Germania. Jaargang 6
(1903-1904)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDrei Jahrhunderte niederländischer Kolonialpolitik
| |
[pagina 272]
| |
die grossen geschichtlichen Zusammenhänge vielleicht nicht immer deutlich genug nachgewiesen werden. Der folgende Ueberblick über die niederländische Kolonialgeschichte, dem die reichen Mitteilungen Zimmermanns zu Grunde liegen, will und kann nicht die Lesung des Werkes selbst überflüssig machen; alle, die diese Dinge näher kennen lernen wollen, werden gut tun, Zimmermanns ausgezeichnetes Buch selbst zur Hand zu nehmen. Die Not des Tages hat die Niederländer zu kolonialen Unternehmungen angetrieben. Jahrzehnte hindurch hatten sie an dem reichen Gewinn, der seit der Entdeckung des neuen Seeweges aus dem ostindischen Handel nach Portugal strömte, ihren Anteil, ohne dass sie selbst die Gefahren der Fahrt ins indische Weltmeer zu tragen hatten. Als willige und willkommene Vermittler brachten sie die indischen Waren von Lissabon aus in die heimischen Häfen, um Europa mit den überseeischen Schätzen zu versorgen. Ihre Handelsmacht und ihr Reichtum entfalteten sich so im Verlaufe des 16 Jahrhunderts in ungeahntem Glanze. Da hat der Krieg mit Philipp II, von Spanien sie gezwungen, andere Bahnen zu gehen. Zunächst blieb es auch zwischen den Feinden bei den hergebrachten Handelsbeziehungen; als aber die Spanier, seit 1580 die Herrn Portugals, zu ihre Drohungen, die niederländischen Schiffe in Lissabon wegzunehmen, zur Wahrheit machten, war es mit dem alten einträglichen Zwischenhandel vorüber. So wandten sich die Niederländer dem Weltmeere zu, das auch ihnen ein Quell der Grösse wurde. Handelszüge nach Italien und Versuche zur nordöstlichen Durchfahrt ins stille Meer mussten bald aufgegeben werden, dagegen glückte die erste kühne Fahrt um das Kap der guten Hoffnung, die im Jahre 1595 vier Amsterdamer Schiffe gen Java brachte. Der unmittelbare Gewinn war gering, aber man hatte erkannt, dass in Ostindien neben der portugiesischen | |
[pagina 273]
| |
Kolonialmacht und gegen sie auch die niederländische Kaufmannschaft ihr Glück finden könne. Das führte zu neuen Versuchen. Schiff auf Schiff wurde entsandt, eine Handelsgesellschaft nach der anderen wuchs aus dem Boden. Nicht nur die indischen Inseln, besonders die Molukken, auch Amerika und Westafrika wurden aufgesucht und wenigstens in den indischen Inseln gelang es den Niederländern schon im Beginn des 17. Jahrhunderts den Spaniern zum Trotz sich festzusetzen. Es waren die ersten Anfänge kolonialer Unternehmungen, aber verheissungsvolle Anfänge, deren Bedeutung schon damals ein scharfblickender Beobachter, der französische Gesandte de Buzanval, richtig erkannt hat: er meinte, binnen kurzem kämen die Schätze des Ostens nicht mehr nach Portugal, sondern in die Hände der ‘geduldigen und phlegmatischen’ Holländer. Bis zu diesem Ziele war es freilich noch ein weiter Weg. Aber die Niederländer gingen mit Eifer und Entschlossenheit darauf zu. Die Versuche der Generalstaaten die verschiedenen Handelsgesellschaften zu vereinigen, bedeuten den ersten wichtigen Schritt. Sie scheiterten zunächst, aber schon im Januar 1602 einigten sich die Abgeordneten der Gesellschaften und 2 Monate später stand die ‘vereenigte Oost-indische Kompagnie’ fertig da. Sie erhielt am 20 März auf 21 Jahre das ausschliessliche Recht zum Handel zwischen dem Kap der guten Hoffnung und der Magelhaensstrasse; ihr Kapital betrug 6 1/2 Millionen Gulden, das sich auf Aktien zu 3000 Gulden verteilte. Die Gründung der niederländisch-ostindischen Kompanie kann man wohl die Geburtsstunde der niederländischen Kolonialpolitik nennen. Von dem Zeitpunkte an treten die Holländer nicht mehr lediglich als ‘Kaufleute auf, sondern als kolonisierende Macht.’ Freilich darf man in den Unternehmungen der Kompanie keine aus grossen Gesichtspunkten geleitete Kolonisationpolitik suchen wollen: der rein kaufmännische Geist herrscht durchaus | |
[pagina 274]
| |
vor, herrscht ganz allein in all seiner Enge und Härte, aber auch mit seiner Willens- und Schaffenskraft, mit seinem Wagemut und Tätigkeitsdrang. Rasche Erfolge waren der jungen Schöpfung beschieden. Noch das Jahr 1602 brachte ihr glückliche Kämpfe gegen Spanier und Portugiesen, die nächsten Jahre die Festsetzung auf Java, in Kalikut und auf einigen kleinen Gewürzinseln, wie Amboina und Tidore. Die Versuche in Malakka Fuss zu fassen schlugen fehl und auch im Kampfe um die Molukken blieb den Niederländern in den Jahren 1605-08 das Glück nicht immer hold. Aber sie lernten aus den Verlusten und suchten vor allem dem eroberten Gebiete durch eine ausgebildete Verwaltung sicheren Bestand zu geben. Die Kammer der 17, die an der Spitze der Kompanie stand, veranlasste die Generalstaaten zur Ernennung eines Generalgouverneurs für Indien. Pieter Both van Amersfort erhielt im November 1609 diese Würde. Zugleich wurde der Rat von Indien - er bestand anfangs aus 4, seit 1619 aus 9 Mitgliedern - geschaffen, an dessen Zustimmung der Gouverneur bei Ernennung der Beamten und Offiziere gebunden war. Dass es die Generalstaaten waren und nicht die Vorsteher der Gesellschaften, die diese wichtigen Neuerungen einführten, war von grosser Bedeutung für die Kompanie; sie stellte somit ihre kolonialen Erwerbungen unmittelbar in den Schutz des Staates, und die Generalstaaten sahen sich fortan als Herren und Schützer der werdenden Koloniën an. Es kam so ein frischer Zug in die neuen Unternehmungen, aber ihr Charakter blieb der gleiche: Handelsgewinn war ihr erster und letzter Zweck. Um ihn zu erreichen, galt es vor allem die holländische Macht in den Molukken und auf Java zu festigen und weiter auszubreiten. In Java war die Lage schwierig. Hier waren die Engländer und die einheimischen Fürsten zugleich zu bekämpfen und erst nach hartem, wechselvollem Ringen gelang es der Tatkraft Coens die Javaner zu beugen | |
[pagina 275]
| |
und den Westen der Insel völlig zu unterwerfen (1619). Batavia wurde hier dauernd der Stützpunkt der niederländischen Herrschaft. Auch in Amboina, wo im Jahre 1611 Leute aus Holland angesiedelt worden waren, hatten sich die Engländer festgesetzt und ihre guten Beziehungen zu den Eingeborenen geschickt auszunützen verstanden. Durch den Frieden zwischen England und Holland im Juli 1619 war den Holländern in Indien das Recht zum Vorgehen gegen die Engländer genommen - das Recht, aber nicht die Macht; die haben sie denn auch in rücksichtsloser Entschlossenheit ausgeübt: im März 1622 wurden in Amboina 10 Engländer und einige Japaner, die sich auf der Folter einer Verschwörung gegen die Niederländer schuldig bekannten, hingerichtet. Dieses sogenannte Blutbad von Amboina brachte der holländischen Regierung langwierige Auseinandersetzungen mit EnglandGa naar voetnoot(1) aber für die indischen Inseln hatte der Gewaltstreich einen vollen Erfolg: die englisch-ostindische Kompanie zog sich bald ganz aus dem Archipel zurück. Die Kämpfe mit den Eingeborenen dauerten auf den Molukken und in Java fort und doch wagte die Kompanie weitere Eroberungen in Indien. Der glücklichen Hand van Diemens' gelang, was vor ihm stets vergebens versucht worden war, das wichtige Malakka zu erstürmen (1641). Damit war den Portugiesen in Indien der letzte Rückhalt genommen. Kurz vorher hatte van Diemens auch Ceylon an sich gerissen. Um die Mitte des 17 Jahrhunderts stand die Kompanie als die herrschende Macht in Indien da.
* * *
Inzwischen hatte sich der niederländische Unternehmungsgeist auch der neuen Welt wieder zugewandt. Seit 1624 versuchte | |
[pagina 276]
| |
die westindische Kompanie, die 3 Jahre zuvor ins Leben gerufen war, in Brasilien Boden zu gewinnen. Der Anfang ging überraschend gut, dann kam ein bedenklicher Rückschlag, bis 1627 Pieter Heyn neue Erfolge gegen die Portugiesen errang. Aber was hier zunächst geleistet wurde, ist kaum kolonisierende Tätigkeit zu nennen. Auf weitere Ausbreitung ins brasilianische Land hinein verzichtete man, alles Streben ging darauf aus durch Plündern spanischer Städte und zahlreiche Kapereien möglichst grossen Gewinn einzuheimsen; einmal gelang es die spanische Silberflotte abzufangen, das war ein Raub von 14 1/2 Millionen. Grosse Summen warf auch der Handel mit Westafrika ab - in den Jahren von 1629-1636 wurden gegen 11 3/4 Millionen Gulden an Gold und über 1 Million Pfund Elfenbein nach Holland eingeführt, auch aus der Ansiedlung am Hudson flossen ansehnliche Einkünfte. Diese günstige Lage der Kompanie führte nun doch zu etwas nachdrücklicherem Auftreten in Brasilien. Bis 1635 waren im Osten des Landes die Gebiete von Pernambuco, Parahyba, Rio Grande do Norte und die Insel Itamaraca erobert, aber die Angriffe der Portugiesen dauerten fort, und an eine Ausbeutung des Besitzes war nicht zu denken, Solange er nicht gesichert war. Durch eine grosse Expedition sollte dieses Ziel erreicht werden. An ihre Spitze trat im August 1636 der 32 jährige Graf Johann Moritz von Nassau-Siegen, ein Grossneffe Wilhelms von Oranien. Er setzte die ganze Kraft seiner reichen Persönlichkeit ein, die Aufgabe zu lösen; er hat grosses geleistet, grösseres gewollt, aber mit seinen grossen Plänen ist er an dem kleinlichen Krämergeist der Handelsherren gescheitert. Die Jahre, die er als Statthalter in Brasilien gewirkt hat (1636-44), sind, wenn nicht die glücklichsten im Sinne der habgierigen Kompanie, so doch gewiss die besten Zeiten, die der Kolonie beschieden waren. Wohl konnte er nicht | |
[pagina 277]
| |
den Frieden bringen, ohne erst den Krieg gebracht zu haben, und den Krieg mit den unzureichenden Mitteln nicht so führen, dass er die Macht der Holländer fest gegründet hätte, aber er wusste doch das Gebiet nach Süden bis zum S. Francisco vorzuschieben und dem Lande den Segen einer geordneten und gerechten Verwaltung zu gewähren, er wusste die Kompagnie zu einer wesentlichen Zollreform zu bewegen und dadurch den Handel neu zu beleben. So konnte er die Kolonie mit guten Aussichten in die Friedenszeit führen, die 1641 begann. Der Graf suchte mit aller Macht die Grundlagen einer gedeihlichen Entwicklung auszubauen. Es gait vor allem die zahlreichen Portugiesen des Landes mit der Herrschaft der Niederländer auszusöhnen; das war uni so schwieriger, seit Portugal sich von Spanien losgerissen hatte und sehr erschwert war es durch die Unduldsamkeit, die die holländische Verwaltung gegen die katholischen Portugiesen gezeigt hatte. Stärkung der militärischen Macht und die Freiheit der Religionsübung musste Moritz für die Kolonie fordern. Die über und über verschuldete Gesellschaft wollte von solchen Sachen nichtswissen und gewährte dem Grafen gern den Abschied. Als Johann MoritzGa naar voetnoot(1) im Mai 1644 der Heimat zufuhr, liess er das Land in Gährung und Unsicherheit zurück. Die Kompanie wusste sich nicht zu helfen, schon im nächsten Jahre brach der Aufstand aus, die Portugiesen drangen siegreich vor, nur wenige Punkte blieben den Holländern. Die Generalstaaten waren nicht gewillt, Brasilien preiszugeben; als ihnen aber im Juni 1652 von England der Krieg erklärt wurde, konnten sie nicht daran denken, das Land zu halten. Die alte Hauptstadt Recife fiel im Januar 1654 und mit ihr der letzte Rest holländischer Kolonialmacht in Brasilien. Die afrikanischen Besitzungen Angola und S. Thomé, die Graf Johann | |
[pagina 278]
| |
Moritz 1641 hatte erobern lassen, waren schon 1648 von Portugal wiedergewonnen worden. Die westindische Kompanie hat sich nach dem Verluste Brasiliens noch zwei Jahrzehnte am Leben gehalten, sie musste zuletzt auch ihren nordamerikanischen Besitz (Neu-Niederland), den etwa 10.000 Weisse bewohnten, endgültig dem siegreichen England überlassen. Surinam, Tabago, S. Eustatius, die Goldküste und das 1634 eroberte Curaçao, das waren die Länder, die die Kompagnie hinterliess, als sie 1674 aufgehoben wurde. Besser ging es zunächst der ostindischen Schwester. Sie wusste die Aufstände in den Molukken siegreich niederzuschlagen und mit zäher Ausdauer das harte Gewürzmonopol durchzuführen. Mit dem Jahre 1657 sind die Inseln völlig in ihrer Gewalt, fünf Jahre später räumten die Spanier die letzten Festungen. Im übrigen Indien dagegen wollte es nicht Friede werden. In Ostindien kämpften die Niederländer jahrelang (1655-1663) mit glänzendem Erfolge; Ceylon fiel ihnen ganz zu und mit der Insel das Monopol des Zimthandels, auch wertvolle Plätze des Festlandes wurden den Portugiesen entrissen. Erhebungen in Java konnten glücklich gebändigt, in Sumatra holländische Macht und Handelsrechte weiter ausgedehnt werden, während auf Borneo 1669 die Niederlassungen für lange aufgegeben werden mussten und Formosa, das seit 1624 besetzt war, 1661 durch einen Chinesenaufstand verloren ging. Die Erfolge wirkten nach aussen hin stärker als die Misserfolge, das Ansehen der Kompanie stieg in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts allenthalben und zugleich das Vertrauen auf ihre Macht und ihren Reichtum. Wir wissen heute aus den Akten, wie wenig diese Geltung der Kompanie ihrer wirklichen Lage entsprach. In dem Zeitraum von 1651-1677 liegen nicht weniger als 6 Jahre, in denen die Kompagnie in Indien nur Verluste hatte, 1674 musste sie über 300.000 Gulden zusetzen, im näch- | |
[pagina 279]
| |
sten Jahre gar über 1 3/4 Millionen. Die Schuldenlast wuchs zu riesenhafter Höhe an; blieb sie bis zum Ende der siebziger Jahre wenigstens noch hinter dem Einlagekapital zurück, so überstieg sie dieses im Jahre 1698 mit elf Millionen nahezu um das doppelte. Wenn weitblickende Männer auf eine Aenderung des Systems drangen, so wollte die Kompanie davon nichts wissen, ja sie sah eben in diesem ihrem Ausbeutungssystem die einzige Rettung und nur in der ungenügenden Durchführung die Ursache ihrer Misserfolge. Sie wollte keine Kolonialpolitik treiben, sie dachte nur an Gewinn. Nur der Kompanie durften die Eingeborenen der Molukken ihre Gewürze verkaufen. Als das blosse Verbot nicht ausreichte, den Handel mit fremden Nationen zu unterbinden, wurden von 1625 an (bis 1657) Jahr für Jahr alle Gewürzwälder, die für den Augenblick nicht ausgebeutet werden konnten, vernichtet und so der Kompanie die Freiheit der Preisbestimmung gewahrt. Statt die indischen Inseln der Besiedelung und dem Handel freizugeben, hinderte man vielmehr das Zuströmen holländischer Kolonisten, um sich vor dem privaten Wettbewerb zu sichern. Ganz gelang das freilich nicht, aber wie wenig die Kompanie gewillt war, einen Handel neben dem ihren zu dulden, sprach sie selbst deutlich in einer Erklärung vom Jahre 1631 aus: ‘Wenn die Kolonisten in Batavia ohne Handelsbetrieb nicht leben können, wäre es besser, man hätte diese Ansiedelung nicht geschaffen. Wenn eine von beiden leiden muss, die Kompanie oder die Ansiedelung, ist es besser, dass die letztere sich behilft und leidet.’ Rücksichten der Menschlichkeit und Gedanken an das Allgemeinwohl lagen ihr fern. Sie blieb dabei, den Eingeborenen alles zu nehmen und nichts zu geben; man fragte nicht nach ihren Bedürfnissen und Anschauungen, man dachte nicht daran, ihre Fähigkeiten wahrhaft auszubilden und sie zu höherer Kultur zu erziehen. Die Verwaltung war mangelhaft und zeigte fast nur die | |
[pagina 280]
| |
Härten; selten brachte sie Segen. Was einzelne tüchtige Männer zu bessern vermochten, war nicht von Bestand; ehe sie mit ihren Reformen recht durchdringen konnten, waren sie schon gestürzt. Die Beamtenschaft liess viel zu wünschen übrig. Sie war zum Teil schlecht bezahlt und suchte sich durch Erpressungen und Betrügereien aller Art zu helfen. Wohl brachte das rücksichtslose Ausbeutungssystem gute Gewinne: die grossen öffentlichen Versteigerungen, die zweimal im Jahre in Amsterdam stattfanden, trugen bis zu 20 Millionen Gulden ein, der Kaffeebau auf Java, der besonders seit den zwanziger Jahren des achtzehnten Jahrhunderts erfolgreich gepflegt wurde, warf reichen Ertrag ab und kaum minder wichtig war das Zimmtmonopol auf Ceylon, das jährlich gegen 3 1/2 Millionen Gulden einbrachte. Aber auch die glänzendsten Einkünfte reichten nicht hin, die Kompanie dauernd vor dem Verfall zu bewahren. In Java waren immer neue Kriege nötig, um ihre Stellung zu stützen, die Schulden nahmen im Verlaufe des achtzehnten Jahrhunderts fast stetig zu und die Kämpfe mit England während des amerikanischen Befreiungskrieges brachten sie an den Rand des Verderbens. Jetzt zum erstenmal versagte der Kredit der Gesellschaft, sie musste 1781 den niederländischen Staat um einen Vorschuss von fast 1 1/4 Millionen Gulden angehen, eine etwas höhere Summe erhielt sie von der Provinz Holland, 1782 wurden ihr von den Generalstaaten acht Millionen Gulden bewilligt. Das alles half nichts. Die Verwaltungsreform von 1785, die besonders den Einfluss Amsterdams verstarkte, brachte wohl dem Geschäftsgang ein wenig neues Leben, aber die ewige Finanznot konnte sie nicht heilen. Zu Ende des Jahres 1789 betrugen die Schulden 74 Millionen. Die Verwaltung in Java war unfähiger als je zuvor, alles deutete auf den nahen Untergang der alten Kompanie. Die batavische Republik hat denn auch schon im dritten Jahre ihres Bestehens, 1798, die Kompanie aufgehoben. | |
[pagina 281]
| |
* * * Noch im gleichen Jahre, da die westindische Kompanie von 1621 ihr Ende gefunden hatte, war eine neue ins Leben getreten. Acht Jahre später, im September 1682, erhielt die Gesellschaft von den Generalstaaten den niederländischen Besitz auf dem Festlande Südamerikas, Surinam; sie hatte dafür an Seeland, das vor allem die Kolonisation des Gebietes betrieben hatte, 260.000 Gulden zu zahlen. Aber sie war nicht imstahde, das Erworbene zu bewahren, sie musste Teile des Besitzes verpachten und verkaufen. Ein Drittel kam an die Stadt Amsterdam, ein zweites Drittel an einen Herrn von Sommelsdijk. Sommelsdijk ging 1683 als Gouverneur nach Surinam; er nahm sich mit Eifer des Landes an. Gleich ausgezeichnet durch Tatkraft wie durch vornehme Gesinnung wusste er das verrottete Land wirtschaftlich und sittlich zu heben. Wo bisher Willkür und Gewalt, rohe Sittenlosigkeit und Verbrechen geherrscht hatten, lebte alles auf unter dem Schutz der Gesetze. Neue Einwanderer strömten zu und die alten fanden Mut zu neuem Schaffen. In kurzer Zeit wuchs die Zahl der Pflanzungen auf das vierfache. Allen Anfeindungen zum Trotz ging Sommelsdijk in fester Entschlossenheit vorwarts; da ist er, als er eben das Fort Zeelandia gegründet hatte und an die Anlegung der Stadt Paramaribo dachte, im Juli 1688 durch meuternde Soldaten erschossen worden. Sein Tod brachte wieder mannigfache Verwirrung in die surinamischen Gebiete, doch begannen sich seit dem Anfang des achtzehnten Jahrhunderts die Dinge zu festigen: der Zucker gedieh vortrefflich und bald blühten ertragreiche Kaffeepflanzungen empor, Kakao und Baumwolle (seit der Mitte des Jahrhunderts) wurden angepflanzt; neue Siedler zogen in das Land, Holländer, Franzosen, Deutsche und Juden, dazu wurden Negersklaven in Massen eingeführt. Diese bildeten weitaus den grössten Teil der Bevolkerung, waren aber | |
[pagina 282]
| |
völlig der Willkür ihrer Herren preisgegeben. Die unerhörten Grausamkeiten gegen die Sklaven rächten sich an den Pflanzern. Zahllose Neger flüchteten ins Innere des Landes, bildeten dort Ansiedelungen und vereinigten sich zu Ueberfällen gegen die Pflanzungen; die zahlreichen Züge gegen sie waren ohne rechten Erfolg und überaus kostspielig. Hierin vor allem wollte Johann Jakob Mauritius Abhilfe schaffen. Von 1742-1751 ist er Gouverneur von Surinam gewesen und er hat, wie Zimmermann sagt, mehr als irgend jemand zur Entwickelung und Blüte dieser Kolonie beigetragen. Aber seine Reformversuche in der Rechtspflege und im Militärwesen drangen nicht durch und seine Unternehmungen gegen die Buschneger hatten wenig Erfolg. Am Widerstand der Kolonisten ist er mit seinen Plänen gescheitert; 1751 kehrte er heim. Mit Surinam ging es nun rasch abwärts: Beamten, die den Uebelständen zu steuern suchten, wurden heftig befehdet, die aus den Pflanzern gebildeten regierenden Körperschaften wussten dem Gouverneur viele Schwierigkeiten zu machen, das Militär war arg verkommen und mit der günstigen Lage der Pflanzer war es seit den sechziger Jahren vorüber. Ein Glück in all dem Unglück war der dauernde äussere Friede, aber die inneren Schwierigkeiten währten fort und der Uebergang Surinams an Amsterdam brachte nur engen Kreisen materielle Vorteile, doch dem Lande keinen Segen. Auch die Pflanzungen gingen weiter zurück; nur die Stadt Paramaribo blühte auf: 1791 hatte sie gegen 1800 Hauser. Die ganze Kolonie zählte damals 58000 Bewohner, darunter 45000 Sklaven und 1330 Juden; es bestanden 591 Pflanzungen, die Zuckerausfuhr hatte 1790 einen Wert von 4 Millionen Gulden, 1791 über 4 1/4 Million, 1792 sank sie auf 3 Millionen. Dieses Jahr sah das Ende der Kompanie; sie wurde durch einen Rat über die Kolonien in Amerika und Afrika ersetzt. Die batavische Republik erfreute sich nicht lange des surinamischen Besitzes. 1799 er- | |
[pagina 283]
| |
gab er sich den Engländern. Die holländischen Kolonisten behielten Freiheit und Eigentum, die Beamten und Truppen wurden in englische Dienste genommen. * * * Von den vier grossen indischen Inseln war an der Wende des achtzehnten Jahrhunderts nur Java und auch dieses nur zum Teil, im wesentlichen die Gebiete der Nordküste, den Niederländern untertan. Neben dem Lande der Kompanie bestanden auf der Insel das Reich Bantam und die sogenannten Fürstenlande Surakarta und Djokjokarta; in jenem hatten die Holländer nur einen Residenten beim Sultan und einen Postmeister, in diesem mehrere Besatzungen. Auf Sumatra war nichts mehr vorhanden als eine Faktorei zur Ueberwachung der Zinnlieferungen des Sultans, auf Borneo ein Platz für den Pfefferhandel und im Süden von Celebes die Stadt Makassar. Java bot immerhin reiche Ausbeute an Kaffee, Pfeffer und Reis, und es lohnte sich, das Land gegen die Britten zu schützen. Das gelang auch vorerst. Während andere niederländische Koloniën in die Hand der Engländer fielen (so das Kapland im Jahre 1806 endgültig), wusste sich Java glücklich zu halten. Ja in den ersten Zeiten des neuen Königreichs Holland war ihm trotz der englischen Blockade ein neuer wirtschaftlicher Aufschwung beschieden: der Zuckerbau blühte auf, der Kaffeehandel entwickelte sich kräftig; mit seinen 15 Millionen Pfund lieferte er fast ein Fünftel der gesamten Kaffeeerzeugung und das bedeutete beträchtlichen Gewinn, seit die Verwüstung S. Domingos die Preise in die Höhe getrieben hatte. Als im Januar 1808 Wilhelm Herm. Daendels als Generalgouverneur nach Batavia kam, fand er dort fast 2 1/2 Millionen an Geld und mehr als das dreifache an Waren vor. Napoleon, seit kurzem der Herr der Niederlande, hatte diesen ausgezeichneten Offizier mit weitreichenden Vollmachten nach Java gesandt; Daendels hat sie zu nutzen gewusst. Alles, was er unternahm, | |
[pagina 284]
| |
zeigt einen grossen politischen Zug und zugleich das nüchterne und entschlossene Zugreifen des Soldaten; es ist, als sei etwas von Napoleons Geiste in ihm lebendig gewesen. Die Wehrkraft wurde neu gegründet - 16000 Mann, zu einem Viertel Europäer, sollten in Javastehen - Waffenwerkstätten, eine Artillerieschule, ein Militärspital warden errichtet, der Nordwesten erhielt eine Poststrasse zwischen Anjer und Panaruka, Forts sicherten die Küste. Die einheimischen Herrscher hatten bald zu fühlen, dass ihnen eine neue Macht gegenüberstand: das Sultanat Bantam wurde kurzerhand erobert, die Herren der Vorstenlande zu Landabtretungen gezwungen. Von Java lenkte Daendels seine Blicke auf die Aussenlande, aber er musste erfahren, dass der Mangel an Schiffen und die britische Uebermacht auf Borneo wie in Sumatra und Celebes wirkliche Erfolge unmöglich machten. In Java aber gelang dem Gouverneur neben der Ausbreitung der politischen Macht gleich glücklich die Neugestaltung der Verwaltung, des Finanzwesens und der Rechtspflege. Waren es auch keine Reformen, die den Uebelständen von Grund aus abhalfen, so kamen sie wenigstens der staatlichen Macht zugute. Wie jede Reform, hatte sie ihre Härten, und die Persönlichkeit des Gouverneurs war nicht angetan, sie weniger fühlbar zu machen. Die unbequemen Neuerungen und die rücksichtslose und selbstherrische Natur des Mannes liessen manche Klagen laut werden; allzu willig hat ihnen Napoleon Gehör geschenkt. 1811 musste Daendels von seinem Werke gehen. Dass sein Nachfolger sich dazu drangen liess die Wehrkraft zu mindern, hat sich rasch genug geracht: als im Spätsommer 1811 die Engländer den lang geplanten Versuch der Eroberung Javas ausführten, gelang er ihnen binnen wenigen Wochen. Mit der Kapitulation des niederländischen Heeres am 18 September war ganz Java englisch geworden. Thomas Stamford Raffles, der den englischen Ueberfall vorbereitet hatte, wurde mit der Ver- | |
[pagina 285]
| |
waltung des holländischen Indiens betraut. Er war kaum 30 Jahre alt, aber fähig und erfahren, zugleich ehrgeizig und vaterlandsliebend genug, sich seiner Aufgabe mit ganzer Kraft zu widmen. Rasch glückte es, ihm die Holländer für die englische Herrschaft zu gewinnen; den einheimischen Gewalthabern musste er erst die Schärfe des Schwertes zeigen, ehe sie sich beugten. Er blieb nicht bei den Erfolgen auf Java stehen, 1812 besetzte er Palembang im östlichen Sumatra und die zinnreiche Insel Bangka, übernahm die holländische Station in Makassar die aber ebensowenig gedieh, wie die 2 Jahre später errichtete englische Niederlassung zu Pontianak im Westen Borneos. Java blieb doch für Raffles die wichtigste Wirkungsstätte. Er hat hier Reformen gebracht, wie sie gleich durchgreifend und umgestaltend im niederländischen Kolonialgebiete niemals versucht oder auch nur geplant waren. Eine Bodenreform war die erste grosse Leistung. Privates Eigentum an Grund und Boden war in Java unbekannt, nur Nutzniesungsbesitz gab es: der Fürst verlieh Land gegen Entgelt an seine Grossen oder Beamten und die verpachteten es an Bauern. Diese kleinen abhängigen Pächter lebten im Elend dahin; ihnen sollte geholfen werden. Raffles zog alles Land in die Hand der Regierung und von Regierungs wegen wurden die Landstücke den Bauern in Zeitpacht gegeben. Das Jahr 1813, in dem diese Umgestaltung der Landbesitzverhältnisse begonnen hatte, brachte auch die Verbesserung des Zollwesens, eine Verminderung der Durchgangsabgaben und das staatliche Salzmonopol. Die Neuordnung des Justizwesens schloss sich an: 1814 werden besondere Gerichtshöfe für die Provinz eingeführt und die Rechtspflege von den Fürsten auf die Residenten übertragen. Bis in die Dorfsverwaltung hinab griff die geschickte Hand des Gouverneurs ein. Eine neue Münzordnung und eine ziemlich freiheitliche Handelspolitik sind ihm gleichfalls zu danken. Nur in einem, nicht dem unwichtigsten | |
[pagina 286]
| |
Punkte konnte auch er kein Heil bringen: die Finanzen wollten sich nicht günstig gestalten trotz der vereinfachten Verwaltung. 1812/13 wurden etwa 5 Millionen RupienGa naar voetnoot(1) eingenommen, fast 8 1/2 ausgegeben, und auch noch 1814/15 standen den Einnahmen von 6 1/2 Millionen über 7 3/4 Millionen Ausgaben gegenüber. Diese schlechten Finanzergebnisse und die Veräusserung von öffentlichem Landbesitz - Raffles selbst kaufte solchen an - scheinen in den Augen des indischen Gouverneurs die grossen Verdienste von Raffles aufgewogen zu haben; er berief den tüchtigen Mann ab. Im Frühjahr 1816 verlies Raffles Batavia, im nächsten Jahre veröffentlichte er aus dem Schatze seiner Erfahrungen und Kenntnisse die Geschichte Javas. Als Raffles sein Amt niederlegte waren die alten niederländisch-indischen Koloniën dem Frieden zwischen England und den Niederlanden gemäss schon Monate lang rechtlich wieder niederländischer Besitz, aber erst im Sommer 1816 konnten die holländischen Beauftragten Java übernehmen, bald darauf auch die Besitzungen in Sumatra, Makassar und Timor und alle Plätze auf dem indischen Festlande, die 1803 noch Holland gehört hatten. Ein schwerer Schlag für Holland war es, das Raffles zu Anfang des Jahres 1819 auf der Insel Singapore eine englische Station gründete. Der Einspruch Hollands war vergeblich, zumal der indische Generalgouverneur Lord Hastings, der anfangs die Berechtigung der niederländischen Ansprüche zugegeben hatte, die kecke Rücksichtslosigkeit Raffles annerkante. Die Streitigkeiten und Verhandlungen zwischen England und Holland fanden erst in dem Vertrag vom 17. März 1824 ihr Ende. Die Niederländer gaben darin alle Rechte auf dem indischen Festlande auf, somit auch das Anrecht auf Singapore; England verzichtete dafür auf den Besitz von | |
[pagina 287]
| |
Sumatra und versprach, sich dort nicht mehr restzusetzen. Beide Mächte gewährten sich Meistbegünstigung und verbrieften sich, dass keine von ihnen eine der ausgetauschten Koloniën einem dritten veräussern dürfe. Die Niederländer fühlten in Java wohl in manchem die gute Wirkung der britischen Verwaltung, aber auch grosse Schwierigkeiten hatten ihnen die Engländer hinterlassen, vor allem durch die Veräusserung grosser Landstrecken. Die Unruhe der Bevölkerung liess nur langsam eine neue Ordnung der Verwaltung zu, 1818 wurde (durch einen Regierungserlass) die Insel in zwanzig Regentschaften eingeteilt, die Residenten erhielten richterliche Befugnisse und die Leitung der Finanzen. Zuerst schien die finanzielle Lage günstig: das Jahr 1817 brachte über 18 1/4 Millionen ein, während man nur 13 erwartet hatte; die Ausgaben betrugen 17 2/5 Millionen. Aber bald änderte sich das Bild, die Ausgaben wuchsen rasch an, schon 1820 war ein Defizit da. Die Ordnung der javanischen Verhältnisse, Kriegszüge auf Sumatra, Borneo und Celebes verschlangen grosse Summen. Eine Erhebung auf den Molukken wurde 1817 niedergeworfen. Seitdem blieb es dort ruhig, aber die Bewohner der Inseln waren durch die rücksichtslose Durchführung des Monopolsystems ganz verarmt. Man sah wohl ein, dass nur die Lösung dieser Fessel dem Volke helfen konnte, aber man wagte es noch nicht, entschlossen diesen Schritt zu tun. Einiges geschah indes doch: auf Amboina liess man ab, die Gewürznelkenbäume auszurotten und die Gewürzlieferung zu erzwingen und zahlte höhere Preise für die Nelken; in Banda wurden die Muskatnusspflanzungen geschützt, aber im übrigen blieb es bei dem Muskatnussmonopol. Die Niederländer hatten vorerst noch wenig von den wiedergewonnenen indischen Kolonien. Durch Gründung einer grossen Handelsgesellschaft hofften sie den Engländern, die sich auch nach dem Kriege noch auf dem indischen | |
[pagina 288]
| |
Markte behaupteten, den einträglichen Handel zu entwinden. Im Frühjahr 1824 trat die ‘Handelmaatschappij’ mit einem Kapital von 12 Millionen Gulden ins Leben. Wollte man grosse wirtschaftliche Erfolge erzielen, so galt es zuerst den politischen Machtbereich in Java zu sichern. Im dritten Jahrzehnt des 19 Jahrhunderts wurde er bedenklich bedroht durch die grosse Erhebung im mittleren Java. Dipô Negôrô entfesselte in Djokjokarta einen Aufstand, der erst nach hartem, fast fünfjährigem Kampfe von Merkus de Kock im Februar 1830 zu Boden geschlagen wurde. Er hatte die Holländer viele Menschen und grosse Geldsummen gekostet, aber er brachte ihnen neue Ländergebiete in Djokjokarta ein und Java völlig in ihre Hand. Es galt, den Besitz auszunutzen; nur langsam gelang es. Die schweren Schulden Indiens - durch den Krieg in Djokjokarta waren sie auf 187 Millionen angewachsen - lasteten auf dem Mutterlande, das die Zinsen zu zahlen hatte; das vor allem gab den Ansporn zu Reformen. Leonard de Bus de Ghisignies suchte sie mit Geschick und Entschiedenheit durchzuführen. (1826-1830). Er verringerte die Zahl der Residentschafen, hob viele Beamtenstellen auf und wusste sonst noch die Verwaltung zu vereinfachen und zu verbilligen. Dem verfahrenen Finanzwesen konnte er keine dauernde Besserung bringen, immerhin waren die Neuordnung der Münzverhältnisse und die Gründung der javanischen Bank (1827) dankenswerte Versuche. Aber der niederländischen Regierung war nicht so sehr an grosszügigen und dauernden Reformen gelegen als an der möglichst raschen und möglichst ergiebigen Ausbeutung der Kolonien. Die Finanzlage des Staates war schlimm genug - 1830 betrug die Verzinsung der Staatsschuld fast 25 Millionen Gulden - und die Regierung setzte ihre letzte Hoffnung auf die Erträge Indiens. General van den Bosch, der schon mehr als dreissig Jahre lang in den Kolonien gelebt hatte, war der Mann, die Wünsche des Kö- | |
[pagina 289]
| |
nigs zu erfüllen. De Bus kehrte heim und van den Bosch begann 1830 sein Werk auf Java. Er wollte Ausdehnung der Pflanzungen und vor allem reichliche und billige Erwerbung der Produkte erreichen und dabei doch der Regierung den Vorwurf ersparen, dass sie die verrufene Zwangsarbeit wieder eingeführt habe. Aber das System glich doch dem der alten niederländischen Kompanie auf ein Haar, wenn auch seine Härten äusserlich geschickt verhüllt waren. Es war nur versteckte Zwangsarbeit, die den Eingeborenen durch dieses ‘Stelsel van Cultures’ auferlegt wurde. Es stand ihnen darnach frei, statt die übliche Landrente zu zahlen, 1/5 ihres Landes an die Kolonialverwaltung abzutreten; die nötigen Arbeiten zur Bestellung des Landes mussten sie auf sich nehmen, wofür ihnen die alten 60 Tage Herrendienst erlassen wurden. Bald wurde diese Freiheit zur Pflicht gemacht und dem Widerspruch der indischen Verwaltung zum Trotz führte van den Bosch unter Niederwerfung jedes Widerstandes die Zwangslieferungen für alle Kulturen durch. Der Dank der Krone blieb ihm nicht vorenthalten. Seit der Loslösung Belgiens war das niederländische Königreich noch mehr als zuvor des Geldes bedürftig und der materielle Erfolg der Kulturstelsels liess nichts zu wünschen übrig: schon 1831 konnte Indien an Geld und Waren fast 2 3/4 Millionen nach den Niederlanden liefern, 1832 über 4 3/4 Millionen und diese Einkünfte stiegen ständig. Die 3 Jahre 1835, 1836 und 1837 brachten 63 Millionen. Die königliche Gunst trug dem Gouverneur, der auch in Sumatra die holländische Herrschaft glücklich gefestigt und auch hier mit seinem System begonnen hatte, im Jahre 1834 das Amt eines Kolonialministers ein. Sein Nachfolger in Indien, Baud, ging ganz in van den Boschs Spuren weiter. Trotz dem reichen Gewinn war das neue System in den Niederlanden von der öffentlichen Meinung verurteilt, wie es auch in Indien höchst verhasst war. Der allgemeinen | |
[pagina 290]
| |
Erbitterung musste van den Bosch weichen, Baron Baud wurde nun Kolonialminister, ihm gelang eine günstigere Vereinbarung mit der Handelsmaatschappij, die an den Staat eine Forderung von 47 Millionen Gulden hatte. Die Einkünfte Indiens stiegen dauernd, freilich waren etwa 60 Millionen jährlich aufzubringen, um die Verwaltungskosten zu decken; die Steuern ergaben 48 Millionen. Am günstigsten entwickelte sich die Kaffeekultur; hatte sie in den Jahren 1840-44 weniger als 8 Millionen abgeworfen, so brachte sie 1860-64 über 25 Millionen, 1870-74 fast 29 Millionen. Dagegen stand es mit dem Zuckerbau nicht, gut, noch schlechter mit Indigo, Tabak und Tee und die Bevölkerung hatte unter dem Drucke des Kulturstelsels viel zu leiden. Baud hielt sich bis 1848; der Sieg der liberalen Partei brachte ihn zu Fall. Das neue Staatsgrundgesetz (Grondwet), noch heute die Grundlage der niederländischen Kolonialpolitik, gab den Generalstaaten neben der Krone manche Rechte in der Kolonialverwaltung. Das alte unumschränkte Regierungssystem war damit zerstört, aber es dauerte Jahre bis es tatsächlich verdrängt war. Die Härten des Kultursystems, allerlei Missbräuche und Vergehen der Beamten lasteten auf dem Lande. Da ist ein kühner und erfahrener Mann, der dem Staate 17 Jahre lang in Indien gedient und all das Elend und all die Verderbtheit kennen gelernt hatte mit einer Schrift hervorgetreten, die der Welt die Augen öffnete über die Dinge im holländischen Indien: Eduard Douwes Dekker. Waren bisher alle Rufe nach Reformen vergeblich gewesen, so wurde die Kolonialverwaltung durch den Roman ‘Max Havelaar’, den Dekker 1860 unter dem Namen Multatuli veröffentlichte, geradezu gezwungen, Besserung zu schaffen. Man tat gewiss nicht zu viel, aber die Einschränkung der Zwangskulturen und die Regelung des Zuckeranbaues, die Ordnung der Tarifgesetzgebung und anderes waren wichtige Reformen und sie gingen so ziemlich alle aus der Bewegung her- | |
[pagina 291]
| |
vor, die Dekkers Schilderungen hervorgerufen hatten. Die folgenden Zeiten brachten weitere Neuerungen, Beschränkung der Frondienste, Aufhebung der Sonderstellung der Preanger-Regentschaften, der richterlichen Rechte der Residenten, Milderung oder Abschaffung der Zölle, Beginn der Eisenbahn und anderes mehr. Der Kaffeebau blieb im wesentlichen in den alten Formen; das Kaffeemonopol ist nur in den javanischen Gebieten, die einen geringen Ertrag an Kaffee hatten, abgeschafft worden, obwohl die zweite Kammer 1892 die völlige Aufhebung gefordert hatte. Die javanische Bevölkerung ist in den letzten Jahrzehnten an Zahl und Besitz ständig gestiegen. Die übrigen indischen Inseln standen und stehen gegen Java an Bedeutung weit zurück. Harte Kämpfe hatten hier die Holländer zu führen, so in Sumatra, wo besonders der Sultan von Djambi viel zu schaffen machte und noch mehr der wie es scheint unüberwindliche Widerstand des kleinen Reiches von Atjeh - so auf der Insel Bali, in Borneo und Celebes. Den Molukken sind in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weitere Reformen gewährt worden, vor allem im Jahre 1864 die Aufhebung des Gewürzmonopols, die den Bau und die Ausfuhr der Muskatnüsse ausserordentlich förderte. Um die kleine Insel Timor, die nur zu einem Teil den Niederländern gehört, zum anderen Teile seit alters portugiesisch ist, hat sich Holland erst seit den letzten Jahrzehnten gekümmert, um den Besitz auf Neu-Guinea erst dann, als die Deutschen und Engländer sich auf der Insel festgesetzt hatten.
* * *
Surinam ist den Niederländern nicht im alten Umfang erhalten geblieben: der Friede von 1814 liess den Engländern die wertvollen Gebiete Essequibo, Demerary und Berbice (Britisch Guiana). Der holländische Besitz sah bösen Zeiten entgegen. Re- | |
[pagina 292]
| |
formen, wie sie van den Bosch seit 1828 versuchte, drangen gegenüber dem geschlossenen Widerstand der Pflanzer auf die Dauer nicht durch. Hatte er es vermocht die Lage der Sklaven ein wenig zu bessern, so wussten die Kolonisten bald genug seine Anordnungen hinfällig zu machen. Die Regierung liess die Ausschreitungen gegen die Neger ungeahndet. Während in dem britischen Nachbargebiete die Sklaverei schon aufgehoben war, wurden in der niederländischen Kolonie die Sklaven mit rücksichtsloser Härte und Grausamkeit behandelt (noch 1833 z.B. wurden 3 Negerjungen, der Brandstiftung überführt, bei lebendigem Leibe verbrannt). Alle Schutzgesetze waren vergeblich, nur das Verbot der Sklaverei konnte noch fruchten. Im Jahre 1863 ist es denn auch dazu gekommen. Den Gewinn aus der Kolonie hat die Aufhebung der Sklaverei gewiss nicht gefördert. Der Arbeitermangel, der bald hervortrat, nötigte dazu, indische und chinesische Kulis anzuwerben. Die hohen Kosten der Zuführung dieser Arbeitskräfte wurden durch ihre Leistungen nicht aufgewogen. Die Einkünfte der Kolonie waren und sind nicht hinreichend, die Ausgaben zu decken und das Mutterland hat jährlich Zuschüsse zu zahlen, die bisweilen, wie zum Beispiel 1893, 1896, 1901 das dritte Hunderttausend erheblich überschritten haben. Die Gegenwart wollen wir nicht betrachten, wenn auch sie gerade verdient, gekannt und gelobt zu werden. Nicht dass schon glänzende materielle Ergebnisse hervorgetreten wären - es ist die heutige holländische Kolonisierungsart, die wärmster Anerkennung wert ist. Ein Kenner der Kolonialverhältnisse wie Hübbe-Schleiden stellt sie weit über die englische, er rühmt, dass die Niederländer die geistige Kultivation der Tropenländer versucht, dass sie angefangen haben, eine fremde Menschenrasse wirklich zu erziehen. Das ist das höchste Lob, das einer Kolonialmacht werden kann. Ein Volk, das eine solche Gegenwart | |
[pagina 293]
| |
hat, braucht sich nicht zu scheuen, auf die Vergangenheit zu blieken, auch wenn sie viel Unrühmliches aufweist. Die niederländische Kolonialpolitik bis über die Mitte des letzten Jahrhunderts hinaus bietet dem heutigen Betrachter im einzelnen nur wenig erfreuliche Züge, und wer nach den leitenden Gedanken und den Zielen forscht, wird sich unbefriedigt abwenden, wenn er nichts sieht als nackte Gewinnsucht und rücksichtslose Herrschgewalt, und doch: dieser Reichtum kaufmännischer Kraft, diese Fülle fähiger Persönlichkeiten, dieses zähe Ausharren zwingen uns Bewunderung ab; wir bedenken, dass schon das entschlossene Festhalten des kolonialen Gedankens ein Verdienst ist, das durch die unwürdige Durchführung der Idee zwar an Wert ungeheuer verlieren, aber doch niemals aufgehoben werden kann. Und wie immer die Vergangenheit gewesen ist: das letzte Menschenalter hat begonnen, wieder gut zu machen, was Generationen gesündigt haben. |
|