Germania. Jaargang 5
(1902-1903)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdNiederländische Küntler am Mittelrhein
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zurückgelegt wurde, auf der alten Handelsstrasse den Rhein hinauf, und in Städten wie Mainz und Frankfurt hat es damals an lohnender Arbeit nicht gefehlt. Wir wissen von einem Niederländer, dass er sich ganz in Mainz festgesetzt hat: der Utrechter Maler und Holzschneider Erhart Rewich. Er hatte den Bernhard v. Breidenbach auf einer Reise ins gelobte Land begleitet und gründete nach der Rückkehr in Mainz die Buchdruckerei, aus der 1486 die bekannte Beschreibung dieser Reise hervorging, mit ihren prächtigen Holzschnitten von Städten und Volkstypen. Aber auch nachher, als Italien mehr und mehr die hohe Schule für nordische Künstler wurde, mag mancher junge Niederländer in den Städten am Mittelrhein Halt gemacht und gearbeitet haben, um die erschöpfteGa naar eindnoot3 Reisekasse wieder zu füllen. In Gallerien und in altem Privatbesitz unserer GegendGa naar eindnoot4 trifft man nicht selten niederländische Bilder aus dem zweiten Viertel des 16. Jahrhunderts, Arbeiten in jener italienisirenden Manier des Mabuse und des Barent van Orley. In eine viel nachhaltigere Beziehung zur niederländischen Kunst kam das Land am Mittelrhein in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. Die spanischen Kriege und besonders die Inquisition, die allein die Stadt Antwerpen im Lauf weniger Jahre um 30,000 Seelen entvölkert haben, führten, wie bekannt, ganze Schaaren von reformirten Wallonen und Vlamländer in unsere Gegend, und so ist vor Allem Frankfurt, dass zunächst seine Thore den Flüchtlingen öffnete, für viele niederländische Künstler eine neue Heimath geworden. Namen und Thätigkeit dieser Maler, Goldschmiede und Kupferstecher sind hinreichendGa naar eindnoot5 bekannt: durch die Arbeiten von Hüsgen, Passavant, Gwinner und Weizsäcker sind wir über die Künstlergeschichte Frankfurts ja ungewöhnlich gut unterrichtet. Indem nun die Kolonisten in Frankfurt und sonst am Mittel- | |
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rhein in Fühlung mit der alten Heimath blieben und auch weiteren Zuzug von dort erhielten, begann damals eine Invasion der niederländischen Kunst, die in der Malerei von den Nachfolgern des Quinten Massijs bis zu den Schülern des Rubens reicht, im KunstgewerbeGa naar eindnoot6 von der naturfrohen Ornamentik der Hochrenaissance, wie sie die De Bry und Le Blon in ihren Kupferstichen verbreiteten, bis zum barocken ‘Knorpel- und Ohrmuschelstil’ der in den Niederlanden besonders kräftig entwickelt worden war. Das ‘Zierrathenbuch’ des Frankfurter Stadtschreiners Friedrich Unteutsch (um 1650) ist ungefähr das Tollste, was dieser Stil auf deutschem Boden hervorgebracht hat, und man weiss, dass die Handwerker unserer Gegend sich solche VorlagenGa naar eindnoot7 sehr zunutzegemacht haben. Daneben aber kommen als direkte Ausläufer der niederländischen Renaissance auch jene ruhigen, vorwiegend durch den Wechsel heller und dunkler Holzflächen wirkenden KunsttischlerarbeitenGa naar eindnoot8 hier vor. Dahin gehören die schönen aus Schloss Lichtenberg ins Darmstädter Residenzschloss übertragenen Holzportale. Die Darmstädter Gallerie enthält, anscheinend aus altem landgräflichem Privatbesitz, mehrere Bilder von Frankfurter Kolognisten: ausser zwei Blumenstücken des Jakob Marelt, deren eines mit dem Namen bezeichnet und 1655 datirt ist, das bisher als ‘Unbekannt’ registrirte lebensgrosse Bildniss eines graubärtigen Juweliers (Nr.385). Es rührt von demselben Jeremias von Winghen her, der die Marie Salome von Stalburg im Städelschen Institut gemalt hat, und zeigt flotte, aber nicht sehr persönliche MacheGa naar eindnoot9. Eine Inschrift gibt das Alter des dargestellten Juweliers, dessen Wappen eine Sonneblume zeigt, auf 65 Jahre an, und als Datum des Bildes 1644. Das Bild scheint demnach in die spätere der zwei Perioden zu gehören, in die Sandrart (Teutsche Akademie III 2 S. 271) mit trockenem Humor das Schaffen dieses Jeremias van Wing hen eintheilt: | |
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- ‘er that eine reiche Heyrath und liess deswegen den Pinsel viele Jahre lang ruhen. Als sein Vermögen aber abnahm und überdies die Kinder sich mehrten, so sahe er sich genötigt, die Malerey zu verfertigen, die ebenso glücklich als die vorigen ausgeführt wurden. Er starb 1658 im 70 Jahre.’ Jer. van Winghen war also energischer als ein anderer Niederländer in Frankfurt der Joh. Vaillant, von dem Sandrart in aller Kürze berichtet: ‘er hatte viel Genie zur Malerey, heirathete aber eine bemittelte Person zu Frankfurt und ward ein Kaufmann’. - Wie bekannt, ist vielen niederländischen Kolonisten der Aufenthalt in Frankfurt dadurch verleidet worden, dass man an ihrem reformirten Bekenntniss Anstoss nahm und sie trotz Melanchthons Bemühungen in der freien Ausübung ihres Gottesdienstes behinderte. Es erfolgten die AuswanderungenGa naar eindnoot10 nach Frankenthal 1562, nach Hanau 1596 und nach Oppenheim 1610. Die Kolonie Frankenthal, durch ZuzüglerGa naar eindnoot11 aus der alten Heimath vermehrt, hat sich bald zu ähnlicher wirthschaftlicher Blüthe entwickelt wie nachher Neu-Hanau, und es ist für den Wohlstand wie für den Kunstsinn der zunächst gar nicht volksreichen Gemeinde bezeichnend, dass sie schon in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens eine ganze Anzahl von Malern aufweist. Jean Louis Sponsel, der das Tauf- und Heirathsbuch der Frankenthaler Kolonisten zuerst kunstgeschichtlich verwerthet hat (Jahrbuch der preussischen Kunstsammlungen Band X) fand darin u. A. in den Jahren von 1585 bis 1595 mehrfach den Namen des Gills van Coninxloo, des berühmten Bahnbrechers der holländischen Landschaftsmalerei, und ansserdem im Nachlass des Künstlers eine Rechnung über eine Reise, die er von Frankenthal nach Oberstein gemacht hat. Das ist doch wohl Oberstein an der Nahe; die merkwürdig schone Landschaft, die der moderne Reisende höchstens aus den Fenstern des Pariser Schnell- | |
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zugs ‘mitnimmt’, wird den Künstler dorthin gezogen haben; vielleicht hatte ihn der Besteller eines Bildes darauf hingewiesen. Sowohl in dem Dresdener Bild, das während des Aufenthaltes in Frankenthal entstanden ist, wie in einem andern, mir nur in Kupferstich bekannten Bild Coninxloo's glaube ich deutliche Anklänge an die charakteristische Landschaft von Oberstein wahrzunehmen. Ob sich den Malern von Frankenthal auch im nahen Heidelberg ein Absatzgebiet eröffnete, wissen wir nicht. Hier war gegen Ende des 16. Jahrhunderts der wegen seiner Miniaturbilder geschätste Hans Bol aus Mecheln vorübergehend am kurfürstlichen Hofe beschäftigt, und nach 1614 malt der Landschafter Jacob Fouquiers, der aus der Werkstatt des Rubens gekommen war, im Auftrag des Kurfürsten Friedrichs V. einige GemächerGa naar eindnoot1 des Schlosses aus. Dann kam der dreissigjährige Krieg und seit 1632 die haushälterische, um die Hebung des verarmten Landes bemühte Regierung Carl Ludwigs. Da war in Heidelberg für Künstler kaum was zu holen. Auch scheint der Fürst neben seinen wissenschaftlichen Interessen mehr zum Theater als zur bildenden Kunst inklinirt zu haben: mit einer Summe von 700 Gulden, die einmal als Jahresausgabe für Kunstsachen und Raritäten (!) von der Kammermeisterei verbucht wird, konnte man auch damals nicht viel anfangen. Und doch weiss der alte Houbraken eine hübscheGa naar eindnoot13 Geschichte zu erzählen, wie es einmal zwei holländischen Malern, den Brüern Job und Gerit Berkheyde aus Harlem, die auf ihren Kunstreisen auch nach Heidelberg gekommen waren, gelungen ist, den Fürsten für sich zu interessiren. Sie hatten öfters zugesehen, wie der Hof zur Jagd auszog und malten davon ein Bild, auf dem trotz der kleinen Figuren sowohl der Fürst wie einzelne Würdenträger des Hofes deutlich zu erkennen waren. Ein Kammerdiener wurde ins Vertrauen gezogenGa naar eindnoot14 und bestimmt, das | |
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Bild in einem häufig vom Fürsten passirten Gang des Schlosses aufzustellen, und auf die Frage nach dem Maler nur zu antworten, dass sie in dem und dem Wirthshaus zu finden seien. Der Kurfürst sei wirklich höchst überrascht von dem Bilde gewesen und habe die Beiden eine Zeitlang beschäftigtGa naar eindnoot15. Sie seien aber doch bald ‘des höfischen Lebens überdrüssig’ geworden und in ihre holländische Heimath zurückgekehrt. Für solche Künstler, die nicht wegen religiöser Verfolgung, sondern aus freiem Wandertrieb und in der Aussicht auf Erwerb den Mittelrhein aufsuchten, war denn auch Mainz mit seinem kurfürstlichen Hof und einer zum Theil kunstliebenden höheren Geistlichkeit ein geeigneter Boden. Der erste Niederländer, den ich im 17. Jahrhundert in Mainz thätig finde, war Wilhelm Paneels. Ein Lieblingsschüler des Rubens, dem der Meister gerne Haus und Hof anvertraute, wenn er in politischer Mission nach Spanien oder England reiste, war Paneels mit warmen Empfehlungen von ihm zunächst nach Köln und Frankfurt gereist. Seine Hauptthätigkeit bestand in Kupferstichen und Radirungen nach Gemälden seines Lehrers, und meistens unterzeichnete er sich auf diesen nicht sonderlich hervorragendenGa naar eindnoot16 Blättern als discipulus Rubeni, um ihren Werth zu erhöhen. Jenen Künstler zog der Kurfürst Anselm Casimir von Wambold im Jahre 1631 an seinen Hof und Mainz. Eines der wenigen Blütter, die Paneels selbständig erfunden hat, ist nach der ausdrücklichen Angabe der Unterschrift ‘in aula reverendissimi Anselmi’ hergestellt und diesem GönnerGa naar eindnoot17 gewidmetGa naar eindnoot18 Es ist eine Allegorie mit recht zeitgemässem Thema: ein altes Weib mit einem halbzerbrochenen Topf und einem Licht, an dem ein Kind sein eigenes Licht entzündetGa naar eindnoot19. Dahinter der Tod und in grossen Lettern die Inschrift: Cursus Mundi. Es war wie eine Prophezeiung: noch im December desselben Jahres rückten die Schweden unter Gustav Adolf gegen Mainz, und der Kurfürst | |
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entfloh nur wenige Tage vor der Einnahme der Stadt mit seinem Gefolge nach Köln. Die schwedische und nachher die französische Okkupation der Stadt war natürlich für neue Kunst ebenso schlimm wie für alte Kunstwerke, mit denen damals gründlich aufgeräumt wurde. Noch kurz vor dem Frieden war ein missglückter Entsetzungsversuch eines kurfürstlichen Obersten die Veranlassung, dass die Franzosen ein stattlichesGa naar eindnoot20, vielleicht auch an Kunstwerken reiches Gebäude, den ‘Fürstenberger Hof’, zerstörten und plünderten, weil der Besitzer, Domherr Dietrich Caspar von Fürstenberg, sich angeblich an dem Komplott betheiligt batte. Dieser Domher von Fürstenberg, Reiteroberst und zugleich nahmhafter Dilettant in Malerei und Kupferstich, hat in der folgenden Friedenszeit im künstlerischen Leben der Stadt Mainz eine Rolle gespielt. Im Jahre 1654, unter der Regierung Johann Philipps von Schönborn, fand der berühmte Erfinder der Schabkunst, Ludwig von Siegen, Aufnahme am Mainzer Hof und wurde sogar zum kurfürstlichen Untermarschall ernannt. Geboren in Utrecht, aber von niederrheinischem Geschlecht, war Siegen im Ritterkollegium zu Kassei erzogenGa naar eindnoot21 und von der Landgräfin Elisabeth Amelie in seinen künstlerischen Bestrebungen treulich unterstützt worden, bis er zum Katholizismus übertrat. Wie Prinz Ruprecht von der Pfalz, dem man früher die Erfindung der Schabkunst zuschrieb, und wie der Domher von Fürstenberg war er Soldat und Künstler in einer Person; nach einem abenteuerlichen Leben, in den verschiedensten Kriegsdiensten herumgeworfen und zuletzt zum Wolfenbüttel'schen Obristwachtmeister avancirt gewann der unruhige Geist erst jetzt in Mainz die MusseGa naar eindnoot22, seine Erfindung völlig ausreifen zu lassen. Fürstenberg scheint als Erster die von Siegen bis dahin geheimgehaltene Erfindung übernommen zu haben. Das Darmstädter Museum besitzt von ihm wie von Ludwig von Siegen einige | |
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seltene Schabkunstblätter, welche zeigen, dass er mit grösstem Eifer und erstaunlichemGa naar eindnoot23 GeschickGa naar eindnoot24 sich in die neue Kunst eingelebt hat. Auch hat er Schule gemacht in einem Scholastiker Joh. Friedr. von Ely und einem Joh. Jac. Kremer. So war Mainz, wo 200 Jahre vorher die Anfänge des Buchdrucks und vielleicht auch der Kupferstichkunst lagen, jetzt die Heimat einer völlig neuen Art des Kupferstichs geworden, die an malerischer Wirkung alles frühere übertraf. Ein halbes Jahrhundert später hat Jacob Christoph Le Blon, ein Mitglied der in Frankfurt eingewanderten Niederländischen Familie, unter Benützung der Schabkunst den Farbendruck erfunden. Der Mainzer Kunstgeschichte des 17. Jahrhunderts fehlt es vorläufig an Einzelstudien, wie man sie für die frühere und spätere Zeit Friedrich Schneider's liebevoller Forschung verdankt. Kurfürst Johann Philipp von Schönborn, der Ludwig von Siegen an seinen Hof berief, stand auch sonst in Fühlung mit der Kunst seiner Zeit. Dass er den in Tournay gefundenen Schmuck des Childerich dem deutschen Kaiser entlockt und dann Ludwig XIV. als dem würdigen Nachfolger der fränkischen Könige verehrt hat, darf man ihm bei dem geringen Interesse, das diese ganze Zeit an mittelalterlicher Kunst nahm, und bei seiner bekannten politischen Schwäche, nicht zu sehr nachtragenGa naar eindnoot25. Wenn er sich aber von Leibniz 1672 aus Paris auch über die dortigen Verhältnisse in Kunst und Gewerbe berichten liess (Guhrauer, Kurmainz II S. 18), so wollte er daraus doch offenbar für seine eigene Regierung Nutzen ziehen. Es war vielleicht Ludwigs XIV. ZielbewussteGa naar eindnoot26 Organisation auf kunstgewerblichem Gebiet, was den Kurfürsten besonders interessirte. Seinen Hofmaler holte er sich mit richtigem Blick nicht aus der Pariser Schule, sondern aus der Werkstatt des Rubens. Es war Jan Thomas, genannt Ipenaer; die Berufung scheint um dieselbe Zeit erlolgt zu sein, da Ludwig von Siegen nach Mainz kam. Demi 1662 | |
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finden wir Thomas bereits als Hofmaler Kaiser Leopolds in Wien wo er 1672 starb. Von den verschiedenen grossen Gemälden, die er im Auftrag Johann Philipps in Mainz ausgeführt haben soll, scheint keines erhalten zu sein. Auch Thomas hat übrigens Schule gemacht in Mainz: ein gleichfalls aus Antwerpen zugewanderter Niederländer Jean Baptiste Ruel, der zunächst Sänger am kurfürstlichen Hof gewesen sein soll, wurde durch ihn zur Malerei geführt. Ruel hat das Bildniss von Johann Philipps zweitem Nachfolger, dem Kurfürsten Damian Hartard von Wildenstein gemalt, das in der Darmstädter Gallerie hängt und bisher irrthümlich den Namen Bol trug. Der Schwerpunkt seiner Thätigkeit lag indessen in Würzburg. In Darmstadt ist kein Niederländer nachweisbar. Hier hatte Landgraf Georg II. im Jahre 1656 eine scharfe Verordnung zum Schutze der einheimischen Maler erlassen (Walther, Darmstädter Antiquarius 1857 S. 117). ‘Das wofern ein frembder Mahler einiger Mahler-Arbeit in unserem Lande unternehmen wolle, er sich zuvorderst bei unserem Hof-Mahler oder in Mangelung dessen bei einem andern, welcher die Gebühr nach sich Landtsässig gemacht, angebe und die Schuldigkeit wie aller orther bräuchig, prästire.’ Der fremde Maler hatte dann seinen Lehrbericht vorzuzeigen, ‘der wenigst uff 4 Jahre besaget’ und nachzuweisen, ‘dass er 9 Jahre bei der Malerey gewesen’. Wenn er sich so ligitimirt hatte, so war er u. A. dazu verblinden, ‘Unss oder den Unsrigen Ein Stück auff seine eignen Costen alles Fleisses auszumahlen, welches 8 Schuh lang und 7 Schuh breit’ sein musste. Das war wirklich etwas viel verlangt. |
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