Germania. Jaargang 5
(1902-1903)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Die Reise Kaiser Wilhelms nach Kopenhagen
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gesammten dänischen Volkes entsprichtGa naar eindnoot7. Von Jütland aber und den InselnGa naar eindnoot8 wird man dann willig den Blick weiter nach Norden schweifen lassen, denn dort in Skandinavien sitzen die einsichtigen, weitschauenden Männer, die längst dem Anschluss der Nordgermanen an die Südgermanen das Wort geredetGa naar eindnoot9 und durch freundlichen Zuspruch die dänische EmpfindlichkeitGa naar eindnoot10 haben beschwichtigenGa naar eindnoot11 helfen. Es ist ein offenes Geheimniss, dass der grossmüthige Herrscher der beiden unirten Länder in der HinsichtGa naar eindnoot12 der Führer seines Volkes ist. Wie enge Fühlung aber König Oskar II. hierin mit seinen Unterthanen hatte, das lehrte wiederum die schwedische und norwegische Presse, die nicht müde wurde in ungewohnter EinmütigkeitGa naar eindnoot13 die hohe Bedeutung dieses Kaiserbesuchs für die fernere Entwicklung der deutsch-skandinavischen BeziehungenGa naar eindnoot14 zu preisen. ‘Nirgends’, so äusserten sich die Stockholms Tidningen bei diesem AnlassGa naar eindnoot15 voller Begeisterung, ‘wird die Thatsache der Kopenhagener Begegnung wohl mit aufrichtigeren und wärmeren EmpfindungenGa naar eindnoot16 begrüsst, als innerhalb der schwedisch-norwegischen Union, wo man vielleicht den unmittelbarsten und klarsten Begriff besitzt von den Vorteilen eines freundschaftlichen, nachbarlichen Zusammengehens zwischen den Nationen des nord-und südgermanischen Stammes. Schon zu jenem Zeitpunkte, als die Kunde von dem geplanten Besuche des dänischen Thronfolgers am Berliner Hofe nach dem Norden gelangte, drängte sich uns die froheGa naar eindnoot17 Gewissheit auf, dass endlich auch der südlichste unter den skandinavischen Staaten seinem mächtigen Nachbarreiche den Rang eines neugewonnenen Freundes zuzuerkennen im Begriff steheGa naar eindnoot18. Dänemark hat lange Jahre hindurch, zum Theil beeinflusst durch gewisse dynastische Zusammenhänge, seine politischen und wirtschaftlichen Hoffnungen auf die Hilfe des grossen Zarenreiches im Osten gesetzt. Die Erfüllung der Zukunft träume ist ausgeblieben, denn das Land des Selbstherrschers, | |
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welches sich noch unter der Regierung eines Alexander III. an seiner eigenen Machtfülle berauschen konnte, ist heute nicht mehr wie ehedemGa naar eindnoot19. Mag äusserlich der Glanz der russischen Staatskunst in unveränderter Stärke fortbestehen, so kann doch kein Optimismus darüber hinwegtäuschenGa naar eindnoot20, dass die Dinge an der Newa einem ZersetzungsprozessGa naar eindnoot21 entgegentreiben, welcher die ZuversichtGa naar eindnoot22 auf russische Hilfe im Augenblick politischer Gefahr als auf einem recht zweifelhaften Fundament gegründet erscheinen lassen muss. Die heilsame Erkenntniss dieser Sachlage war es jedenfalls in erster Linie, welche der dänischen Krone von Anfang an die Notwendigkeit vor Augen führte, mit dem bisherigen System des sich Vereinsamens zu brechen und den auf eine Annäherung an den deutschen Stammesgenossen hinzielendenGa naar eindnoot23 Einflüssen ein geneigtes Ohr zu schenken. Ueber die rein nationale Seite hinaus musste auf dänischer Seite auch der Segen eines interskandinavischen EinverständnissesGa naar eindnoot24 mit dem deutschen Reiche in die Augen springen, welches namentlich auch für die Pflege freundlicher Beziehungen kultureller und ökonomischer Art so gute Aussichten eröffnet. Das Deutsche Reich seinerseits wird Gewicht darauf zu legen wissen, dass der Weg zur Herzen dem nordischen Stammesbrüder noch immer zum guten Theile über das dänische Inselreich führt und dass in der loyalen Freundschaftserklärung Dänemarks ein beruhigendes Element enthalten ist, welches der gesammten Lage im Norden zu Gute kommen muss.’ Zu diesen AusführungenGa naar eindnoot25 des Stockholmer Blattes liesse sich Mancherlei bemerken: jedenfalls aber begegnen sie sich mit den Wünschen und Gedanken der weitesten Kreise des deutschen Volkes. Mag die politische Raison auch heute noch hier und da den leitenden deutschen Staatsmännern andere ZieleGa naar eindnoot26 vorschreiben und andere Pflichten auferlegen, für jeden der sehen will, ist es klar, dass der allgermanische Gedanke, die Anschauung, | |
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dass Deutschland die Aufgabe hat, allmählich in die Rolle eines Schirmherrn auch der deutschen und germanischen Volkstheile, die nicht politisch mit ihm verbunden sind, hineinzuwachsen, trotzdem Grafen von Bülow in Deutschland von Tag zu Tag an BodenGa naar eindnoot27 gewinnt. Durch nichts aber wird diese Ueberzeugung, die im Laufe einiger Jahrzehnte ein Machtfaktor sein wird, den auch der eigenrichtigste deutsche Reichskanzler fürder nicht wird vernachlässigenGa naar eindnoot28 dürfen, mehr genährt und gefördert, als durch das offene und ehrliche EingeständnissGa naar eindnoot29 der kleineren Staaten germanischen Stammes, dass sie darauf rechnen, an dem starken deutschen Bruder einen Rückhalt zu haben! Zum Schluss aber sei noch auf eine Angelegenheit hingewiesen, die leicht zu neuen IrrungenGa naar eindnoot30 Anlass geben könnte. In einem offenen Brief an eine deutsche Zeitung hat ein norwegischer SchriftstellerGa naar eindnoot31, dessen Name viel in Deutschland bedeutet, die preussische Regierung wegen ihrer Politik in Nordschleswig angegriffen und geltend gemacht, dass eben dieses VerfahrenGa naar eindnoot32 der sonst so erwünschten dänisch-deutschen Annäherung ein unüberwindliches Hinderniss entgegensetze. Wie andere ausländische Blätter haben auch niederländische diese Anschuldigungen Björnsons für bare Münze genommen und daran VorwürfeGa naar eindnoot33 gegen unser Volk geknüpft, die unbegründet sind. Das System ‘Köller’ in Nordschleswig, das der treffliche skandinavische Dichter so streng verurtheilt,besteht keineswegs, wie man ihn glauben gemacht hat, aus zwecklosen Plackereien, mit denen die hundert- oder zweimalhunderttausend Nordschleswiger bedacht werden, die ganz oder überwiegend dänisch sprechen. Der SachverhaltGa naar eindnoot34 ist vielmehr der, dass jene Grenzbewohner, die seit alters sich eines dänisch-friesisch-niederdeutschen Mischdialekts bedienten, während der beiden ersten Drittel des neunzehnten Jahrhunderts veranlasst wurden, das Dänische statt des Hochdeutschen als Schriftsprache zu gebrauchen. | |
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Dass nun in Folge der Angliederung Schleswig-Holsteins an Preussen seit dem Jahre 1866 das Hochdeutsch vielfach wieder siegreich vordringt, ist unvermeidlich. Keineswegs aber ist die preussische Staatsregierung darauf aus, diesen Prozess künstlich zu beschleunigen oder gar durch Gewaltakte zu forciren. Zwangmassregeln schärferer Art, die in der AusweisungGa naar eindnoot35 lästiger dänischer ZuzüglerGa naar eindnoot36 bestanden, wurden vielmehr nur durch gewissenlose Agitatoren herbeigeführt, die offen oder geheim die Loslösung nordjütländischer Landestheile vom Körper des deutschen Reichs betriebenGa naar eindnoot37. Dass der damalige OberpräsidentGa naar eindnoot38 der deutschen Nordmark, Herr v. Köller, diesen, wie die Dinge nun einmal lagen, landesverrätherischen Bestrebungen seit dem Ende der neunziger Jahre des vorigen Jahrhunderts mit rücksichtsloserGa naar eindnoot39 EntschlossenheitGa naar eindnoot40 entgegentrat, sollte ihm gerade jetzt als besonderer Ruhmestitel angerechnet werden: indem er zeigte, dass Preussen-Deutschland unabänderlich an den Verträgen festhalte, hat er ohne Zweifel dazu beigetragen, den alten Gegner von der Nutzlosigkeit seines Widerstandes zu überzeugen. Wenn trotz dieses klaren Thatbestandes sich vielfach auch in Deutschland hervorragendeGa naar eindnoot41 Männer mit Schärfe gegen das sogenannte System Köller ausgesprochen haben, so liegt das in der Charaktereigenthümlichkeit des deutschen Volkes begründet, das stets geneigt ist, ohne jede Rücksicht auf seinen Vortheil dem schwächeren Theile Recht zu geben und ihm womöglich zu Hilfe zu kommen. Mag aber hier und da einmal wirklich mit zu grosser Härte vorgegangen sein, so ist jetzt, nachdem die offizielle dänische Politik durch ihre Versöhnung mit Deutschland den Agitatoren in Nordschleswig den Wind aus den Segeln genommen hat, der rechte Augenblick gekommen, einzulenkenGa naar eindnoot42 und mildere SaitenGa naar eindnoot43 aufzuziehen. Jedenfalls aber ist in Deutschland vom schwäbischen Meer bis zum Belt die Kunde von den Vorgängen | |
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in Kopenhagen mit der Freude des Herzens aufgenommen worden, die man zu empfinden pflegt, wenn man einen lieben, lange entfremdeten Freund nach Beilegung unbequemer Irrungen wieder in alter Weise die Hand schüttelt. |
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