Germania. Jaargang 5
(1902-1903)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdGermanen und Slaven
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Schilde trugen und hauptsächlich zu Fuss kämpften. Trotzdem sie aber Blockhäuser zu bauen verstanden, wechselten sie doch leicht und oft die Wohnsitze und begnügten sich vorübergehend auch mit leichten Hütten von Flechtwerk; sie bebauten fleissig den Acker und trieben Vieh- und Bienenzucht. Sie waren rührigeGa naar eindnoot1 Kaufleute und auch geschickt in allerlei Handwerk, doch stand beispielsweiseGa naar eindnoot2 ihre Schmiedekunst nicht auf gleicher Höhe wie die deutsche. Karel der Grosse verbot, um die WehrhaftigkeitGa naar eindnoot3 seiner östlichen Nachbarn zu beschränkenGa naar eindnoot4, die Ausfuhr von Schwertern und BrünnenGa naar eindnoot5 nach den Slavenländern. Im übrigen war ihre Bewaffnung und Tracht der germanischen ähnlichGa naar eindnoot6: sie trugen HosenGa naar eindnoot7, RöckeGa naar voetnoot(1) und Mäntel und führten Schilde, Lanzen, Schwerter, Bogen und SchleudernGa naar eindnoot8. Wie bei den Germanen gab es drei Stände. Edle, Freie und Knechte. Alle Freien waren ursprünglich gleichberechtigt; Knechte konnten sich loskaufen. Staatsangelegenheiten wurden auf Volksversammlungen verhandelt und entschiedenGa naar eindnoot9. Der Hausvater hatte unbeschränkte Gewalt über seine Angehörigen; die Frauen waren geehrt, doch war Vielweiberei erlaubt und entschieden viel häufiger als bei den Germanen. Die Slaven waren im allgemeinen harmlos und friedliebend - doch werden auch Züge von Treulosigkeit und GrausamkeitGa naar eindnoot10 erwähntGa naar eindnoot11 -, ausdauerndGa naar eindnoot12, abgehärtet und sehr gastfrei. Besonders tritt ihr fröhlicher Sinn, ihre Freude und Gesang, Tanz und Saitenspiel hervor; bei ihren Festen tranken sie Meth, den sie wie die Deutschen benannten (medu). Die Leichenfeier stimmt ganz mit der germanischen überein: der Tote wird mit Waffen, Rossen, Hunden, Weibern und Knechten beigesetzt oder verbrannt (beide Bestattungsarten finden sich in den Kurganen), sein Andenken durch Totenklage und Kampfspiele (trizna) gefeiert. Die Weiber folg- | |
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ten ihren Männern oft freiwillig in den Tod, was an die indischen Leichenverbrennungen erinnert. Die Götter wurden ursprünglich auf Bergeshöhen, an Quellen oder in heiligen HainenGa naar eindnoot13, später auch in Tempeln, zumteil sehr prächtigenGa naar voetnoot(1), verehrt. Genau wie bei den Germanen waren die Heiligtümer mit einer EinfriedigungGa naar eindnoot14 umgeben, die einen geweihten, Schutz und Frieden gewährenden Raum (as. fridhof) einschloss. Priestertum, Opfer und WeissagungGa naar eindnoot15 war denen der Germanen durchaus ähnlich. Die Priester waren auch Hüter der alten Volksrechte, die sie nach germanischer Sitte auf Holztafeln schrieben. Nach den erhaltenen Spuren war die älteste slavische SchriftGa naar voetnoot(2), wie auch ihr Name bukwitza, mit den Runen nahe verwandt. Der schon öfter angeführte Schafarik sagtGa naar voetnoot(3) darüber: ‘Dass die alten, noch heidnischen Slaven, wie Kelten und Germanen, einer besonderen Schrift, nämlich der Runen, wenn auch nicht allgemein und im täglichen Leben, so doch bei feierlichen Gelegenheiten, im Gottesdienst und zur Gesetzgebung, seit undenklichen Zeiten sich bedienten, muss nach den bestimmten Aussagen | |
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glaubwürdiger, einheimischer und fremder Zeugen, des Chronichon paschale des Merseburger Bischofs ThietmarGa naar voetnoot(1), des bulgarischen Mönchs Chrabr, der Araber Ibn-Foslan, Nedim u. A. als erwiesen, ja gewiss angesehen werden’. Dieser Ansicht schliesst sich auchGa naar voetnoot(2) Jakob Grimm an: ‘Diese wendischen Runen sind im Ganzen die nordischen, weichen aber in einzelnen Buchstaben ab und ihre entschiedenste Abweichung stimmt zu der Glagolitza’, woraus für ihn hervorgeht, ‘dass schon die heidnischen Slaven einer Schrift pflogen, von welcher uns bedeutende Ueberreste nirgends anders als in dem glagolitischen Alphabet vorliegen.’ Im Grossen und Ganzen verehrten die Slaven die gleichen Götter wie die Germanen. Teilweise stimmen sogar die Namen überein: so entspricht der Kriegsgtt Tur dem germanischen Tyr oder Ziu, Prove dem Fro, Pria der Freia, Ziwa oder Siva (Ceres) der nordischen Erdgöttin Sif. Andere, wie Porenut, Swantowit, Radegast (könnte auch ein germanischer Eigenname sein), Triglaw, Lada, Lel, führen bei den Slaven abweichende Namen. Letzteren eigentümlich und an den Götterglauben der nach Asien ausgewanderten Arier erinnernd ist die Zweiteilung der Gottheit in gut und böse: Bielbog der weisse, gute und Cernobog der schwarze, böse Gott. Die slavische wila, Nymphe, erinnert an die germanische wala, der Waldgeist skret ist genau das ahd. scrat, isl. skratti. Wenn uns dies zur Sprache überleitet, so sind zunächst die slavischen Volks- und Stammesnamen zu beachten. Wie im Westen ein gemeinsamer Name, Kimbern, keltische und germa- | |
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nische Völkerschaften verbindet, so entsprichtGa naar eindnoot17 auch der älteste geschichtliche Name der Slaven dem des östlichsten der vier Germanenstämme. Wenden und Wandalen, letztere zum gotischvandalischen Stamme gehörend, leiten sich beide von der Wurzel wand ab, mit der die Germanen das Meer, adh. wendilmere, die Litauer (wandu) und die Dänen noch heute das Wasser benennen. Ein zur Bezeichnung von Völkern und Gewässern gleich passender Begriff ist der des Glanzes, und in der That heissen die Goten auch Skiren, mit welchem Nahmen dieser Begriff zweifellos (got. skeirs, klar) verbunden ist. Der Slavenname selbst ist von skr. çravas, sl. slawa, RuhmGa naar voetnoot(1), abzuleiten; die älteste Form Sclavi, Sthlabeni zeigt deutlich, dass das anlautende s die im Slavischen häufige Erweichung des k-Lauts ist; im Namen der Kroaten lebt der ältere Lautstand noch heute fort. Von den Namen einzelner kleiner Völker sind die slavischen Cariones, Cassubi, Cassubi, Lemusi, Scudici, Warnabi zu den germanischen Harii, Hassi, Lemovii, Sabalangi, Scudingi, Varni zu stellen; die Endung von Warnabi, Welatabi ist zweifellos das got. aba, Mann. Von den slavischen Eigennamen gilt das gleiche wie von den keltischen, sie sind, wie SchafarikGa naar voetnoot(2) treffend bemerkt, ‘aus gleichem Stoff und nach gleichen Mustern und Grundsätzen’ wie die germanischen gebildet. Folgende, Godimir, Radowlad, Wladimir, Chotimir, Wsegost, Olomnnt, sind den germanischen Godomar, Radowald, Waldemar, Cattumer, Wisogast, Alamund fast buchstäblich gleich. Auch die Flussnamen zeigen grosse Uebereinstimmung: Wisa und Isa sind auch ger- | |
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manisch, Wisloca, Nagla, Sabla, Newa, Dubrawa, Ingulez, Silis sind mit Visura, Nagalta, Sabinicha, Nava, Tubra, Angel, Siehl eines Stammes. Die slavischen Ortsbezeichnungen sind fast sämtlich von einzelnen Teilen des germanischen Gehöftes hergenommen: bor ist Burg (Ratibor = Ratzeburg, Brennabor = Brandenburg) vic = wik, das ganze Gehölte, grad gorod ist nichts anderes als das deutsche gard, die Umzäunung, selo = sal, der Hauptbau, selidva, Wohnung, Herberge, ist fast genau das gotische salithva. Im slavischen Wortschatz, besonders der alten Kirchensprache, findet sich sehr viel germanisches Sprachgut, z. B. iska = ahd. eisca, Forderung, jabluko = Apfel, orila = got. ara, Adler,olu = ags. ealu, Bier, aje = Ei, jasika = Esche, osile = Esel, slemu = Helm, knpu = Haufe, creda = Herde, crevo = got. hraiv, Leichnam, chlebu = got. hlaifs, Laib, Brot, slama = Halm, scridice = Herz, zruno = Korn, gasi = Gans, zlato = gold, = gosti = Gast, grebu = Grube, tilo = Diele, drevo ahd. trui, Baum, Holz, wrtograd = Garten, Wurzgarten, mec = got. mekis, Schwert, nosti = Nacht, nagu = nackt, nelij = got. nithjis, Neffe, prijateli = ahd. vriedel, Freund, byku = Bock, boru = got. bari, Gerste, bebru = Biber, breza = Birke, bradu = Bart, blisku = Glanz, Blitz, maku = ahd. mago, Mohn, repa = Rübe, rudru = rot, ljubu= lieb, voda = ahd. watar, Wasser, vluna = Wolle, vlina = Welle, vlada = Gewalt, seti = ahd. seita, Strick, svine = Schwein, stopa = Stapfe, strela = ahd. strala, Pfeil, snega = Schnee und vieles Andere. Mögen auch durch die Waräger manche nordische Lehnworte, wie z. B. bezeichnenderweise die Knute, ins Russische gekommen sein, so zeigt doch die Trübung. Erweichung, Verwechselung und Umstellung einzelner Faute, dass wir es mit urverwandtem, durch lange Sonderentwickelung umgewandeltem Sprachstoff zu thun haben. Die slavischen Sprachen stehen zwar, weil sie sich früher vom Stamm abgezweigtGa naar eindnoot18 haben, auf einer älteren Entwickelungsstufe als die germanischen, zeigen | |
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aber durch die angedeuteten Veränderungen, dass sie sich auf der anderen Seite auch weiter vom ursprünglichen Lautstand entfernt haben. Aus der Sprache geht also keineswegs hervor, dass die Slaven, wie es bei östlicher (en niet noordelijke Red.) Herkunft sein müsste, den UrsitzenGa naar eindnoot19 der Arier näher geblieben sind. Solche Völker, die man eben so gut Germanen nennen könnte, giebt es bei den Slaven nicht, ein Zeichen, dass sie sich viel früher vom Stammvolke getrennt haben als die letzten Wellen des keltischen Völkerstroms. In gewissem Sinne könnte man den litauischen Völkern, zu denen die alten Preussen gehörten, eine solche vermittelnde Stellung zuschreiben. Sie wohnten, während die Slaven schon weit ins Binnenland vorgedrungen waren, noch hart an der Ostküste (dextro Suebici mans litore Aestuorum gentes aluuntur, Tac. Germ. 46), glichen nach Sitte und Lebensweise am meisten den Sueben, verehrten wie diese dij Göttermutter (Seewa, nord. Sif) und trugen wie die Angelsachsen schutzbringende EberbilderGa naar voetnoot(1) auf den Helmen. Von ihrer Sprache hat Tacitus, der ihren Ackerbau rühmt, richtig erkannt, dass sie keine germanische war; er nennt sie der britischen ähnlicher, womit er nur die nahe Verwandtschaft ausdrücken will. In der That steht auch das Litauische dem Germanischen näher und zeigt viel weniger Entartung und Entstellung als das Slavische; einige Beispiele mögen genügen: dem slav. vladari, Herr, entspricht das lit. waldnikans, König, beide von der germ. Wurzel wald, gradu istgardas, nosti | |
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naktis, brada barzde, breza berzas, vluna wilna, slama zelmu u.s.f. Wortschatz und Namen zeigen viel Gemeinsames; die in litauischen Ortsnamen so häufigen Endungen kehmen und kallen sind nichts anderes als die germanischen Wörter haim und halla. Die Geschichtsschreiber der Preussen, Peter von Dusburg, Simon Grunau u. A. nennen das Volk auch Goti, Gudai, Gethi, Getae - ebenfalls eine wichtige Anlehnung an die Ostgermanen - und schildern seinen Götterglauben, seine Sitte und Gebr:auche als denen unserer Vorfahren auffallend ähnlich. Sie erwähnen auch eine Sage, dass Preussens Ureinwohner nur die Sonne verehrt und durch nordische Einwanderer, Goten oder Skandier, die übrigen Götter kennen gelernt hätten. Helmold und Adam von Bremen (angeg. Orts) loben ihre guten Sitten und Menschenfreundlichkeit und schildern ihr Aeusseres folgendermassen: blaue Augen, rötliches Gesicht, langes (blondes) Haar (homines caerulei, facie rubei, criniti). Auch die fast ganz in anderen Völkern aufgegangenen Litauer bestätigen das Naturgesetz vom Aussterben der Bindeglieder. Trotzdem können wir sie nicht als jüngere WelleGa naar eindnoot20 der Slaven betrachten, denn obwohl sie mit den Germanen zweifellos nahe verwandt sind, stehn sie auf der andern Seite, wie schon der gemeinsame Name Getae zeigt, mit den ThrakernGa naar voetnoot(1) in engster Verbindung. Mit recht hat schon Jakob Grimm auf die Uebereinstimmung der thrakischen Wörter kroustane, Schwalbenkraut, und priadela, Liebesranke, mit lit. kregzde und prietelis, Schwalbe und Geliebter, aufmerksam gemacht und daraus auf eine besonders nahe VerwandtschaftGa naar voetnoot(2) der thrakischen mit der litauischen Sprache geschlossen. Aus dem thrakischen Stammvolke sind Pelasger, asiatischer und ita- | |
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lischer Thyrsener, Hellenen und Makedonier hervorgegangen. Die griechische Sprache lässt diesen Zusammenhang noch erkennen, denn sie zeigt mit keiner anderen Sprache so grosse Uebereinstimmung, wie mit der litauischen: z. B. cheir, thrasys, platys, poimen, polis, thymos, theos, pyros, pao, Hand, kühn, platt Hirte, Stadt, Mut, Gott, Weizen, Wiese, lauten fast ebenso im Litauischen, kaire, drasus, platus, pïemuo, pillis, duma, diewas, pura peva. Die ältesten Wellen der Slaven müssen wir in Asien, bei den Hindu suchen, die ausser den genannten Sitten auch im Namen noch Anklänge erkennen lassen. Zum dritten arm des ungeheure Landstrecken überflutenden Oststroms gehören die Sarmaten, Skythen und Perser. Durch unsere Zeit geht bekanntlich das Streben, gleichsprachige Völker auch staatlich zu einen. Die Vormacht jedes Volkes sucht daher alles, was mit gleicher Zunge spricht, sich anzugliedernGa naar eindnoot21 oder doch durch Bündnisse zu fesseln, denn im Volksbewusstsein zeugt allein die Sprache von verwandtschaftlichem Zusammenhang. So sehen wir auch die in verschiedene Sprachzweige gespaltenenGa naar eindnoot22 und mehreren Staaten angehörenden Slaven von dem an sich nicht unberechtigten Gedanken einer Einigung aller Volksgenossen, dem Panslavismus erfüllt. Wenn sich aber die Russen dadurch verleiten lassen, die durch kaiserliches Wort gewährleistete Selbstständigkeit, Sprach- und Gewissensfreiheit in den Ostseeprovinzen und in Finnland mit Füssen zu treten, so schneiden sie sich damit ins eigene Fleisch. Deutsche und Schweden, die treuesten und zuverlässigsten Unterthanen des Kaisers aller Reussen, stehen durch ihre Muttersprache doch in innigster Verbindung mit der mitteleuropäischen Kultur und haben dadurch dem russischen Staat die grössten Dienste geleistet. Durch gewaltsame Verrussung werden diese Kronländer, zu den schönsten Edelsteinen in der Zaren- | |
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krone gehörend, an Wert nicht gewinnen, sondern verlieren. Es giebt Leute, die einen Entscheidungskampf zwischen dem Deutschen Reich und den Slaven für unvermeidlich und den Sieg der Letzteren für wahrscheinlich halten. Da auch die Rassen und Völker der Menschen, wie alle übrigen Geschöpfe, ums Dasein kämpfen müssen, so ist allerdings der Krieg nicht aus der Welt zu schaffen und ein solcher zwischen Deutschland und Russland, der Vormacht der Slaven, nicht unmöglich. Nach dem Naturgesetz aber, dass die höher stehende und besser gerüstete Rasse siegen muss, wird man im Falie eines Krieges aut Erfolge der deutschen Waffen hoffen dürfen, denn auf unserer Seite ist zwar nicht die Ueberzahl, wohl aber die höhere Gesittung und ein grösserer Vorrat edler Rasse. Nihil valet multi-tudo in bello. |
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