| |
| |
| |
Der Sang von Elegast
Ein karlingisches Heldenlied
Aus dem Mittelniederländischen von Friedrich Norden (Brüssel).
Fortsetzung
Viertes Abenteuer
Beide waren einverstanden,
Dort selbander hin zu reiten,
Um des Eckrich Schatz zu rauben.
Keinen Augenblick indessen
Fiel der König aus der Rolle;
Denn als sie in sachtem Trabe
Und dabei im Mondenscheine
Einen Pflug dort stehen fanden,
Stieg er rasch von seinem Pferde,
Während Elegast gemächlich
Auf dem Wege ihm vorausritt,
Den er eingeschlagen hatte.
Karl nahm in die Hand das Eisen,
Welches er am Pflug gefunden,
Und sprach so in seinem Herzen:
‘Das passt gut zu unserm Werke!
Wer in Burgen Gold will graben,
Muss mit allem sich versehen,
Was ihm nützlich werden könnte.’
Hurtig sass dann auf er wieder,
Gab dem Rosse fest die Sporen
Und ritt Elegast, der etwas
Schon voraus war, nach im Trabe.
Lauschet meinen Worten jetzo!
Denn Ihr werdet Wunder hören.
Als sie vor die Feste kamen,
('s war die schönste und die beste,
Die nur irgend stand am Rheine),
Da sprach Elegast zum König:
‘Hier ist die bewusste Stelle.
Sagt mir, Adelbrecht, was könnten
Beide jetzt am besten machen?
Ich möcht' Eurem Rate folgen;
Denn es würde mich verdriessen,
Wenn Ihr Schaden hier erführet,
Und hernach man sagen könnte:
‘Nur durch Elegast kam alles.’
‘Niemals kam ich, dass ich wüsste
In den Saal und in den Burghof.
Böse könnt' es mir ergehen,
Wenn zuerst hinein ich sollte.’
‘'s ist mir recht,’ sprach da der Schwarze.
‘Ob Ihr ein gewandter Dieb seid,
Werd' ich, ja in Bälde sehen.
Ich schlag' vor, dass in die Mauer
Schnell ein Loch wir beide brechen
Und dadurch hinein dann kriechen.’
Beide billigten den Vorschlag,
Banden fest die flincken Rosse
Und begaben sich dann lautlos
| |
| |
Und behutsam zu der Mauer.
Dort zog Elegast ein Eisen
Vor, mit dem er eine Stelle
In dem Wall zertrümmern wollte.
Als der König dies bemerkte,
Fing er auch an, seine Pflugschar
Von dem Pfluge loszulösen.
Und er fragte: ‘Mann, wo habt Ihr
Denn das Ding da machen lassen?
Wenn zum Hause des Verfertgers
Ich gelangen könnte, liesse
Ich mir auch so etwas machen!
Wahrlich, nie noch sah ich jemand
Sich zum Sprengen einer Mauer
Eines solchen Zeugs bedienen!’
‘Das,’ erwiderte der König,
‘Kann wohl sein. Ja, vor drei Tagen,
Als den Rhein auf einem Raubzug
Rasch ich kam entlang geritten,
Musste ich mein Eisen lassen.
's ist mir auf dem Weg entfallen.
Man verfolgte mich. Ich durfte
Nicht zurück; die Schande drohte.
So verlor ich denn mein Eisen.
Dies fand ich an einem Pfluge
Eben in dem Mondenscheine,
Und da hab' ich's aufgehoben.’
‘Gut genug ist 's,’ sprach der andre,
‘Wenn damit hinein wir kommen.
Später schafft Ihr Euch ein andres.’
Nun verstummten ihre Reden,
Und das Loch war bald gegraben.
Besser als dem König passte
Elegast die harte Arbeit.
War der König gross und stark auch,
So verstand er sich doch wenig
Auf ein Werk von diesem Schlage.
Als das Loch sie durch die Mauer
Ganz hindurch gegraben hatten
Und hinein jetzt gehen sollten,
Da sprach Elegast: ‘Ihr werdet,
Was ich bringen werde, draussen
Hier von mir entgegen nehmen.’
Denn er wollte es nicht dulden,
Dass der König mit hineinkam.
Ihm war bang vor einem Fehlschlag,
Weil sein Freund ihm nicht den Eindruck
Eines schlauen Räubers machte;
Und doch wollte seine Beute
Schlecht und recht er mit ihm teilen.
Also blieb der König draussen,
Während Elegast hineinkroch.
Manche Künste, die an manchen
Orten schon erprobt er hatte,
So auch pflückte er ein Kräutlein
Sich jetzt ab aus einem Fasse,
Welches in der Nähe dastand,
Und verbarg's in seinem Munde.
Wer ein solches Kräutlein hatte,
Der vermochte zu verstehen,
Was die Hähne krähend sagen
Und auch was die Hunde bellen.
Da vernahm er, wie der Haushahn
Und ein Hund in ihrer Sprache
Sagten, dass der König draussen
Vor dem Hofe sich befände.
‘Was’, rief Elegast betroffen,
‘Soll denn plötzlich das bedeuten?
König Karl soll draussen stehen?
Ach, mir ahnt, es nahet Unheil!’
Drum ging rasch er zu der Stelle,
Wo den König er gelassen,
Und erzählte ihm, was eben -
Wenn ihn sein Verstand nicht täuschte,-
Er gehört, wie Hahn und Hofhund
Just in ihrer Sprache sagten,
König Karl sei in der Nähe;
| |
| |
Doch wie nah' er sich befände,
Wüssten sie nicht anzugeben.
Da sprach Karl, der edle Recke:
‘Wer hat Euch denn das verkündet?
Wass sollt' hier der König treiben?
Glaubt Ihr jenem Hahngekrähe
Und dem Kläffen eines Hundes,
Dann ruht wahrlich Eurer Glauben
Nicht auf einem festen Grunde!’
‘Euer Glauben ist nicht sicher,
Hört einmal gefälligst selber!’
Sprach da Elegast und steckte
In den Mund dabei dem König
Rasch ein Kräutlein, das da sprosste.
‘Jetzt,’ sprach er, ‘versteht Ihr selber,
Was soeben ich vernommen.’
Wieder krähte nun der Haushahn
Und rief wieder wie vorher schon:
‘König Karl ist in der Nähe!’
Elegast sprach nun: ‘So hört doch,
Was der Hahn da kräht, Geselle!
Hangen will ich an dem Halse,
Wenn der König in der Nähe
Hier sich nicht befinden sollte.’
‘Pfui, Gesell!’ versetzte Karl ihm,
‘Habt Ihr Angst? Ich glaubte wirklich,
Dass Ihr etwas kühner wäret.
Tut jetzt ruhig Eure Sache
Oder lasst uns beide gehen.’
‘Nein, ich will es doch versuchen,
Wenn man uns auch packen sollte,’
Gab ihm Elegast zur Antwort.
‘Wollen sehen, was, Geselle,
Ihr dabei gewinnen werdet!..
Und gesetzt, man fing'uns beide,
Würdet rasch Ihr den Verfolgern
Wohl so gut wie ich entkommen.’
Drauf verlangte er sein Kräutlein
Wieder, und der König suchte
Hin und her in seinem Munde;
Doch er hatte es verloren
Und vermocht'es nicht zu finden.
‘Was ist mir denn nur geschehen?’
Fragte er, ‘mich will bedünken,
Dass mein Kräutlein ich verloren,
Welches zwischen meinen Zähnen
Ich doch noch soeben spürte.
Das verdriesst mich doch wahrhaftig!’
Elegast versetzte lachend:
‘Ihr seid mir ein rechter Räuber!
Wie nur kommt's, dass Euch, Geselle,
Man nicht alle Male abfasst,
Wenn Ihr auf das Rauben auszieht?
Wahrlich, 's ist ein grosses Wunder,
Dass Ihr lebt und noch nicht tot seid!’
‘Freund,’ fuhr fort er offenherzig,
‘Ich hab' Euch das Kraut entwendet!
Ihr versteht Euch nicht aufs Stehlen.’
‘Du hast wahrlich wahr gesprochen,’
Musste da der König denken.
Nun verstummten ihre Reden,
Und Herr Elegast befahl sich
Allzumal dem Schutze Gottes.
Nicht ganz frei war er von Sorgen,
Ob er in geheimen Künsten
Sich auch wohl erfahren wusste.
Mit den Künsten nun versenkte
Er in tiefen Schlummer alle,
Die sich in dem Schloss befanden,
Oeffnete darauf die Schlösser,
All die kleinen und die grossen,
Die man sonst mit Schlüsseln aufschloss,
Und begab sich zu dem Orte,
Wo den Schatz er ruhen wusste,
Ohne dass ihn irgend jemand
| |
| |
Und dann holt' und schleppte so viel
Er herbei, als ihm beliebte....
Heim wollt' nun der König reiten,
Noch zu warten; einen Sattel
Wolle er für sich noch holen,
Der in dem Gemache stände
In dem Eckerich und seine
Gattin ihrer Ruhe pflegten.
Denn es sei der schönste Sattel,
Niemand lebe hier auf Erden,
Der die Pracht des Sattelzeuges
Einem gut beschreiben könne.
Wahrlich! schon am Vorderbuge
Wäre weit genug zu preisen.
Denn da hängen hundert Schellen,
Die in rotem Goldesglanze
Glitzerten und hell ertönten,
Wenn Herr Eckerich daraufritt.
‘Drum,’ so fuhr er fort, ‘Geselle,
Sei so gut und wart' ein wenig,
Seinen Sattel will ich stehlen
Sollt' ich auch am Halse hangen!’
Sehr misshagte das dem König.
Lieber hätt' er dieses Sattels
Sich begeben, als dass jener
Wieder in das Innre schliche...
Als nun Elegast am Sattel,
Von dem eben ich gesprochen,
War und weg ihn tragen wollte,
Gaben solchen Klang die Schellen,
Dass aus seinem Schlafe Eckrich
Aufsprang allsogleich und ausrief:
‘Wer ist da an meincm Sattel?’
Und er wollte schon das Schwert ziehn,
Doch ihm wehrte seine Gattin,
Welche sich bekreuzend, fragte,
Was ihm denn die Ruhe raube,
Ob mit ihrem bösen Zauber
Elfen ihn ungarnen wollten.
Schwert und Scheide nahm sie an sich
Und sprach laut: ‘Es kann ja niemand
Sich hereingeschlichen haben,
's ist was andres, was Dich peinigt.’
Und sie bat ihn und beschwor ihn,
Ihr, was ihn so sehr bedrückte,
Doch zu sagen und, warum denn
(Wohl hätt' sie es wahrgenommen,)
Er bereits drei ganze Nächte
Nicht geschlafen und drei Tage
Nichts zu sich genommen habe.
So sucht' sie ihn auszuforschen.
Mannigfach sind ja die Listen
Und die Kniffe aller Frauen,
Mögen jung sie oder alt sein...
Und sie quälte ihn solange,
Bis er zu erzählen anfing:
Ihrem Bruder Karl, dem König,
Habe er den Tod geschworen.
Die Gefährten, die den Anschlag
Morgen mit vollbringen sollten,
Würden alle bald erscheinen;
Und er nannte ihr mit Namen,
Wie sie hiessen, wer sie waren,
Die den König treffen sollten.
Elegast vernahm das alles,
Prägt' es ein in sein Gedächtnis
Und beschloss in seinem Herzen,
An das Tageslicht zu bringen,
Als er hörte, wie die Gattin
Ihrem Mann darauf versetzte:
‘Ha! Es wäre mir viel lieber,
Dass man Euch am Halse aufhing,
Als dass dies ich dulden müsste.’
Kaum war ihr das Wort entfahren,
Als ihr Eckrich in das Antlitz
Einen solchen Schlag versetzte,
Dass sogleich aus Mund und Nase
Ihr das rote Blut hervorbrach.
| |
| |
Wimmernd richtete das Weib sich
Auf im Bett und streckte zitternd
Ihren Kopf heraus zum Bettrand.
Da kroch Elegast, der alles
Wahrgenommen, fein behutsam
Hin und fing das Blut des Weibes
Auf in seinem rechten Handschuh,
Der 's dem König bringen sollte,
Damit der auf seiner Hut sei.
Denn sprach er ein Zaubersprüchlein,
Mit dem er in tiefen Schlummer
Eckrich und sein Weib versenkte;
Gleich entschlummerten die beiden:
Mit so vielem guten Glauben
Hatte er den Spruch geflüstert!
Nun stahl er ihm seinen Sattel
Und sein Schwert, nach denen beiden
Es ihn schon gelüstet hatte,
Und schlich dann heraus sich wieder
Aus der Burg und aus dem Hofe
Zu dem Pferd und zu dem König,
Welchem längst schon der Gedanke
An die Schätze, die der andre
Ihm herbeigetragen hatte,
Felsenschwer das Herz bedrückte.
Wenn's nach ihm gegangen wäre,
Wär' er längst schon fortgeritten.
So besorgt war ihm zu Mute,
Und er fragte scheu den andern,
Wo so lang' gesäumt er habe.
‘'s war nicht meine Schuld, Geselle’,
War die Antwort. ‘Ach! bei allem,
Was da lebt durch Gottes Gnade,
Wenn, Gesell', nicht jetzt mein Herze
Unter der Gewalt des Grimmes,
Den ich in mir kochen fühle,
Bricht, dann wird von keinem Zorne
Oder Leid der Welt es brechen;
Dessen bin ich heute sicher!
Solcher Grimm brennt mir im Herzen!
Sieh das Reitzeug hier, Geselle,’
Fuhr er fort, ‘von dem ich eben
Dir gesprochen. Nimmer gab es
Ein so gutes und so schönes
Unter Gottes weitem Himmel. -
Hör'! ich schleiche jetzt zurück mich,
Eckrichs Haupt herabzuschlagen
Oder ihn ins Herz zu treffen
Mit dem Dolch, so lang' der Schurke
Noch bei seiner Gattrin schlummert.
Denn um alle goldnen Schätze,
Die sich auf der Welt befinden,
Geb' ich das nicht zu, Geselle!
Schnellstens bin bei Dir ich wieder.’
Da beschwor ihn Karl und bat ihn,
Ruhig ihm doch mitzuteilen,
Was bei ihm mit einem Male
Solche Wut hervorgerufen.
‘Unversehrt seid Ihr geblieben,
Habt an Gold ja tausend Pfunde
Und noch obendrein den Sattel,
Um den Ihr doch hingegangen?!’
‘Ach!’ erwiderte ihm jener,
‘Ganz 'was anderes ja ist es,
Was mein Herz so arg bedrücket
Und den Sinn mit Trauer anfüllt:
Meinen Herrn hab' ich verloren!
Stets hatt' ich bislang noch Aussicht,
Wieder in Besitz der Habe,
Die ich hatte, zu gelangen
Und die Armut abzuwerfen,
Und ich war noch guter Hoffnung.
Alles dies hab' ich verloren!
Denn mein Herr muss morgen sterben,
Morgen früh bei Tagesanbruch!
Und auch wie will ich Euch sagen:
Eckrich ist es, Herzog Eckrich,
Der den Tod ihm zugeschworen!’
Jetzt erkannte Karl, dass Gott nur
Aus auf Raub gesandt ihn hatte,
| |
| |
Um ihn vor dem Tod zu schützen,
Und er dankte voller Demut
Still dafür dem Herrn des Himmels;
‘Sagt, wie würdet Ihr Euch retten?
Wenn Ihr an der Gattin Seite
Ihn mit Eurem Dolche tötet,
Wird die Burg in Sturm geraten
Und, wenn Euch in diesem Falle
Nicht besondres Glück begünstigt,
Würdet 's teuer Ihr bezahlen
Und mit Eurem Leben büssen.
Wollt Ihr denn in solche Fährnis
Stürzen Euch? Verstirbt der König,
Nun so ist er tot 'mal eben.
Weiter kann man nichts da sagen;
Und was Euren Kummer angeht,
Davon werdet Ihr genesen!’
Teils um Elegast zu prüfen,
Teils aus einem andren Grunde:
Schlecht behagte ihm das Warten,
Und er wäre gern gegangen.
‘Nein,’ rief Elegast, ‘bei allem,
Wass der Herr zum Leben weckte!
Wäret Ihr nicht mein Gefährte,
Blieb' es jetzt nicht ungeahndet,
Dass Ihr mit so schnöden Worten
König Karl so nah getreten,
Meinem Herren, ihm, der aller
Ehren würdig ist auf Erden.
Bei dem Gott, der mich erschaffen!
Meinen Plan vollführ' ich dennoch!
Meinen Ingrimm will ich rächen
An den hundsgemeinen Schurken,
Die des Königs Tod geschworen,
Eh' ich diese Burg verlasse,
Soll's sich nun für mich zum Guten
Oder auch zum Bösen wenden!’
Schweigend dachte da der König:
‘Dieser ist mein Freund, wenn auch ich
Nicht um ihn verdient es habe.
Wenn ich heut am Leben bleibe,
Will ich gut es wieder machen;
All sein Elend soll verschwinden.
Nein, mein Freund,’ fügt' laut hinzu er,
‘Lasst! Ich zeige Euch, wie besser
Ihr den Herrn von Eckermünde
In die Falle locken werdet:
Reitet in der Morgenstunde
Hin zu Karl, wo Ihr ihn findet,
Und enthüllt ihm diese Untat,
Den verräterischen Anschlag
Auf sein hochgeweihtes Leben.
Hört der König Eure Botschaft,
Wird er sich mit Euch versöhnen,
Euer Lohn wird nicht gering sein.
Jeden Tag, den Gott Euch schenket,
Werdet Ihr dann wie ein Bruder
Stets an seiner Seite reiten,
Und er wird Euch nicht mehr zürnen.’
Elegast gab ihm zur Antwort:
‘Was mir auch geschehen sollte -
Vor den König komm' ich nimmer.
Denn er grollt mir viel zu heftig,
Weil ich einst von seinen Schätzen
Ihm so viel gestohlen habe,
Dass zwei Rosse kaum es trugen.
Nicht bei Nacht und nicht bei Tage
Komme ihm ich vor die Augen.
Was Ihr auch dagegen vorbingt,
Ist ja doch verlorne Mühe.’
‘Soll ich sagen, was Ihr thun müsst?’
Sprach da Karl, der edle Recke.
‘Reitet fort zu Eurem Schlupfloch
In den Wald, wo die Genossen
Ihr zurück gelassen hattet.
Höret jetzt, was ich Euch sage!
Nehmt hier unsre Beute mit Euch
Und behaltet sie bis morgen,
| |
| |
Unter uns verteilen werden.
Ich will selbst zum König reiten,
Wo ich ihn zu finden denke,
Und will Bote Eurer Nachricht
Bei ihm sein; es wäre leid mir,
Wenn man ihn ermorden würde.’
Mit den Worten schieden beide...
| |
Fünftes Abenteuer
Elegast begab sich wieder
In den Wald zu seinen Leuten,
Wo er sie gelassen hatte,
Und auch Karl, der edle Recke,
Ritt nach Ingelheim dem Schloss zu.
Sein Gemüt war tief bekümmert,
Weil gerade der Mann, welcher,
Wenn es nach dem Rechten ginge,
Ihm in allem helfen musste,
Schmählich ihn verraten wollte...
Offen stand das Tor noch immer
Und noch schliefen alle Leute.
Karl band fest sein Ross im Stalle
Und ging nach dem Schlafgemache,
Ehe man es sah und hörte,
Und kaum hatte er die Waffen
Abgelegt, als schon der Wächter
Auf der hohen Zinne dastand
Mit dem Hifthorn und den Tag blies,
Der im aller Pracht heraufstieg.
Da erwachte mancher Recke,
Dem der Herr den Schlaf gesendet,
Als auf Raub der König auszog; -
Und das hatte sich für ihn ja
Nur zum Gutem nun gewendet.
Jetzt liess König Karl in Eile
Durch den Mund der Kämmerlinge
Und gab kund ihm und zu wissen,
Wie's mit ihm beschaffen wäre.
Insbesonders sei zu Ohren
Ihm gekommen, dass der Herzog
Ihm den Tod geschworen habe
Und auch bald erscheinen würde
Mit der ganzen Macht des Landes,
Um ihn meuchlings voller Tücke
Seines Lebens zu berauben.
Aus dem Grunde möchten alle
Ihm mit ihrem Rate helfen,
Dass er seiner Königsehre
Und sie ihres rechten Herren
Heute nicht verlustig gingen.
Da begann der Bayernherzog:
‘Mögen nur heran sie kommen!
Fertig werden uns sie finden:
Manchen soll's das Leben kosten!
Guten Rat will Euch ich geben:
Es sind viele starke Recken
Hier aus Valois und Frankreich,
Viele Ritter auch und Knappen,
Die mit Euch ins Land gekommen.
Lasst sie alle sich bewaffnen
Und sich in den Burgsaal stellen
Und Du, König, stellst gewaffnet
Selber Dich in ihre Mitte.
Wenn Euch einer Böses tun will,
Werden wir 's ihm schon verwehren.
Bis hinab zu seinen Sporen
Soll das rote Blut ihm laufen,
| |
| |
Eckerich am allerersten!’
Karl gefiel der Rat, und alle
Waren mit ihm einer Meinung.
Alle Mannen, klein' und grosse,
Die nur Waffen tragen konnten,
Wappneten sich unverzüglich.
Man erwartete, bei Eckrich
Schweren Widerstand zu finden.
Denn von grosser Macht war Eckrich,
Und ihm wollten alle Herren,
Die rheinauf und- abwärts herrschten
An das Tor des Schlosses stellte
Man gewappnet und gepanzert
Sechzig von den besten Kriegern.
Als nun zu der Burg des Königs
Eckrichs Volk in grossen Scharen
Bald darauf heranmarschierte,
Oeffnete man weit die Tore
Und liess allesamt herein sie;
Und als sie im Schlosse waren,
Nahm man ihnen ihre Kleider
Und da fand auf ihrem Leibe
Man die blanken Kettenpanzer
Und die scharfgeschliffnen Dolche.
Offenkundig war die Untat!
Je nachdem nun an sie kamen,
Führte man sie ab gefangen,
Bis man alle festgenommen.
Mit der letzten Schar kam Eckrich
Angeritten, der den ganzen
Anschlag angestiftet hatte.
Als vom Pferde er gestiegen
Und zum Hofsaal gehen wollte,
Da verschloss man alle Tore,
Nahm ihn wie die andern alle
Dann gefangen und da fand man
Seine Glieder wohlgewaffnet,
Besser als bei allen andern.
Dann ward er ins Schloss geleitet
Vor den König, seinen Herrscher,
Und es mochte seine Seele
Tiefe Scham dabei beschleichen.
Vieles warf der König vor ihm,
Doch er wollte drauf nicht hören,
Leugnete die Tat und sagte:
‘Herr, geht doch mit Euch zu Rate!
Fügt Ihr unverdienterweise
Schmach mir zu, so werdet manchen
Eurer Freunde Ihr verlieren.
Ach, Ihr werdet selbst gewiss nicht
Wie auch keiner der Barone
Wohl die grosse Kühnheit haben,
Laut vor mir hier zu behaupten,
Dass ich Euch verraten habe;
Und, wenn 's dennoch einer wollte,
Nun, so werd' ich mit dem Schwerte
Und der Spitze meines Speres
Unschwer ihn zum Widerrufe
Seiner frechen Lüge bringen.
Komm' heran noch, wen's gelüstet!’
Als der König dieses hörte,
Ward er froh in seinem Herzen.
Boten sandte er auf Boten
In den Wald, um Elegast dort
Aufzusuchen und zur Stunde
In die Hofburg vorzuladen:
Und, bestände er den Zweikampf
Gegen Eckrich, den Verräter,
Wolle reich er ihn beschenken.
Hurtig taten da die Boten,
Wie der König es befohlen,
Machten gleich sich auf den Streifzug,
Bis Herrn Elegast sie fanden,
Was der König aufgetragen,
Und erweckten bei dem Ritter
Viele Freude mit der Botschaft.
| |
| |
Als die Nachricht er vernommen,
Da liess Elegast geschwinde
Seinen Rappen mit dem Sattel,
Welchen er entwendet hatte,
Schmücken und befahl, in Eile
Ihn zum König zu geleiten.
Dort woll' er die Untat Eckrichs
An das Licht der Sonne bringen
Und, so war ein Christ er wäre,
Schwöre er, wenn Gott, ihm heute
Würde er nichts andres wünschen,
Als für seinen rechten Herren
Und zur Wahrung seiner Ehre
Diesen Kampf bestehn zu dürfen;
Damit jagten sie von dannen.
Als nun in den Saal des Königs
Liess er also sich vernehmen:
‘Gott behüte Euch zusammen,
Euch, Herr König, und Euch alle,
Die sich hier im Saal befinden!
Aber Eckrich grüss' ich nimmer!
Gott, der einst um unsertwillen
Harten Kreuzestot erduldet,
Gott, der viel vermag, er zeige
Mit Marie, der süssen Jungfrau,
Dass am Galgen hangen müsse
Könnte Gott sich je versünd'gen,
Nun so sündigte darin er,
Dass dem Galgen bis zur Stunde
Herzog Eckerich entschlüpfte.
Denn der hat aus freien Stücken,
Ohne jede Not, geschworen,
Meinen Herren zu ermorden!’
Als dies Elegast gerufen,
Hätte Eckrich gerne Rache
Allsogleich an ihm genommen,
Doch er war jetzt völlig machtlos
Und so mancher, der noch immer
Freundschaft ihm gehalten hatte,
Trat zurück von seiner Seite.
Drauf erwiderte der König:
‘Seid an meinem Hof willkommen!
Jetzt beschwör' ich Euch bei allen,
Die nach einem sünd'gen Leben
Sich zu Gottes Dienst gewendet,
Uns den frevlerischen Anschlag
Eckrichs, den Ihr vor Euch sehet,
Zu beweisen und zu melden.
Lasst Euch niemandem zuliebe
Jetzt bestimmen, nicht in voller
Wahrheit ihn bekannt zu geben.’
Elegast versetzte: ‘Gerne.
Herr, ich will Euch nichts verhehlen.
Denn ich bin ja völlig sicher,
Dass Herr Eckerich geschworen,
Euch zu meucheln und zu morden.
Ja, aus seinem eignen Munde
Hab' ich seinen Plan vernommen,
Als er lag in seinem Bette
Und als seiner edlen Gattin,
Weil sie seine Tat verdammte,
Er so heftig ins Gesicht schlug,
Dass aus Nase, Mund und Zähnen
Ihr das rote Blut hervorbrach.
Wimmernd richtete sich jene
Auf im Bett und streckte zitternd
Ihren Kopf heraus zum Bettrand.
Herr, ich war dabei und sah es,
Unvernehmbar kroch hinzu ich
Und in meinem rechten Handschuh
Fing ich auf das Blut des Weibes.’
Bei dem Wort zog er den Handschuh
Mit dem Blut hervor und zeigte
Ihn dem König und den andern,
Welche ihn besehen wollten.
‘Wenn Herr Eckrich sich vermässe,
Diese Tat noch abzuleugnen,
Will ich, ehe noch die Sonne
| |
| |
Untergeht, ihn zum Bekenntnis
Der gemeinen Untat bringen
Oder selbst mein Leben lassen!’
Eckerich versetzte wütend:
‘Nein, nie wird mir solche Schande
Und solch Schimpf bereitet werden!
Keiner wird ja auch verlangen,
Dass ich Hals und Glieder wage
Gegen den verbannten Dieb da.
Eher würde dem es anstehn,
Nicht mit mir sich, sondern rohen
Bauernlümmeln auszukämpfen.’
‘Bin ich denn wie Ihr nicht Herzog?
War ich eine Zeit geächtet,
Nahm auch Karl mir meine Güter,
Weil er mir gewaltig grollte,
So hab' dennoch ich bis heute
Nie Verrat und Mord begangen.
Zwar hab' oft ich reichen Leuten
Viele Schätze abgenommen,
Doch ich tat's aus Not und Armut;
Aber Ihr dürft keinen Menschen
Auf der Welt, der Euch die Stirne
Bieten will, den Kampf verweigern.
Denn Ihr seid ein feiger Mörder!’
‘Meiner Treu! Ihr sprecht die Wahrheit.
Wenn nach wahrem Fug und Rechte
Gegen ihn ich handeln wollte,
Müsste ich von einem Knechte
Auf der Stelle fort ihn schleppen
Und am Halse henken lassen.’
Jetzo stand es ernstum Eckrich,
Und er dachte bei sich selber,
Dass, wie es mit ihm bestände,
Kämpfen besser sei als hangen.
Niemand war am ganzen Hofe,
Der für ihn gesprochen hätte.
So ward wenig nach der neunten
Tagesstunde nun der Zweikampf
Von den beiden angenommen.
Karl liess den Baronen kundtun,
Dass gewaffnet sie im Felde
Alle zu erscheinen hätten;
Denn es sei sein hoher Wille,
Dass der Zweikampf vor sich gehe.
Vorbereitet ward der Kampfplatz,
Und er betete zum Herren,
Diesen Kampf mit Fug zu schlichten.
Elegast mit dem Versprechen,
Wenn den Zweikampf er bestände
Und sein Leben er behielte,
Ihm als Gattin seine Schwester
Anzutrauen, die mit Eckrich,
Der den Tod ihm zugeschworen,
| |
Sechstes Abenteuer
Wenig vor der Vesperstunde
Ward das Feld, wo mancher Recke
Wohlgewaffnet Platz genommen,
Rasch mit Stricken eingefriedigt.
Elegast ritt als der Kläger
Nun als erster in die Schranken,
Stieg vom Pferd und kniete nieder
In dem Gras und sagte betend:
‘Heute komm' ich, um bei Deinem
Gott, um Gnade Dich für alle
| |
| |
Was ich übles tat, zu bitten.
Meine Sünden weiss ich alle.
Doch, o Gott, Du, dem in Deiner
Güte alles ja bekannt ist,
Just nicht heut an mir vergelten!
Bei den heiligen fünf Wunden,
Die um unsre Schlechtigkeiten
Du empfangen hast, behüte
Heute mich, dass ich nicht sterbe
Noch im Kampfe unterliege.
Denn sind es nicht meine Sünden,
Welche meinen Fall bewirken,
Hoffe ich gewiss, den Kampfplatz
Wohlbehalten zu verlassen.
O allmächtger Gott! ich flehe
Brünstig auf zu Deiner Gnade,
Dass sie Kraft mir gibt und Freude,
Und Dir, süsse Magd Maria,
Will ich immer treulich dienen.
Nie will ich in Wald und Wildnis
Fürderhin als Räuber streifen,
Wenn ich hier nicht heute sterbe!’
Als er sein Gebet beendet,
Segnete, wie sich's gehörte,
Mit der Rechten seine Rüstung,
Segnete sein Ross, das dastand,
Und bat Gott in tiefer Demut,
Dass es ihn mit Ehren tragen
Und ihn aus dem Kampfe wieder
Wohlbehalten bringen möchte.
Dann schwang er sich in den Sattel.
Hört nun zu! von grossem Streite
Werdet jetzt Ihr künden hören!
In die Hand und hing den Rundschild
Flugs sich an die rechte Seite.
Wohlgewaffnet und mit grosser
Kampfeslust kam jetzt auch Eckrich
In die Schranken eingeritten.
Wilder Grimm kocht' ihm im Herzen.
Ohne erst ein Kreuz zu schlagen
Oder Gott, den Herrn, zu bitten,
Gab dem Ross er fest die Sporen
Und ritt los auf seinen Gegner.
Doch der stürmte so gewaltig
Auf ihn ein, dass er Herrn Eckrichs
Lederkoller gleich durchbohrte,
Und der Herr von Eckermünde
Nieder auf das Feld vom Ross fiel.
Eckerich sprang auf vom Boden,
Griff nach seinem Schwerte, riss es
Aus der Scheide schnell und brüllte:
‘Jetzo sollt Ihr beide sterben,
Ihr sowie das Pferd! Es sei denn,
Dass Ihr auf der Stelle absteigt.
Leben bleiben darf das Ross dann.
's ist so gross und starkgegliedert.
Schade wär' es, schlüge tot ich 's.
Mancher würde es bedauern.
Rettet wenigstens dass Streitross,
Wenn Ihr selber Euer Leben
Nicht vermögt, vor mir zu retten.’
‘Wenn Ihr nicht zu Fusse wäret,’
Rief da Elegast, ‘so würde
Rasch den Streit ich wohl beenden.
Doch so will ich Euch nicht töten.
Ruhm will ich an Euch erwerben,
Sollt' es mir auch übel gehen.
Setzt Euch wieder auf den Klepper.
Lasst nach Ritterart uns fechten!
Wenn ich auch im Kampfe falle,
Zieh' ich vor, dass man von mir nur
Später rühmliches verkünde,
Als dass so ich tot Euch schlage.’
Leid war's König Karl, dass Ritter
| |
| |
Aber Eckrich säumte nimmer,
Fing rasch wieder auf sein Streitross
Und sass wieder schon im Sattel,
Als ihn Elegast noch ansprach.
Nun erhob sich da ein Ringen,
Das sich lang nach Vesper hinzog.
Niemand hat so grimmes Streiten
Wohl an einem Tag gesehen.
Furchtbar waren ihre Hiebe,
Und wie helles Feuer brannten
Ihre Helme von den Funken,
Welche flammend draus entsprühten.
Die den grimmen Kampf da kämpften.
Denn wenn Elegast vor Zeiten
Auch die Schmach getroffen hatte,
Seines Lands beraubt zu werden,
Blieb er Herzog doch wie früher.
Da rief aus der Frankenkönig:
‘Heilger Gott, so wahr allmächtig
Du hier bist, bring diesen Zweikampf
Und dies allzu lange Streiten
Doch noch Fug und Recht zu Ende!’
Elegast besass ein Schwert nun,
Das für jeden, der in Nöten
Schwebte, grössren Wert noch hatte,
Als sein vollgewicht in Goldstaub.
Ein Geschenk des Königs war es.
Das schwang Elegast nun kräftig
Und mit Hilfe des Allmächt'gen,
Unsres Herrn, und dank der Bitte,
Die der König ausgesprochen,
Schmetterte er jählings einen
Solchen Schlag, dass seinem Feinde
Er den grössten Teil des Schädels
Abschlug und ihn in das Gras warf.
Als der König dies erblickte,
Rief er aus: ‘Wahrhaft'ger Heiland
Der Du in dem Himmel waltest,
Füglich darf ich laut Dich preisen,
Der Du mich so oft begnadet!
Weise ist, wer Dir sich widmet.
Denn wer Gnade bei Dir suchet,
Dem erteilst Du Rat und Hilfe!’
Doch ich will die Märe enden.
Eckerich ward nun vom Platze
Weggeschleppt und an dem Galgen
Aufgehängt. Dann henkte auch man
Und es halfen keine Bitten,
Keine reichen Lösegelder.
Elegast verblieb in Ehren
Und er dankte Gott, dem Herren.
König Karl gab ihm zum Weibe
Eckrichs Gattin, und ihr ganzes
Leben blieben sie zusammen...
So mög' Gott, der Herr, zum Guten
Noch vor unsrem Tode wenden
Geb' uns dies der Himmelsvater;
Stets es also ihm gefalle!
Nun ruft Amen mit mir alle!
|
|