Germania. Jaargang 6

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‘Neue Reproduktionen alter niederländischer Malerei’
von S.B. v. Maarssen (Frankfurt) a/M

Niemals zuvor hat der Kunstmarkt soviele Reproduktionen alter Meister gebracht als gerade in letzter Zeit, die dann meistens mit dem Vermerke ‘einem dringenden Bedürfnis abzuhelfen’ oder ‘das Volk mit der Kunst unserer alten Meister vertraut zu machen’ und es ‘zur Kunst heranzubilden’ herausgegeben werden. Ob der Kunst damit wirklich gedient ist, kann ich hier nicht ausführlich entscheiden, ich habe dies an anderer Stelle schon einmal auseinandergesetzt, sondern ich will nur eine kritische Ubersicht einiger der bedeutendsten Erscheinungen ihres Genres geben. Nach wie vor halte ich es jedoch für besser, lieber eine gute Reproduktion zu erwerben als vier Nachbildungen in geringerer Ausführung, denn gerade in künstlerischen Sachen ist Qualität nie Quantität massgebend; kann uns schon eine Reproduktion niemals den Eindruck wiedergeben, welchen wir von dem Origlnal empfangen, eine schlechte Nachbildung ist direct schädlich für den ästhetischen Geschmack und für das Verständnis der klassischen Malerei. Die niederländischen, wie überhaupt die germanischen Maler, die wegen ihrer Eigenart noch besonderer Umsicht bei der Nachbildung bedürfen, haben den grössten Nachteil davon auch schon deshalb, weil sie bei Gesamtausgaben, stets in hervorragendem Masse vertreten sind.

Vor allen anderen Verfahren, die zur Nachbildung angewandt werden ist eine gute Radierung das beste Mittel uns die Eigenart eines Künstlers zu zeigen und daher allen anderen vorzuziehen. Wir erkennen sogleich den Unterschied, wenn wir eine Radierung neben einer nach einem anderen, sogar Kupferdruckverfahren

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hergestellten Reproduktion liegen sehen. Wir bemerken sofort, dass hier eine Künstlerhand mitgeholfen hat; das Leblose, maschinenmässige ist auf ein Minimum beschränkt. Vor mir liegen 10 Kunstblätter (Hals, v/d Neer, Rembrandt, Ostade, Ruisdael u.e.a.) aus der 100 Blätter zählenden Sammlung ‘Hausschatz älterer Kunst’ (Verlag für vervielfältigende Kunst Wien) die wohl als die besten mir z. Zt bekannten neueren Nachbildungen gelten können. Hier wo die Maschine oft versagt, leistet die nachschaffende Hand eines Künstlers oft Hervorragendes. Wo finden wir eine solch schöne Nachbildung von Vliegers ‘Schlösschen an der Maas’ als Hecht sie uns zeigt; wir wähnen die sich zusammenziehenden Wolken im Original zu betrachten, oder ‘v/d Veldes Stiller See’ in einer Radierung von Holzapel; wir empfinden fast dieselbe Stimmung die uns das Original geben kann; und dies ist wohl das höchste Ziel, welches eine Reproduktion zu erreichen sucht. Ganz vortrefflich hat Kühn einen der bedeutendsten Rembrandtschen Studienköpfe ‘Der Kopf eines Greises’ wiedergegeben; bis in den kleinsten Details ist Rembrandts Eigenart gewahrt. Der bezaubernde Reiz Ruijsdaelscher Landschaften, der besonders seiner ‘Kapelle in den Bergen’ anhaftet, ist Randner vollauf gefecht geworden. Eines der schönsten Bilder dieser Sammlung ist die Reproduktion von v/d. Neers ‘Dorfbrand bei Mondschein’ Der Mond, der zwischen den Wolken und Rauchsäulen, hervorbricht, einige Gestalten beleuchtend, die bemüht sind ihre winzige Habe auf einem Kahn in Sicherheit zu bringen; daneben die händeringenden Bewohner des Dorfes, die das Ihrige vom Feuer angegriffen sehen und ratlos umherlaufen, ist dem Originale von Unger in vollkommenster Weise nachgebildet. Weniger gut sind Potters ‘Jägers Rast’ von Krauskopf und Hals: ‘Männliches Bildnis’ von Rajon gelungen. Allerdings kommen ja die Originale in diesem Falle den Radierern wenig

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entgegen. Nichts destoweniger dürfen wir aus den vorliegenden Bildern schliessen, dass das Werk von ganz bedeutendem künstlerischem Werte ist. Dasselbe kann man von einem grösseren von Unger radierten Bilde Rembrandts, seine so oft gemalte ‘Siskia’ behaupten, in gleichem Verlage erschienen; eine der schönsten Radierungen von Siskias Bildnis, die mir überhaupt zu Gesicht gekommen sind; die Anerkennung, die wir dem Originale zollen, dürfen wir auch ruhig der Nachbildung zuwenden.

Von den durch ‘Verfahren’ hergestellten Reproduktionen stehen an erster Stelle, die Kupferdrücke. Hier habe ich auf 2 Ausgaben hinzuweisen, die beide volle Beachtung verdienen. Vorerst ‘Meisterwerke der Malerei’ von Bode und Knapp (Verlag Rich. Bong Berlin). Von dieser Ausgabe behauptet Bode, ‘dass sie den Mezzotintos der englischen Stecher des 18^ten Jahrhunderts ganz nahe kommen’. Hält man die Bilder auf einige Entfernung oder unter Glas, dann kann man ihm nicht nur beipflichten, sondern kann sogar behaupten, dass sie von einem Laien überhaupt nicht, von einem Kenner nur schwer zu unterscheiden sind; aber nur bei einer gewissen Entfernung! Bei genauer Betrachtung ist der Unterschied ganz bedeutend, es wäre dann ja auch nicht möglich (falls wir es überhaupt fertig bringen würden die englischen Stiche zu erreichen) die Bilder zu einem solchen Preise zu liefern (Pro Heft 3 Bilder Mk. 3). Gleichfalls nach einem neuen Kupferdruckverfahren hergestellt ist die Sammlung ‘Perlen der Malerei’, (Berliner Verlag Berlin) ein etwas anspruchsvoller Titel, der jedoch sowohl in der Auswahl als Herstellung der Reproduktionen durchaus zutreffend ist. Aus einigen mir zugänglichen Blättern gewann ich den besten Eindruck; der weiche, zarte Ton, der jedem dieser Blätter anhaftet, lässt uns hie und da wirklich einen englischen Stich vermuten.

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Es reihen sich hieran die Bromsilber Uebertragungen der ‘Neuen Photographischen Gesellschaft A.G. Berlin Steglitz.’ Es ist ganz klar, dass in dieser sehr grossen Kollection nicht jedes Bild vollendet sein kann. Thuldens ‘Musik und Liebe’ und eine Landschaft von Ruysdael (n^o 12154) sind, um überhaupt nur einige zu erwähnen, wirklich vollendet in dieser Nachbildungsart.

Wir vermissen hier die farbigen Kupferdrücke. Dass es möglich ist auf diesem Verfahren Grosses zu leisten, davon zeugt ein mir zu Gesicht gekommenes Bild von Kaparides ‘Herbstabend.’ Eine einfache Landschaft, ein stiller Weiher, ein paar Bäume auf den sich zu beiden Seiten erstreckenden Wiesen, worauf bereits einige gelbe Blätter zerstreut sind. Und dochversetzt es uns in eine Stimmung die den Winter bereits ahnen lässt. Wie gesagt, die Ausführung dieses Bildes lässt vermuten, dass etwas hervorragendes entstehen würde.

In farbiger Nachbildung liegen z. Zt nur die Dreifarbendrucke vor. Wenn diese Technik sich auch eher für Aquarelle und moderne Bilder eignet, erinnern wir nur an die in dem Verlage E.A. Seemann Leipzig erscheinenden ‘Hundert Meister der Gegenwart’, wo auch die Sammlung ‘Die Malerei’ erscheint. Ein Vergleich dieser beiden Ausgaben ergibt die Richtigkeit meiner Behauptung. Diese Ausgabe, sowie die des Verlages A. Schumann Leipzig (klassische Kunst) wirkt aus der Ferne und momentan recht schön, aber bald wirken bei näherer Betrachtung die Netzätzungen störend ein.

Ebenfalls Netzätzungen sind die ‘Meisterbilder’ des ‘Kunstwart’; sie vermögen nur auf grosser Entfernung einigermassen zu wirken und dann können wir uns auch ungefähr ein Bild von dem reproduzierten Kunstwerk machen; mehr werden die Bilder wohl nicht bezwecken bei dem Preise von 25 Pf. pro Blatt.

Höhere Anforderungen scheint der Verlag ‘Fischer und Franke

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(Düsseldorf) an seine zumselben Preise erhältlichen “Hauptblätter graphischer Kunst” zu stellen. Einige Blätter z.B. Rembrandts Bettler und Tod der Maria’ sind schön ausgeführt; allerdings kommen Radierungen diesem Verfahren sehr entgegen.

Wie wir aus Obigem ersehen, hat die niederländische Malerei den Stand in der Reproduktion eingenommen, wozu ihre Bedeutung sie berechtigte. Lange hat sie nach der Glanzperiode nichts Hervorragendes geleistet, doch wenn nicht alles trügt, ist die Zeit nicht mehr ferne, wo die niederländische Malerei wieder mit früherem Glanz erstrahlt.