende; christlich: Johannis, 24. Juni) und Mittwinter (24. Dezember), sie leben beide noch, der Mittsommer in den von Berg zu Berg flammenden Feuergarben, die die Burschen und Mädchen in manchen Gegenden durchspringen, der Mittwinter im Tannenbaum, dem Sinnbild des Haines. Die Lichter sind die Bilder des wiederkehrenden Sonnenlichtes, die Aepfel und Nüsse die Zeichen der Fruchtbarkeit im Banne des Sonnenglanzes. Man erkennt hieraus, dass die christlichen nur eine Hülle der germanischen Feste bilden; es wurden die gleichen Zeiten von der Kirche gewählt, weil man dadurch der Gewohnheit der Germanen entgegenkam und sie leichter so den christlichen Anschauungen willfährig zu machen hoffte. Albrecht Wirth schildert in Ernst Wachlers Idunataschenbuch voh 1903, den Kampf des deutschen Volkstums gegen die Macht der römischen KulturGa naar voetnoot(2). | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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Seit Karl dem Grossen, der die altdeutschen Heldenlieder sammelte, tauchen in den Jahrhunderten sporadisch Bestrebungen auf für die Erhaltung deutscher Eigenart. Dem Waltharilied und den Nibelungen des Kürenbergers im 12. Jahrhundert folgt Walther von der Vogelweide und singt ‘tugend und reine Minne, wer die suchen wil, der soll kommen in unser Land, da ist der wünne vil’. Dann erstehen die gewaltigen Recken nach dem Schweigen des deutschen Sängermundes in drei Jahrhunderten: Ulrich von Hutten und Martin Luther; sie verweckten das Bewusstsein des Deutschen aus dem Schlaf im Kampfe gegen Rom. Dürer, Holbein, Hans Sachs, Fischer und Stoss, sie waren die Kämpen, die mit den Reformatoren auf den Plan traten. Wieder aber versank, in Schweigen die deutsche Stimme; die römische Scholastik hatte sich zu mächtig in das Herz der Vornehmen eingenistet und eine Entfremdung zwischen Volk und Edlen herbeigeführt. Gottsched war im 18. Jahrhundert wieder der erste, der den Kampf gegen das ‘Fremde’ aufnahm. In Klopstock begrüssen wir den Erwecker des Skaldenliedes und des Heliands; ihm schliessen sich Bodmer und Hölty an; und ihnen folgt Goethe, er ruft uns Hans Sachs, das Volkslied, das alte Puppenspiel in das Gedächtnis zurück. - Den Göttinger HainbundGa naar voetnoot(1) will ich nur erwähnen, um zum Markstein unserer nationalen Kultur, zu Gottfried Herder zu gelangen (vergl. Herders sämtliche Werke, Suphansche Ausgabe, Berlin 1877, Bd. 1). Herder schreibt: ‘Mönche und fränckische Priesterhorden führten, das Schwert in der einen, das Kreuz in der andern Hand, den Götzendienst | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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des Papstes, die schlechtesten Trümmer der römischen Wissenschaften und den niedrigsten Gassen- und Kloster-Dialekt der römischen Sprache in Deutschland ein: drei Schwestern der Barbarei und des Unglücks, die mit verschlungenen Händen triumphierend einzogen und das Joch über eine Nation warfen, der es schwer fiel, es zu tragen und die unter allen Ländern Europas am meisten darunter gelitten hat und vielleicht noch leidet. Die lateinische Religion lehrte gedankenlose Hartnäckigkeit im Behaupten, die lateinische Literatur erstickte den Geist und schnitzelte den Geschmack an Speculationen und Unsinn, die Mönchssprache führte ewige Barbarei in die Sprache des Landes ein’. Herder weist wieder auf eine Loslösung von römischer Kultur hin, die deutsche Sprache soll im Mittelpunkt unserer Volksbildung stehen, die deutschen Sitten, Märchen und Sagen eine Auferstehung feiern. Das grosse Werk der Gebrüder Grimm sammelte mit emsigem Fleiss die vergrabenen Schätze; aber Herder's Ideale, dem Volke eine deutsche Bildung zu geben, wurden wieder von fremden literarischen Strömungen überflutet. Erst Richard Wagner erfasste den tiefen Wert des deutschen Sagenschatzes; er wusste ihm die Form des Festdramas zu geben. Wie die Griechen ihre nationalen Dichtungen in den Tempeln zu Olympia und Dodona an hohen Feiertagen dem Volke schenkten, so soll auch bei uns das die Heldensagen behandelnde Drama auf geweihtem Boden im Mittelpunkte eines Festes stehen. Bayreuth's Festspiele bahnen diese Idee an; - aber was Bayreuth noch fehlt; das ist eine innigere Verbindung mit dem Volke. Nur wenigen ist es vergönnt, nach Bayreuth zu wallfahren. Dem Verständnis des Alltagsmenschen geht leider zu oft gerade der germanische Ideengehalt der Wagner'schen Dramen in den ihn betäubenden Wogen der Musik verloren. | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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An Wagner's Forderung aber, man müsse das deutsche Theater nationalisieren, es frei machen vom Unternehmertum, das durch die Theaterringe der Grosstädte das deutsche Volk zwingt, platte Unterhaltungsstücke statt Kunst in sich aufzunehmen - an Wagner knüpfte auch die moderne Volksspiel bewegung an. Wachler's Verdienst ist es, die richtige Grundlage für die Volksbühne gefunden zu haben, den Gau, die Heimat, die Stammeseigenart; sie sollen durch das Landschaftstheater zur Geltung kommenGa naar voetnoot(1) gegen die Grosstadt, gegen das Verschliffene und Fremde; das Volkstum gegen die Ueberbildung und Entartung, die Einfachheit gegen den Prunk, die Natur gegen die Unnatur. ‘Und Hans von Wolzogen's Idee, man muss selbst von der stehenden Bühne loskommen’, ist gleichfalls durch Wachler im Harzer Bergtheater bei Thale verwirklicht worden. An die Natur knüpft Sage, Geschichte und Religion des Deutschen an. Also ist es nur das Natürliche, um den Naturmythos und die nationalen Begebenheiten wieder zu erwecken, dass man die Kunststätte selbst in die Natur verlegt, in den Schatten eines heiligen Haines. Die in die Felsenhänge des Hexentanzplatzes gesprengte Naturbühne liegt in der Nähe einer germanischen Opferstätte, wie ein Herkenkreuz beweist, den Hintergrund bilden die lachenden Auen mit den geschichtlich bekannten Städten Quedlinburg (Finkenherd, Heinrich I. und Dom), Halberstadt und Magdeburg. Durch den grossartigen Landschaftshintergrund, der jede Kulisse verbannt, scheint die Verwandlungsfähigkeit der Bühne beschränkt. In Wirklichkeit ist dies nicht der Fall. Wenige Versatzstücke - Kreuz, Turm, Haus, Statuettebewirken für die Phantasie des Zuschauers eine Veränderung | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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des Schauplatzes. Was in einem Hause sich abspielen soll, wird vor das Haus verlegt. Der Idee der Landschaftsbühne, eine Weihestätte zu sein, entspricht allerdings die Einheit des Schauplatzes mehr. Wie man ein Geschichtsgemälde nur in der Hauptsituation darstellt, so soll man auf der Bühne, die viel Verwandtes mit dem Gemälde hat, eine Fabel auch nur durch die entscheidende Katastrophe darstellen. (v. Kralik, Kunstbüchlein.) Die Einheit der Handlung könnte für die Dauer ermüdend auf den Zuschauer wirken. Um dies zu verhüten, greift der Dichter zu einem Reigenchor mit Gesang und Tanz. Die Form des Landschaftsdramas entspricht also in vielen Beziehungen dem griechischen Drama. Der gehobenen Stimmung des Zuschauers im Zauber des Naturhaines entspricht auch eine gehobene Sprache. Der deutschen Sprache eignet sich am besten die ungereimte vier mal gehobene Langzeile; aber dem Wechsel der Stimmung angepasst erscheint auch als Einflechtung einmal der Stabreim der Edda. Die Ziele der Landschaftsbühne sind schon dargelegt; wie sie sich in dramatischer Hinsicht verwirklichen, das werden, nach dem glücklichen Anfang mit Ernst Wachler's ‘Walpurgis’ im vorigen Jahre, die mannigfaltigen Uraufführungen dieses Sommers zeigen. Von 130 eingereichten Werken sind 8 als für die Zwecke des Landschaftstheaters geeignet ausgewählt worden. Dazu treten vier klassische Aufführungen. (‘Die erste Walpurgisnacht,’ Scene von Goethe, Musik von Felix Mendelsohn-Bartholdy; Shakespeares ‘Mittsommernachtstraum,’ Musik von Mendelsohn-Bartholdy; Schillers Rütliscene aus ‘Wilhelm Tell’ und Schillers ‘Wallensteins Lager’). Die Wahl der klassischen Werke ist besonders zu begrüssen, weil durch ihre Aufführung der Vorwurf widerlegt wird, es seien die klassischen Werke in dem Landschaftstheater überhaupt unaufführbar. Was Ernst | |||||||||||||||||||||||||||||||||
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Wachler im Idunataschenbuch bezl. der Einheitlichkeit des Spielplanes forderte, ‘der Spielplan soll ein geschlossenes Bild geben; seine einzelnen Teile müssen einander ergänzen und erläutern,’ das ist durch den diesjährigen Spielplan erfüllt. Die ganzen dramatischen Werke zerfallen in 3 Cyklen:
Die Spielzeit selbst ist dem Sonnenuntergang angepasst; ein Teil der Werke beginnt vor Sonnenuntergang und endet mit der hereinbrechenden Abendröte; andere Werke spielen nach hereingebrochener Dunkelheit; vom Feuerfelsen hernieder wallt dann die rote Lohe über die im Dämerungsschweigen ruhenden Wälder. Die Vögel schweigen, stumme Andacht senkt sich nieder in die vom Heldensang bewegten Herzen; ein Zittern durchweht den heiligen Hain, das Zittern der Geister, die neu erwachen, um eine alte, dem Fremden feindliche, dem Eigenen holde Welt neu zu erschaffen. |
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