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Der sang von Elegast
Ein kärlingisches Heldenlied
Aus dem Mittelniederländischen von Friedrich Norden (Brüssel).
Vorbemerkung.
Um seines literarhistorischen und kulturgeschichtlichen Wertes wie um seiner inneren Vorzüge willen zählt das Epos von ‘Karel ende Elegast’ zu den interessantesten Denkmalen der niederländischen Dichtung. Die Einfachheit einer dennoch reichen Handlung, das ruhige Gleichmass im Fortschritt der Erzählung, die durch keine brüsken, unvorhergesehenen Uebergänge, wie sie die meisten Dichtungen des Mittelalters auszeichnen, unterbrochen wird, der kräftige epische Hauch, welcher das Gedicht durchweht, und nicht zum mindesten seine Kürze, die neben den chronikenartigen, langen poetischen Produkten derselben Zeit wohltuend berührt, muten noch heute nach sieben Jahrhunderten den modernen Leser an. Eine möglichst charaktertreue Nachdichtung in neuhochdeutscher Kunstform dürfte deshalb wohl als gerechtfertigt erscheinen. Langjähriger liebevoller Beschäftigung mit der schönen Dichtung entsprossen, strebte der vorliegende erstmalige Verdeutschungsversuch vor allem nach Lesbarkeit und fliessender, glatter, klarer Sprache. Er betrachtete es dabei als seine vornehmste Aufgabe, in dem unserer gegenwärtigen Epik geläufigsten Versmasse den Volkston und schlichten Charakter des alten Liedes mit seiner unverbrauchten Jugendkraft und naiven Bildlichkeit treulich zu wahren und festzuhalten. Hier sei nur noch erwähnt, dass die Bearbeitung ein Vorläufer und Teil einer grösseren Arbeit ist, welche sich die Aufgabe gestellt hat, die spruchreifen literarhistorischen Resultate der Elegastforschung zu verwerten, zusammenzufassen und
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zu erweitern, dass ihr bis auf einige Abweichungen E.T. Kuipers verdienstliche kritische Ausgabe des mittelniederländischen Urtextes (P.N. Van Kampen en Zoon, Amsterdam 1891) zu Grunde liegt und dass die Einteilung des Epos in sechs Abenteuer vom Uebersetzer herrührt.
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Erstes Abenteuer
Will Euch eine schöne Märe,
Die auch wahr ist, jetzt erzählen;
Einst zu Ingelheim am Rheine
Sich in später Abendstunde
Karl zur Ruhe just begeben.
Alles Land gehörte dort ihm,
Und als Kaiser und als König
Herrschte machtvoll er darüber....
Wunder sollt Ihr hier vernehmen
Und auch Wahres. Was dem König
Dort geschah - gar manche wissen
Wohl davon noch zu erzählen.
Er zu Ingelheim im Schlosse;
Denn er dacht', am nächsten Tage
In dem Schmuck der goldnen Krone
Hof zu halten, um nach seines
Ruhmes stolzen Glanz zu mehren.
Wie er nun so schlummernd dalag,
Rief ihn an ein heil' ger Engel
Und sprach also zu dem König,
Der dadurch vom Schlaf erwachte:
‘Stehe auf, du edler Recke,
Wirf die Kleider hurtig um Dir,
Waffne Dich und zieh auf Raub aus
Sonst verlierst Du Leib und Ehre.
Gott, der Herr des Himmels, sandte
Mich zu dir mit dem Geheisse.
Wenn Du heute Nacht zum Rauben
Und zum Stehlen Dich nicht aufmachst
Könnt' es übel Dir ergehen:
Sterben müsstest Du, Dein Leben
Würdest elend Du verlieren,
Eh' der Hof von hinnen scheidet.
Sei auf Deiner Hut jetzt also!
Fahre aus aufs Stehlen, nimm Dir
Deinen Speer und Deinen Rundschild,
Waffne Dich, schwing' unverzüglich
Dich aufs Ross und säume nimmer!’
Dieses Wort vernahm der König,
Doch da niemanden er wahrnahm,
Konnte er sich nicht erklären,
Was der Ruf bedeuten sollte.
Schliesslich meinte er, die Stimme
Bloss im Schlaf gehört zu haben,
Und bekümmerte sich weiter
Nicht darum. Allein der Engel,
Der von Gott die Botschaft brachte,
Hub nun an zu seinem Grame:
‘Karl, steh auf! zieh' aus aufs Stehlen;
Sonst verlierst Du Leib und Leben!
Ja, ich will es nicht verbergen:
Gott, der Herr, befiehlt es selber.’
Mit den Worten schwieg der Engel.
Da rief tief bestürzt der König:
‘Was bedeutet dieses Wunder?
Quält mit bösem Traum ein Alp mich,
Der die sonderbaren Dinge
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Mir erzählt? o Herr des Himmels!
Warum sollte ich zu stehlen
Und zu rauben nötig haben?
Bin ich doch so reich wie niemand
Auf der ganzen weiten Erde,
Wie kein Graf und wie kein König!
Denn auch noch so reich an Gütern,
Sind sie all' mir untergeben,
Müssen meinem Winke folgen.
Und so gross sind meine Lande!
Nie man ihresgleichen findet.
Alles Grundgebiet gehört mir
Bis nach Köln, der Stadt am Rheine,
Und bis fern nach Rom im Süden:
Alles, alles ist des Kaisers!
Ich bin Herr, mein Weib ist Herrin
Ostwärts bis zur wilden Donau,
Westwärts bis zum wilden Meere.
Dann noch hab' ich andre Güter,
So Galizien und auch Spanien,
Das mit eigner Hand ich einnahm
Und aus dem die Heiden alle
Ich vertrieb, so dass es mein ward.
Was brauch' ich da noch zu stehlen
Wie der ärmste aller Menschen?
Ach! warum schickt Gott die Botschaft?
Ich missachte ja nur ungern
Sein Gebot, und doch - wenn selber
Ich es mit Bestimmtheit wüsste
Dass dazu er auf mich fordert,
Würde ungern ich es bill'gen,
Dass er böses Tun begünstigt
Und mich lässt zum Diebe werden.’
Und sich stöhnend hin und her warf,
Wurde er aufs Neue schläfrig
Und schloss seine Augen wieder.
Da begann der Engel nochmals:
‘Wenn Du Gottes Wort missachtest,
König Karl, bist Du verloren;
An Dein Leben wird's Dir gehen.
Sei vernünftig!’ sprach der Bote
Aus dem Paradiese weiter,
Sei, o König, doch vernünftig!
Fahr' zum Stehlen aus und werde
Heut zum Dieb, wie Gott es fordert!’
Mit dem Wort entflog der Engel.
König Karl bekreuzte rasch sich
Ob des angehörten Wunders.
‘Das Gebot des Herrn,’ so sprach er,
‘Und sein Wort will unvollbracht ich
Nimmer lassen. Ja, zum Diebe
Will ich werden, ist 's auch Sünde,
Und sollt' ich am Halse hangen!...
Ach! und doch wär' mir es lieber,
Dass der Herr mir alles nähme,
Burg und Land, die ich als Lehen
Von ihm habe, und mir nur mein
Ritterlich Gewand beliesse,
Dass ich mich mit meinem Schilde
Und mit meinem Speer begnügen
Müsste wie ein armer Teufel,
Der nichts hat und der nur immer
Draussen lebt auf Abenteuern:
Das hätt' zehnmal ich jetzt lieber,
Wo ich in der Klemme sitze,
Wo aufs Stehlen aus ich ziehn muss,
Und nicht länger mehr darf säumen,
Auf gemeines Stehlen ausziehn
Oder Gottes Huld verwirken! -
Möge er mir Kraft verleihen!
Nur heraus schon, ohne dass ich
Ins Gespräch der Leute komme!
Sieben wohlgebaute Burgen
Hier am Rheine gäb' dafür ich!...
Was soll von dem bösen Treiben
Ich den Rittern und den Herren,
Die im Schlosse liegen, sagen?
Wie soll ihnen ich erklären,
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Dass ich jetzt zu dunkler Nachtzeit
In das Land hier reiten müsse,
Das mir fremd und unbekannt ist?...
Mit den Worten machte endlich
Karl sich fertig zu der Raubfahrt.
Und nahm seine Waffen, die er
Sich zu legen lassen pflegte;
's waren sicherlich die besten,
Die man jemals sehen mochte!
Als er sich gewappnet hatte,
Ging er durch das Burggebäude.
Keine Pforte und kein Riegel
Waren da so gut und kräftig,
Dass sie wiederstanden hätten:
Alle standen vor ihm offen,
Und er konnte ruhig gehen,
Wo auch immer hin er wollte.
Niemand sah sein Tun und Treiben;
Denn das ganze Burggesinde
Lag von tiefstem Schlaf befangen.
Also hatte Gott aus Liebe
Zu dem König es beschlossen,
Den er hilfreich stets beschirmte.
Als der König nun des Schlosses
Brücke überschritten hatte,
Schlich er sich mit grosser Vorsicht
Zu dem Stalle, wo sein Ross und
Kostbar Sattelzeug er wusste.
Jetzo war kein länger Säumen;
Rasch gesattelt war der Renner,
Den man wahrlich loben konnte,
Und rasch sass er in dem Sattel.
Als er nun dem Tore nahte,
Da erblickte er den Wächter
Und den Torwart, die nicht ahnten,
Dass ihr Herr mit Schwert und Schilde
In der nächsten Nähe wäre;
Denn sie schliefen alle beide
Fest, weil Gott es also wollte.
König Karl stieg ab vom Pferde,
Oeffnete ganz sacht die Pforte,
Die verschlossen stand, und führte
Leise, ohne dass man's hörte,
Seinen Hengst hinaus zum Burgtor,
Schwang sich wieder in den Sattel
Und hub also an zu beten:
‘Gott! so wahr du einst auf Erden
Zu uns kamst und Sohn und Vater
Uns, dem Menschenvolke, wurdest,
Die wir, ach! durch Adams Sünde
In Verdammnis einst gefallen,
Und so wahr, o Gott, nach jenem
Du geboren wardst, so wahr Du
Willig von den Juden fangen
Und aus Kreuz dich schlagen liessest!
- Ach! sie stachen dich mit Speeren,
Schlugen Dich, wie Du es wolltest! -
Herr, so wahr durch unser Elend
Du den bittern Tod erlittest
Und die Hölle durch Dein Leiden
Unterwarfest, und so wahr Du
Lazarus vom Tod erwecktest,
Als er lag in seiner Klause,
Und so wahr du Brot aus Steinen
Und aus Wasser Wein erzeugtest,
Sei auch mir jetzt Schutz und Führer
In der finstern Nacht; beweise
Deine Kraft an mir! Allmächt'ger
Vater, gnadenreicher Herrscher,
Ich empfehl' in Deine Hand mich!’
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Zweites Abenteuer
Hin und her noch unentschlossen
Schwankte Karl, wohin am besten
Wohl er sich nun wenden sollte,
Um das Raubeh ahzufangen,
Als er einen Wald erreichte,
Der nicht allzu fern gelegen.
Hell und rein der Mond erglänzte,
Sterne blinkten an dem Himmel,
Es war klares, schönes Wetter,
Als der edle Held hineinritt.
Da sprach Karl in seinem Herzen:
‘Sonst pflegt' ich am liebsten Diebe,
Die dem Volke Gut und Habe
Listig rauben und entwenden,
Allenthalben zu verfolgen,
Wo ich sie vermuten konnte.
Doch jetzt muss ich alle preisen,
Die auf Abenteuern leben.
Ach, sie wissen zu genau nur,
Dass sie Leib und Gut verscherzen,
Wenn wir ihrer habhaft werden,
Dass man sie am Galgen aufhängt,
Ihnen auch die Köpfe abschlägt
Oder noch auf schlimmre Weise
Aus dem Leben sie befördert.
Wahrlich! gross sind ihre Sorgen...
Nein, in meinem ganzen Leben
Soll es nimmer mehr geschehen,
Dass ich lump'gen Geldes wegen
Einen Menschen sterben lasse!...
Einst hab' ich aus seinem Lande
Bloss geringen Fehles wegen
Ritter Elegast vertrieben.
Der muss oft wohl, nur um seinen
Unterhalt sich zu erringen,
Jetzt aufs Spiel sein Leben setzen.
Ich vermute, manche Sorge
Wird ihn quälen und bedrücken.
Nicht besitzt er Land und Lehen.
Keine andre Zuflucht hat er
Als die, deren er als Räuber
Sich bemächtigt! Nur mit Stehlen
Muss er jetzt sein Leben fristen.
Nahm ich ihm doch seine Lande
Und die Burgen, wo er Herr war.
Jetzt gereuet mich das bitter!
Töricht handelte dabei ich.
Denn er hatt' in seinen Diensten
Eine grosse Anzahl Ritter
Sowie Knappen. Die hab' alle
Ihres Heims und ihrer Habe
Ich beraubt, und alle folgen
Ihm in Armut nun uhd Elend.
Nirgends liess ich ihnen Ruhe.
Denn ich hätte einem jeden,
Der nur Obdach ihnen schenkte,
Burg und Lehen gleich entzogen.
Keine Zuflucht haben jene.
In dem Wald und in der Wildnis
Müssen sie beständig hausen.
Elegast muss ihnen schaffen,
Was zum Leben sie gebrauchen.
Doch das muss ich anerkehnen:
Nie hat einen armen Menschen,
Der von seiner Hände Arbeit
Lebt, beraubt er noch. Den Pilgrim
Und den Kaufmann lässt er ruhig
Was sie reisend mit sich führen.
Aber sonst lässt er in Frieden
Einen nicht so leicht. Denn kommen
Ihm 'mal Pfaffen in die Quere
Stiftsherrn, Bischöf', Aebte, Mönche
Und Dechanten, nimmt er ihnen,
Wenn er sie nur kann erwischen,
Gleich ihr Rösslein ab und Maultier,
Stösst sie flugs herab vom Sattel,
Dass sie auf den Boden fallen,
Und nimmt ohne Federlesens
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Flink Besitz von allen Dingen,
Welche jene mit sich brachten,
Kleider, Silber und Geschmeide.
So sorgt ef für seinen Magen! -
Wenn er reiche; Leute findet,
So erleichtert er die hurtig
Ihrer Gold- und Silberschätze.
Mannigfach sind seine Listen.
Fangen konnte ihn noch niemand;
Und doch hat schon mancher eifrig
Sich bemüht, ihn zu ergreifen;
Und darum auch wäre gerne
Heute Nacht ich sein Geselle.
Ach, Herr Gott, verhilf dazu mir!’
Mit den Worten zog er weiter,
Als mit einem Mal er hörte,
Wie ein Ritter angetrabt kam.
Der sah grad' so aus, als wollte
Er von andern nicht erkannt sein.
Rabenschwarz war seine Rüstung,
Schwarz der Helm und schwarz der Rundschild,
Der am Hals hing. Loben konnte
Wohrman seinen Schuppenpanzer.
Schwarz war auch der Rock darüber;
Schwarz das Ross, das ihn herantrug.
Pfade durch den Wald geritten.
Als ihm Karl begegnen sollte,
Schlug ein Kreuz er voller Bangnis.
Denn er hielt ihn für den Teufel,
Weil er überall so schwarz war.
Er befahl sich voller Demut
In die Hände des Allmächt'gen
Und sprach dann in seinem Herzen:
Jetzt begegnen soll, ich werde
Heute Nacht das Feld mit nichten
Vor dem schwarzen Kerl da räumen;
Wagen will ich's Abenteuer! -
Aber 's ist der Teufel dennoch
Und entschieden niemand anders;
Gut weiss ich das noch von früher,
Denn wenn er vom Himmel käme,
Würde nimmer er so schwarz sein.
Alles, was an ihm ich sehe,
Ross und Mann, ist schwarz ja alles!
Böses naht mir, so bedünkt mich;
Und ich bitte Gott, zu wachen,
Dass er mir nichts Schlimmes tue.’
Als der Schwarze nun heranritt,
Sah er Karl entgegenkommen
Und da dacht' er bei sich selber:
‘Der hat sich verirrt im Walde
Und hat seinen Weg verloren?
Das kann jeder gleich ihm ansehn.
Nun, die Waffen soll's ihn kosten;
Wie es scheint, sind es die besten,
Die ich sah in sieben Jahren!
Wie der Tag von Gold sie strahlen
Von woher kam in den Wald er?
Nimmer trug ein armer Teufel
Solche Waffen oder ritt ein
Ross so stark und schöngegliedert!’
Wie sie nun zusammentrafen,
Ritten beide ohne Grüssen
Aneinander frank vorüber.
Einer musterte den andern
Zwar genau und scharf, doch weiter
Taten nichts sie alle beide.
Als der Reiter auf dem Rappen
An dem König schon vorbei war,
Hielt er still und überlegte:
‘Wer mag bloss der andre sein dort
Und aus welchem Grunde reitet
Er so einfach hier vorüber
Und vermeidet jedes Wörtchen?
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Als dem Kerl ich kam entgegen,
Hat er keinen Gruss geboten
Und sich auch nach nichts erkundigt!
Der führt Böses, scheint's, im Schilde!
Wär' ich sicher, dass als Späher
Er sich naht, um mir und meinen
Leuten Schlimmes bei dem König,
Den ich fürchte, zu bewirken,
Sollte er nicht ungehindert
Heute Nacht so hin mir ziehen!
Was nur sollte in dem Walde
Und im Dickicht hier er treiben,
Wenn er nicht nach mir jetzt fahndet?
Bei dem Herrn, der mich erschaffen!
Ungeschoren soll der Mensch da
Heute Nacht mir nicht entrinnen!
Seine Kraft will ich erproben...
Will einmal doch an ihn sprechen
Und auf die Art kennen lernen.
Es ist allenfalls gar einer,
Dem ich Ross und Rüstung nehmen
Und den voller Schimpf und Schande
Ich nach Hause schicken könnte.
Nein, er hat nicht schlau gehandelt,
In der Nacht hierher zu kommen.’
Gleich warf er herum den Rappen
Und ritt eilig nach dem König.
Als er eingeholt ihn hatte,
Rief er laut: ‘Halt! Ritter, stehet!
Sagt, wohin geht Eure Reise?
Ehe Ihr mir weiter reitet,
Will ich wissen, was zu suchen
Ihr hier habt und wollt und was Ihr
Gegen mich im Schilde führet!
Wäret Ihr auch noch so spröde
Und auch noch so karg mit Worten,
Sagt es mir - und Ihr tut wohl dran.
Wer Ihr seid, das will ich wissen,
Wo zu dieser Stund' Ihr hinzieht,
Wie sich Euer Vater nannte;
Das kann Euch ich nicht erlassen.’
‘Ihr fragt mich so viele Dinge,
Dass ich schwanke, was zuerst ich
Sagen soll... Ich möchte lieber,
Dass wir miteinander kämpfen,
Eh' ich mich zu einer Antwort
So von Euch bestimmen lasse.
Viel zu lange hätt' gelebt ich,
Wenn ich je mich zwingen liesse,
Wenn ich grade keine Lust hab'.
Ob ich glücklich oder übel
Auch davon nun kommen sollte,
Um es kurz zu machen, wollen
Wir das Schwert entscheiden lassen.’
Ueberzogen war sein Rundschild;
Denn des Waffenzeichens wegen,
Welches schimmernd drauf erglänzte,
Führt' er nicht ihn ohne Hülle
Denn er wollte nicht, dass jeder
Gleich als König ihn erkenne.
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Drittes Abenteuer
Mit den Worten wandten beide
Ihre starken, flinken Rosse.
Beide waren wohl gewappnet,
Kräftig waren ihre Speere.
Ohne mehr zu säumen, stürmten
Sie in einer Waldeslichtung
Nun so grimmvoll aufeinander,
Dass die Rosse bei dem Anprall
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Auf die Hinterkniee sanken.
Dann griff jeder kampfeslustig
Nach dem Schwerte, und nun fochten
Miteinander sie so lange,
Meile hätte gehen können.
Stark und hurtig war der Schwarze,
Und so grimmig seine Hiebe,
Dass den König Grausen packte;
Denn er hielt ihn für den Teufel.
Doch er schlug den Feind so wuchtig
Auf den Schild, mit dem er mannhaft
Sich vor ihm zu schützen suchte,
Dass er wie ein Lindenblättlein
Auseinander flog in Stücke.
Wütend schlug der Schwarze wieder
Auf den König, und die Schwerter
Krachten heftig auf und nieder
Auf den Helm, den Ringelpanzer,
Dass gar manches Ringlein losbarst.
Keine Halsberg war so gut da:
Rotes Blut drang durch die Maschen
Aus der Haut. Die Schläge dröhnten
Machtvoll und die Spähne flogen
Von den Schilden. Auf dem Haupte
Bogen ihnen sich die Helme
Voller Scharten, voller Risse.
So scharf schnitten ihre Schwerter!
Und bei sich der König dachte:
‘Der versteht sich gut aufs Fechten!
Er bringt mich in solche Nöte?
Dass ich ohne Gottes Beistand
Längst den Tod gefunden hätte.
Gäb' bekannt ich meinen Namen
Müsste ich vor Scham vergehen;
Nie könnt' Ehre ich erwerben.’
Und dabei schlug auf den Schwarzen
Solchen fürchterlichen Schwerthieb,
Dass vom Rosse auf die Erde
Fast er ihn geworfen hätte.
Aber keinen Frieden gab es
Zwischen ihnen. Denn der Schwarze
Hieb gleich wieder auf den König,
Und er schmetterte ihm plötzlich
Einen solchen derben Schwertschlag
Auf den Helm, dass der sich krümmte
Und die Klinge jach zerschellte.
So gewaltig war der Schwertschlag!
Als der Schwarze seinen Degen
So verloren sah, da rief er:
‘Weh mir, dass ich ward geboren!
Denn wozu dient mir das Leben?
Nimmer war das Glück mir günstig,
Nie wird es mir fürder lächeln!
Wie soll jetzt ich mich denn wehren?
Nicht zwei Birnen ist mein Leben
Jetzt mehr wert. Mit leeren Händen
Steh' ich da vor meinem Feinde.’
Doch unedel schien's dem König,
Auf den Gegner loszuschlagen,
Der im Feld ihm gegenüber
Mit zerbroch'nem Schwerte dastand.
‘Das wär' eine schöne Rache,’
Dacht' er, ‘wenn man einen Gegner,
Der sich nicht zur Wehr kann setzen,
Schlagen oder schäd'gen wollte!’
Also hielten still im Wald sie,
Und ein jeder frug sich selber:
‘Wer der andre doch nur sein mag?’
‘Bei dem Gott, der mich erschaffen!’
Sprach da Karl, ‘steht Ihr nicht Rede
Mir auf meine Fragen, Ritter,
Und bekannt mir nicht zur Stunde,
Wer Ihr seid und wie Ihr heisset,
Habt den letzten Tag gelebt Ihr.
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Machen wir dem Streit ein Ende!
Kann ich weiterziehn mit Ehren,
Wenn ich Euren Namen kenne,
So will ich Euch reiten lassen.
Drauf erwiderte der Schwarze:
‘Gern bin ich bereit zur Antwort,
Wenn, Herr Ritter, Ihr mir mitteilt,
Was Euch trieb, hierher zu kommen
Heute Nacht und wem Ihr etwas
An dem Zeuge flicken wolltet.’
Da sprach Karl, der edle Recke:
‘Nein, Ihr sollt mir Rede stehen
Jetzt zuerst, dann sag ich Euch auch,
Was ich hier zu suchen habe.
Nicht bei Tage darf ich reiten.
Ohne Not seht so gewaffnet
Ihr mich nicht: ich will's Euch sagen,
Wenn Ihr Euren Namen nennet.
Ihr könnt Euch darauf verlassen.’
‘Elegast, Herr, ist mein Name.’
Sprach zu ihm der andre hastig.
‘Mir erging es nicht zum Besten.
Gut und Land, das ich besessen,
Hab' ich durch ein böses Unglück,
Wie's so manchen trifft, verloren.
Wenn ich Euch erzählen sollte,
Wie das alles so gekommen,
Würde Euch's zu lange dauern,
Bis zu End' damit ich wäre.
Ach! mein Glück ist gar geringe!’
Als der König dies vernommen,
Wurde er im Herzen froher,
Als wenn er die Güter alle,
Die rheinauf und-abwärts schwimmen,
Ganz allein besessen hätte.
‘Ritter’, sprach er, Euren Namen
Habt Ihr mir nun ja verkündet.
Sagt mir aber auch, wie schafft Ihr
Euch, was Ihr zum Leben brauchet?
Sicherlich, bei allen Dingen,
Die dem Herren wert und teuer,
Und vor allem bei ihm selber!
Ihr habt nichts vor mir zu fürchten
Und, wenn Ihr es mir verkündet,
Will von mir ich's auch berichten,
Falls Ihr ohne Kampf und Grollen
Aufschluss Euch darüber heischet.’
‘Herr, so sollt Ihr's denn erfahren,’
Sprach da Elegast, ‘nicht länger
Will ich Euch es mehr verhehlen:
Das, was ich zum Lehen brauche,
Muss ich mir zusammenrauben.
Ach! dass je ich ward geboren!
Seit ich kam um Gut und Habe,
Die mich hätten nähren sollen,
Und aus meinem Land mich schmählich
König Karl vertrieben hatte,
Hauste ich in Wald und Wildnis.
Ich bekenn' es frei uhd offen,
Wenn's mir auch zur Schmach gereichet:
Meine zwölf Gefährten brauchen,
Müssen uns die Reichen schaffen,
Doch das muss ich sagen, nimmer
Hab' ich einen armen Teufel,
Der von seiner Hände Arbeit
Lebt, beraubt. Fürwahr, den Pilgrim
Oder Kaufmann lass' ich ruhig
Die sie reisend mit sich führen;
Aber sonst lass ich in Frieden
Einen nicht so leicht. Bischöfen,
Pfaften, Stiftsherrn, Aebten, Mönchen
Und Dechanten - denen können
Ihre Knechte nimmer helfen.
Listenvoll bemächt'ge ich mich
Ist so fest, kein Schloss so kräftig,
Wenn ich Schätze weiss darinnen,
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Bring' ich sie in meine Hände
Und vermach' sie meinen Leuten.
Mannigfach sind meine Listen....
Was soll weiter ich erzählen?
Meine Leute sind im Walde;
Ich fuhr aus auf Abenteuer,
Hab' ein bitteres gefunden,
Denn ich hab' mein Schwert verloren.
Keinen Schatz der Erde würde
Wählen ich, wenn unbeschädigt
Ich es wieder haben könnte.
Ausserdem erhielt ich Schläge
Mehr, als je an einem Tage
Ich von einem Mann erduldet.
Nun sagt mir, wie Ihr heisst, Ritter,
Und wie der, den Ihr befehdet.
Ist er wirklich denn so mächtig,
Dass Ihr nachts nur reiten durftet?
Könnt Ihr die nicht unterkriegen,
Die Euch hassen? Ihr versteht doch
Gut mit Waffen umzugehen?!’
Da dacht' Karl in seinem Herzen:
‘Gott hat mein Gebet vernommen;
Er wird mir auch weiter raten.
Dieser ist ja just der eine,
Den vor allen andern Männern,
Die auf Erden leben, grade
Gern ich bei mir haben wollte,
Um heut Nacht mit mir zu reiten.
Gott hat ihn zur rechten Stunde
Hergeführt. Jetzt muss ich aber
Bei dem Herrn, der mich erschaffen’,
Sprach er laut nun zu dem andern,
‘Elegast, ein gut Geleite
Sollt an mir Ihr wahrlich haben,
Frieden und die beste Freundschaft...
Jetzt will meine Art ich künden.
Denn was nützt es, seinen Freunden
Irgend etwas zu verhehlen?
So viel Schätze hab' geraubt ich,
Dass, wenn ich nur mit der Hälfte
Würd' gefangen, man nie wieder
Mich in Freiheit setzen würde,
Selbst wenn ich zum Lösegelde
Meinem Feind in rotem Golde
Auch mein eigenes Gewicht gäb'.
Not hat mich dazu gezwungen,
Not auch jeden Streit beendet.’
‘Ritter sagt mir nun, wer seid Ihr?’
‘Wenn's Euch denn danach gelüstet,
Will ich meinen Namen nennen!’
Sprach der König nun, ‘ich heisse
Adelbrecht; zu rauben pfleg' ich
Wider jedes Recht und Sitte
In den Kirchen und Kapellen,
Ja, in allen Gotteshäusern.
Alles raub ich, alles, alles,
Nicht die Reichen noch die Armen,
Kümmre nicht mich um ihr Winseln;
Keinen Mann, von dem ich etwas
Noch zu nehmen weiss, verschon' ich.;
Lieber nehm' ich seine Habe,
Als dass ich ihm meine gebe.
So hab' ich es stets gehalten.
Jetzt auch lieg' einmal ich wieder
Manchen Tag schon auf der Lauer
Nach 'nem Schatz, den gut ich kenne;
Hätte ich nur gute Hilfe,
Sollte, eh' der Morgen dämmert
Mir soviel, als ich begehre
Und mein Rösslein tragen könnte,
Von dem Schatze angehören.
Ehrlos ist der Schatz erworben!
Gott wird uns es nicht verübeln
Wenn wir uns ein Teilchen nehmen.
Dieser Schatz liegt in 'nem Schlosse,
Und ich kenn dort seine Stelle.
Wenn wir selbst zehnhundert Pfunde
Davon nähmen, würd' es sicher
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Als zwei faule Birnen dauern.
Und zu alledem noch ist er
Auch auf schlechte Art erworben!
Wollen wir uns drum bemühen
Und Gesellen heute Nacht sein?
Was zusammen wir von jetzt ab,
Bis es tagt, erwischen können,
Will ich in zwei Teile teilen.
Und Ihr könnt Euch Euren wählen.
Töricht wäre, wer damit sich
Nicht zufrieden geben würde.’
Elegast gab ihm zur Antwort:
‘Wo befindet sich der Schatz denn?
Sagt mir das vorerst, Geselle;
Allenfalls folg' ich Euch gerne
Zu dem Ort, wo er sich findet.
Doch ich möchte das erst wissen,
Eh' ich einen Schritt Euch folge.’
Da sprach Karl, der edle Recke:
‘Nun, so will ich Euch es sagen:
's ist der König, der so grosse
Schätze liegen hat, dass wahrlich
Es ihm wenig schaden würde,
Wenn wir beide unsre Pferde
Einmal voll damit belüden.’
Als der König seine Absicht
Kund tat, selbst sich zu bestehlen,
Da konnt' Elegast nicht an sich
Halten mehr und zornig rief er:
‘Nein, das möge Gott verhüten!
Nie wird man dazu mich bringen,
Meinem Könige zu schaden!
Hat, durch bösen Rat verleitet,
Er mein Land mir auch genommen
Und verbannt mich, werd' ich dennoch
All mein Lebtag ihm nach Kräften
Unentwegt ein treuer Freund sein.
Auch heut Nacht will ich ihm nimmer
Irgend welchen Schaden schaffen.
Denn er ist mein rechter Herrja.
Tät' ich andres ihm als Ehre,
Müsste ich vor Gott mich schämen!
Nein! nie soll zu solcher Untat
Irgend wer mir raten wollen!’
Als der König dies vernommen,
Freut' er sich in seinem Herzen,
Dass ihm Elegast, der Räuber,
Gut gesinnt war und ihn liebte,
Und er dachte bei sich selber:
‘Könnt mit Wahrung meiner Ehre
Ich nach Hause wieder kommen,
Würde ich ihm so viel geben,
Ohne Raub und ohne Stehlen
Ehrenvoll verbringen könnte.
Das kann wahrlich man mir glauben!’
Als er dies erwogen hatte,
Fragte er, ob Elegast ihn
Führen wolle, wo si beide
Sich in dieser Nacht vielleicht noch
Reiche Schätze holen könnten;
Seine Kraft sowie Gewandtheit
Würde gern daran er wenden,
Falls er mit ihn gehen liesse.
Elegast versetzte: ‘Gerne,
In soweit auf mich es ankommt.
Allerdings will es mir scheinen,
Dass Ihr mich zum Besten haltet....
Wie's damit auch sei, wir könnten,
Ohne schlecht dabei zu handeln,
Auf das Rauben gehn bei Herzog
Der die Schwester Karls zur Frau hat.
Dass der lebt, das ist ein Unglück!
Er hat manchen schon verraten
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Und in grosse Not getrieben;
Ja, an seines Herrn, des Königs,
Leib und Ehre würde selbst er
Sich bereits vergriffen haben,
Wenn 's nach seinem Wunsche ginge!
Das hab' oft ich schon vernommen.
Und dabei hat er dem König
Alles, was an schönen Dingen
Er sein eigen nennt, ja alles,
Seine Burg und seine Lehen,
Zu verdanken! Ja, besäss' er
Nur die Burg und sonst nichts weiter,
Würde es ihm wenig schaden,
Falls wir von dem seinen nähmee.
Lasst zu seiner Burg uns gehen
Wenn es Eurem Herzem zusagt.’
Karl bedachte bei sich selber,
Dass in Apbetracht der Lage
Es vielleicht am beste wäre,
Wenn si dort aufs Rauben gingen.
Denn er war ja völlig sicher,
Das man sie nicht henken würde,
Wenn man sie bei seiner Schwester
Etwa gar erwischen sollte.
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