Germania. Jaargang 5
(1902-1903)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Bismarck in der deutschen Dichtung
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Wagemut für seinen König eintretenden Abgeordneten, dem vielfach verfehmtenGa naar eindnoot6 ‘Junker’ (1847-1850), mancher den künftigen Vorkämpfer für des Vaterlandes Ruhm und Grösse. So z. B. ‘Eine Preussin’, die im Jahre 1849 dem Abgeordneten Bismarck zurief: ‘Hui, Bismarck, wie klingt Deine Rede so gut!
Hui, Bismarck, wie flammst Du im Löwenmut!
Das Schwert Deiner Rede, es blitzet so frei,
Und der Sinn deiner Rede ist ewige Treu!...
Ja, wärst Du Feldmarschall, Du flög'st nach im Saus
Und jagtest den Feind uns zum Lande hinaus.
O Gott, schaff' uns Männer von dieser Art
Nur hundert, nur hundert auf unsrer Wart'!’
Und J.G. Fischer ahnt in dem unerschrockenen Abgeordneten den ‘Einen aus Millionen’, der zum Einiger des Vaterlandes berufen ist: ‘Nur Einer aus den Millionen,
So weit die deutsche Langmut haust,
Zum Heil den Völkern und den Thronen
Nur eine eisern Harte Faust,
Die wie ein Blitz durch alle Grade
Empor sich zum Diktator schwingt
Und die Rebellen ohne Gnade
Ins starre Joch der Einheit zwingt...’
Aber es sind doch eben nur die ungefähren und verschwommenenGa naar eindnoot7 UmrisseGa naar eindnoot8 der so scharf ausgeprägtenGa naar eindnoot9 Persönlichkeit Bismarcks, die das Auge dieser Dichter schaut. Die Zeit war noch nicht reif, den Heros unseres Volkes als solchen in seiner ganzen gigantischen Grösse, die ebenso ehrfurchtgebietendGa naar eindnoot10 wie schreckhaft wirkte, erstehen zu lassen - er war noch im Werden begriffen. Erst die Entscheidung des Jahres 1866 zeigt uns den ganzen Bismarck, und als solcher wird er zugleieh der erklärte Liebling der Muse, in deren Gunst er nun ununterbrochen steigt bis zum deutsch-französischen Kriege, um nacher sich im Herzen | |
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unseres Volkes einen Platz zu erobern, um den ihn auch der vergöttertste Held frührer Zeiten beneiden muss. Vortrefflich weiss G. Hesekiel das erste Attentat auf den Ministerpräsidenten durch Blind (am 7. Mai 1866) als bedeutungsvolles Zeichen der Vorsehung auszulegen (‘Fünf Schüsse - ein Zeichen’): ‘Fünf Schüsse fielen auf einen Mann,
Drann Gott uns grosse Freude gann,
Denn was an Bismarck heut' gescheh'n,
Wir sollen's morgen an Preussen seh'n.
Die Feinde uns'res Ruhms und Glücks,
Die zielen nach uns hinterrücks,
Sie scheuen Preussens Angesicht,
Sie zielen scharf und treffen nicht -
Wohlauf mein Preussen, fasse Du
Nur stark und fest wie Bismarck zu,
Ersticke kühn den glüh'nden Brand
Im Eisendrucke Deiner Hand!’
Und so geschah's, und als Bismarck nach den ersten Siegeskunden Freitag, den 29. September 1866, der vor dem königlichen Schlosse versammelten begeisterten Menge während eines heftigen Gewitters sein zündendesGa naar eindnoot11 ‘Der Himmel schiesst zu unseren Siegen Salut’ zurief, da ward's allen mit einem Male klar, was man an ihm hatte. Dr. Bonnel, Direktor des Friedrich Werderschen Gymnasiums, Bismarcks einstiger geschätzter Lehrer, sprach es nach dem Feldzuge in feierlicher Odenform aus, was ganz Preussen, ja Deutschland damals empfand: ‘Jetzt kehrst Du siegreich heim aus dem blut'gen Krieg,
Gefallen ist die Wand, die den Weg gehemmt,
Mit kühnem Schlag hast Du zerschmettert,
Was in den Abgrund Dich sollte stürzen.
Mit Staunen sieht erfüllt dein Seherwort
Das deutsche Volk, das jüngst es von Dir vernahm:
Nicht Worte, Feste, Trinkgelage,
Kampf nur und Blut werd' es einst vereinen!’
In der That, der Bann war gebrochen, und weiter ging's rüstig | |
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und unerschrocken vorwärts auf dem Wege zur Einheit. Der Ausbruch des französischen Krieges sollte uns diese bringen, und Bismarck neben Moltke und Roon gehörte zu jenem glänzenden Dreigestirn, dem Volk und Heer begeistert zujubelte. Wolfgang Müller von Königswinter knüpft an den Wahlspruch des Hauses Bismarck: ‘Noch lange nicht genug’ an, um zu zeigen, wie des grossen Kanzlers Leben und Wirken denselben bewahrheitete: ‘Der Franzmann stiess ins Kriegeshorn,
Lasst sehen, was er kann!
Deutschland steht auf in hellem Zorn
Bis auf den letzten Mann,
Den Korsenwolf vom morschen Thron!
Zur Hölle Tück und Trug!
Und stürzte der Napoleon:
Noch lange nicht genug!
Hei, Männermut hat kühles Blut,
Graf Bismarck, halte Stand!
Ein Deutschland! Allerwärts brennt die Glut -
Ein freies Vaterland!
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Am knappsten und treffendsten bezeichnete Bismarcks Verdienste jene Gemälde-Inschrift an der Akademie der Künste in Berlin beim Siegeseinzug, am 16 Juni 1871: ‘Eisengeschmiedet erwuchs, mit Blut gekittet, die Einheit,
Trotzend den Stürmen der Zeit; Meister, Du löstest Dein Wort!’
Grollend Fernabstehende erklärten sich nun für überwunden und reichten freudig dem genialen Meister den verdienten Kranz. So wendete sich O. v. Redwitz ‘An die Gegner Bismarcks’ in einem weihevollenGa naar eindnoot12 Sonette, das in das herrliche Selbstbekenntnis ausklang: ‘Und furchtlos will ich's ehrlich eingestehen -
Denn nie bringt Schande die erkannte Wahrheit,
Doch schimpflich ist's, auf falschen Trotz zu pochen.
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In andrem Licht lernt' ich die Welt besehen -
In manches dunkle Wirrsal kam mir Klarheit.
Manch hartes Wort, jetzt bleib' es ungesprochen!’
Auch als den ‘Reichsschmied’ wusste die erfinderische Dichtkunst den Einiger Deutschlands zu feiern. Am vollendesten gab der Sänger der freien Schweiz Conrad Ferd. Meyer diesem Gedanken Ausdruck. Drei wuchtige Schläge lässt er den alten Schmied thun und dazu sein Lied singen: ‘Der erste schmiedet den Teufel fest,
Dass er die Welschen nicht siegen lässt.
Den Erbfeind trifft der zweite Schlag,
Dass er sich nimmer rühren mag.
Der dritte Schlag ertöne rein,
Er soll für die deutsche Krone sein!...’
Als das grosse Werk vollendet war und es den inneren Ausbau des Einheitsdomes galt, da gab's freilich noch viel zu kämpfen für des ‘Reiches Bauherrn’ wider allerhand Feinde. Aber als treuster Verbündeter focht ihm zur Seite das deutsche Lied. Das zeigte sich namentlich an gewissen Wendepunkten wie z. B. stetsam 1. April, dann nach dem unheilvollen Kissinger Attentat (13. Juli 1874), zum 75. und 80. Geburtstage und bei der Entlassung des greisen Fürsten. Und als er die müden Augen schloss zum ewigen Schlummer (30. Juli 1898), da hallte unser Vaterland von einer einzigen Klage wider, die auch jenseits der Meere ein wehmütiges Echo erweckte. Besonders auch prägte sich unserem Volke des Kanzlers Abschied; von seinem ‘alten Herrn’ im Mausoleum zu Charlottenburg ein (27. März 1890), wo er tief ergriffen drei Rosen am Sarkophage niederlegte: ‘Noch lange steht der Kanzler
Verstummt in Grabesnacht.
Die Lippen ihm erbeben,
Er flüstert leis' und sacht
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Vorüber sind die Zeiten,
Mir winkt nun süsse Ruh!
Wer weiss, wie lang! Dann drückt man
Auch mir die Augen zu.
O ruhe sanft, mein Kaiser!
Schlaf wohl, ich muss nun gehn,
Schlaf wohl, bis wir uns droben
Im Lichte wiedersehn!...’
Das waren andere SaitenGa naar eindnoot13, die nun die Poesie anschlug, und es war dies nicht mehr als recht und billig. Allerdings mischt sich Wehmut und auch Bitterkeit über des grossen Kanzlers Scheiden in die Dichtergrüsse, die ihm von nun an nur um so begeisterter erschallen. Aber - noch war er der Unsere! Als ‘treue Eckart’ feierte das Volk seinen ‘Alten im Sachsenlande’: ‘Was Du machtvoll uns errungen,
Nimmer danken wir's genug!
Wie Du mit des Geistes Waffen
Kämpftest wider Schein und Trug,
Wie Du warnend, mahnend, ratend
Strittst für deutsche Sitt' und Art,
Preist das Volk Dich frohbegeistert
Als getreuen Ekkehart...’
und in dichten Scharen pilgerte Alldeutschland hinaus zum Sachsenwalde, um seinen Heros zu huldigen. Unvergesslich ist uns allen noch die über die Maassen grossartige Feier des 80. Geburtstages des greisen Helden (1895). Damals erklang es aus hunderten frischer Studentenkehlen: ‘Horch, Sturmesflügel rauschen,
Die deutschen Eichen rauschen,
Blinkender Schläger Klang
Mischt sich dem Chorgesang, Hurra!
Du Held vom Stamm der Eichen,
Du Ritter ohne gleichen,
Dein Haupt so hochbetagt
Ob dem Jahrhundert ragt, Hurra!’
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Aber endlich ward auch diese knorrige Eiche im Sachsenwalde gefällt, und am 30. Juli 1898 vernahmen wir die Trauerkunde: ‘Er ist dahin - tief unsre Not -
Bismarck ist tot,
Unser Bismarck ist tot!’
So gross, so rein und wahr die Trauer Alldeutschlands um den Geschiedenen war, die in ungezählten Hymnen und Elegieen wehmutsvoll austönte - eins tröstete uns: er gehört uns auf immer! Daher sang E. Scherenberg: ‘Doch fernher schon,
Durch die nächtigen Schleier
Unserer herben, heiligen Trauer
Schimmert leise ein tröstender Funke
Göttlichen Feuers:
Wachsen wird er,
Die Wolke des Grams
Langsam durchleuchten.
Und endlich wieder
Am Himmel Deutschlands
Herzerwärmend
Als führendes Licht
Strahlst Du uns sieghaft
Wie einst im Leben
Nun unsterblich,
Sonnenauge!’
Und so oft der 1. April wiederkehrt, denkt Deutschland in unauslöschlicher Dankbarkeit seines verklärten Helden, eine grosse Gemeinde ‘Getreuer’, wie einst jene zu Jever, und erneuert ihm das GelübdeGa naar eindnoot14 unverbrüchlicher Treue. ‘So bringen wir nach alter Sitte
Den Dank, der unserm Helden gilt,
Und dankbar auch in jeder Hütte
Umkränzt heut' jede Hand sein Bild.’
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