Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Geschäftführer des Vereins Professor Wolf-Breslau hielt sodann eine Ansprache, aus der wir einige bemerkenswerte Stellen wiedergeben: Die Bestrebungen für Bildung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins gehen jetzt drei Jahre zurück. Sie nahmen ihren Ausgang unter anderem aus der Betrachtung der amerikanischen Dinge. Die wichtigste Ursache der Ueberlegenheit der amerikanischen Industrie ist die ausserordentliche Grösse des Absatzgebietes bei überdies fast vollständiger Uniformität des Konsums. Das amerikanische Volkseinkommen ist fast 2 1/2 mal so gross wie das deutsche, und dementsprechend 2 1/2 mal so gross und mehr als 2 1/2 mal so gross ist der amerikanische Markt gegenüber dem deutschen. Grösserer Absatz bedeutet aber niedrigere Produktionskosten, und wenn das Absatzgebiet auch noch geographisch ein ausgedehnteres ist und in seinen einzelnen Teilen unter verschiedenen klimatischen Bedingungen steht, bedeutet es, insofern die Ernte die Kaufkraft der Bevölkerung in erster Linie mit bestimmt, durch den möglichen Ausgleich der schlechteren Ernte hier durch eine bessere Ernte dort auch eine weitgehende Krisenversicherung. Das alles, und noch vieles andere bietet Amerika. Für das Gebiet der mitteleuropäischen Staaten hat man seit langem das Absatzfeld auf andere Weise zu vergrössern versucht. Man erwog die Möglichkeit von Zollunionen. Ein halbes Jahrhundert lang und länger geht der Gedanke der Zollunion nun um; er hat sich aber nie als ausführbar erwiesen, trotzdem es Zeiten gab, wo ein Bismarck in Deutschland, ein Bruck in Oesterreich sich seiner annahm. Je näher man seiner Ausführung rückte, desto unausführbarer erwies sich der Plan. Da lag denn, die Aufgabe sozusagen in der Luft, eine Form zu suchen, welche die Vorteile der Zollunion gewährt, mindestens in wesentlichen Stücken sie gewährt, bei gleichzeitiger Vermeidung | |
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dessen, was die Zollunion anstössig und, wie die Verhältnisse liegen, doch wohl unausführbar macht. Dieser anderen Form das Leben zu geben, ist der mitteleuropäische Wirtschaftsverein berufen.
Mit diesen Aufgaben sind aber die dem mitteleuropäischen Wirtschaftsverein gestellten noch entfernt nicht erschöpft. Vor allem eine, nicht die geringste, sondern eine der grössten und erhebendsten! Eine Zollunion ist, wie die Dinge heute liegen, nach Aussage aller Fachleute zwischen Deutschland, Oesterreich-Ungarn und anderen Staaten nicht möglich. Was aber möglich ist, neben dem schon Gesagten, und worauf besonderes Gewicht zu legen ist, das sind ‘handelspolitische Allianzen’ zwischen Staaten, welche verwandte wirtschaftspolitische Interessen haben. Man fasse, nur eine handelspolitische Allianz zwischen Deutschland und Oesterreich-Ungarn ins Auge. Was bedeutet sie, was würde sie bedeuten? Dass statt eines Wirtschaftsgebietes von 57 Millionen, wie es Deutschland ist, oder von 47 Millionen, wie es Oesterreich-Ungarn ist, ein Wirtschaftsgebiet von 57 plus 47 gleich 104 Millionen mit dritten Staaten unterhandelt! Das ist doch schon wieder eine ganz andere wirtschaftliche Potenz als einer von den zwei Staaten allein! Und träten noch einige Staaten hinzu, so kann eine solche Allianz ad hoc oder für längere Zeit ein wirtschaftliches Schwergewicht darstellen, gegen das eine andere einzelne Macht überhaupt kaum mehr aufzukommen vermag. Wozu isoliertes Vorgehen, wo die Möglichkeit solcher Annäherung sicher besteht und wo man als Alliierter dem ferneren Ausland bessere Bedingungen bei Handels- und Wirtschafts- und sonstigen Verträgen abzugewinnen vermag als gegenwärtig! Den Gedanken solcher wirtschaftspolitischer Allianzen einander politisch nahestehender Staaten zu wecken, zu pflegen, | |
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diesen Gedanken auszubauen, ist eine weitere und in ihrer Bedeutung, wie ich glaube, gar nicht hoch genug einzuschätzende Aufgabe des mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins.
Einer jener Männer, der die Absichten und die Bildung des mitteleuropäischen Wirtschaftsvereins wärmstens begrüsste und ihm die Bereitwilligkeit des Patrioten sowohl, wie das Verständnis des Kaufmanns von grossem Zuschnitt entgegenbrachte, ist Georg v. Siemens gewesen, der nicht lange vor seinem Tode - ich erwähne das, um darzutun, dass allen Parteien ihr Recht widerfahren ist - in einem Briefe, den er über den Gegenstand schrieb, folgendes sagte: ‘Ich entspreche mit grossem Vergnügen der an mich ergangenen ehrenvollen Aufforderung, betreffend den Verein zur Förderung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der mitteleuropäischen Staaten. Aus den Namen, welche Sie mir schrieben - es sind darunter Bekannte aller Herren Länder - ersehe ich, dass recht verschiedene Interessen zusammengeschweisst werden sollen. Aber der Gedanke ist wertvoll genug, um aus dem Gebiet der Literatur einmal herausgehoben zu werden.’ Zuletzt meinte Siemens sogar, einigermassen optimistisch vielleicht: ‘Ich hoffe, dass ich die jetzt mit mir zusammengehende Gruppe von Industriellen und Kaufleuten für die Frage werde interessieren können.’ Ein Wahlverwandter von Siemens ist Schäffle gewesen, der leider uns kürzlich durch den Tod Entrissene, der infolgedessen nicht mehr in unserem Kreise weilen kann. Er liess sich 1901 wie folgt über die ihm vorgelegte Frage vernehmen: ‘Selbstverständlich werde ich einer Sache, für welche ich vor 20 Jahren in schweren handelspolitischen Kämpfen mit meinem Herzblut geschrieben, am Schlusse meines Lebens nicht untreu sein oder kalt mich ihr gegenüberstellen.’ Auf der entgegengesetzten politischen Seite verdienen Aeusse- | |
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rungen berichtet zu werden, wie die des Fürsten Herbert Bismarck, des treuen Hüters des väterlichen Vermächtnisses, der nur aus persönlichen Gründen unserem Verein fern bleibt, - Aeusserungen, welche besagen, dass in Bestrebungen wie den hier propagierten geradezu das Heil unseres Weltteils liegt: ‘Den Gedanken eines mitteleuropäischen Zollbundes - mitteleuropäischen Zollallianzen sind gemeint - halte ich für so gesund, dass ich an seiner einstmaligen Realisierung nicht zweifle. Sollte ich mich darin täuschen, so sieht es mit der wirtschaftlichen Zukunft unseres alten Kontinentes schlecht aus.’ Besonders wertvoll sodann - ausser vielen anderen Würdigungen, die aber in grösserer Zahl hier anzuführen sicher überflüssig ist - die gleichlautenden Sympathie-Erklärungen der zwei Männer, die, auf der höchsten Warte des Wirtschaftslebens in Deutschland und Oesterreich-Ungarn stehend, mehr als andere unsere Bestrebungen zu beurteilen berufen sind, des Präsidenten der Reichsbank bei uns hier und des Gouverneurs der Oesterreichisch-Ungarischen Bank. Herr von Bilinski, der Gouverneur der Oesterreichisch-Ungarischen Bank, schrieb mir vor längerer Zelt, dass er die Aktion, um die es sich hier handelt, mit den lebhaftesten Sympathien begrüsse. Herr Dr. Koch liess sich vernehmen, das in den 6 Nummern entwickelte Programm scheine ihm sehr beifallswürdig zu sein. Aehnlich haben der preussische, der österreichische, der ungarische Handelminister mit dem Ausdruck ihres Interesses und ihrer Sympathie nicht zurückgehalten. Der ungarische Handelsminister war bis zur Schaffung des neuen Ministeriums in Ungarn einer der Unserigen als Mitglied des Komitees, desgleichen der gegenwärtige ungarische Ministerpräsident Graf Stephan Tisza. Wie der gegenwärtige Minister des Aeussern im Nachbarreich sich zu unseren Bestrebungen stellt, haben die historisch gewordenen Erklärungen des Grafen Goluchowski vom 20. November 1897 deutlich ausgewiesen. |
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