Germania. Jaargang 5
(1902-1903)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie burische Geschichtsschreibung
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für diesen die in Dinizulus Gebiet liegende Luciabai (südlich, von der Delagoabai) pachten wollte. Schiel machte den Vermittler und regte an, nicht nur die Bai, sondern das ganze Gebiet Dinizulus unter deutschen Schutz zu stellen. Dies fand bei dem Häuptling AnklangGa naar eindnoot1, und Schiel wird mit den nötigen Vollmachten ausgerüstetGa naar eindnoot2 nach Deutschland gesandt. Die Engländer bekamen aber auf noch unerklärte Weise Wind von der Sache und proklamierten inzwischen die Bai machtwillkürlich als britisch, und einmal im ZugeGa naar eindnoot3, nahmen sie bald darauf 1886 Dinizulu das ganze Gebiet weg. In Angelegenheit der Luciabai hatte Schiel bei seinem Besuch in Deutschland auch eine Besprechung mit Bismarck, die für unsere Kolonialgeschichte recht interessant ist. Bismarck wollte vor allem wissen, wie die Transvaalregierung sich zu der Festsetzung Deutschlands an der Küste des Zululandes verhalten würde, und machte dabei folgende Bemerkungen: Es lohnt sich für Deutschland nicht, in einer neuen Kolonie von Beginn an zwei Feinde zu haben. Sie wissen selbst, dass England uns in jeder Hinsicht mit aller Kraft Opposition machen wird. Ich fürchte diese Opposition nicht. Wenn wir dann aber auch noch die Buren gegen uns haben, dann würde eine neue Kolonie in jenem Teile Afrikas Deutschland fortwährende Unannehmlichkeiten und Schwierigkeiten bereiten, welche die Vorteile nicht aufwiegen würden, die ein derartiges Ausbreiten unserer Einflussphäre mit sich bringt. Von welcher Bedeutung ein Ausbreiten unserer Schutzherrschaft in dem von. Ihnen dargelegten Sinne für Deutschland werden kann, ist mir klar, jedoch könnte eine solche nur stattfinden, wenn wir Hand in Hand mit den Buren gehen; mit diesen verfeinden will ich mich nicht. ThatsächlichGa naar eindnoot4 ist die Erwerbung der Lucia-Bai an der unfreundlichen Haltung der Buren den Deutschen gegenüber gescheitertGa naar eindnoot5. Man kann beinahe sagen, dass hieran die Buren zu Grunde gegangen sind. Sie haben es nicht verstanden, sich rechtzeitig an das deutsche Reich in irgend einer Form anzugliedernGa naar eindnoot6, wäre es auch nur in Form eines Schutz- und TrutzbündnissesGa naar eindnoot7 gewesen. Während sie noch bis tief in unser Jahrhundert hinein sich als Nederduitsche bezeichnen und ihre Kirche heute noch die Nederduitsche gereformeerde kerk heisst, hat man die letzten 20 Jahre überflüssigerweiseGa naar eindnoot8 dazu benutzt, jeden Zusammenhang mit der europäischen Heimat zu zerreissen und eine neue | |
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‘afrikanische Nation’ bilden zu wollen. Es kann das eine Mahnung für die Vlamen sein, nicht auf diesen Wegen zu gehen, sondern bei aller WahrungGa naar eindnoot9 ihrer Unabhängigkeit, ihre Eigenschaft und ihre Belangen als Niederdeutsche zu betonenGa naar eindnoot10 und sich des RückhaltesGa naar eindnoot11 an den 70 Millionen Deutschen Europas zu versichern und zu freuen. Schiel schildert bei seinem Versuche, die Artillerie neu zu bilden, den verwahrlosten Zustand des ganzen Heeres; dabei kommt der Oberfeldherr Joubert sehr schlecht weg: ‘Ich bat den General Joubert um einen Arzt (für das Kommando); mein Gesuch wurde aber als unnötig rundweg abgeschlagen. General Joubert war selbst ein grosser Medizinmann vor dem Herrn; er wusste für jede Pein und Qual des Körpers ein Mittelchen und schrieb ausser den gewöhnlichen, harmlosen holländischen Hausapotheke-Medizinen, Theer, Petroleum, Terpentin, Leinöl, sogar Ziegenmist, innerlich und äusserlich gebraucht, grosse Heilkraft zu. Letztem hatte mir eine alte Burentante einst bei starker Dyssenterie als Thee verabreichen wollen!’ Jouberts strategische Fähigkeiten finden bei Schiel eine nicht weniger abfälligeGa naar eindnoot12 und zwar begründete Beurteiluug. Den Präsidenten Krüger zollt aber Schiel eine ganz ausserordentliche Liebe und Teilnahme. Das Schwergewicht des Buches liegt bei der Schlacht bei Elandslaagte. Durch die strategische Unfähigkeit des burischen Feldherrn ging die Schlacht verloren. Schiel wurde am Bein verwundet und gefangen. S.B. | |
Dietloh van WarmeloDa etwa, wo Schiel aufhört, fängt Dietloh van Warmelo an. Auch er fällt ein vernichtendes Urtheil über die Organisation der burischen Streitkräfte. Er rügtGa naar eindnoot13 die ‘Urlaubspest’ und im Gegensatz zu De Wet verurteilt er auch diejenigen, welche die Neutralität, die sie England leistetenGa naar eindnoot14, später brachen. | |
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Das Buch ist vor allem wichtig, um die EinzelzuständeGa naar eindnoot15 des Guerillakrieges kennen zu lernen. Auch van Warmelo erlebt das Ende des Krieges nicht mehr: Er wurde gefangen und nach Indien gebracht. | |
General Ben ViljoenTapf'res Volk! umsonst gerungen!
Dein Panier vom Sturm gefällt!
Deines Schwertes Stahl zersprungen!
Deiner Freiheit Traum zerschelltGa naar eindnoot16!
Euer Kampf war eine Lehre
Für die Grossen dieser Welt:
Männer giebt es noch von Ehre,
Die ein Gott zusammenhält.
Diese Worte von Ernst Edler von der Planitz kamen mir wieder in den Sinn, als ich die Kriegserinnerungen von General Ben Viljoen in die Hand bekam, sie langsam durchblätterte, hier und da etwas las und schliesslich immer mehr von dem Geist des Buches angezogen mich hinsetzte und las und las, bis ich von Anfang bis zu Ende das herrliche Werk durchflogen hatte. Es ist wirklich das beste Werk über den Burenkrieg, das ich bisher kennen gelernt habe. In der letzten Zeit ist wohl am meisten das Werk von Oberst Schiel angepriesen und gekauft worden. Aber die meisten Käufer werden wohl etwas enttäuscht gewesen sein, als sie bei genauerem Studium erkannten, dass nur ein ganz kleiner Teil des umfangreichen Werkes dem eigentlichen Krieg gewidmetGa naar eindnoot17 ist, während der übrige das Leben und Treiben in Südafrika im allgemeinen behandelt. Das ist in diesem reich mit schönen BuchschmuckGa naar eindnoot18 versehenem Werke ganz anders. Ben Viljoen hat fast den ganzen Krieg von seinem fröh- | |
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lichen Anfang bis zu seinem traurigen Ende mitgemacht. Bei Elandslaagte ist er geschlagen worden, am Spionkop und Tugela hat er den Sieg mit erkämpft. Nach der Gefangennahme Cronjes zog er mit zurück nach dem nördlichen Transvaal, um bald im kühnen ZugeGa naar eindnoot19 nach dem alten Kriegsschauplatze zurückzukehren und fast drei Jahre lang all den romantischen Wechsel des Krieges mitzumachen, der die ganze Welt in Atem gehalten hat. Und wie weiss er heute ‘mit der Feder zu beschreiben, was er gestern mit dem Schwerte in der Hand, von dem heute noch das Blut rinntGa naar eindnoot20, erlebt hat.’ Zwar bittet er bescheiden um Entschuldigung, wenn sein Buch viele MängelGa naar eindnoot21 aufweise, es sei ja sein erster VersuchGa naar eindnoot22. Aber wer nur wenige Seiten liest, wird sich leicht überzeugen, dass er es mit einem Meister der Erzählungskunst zu thun hat. Es ist wirklich auffallend, wie dieser einfache Bur, der nur wenige Monate in seinem Leben die Schulbank gedrückt hat, die Sprache beherrscht. Wie leicht und natürlich fliesst seine Erzählung dahin, wie ergreifend wirkt sie in ihrer schmucklosen Einfachheit. Wie versteht er es, mit wenigen Worten eine verwickelte Lage zu beschreiben und uns eine lebhafteGa naar eindnoot23 Anschauung zu verschaffen von Dingen, die uns doch so fern liegen. Dabei ist man geradezu betroffen von der Offenheit, mit der all die Mängel des burischen Heeres und ihrer Kriegführung geschildert, von der Freimütigkeit, mit der die eigenen FehlerGa naar eindnoot24 aufgedeckt und Urteile über noch lebende Männer abgegeben werden. 30 Jahre nach dem Kriege von 70/71 erfahren wir erst einiges von den intimen VorgängenGa naar eindnoot25 jener grossen Zeit, bis dahin wurde sorgsam alles Menschliche verschleiertGa naar eindnoot26. Aber diese Männer scheinen selbst zu fühlen, dass sie eine Beschönigung, eine Bemäntelung nicht bedürfen. Sie treten jetzt schon offen und frei mit allen ihren Fehlern und Mängeln vor die Augen der Menschheit - ohne Scheu vor unserm Urteil. Ben Viljoen gehört zu den jungen aufgeklärtenGa naar eindnoot27 Buren, die erst | |
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nach der Niederlage am Paardeberg Einfluss auf die GeschichteGa naar eindnoot28 ihres Volkes erhielten - leider zu spätGa naar eindnoot29. H. Pohl (Mülheim)
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Feldprediger I.D. KestellDie vorigen ergänzt das Buch des Feldprediger I.D. Kestell. Er war bei De Wet, und sein Buch würde eine der wertvollsten QuellenGa naar eindnoot30 sein, wenn nicht gleichzeitig De Wet selbst schriftstellerisch eingegriffenGa naar eindnoot31 hätte. Er ist ein begeisterterGa naar eindnoot32 Bewunderer De Wets. Ueber ihn schreibt er: ‘Wir hatten nicht ein Wiegenliedchen gehört, ein Weckruf war in unsere Ohren geklungen. Und nach einem Jahre einer fast disziplinlosen Kriegführung war dieser Ton so seltsam, dass man ihn anfänglich nicht ertragen konnte. Darum waren so Viele unzufrieden, erklärten die Befehlen unausführbar und ritten zum Theil, wie schon bemerkt, sogar vom Lager weg. Und dies Alles, weil unser armes afrikanisches Volk seit den Tagen von Piet Retief niemals einen Helden, wenn einer unter uns aufsteht, ertragen und anerkennen kann, noch ihm folgen will. Aber Christian De Wet war stärker als die Masse, und was er wollte, geschah. Am nächsten Tage packten die meisten Bürger ihre Habseligkeiten zusammen und machten sich bereit, hinfort nur als Reiterkommandos weiterzuleben.’ Das war der UmschwungeGa naar eindnoot33, und gleich hier mag bemerkt werden, dass die eigentlichen Helden, die den Krieg gegen die englische Uebermacht noch fast zwei Jahre haben dauern machen, Präsident Steijn und General De Wet gewesen sind, also die Freistaater. Die ersten Gefechte der neuen ‘Reiterkommandos’ gegen englische Abtheilungen waren freilich noch keine Heldenstücke. Anfänglich hatten sogar die Offiziere keine Neigung, sich besonderer Gefahr auszusetzen, und häufigGa naar eindnoot34 genug ‘stob das Kommando bei den ersten englischen Granaten auseinander und flüchtete in voller AuflösungGa naar eindnoot35’ - sehr zum VerdrussGa naar eindnoot36 De Wets. | |
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Aber mit der Zeit wurde es besser. Kestell sieht das Geheimniss der Macht De Wets über die Gemüther darin, dass er ‘mit Jedermann freundlich, mit Niemand intim war, ferner war er, wie alle grossen Führer, schweigsam wie der Sphinx’. Auch Kestell bringt uns wertvolle Aufzeichnungen über die Friedensverhandlungen, die wir auch bei De Wet finden, und die allein seinem Buche eine grosse Bedeutung verleihen würden, wenn hier nicht wiederum ein WettbewerbGa naar eindnoot37 mit dem General selbst einträte. | |
De WetDe Wets Buch ist das bedeutendste Buch, das bisher über den Krieg geschrieben ist. Sämtliche andere Kriegsbeschreibungen gehen von UnterführernGa naar eindnoot38 aus, die nur die Züge ihres eigenen kleinen Korps, nicht aber die gesamte LageGa naar eindnoot39 übersahen. Des Präsidenten Krügers Lebenserinnerungen zeichnen zwar wunderbar scharf seinen eigenen Charakter; sie bringen aber Neues fast nur aus seinen jüngeren Jahren, welche kein politisches und allgemeines Interesse besitzen und sind in der späteren Zeit hauptsächlich Zusammenstellungen von bekannten Aktenstücken. De Wets Buch ist eine GesamtschilderungGa naar eindnoot40 der Kriegslage am Vaalfluss und südlich und westlich vom Vaalflusse. Wir ermangeln also immer noch einer umfassenden aktenmässigen Beschreibung der EreignisseGa naar eindnoot41 in den nördlichen Distrikten Transvaals. Hoffentlich wird sie uns Ludwig Botha, der klügsteGa naar eindnoot42 und überlegensteGa naar eindnoot43 Kopf Transvaals, eines Tages schenken. Bei Besprechung des Besuches der Burengeneräle in Berlin machte Professor Samassa die Anmerkung, es sei eigentümlich, wie sehr die RedegabeGa naar eindnoot44 dieser Leute den berliner und deutschen Rednern überlegen sei, namentlich in der Kürze und Klarheit der Sprache. Diese Eigenschaft De Wets offen- | |
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bart sich auch in diesem Buche; die Sprache ist von einer unglaublichen Durchsichtigkeit, sie erinnert an Xenophons Bücher. Wir müssen leider hinzufügen, dass der Verlag hier nicht ebenbürtigGa naar eindnoot45 ist; der Satz ist nicht ohne Fehler, weil die Korrektur flüchtig gelesen ist, ja, es sind sogar beim Umbrechen mehrfach Fehler vorgekommen, sodass ganze Zeilen falsch gesetzt sind. Es ist das Charakteristische dieses Burenkrieges, dass er wie alle grossen Weltereignisse die Menschheit durchsiebteGa naar eindnoot46 Als gemeiner Soldat begann Dewet den Feldzug, als erster General des Freistaats schloss er ihn, und das Tragische liegt darin, dass der Mann, der an der Niederlage unschuldig war, schliesslich seinen Namen unter einen vernichtenden Frieden setzen musste. Nach einigen einleitenden Kapiteln, in denen sich De Wet rasch bis zum Fechtgeneral hinaufschwingtGa naar eindnoot47, schildert De Wet die Katastrophe bei Paardeberg. In dem Urteil zurückhaltend, entwirft er ein getreues und klares Bild der unglaublichen ThorheitenGa naar eindnoot48, die auf der Burenseite begangen worden waren. Das ganze Buch ist eine nicht aufdringliche, aber doch eindringliche Antwort auf die Frage: ‘Warum ist das Burenvolk unterlegen?’ Die Antwort ist diejenige, die wir mehr ahnend und schliessend als wissend und beweisend seit Jahren gegeben haben: weil der germanisch-deutsche Eigensinn eine vollkommene Selbstherrlichkeit jedes Einzelnen herbeiführte und weil obendreinGa naar eindnoot49 die südafrikanische Abgeschlossenheit die Buren sich über, chätzen und die GegnerGa naar eindnoot50 unterschätzen liess. Derselbe Cronje, der auf die im Auftrage De Wets ihm gewordenen WarnungenGa naar eindnoot51 des später so berühmten und traurig endenden Scheepers mit einem Fluche antwortete: ‘Habt ihr wieder die verdammte Angst vor den Engländern? schiesst sie tot und fangt die andern!’ musste sich eine Woche später schmählichGa naar eindnoot52 ergeben angesichts De Wets, der vergebens mehrmals stürmend versuchte, Cronje zum Durchbruch die Hand zu reichen. De Wet lässt keinen Zweifel, dass die unglaublichste | |
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Leichtfertigkeit Cronjes, sein Eigensinn und seine lächerliche RücksichtGa naar eindnoot53 auf die Frauen und die Wagenlager ihn vernichtet haben. Am 12. März 1900 erscheint Lord Roberts vor Bloemfontein. Die Burghers waren entschlossen, ihm am 13. März eine Schlacht zu liefern. Aber was musste ich hören, als ich zwischen 10 und 11 Uhr abends von den westlichen Stellungen rechts zu denen des linken Flügels kam? Kommandant Weilbach hatte bereits beim Anbruch des Abends seine Stellungen hier verlassen! Es war mir unmöglich, in der Nacht ihn zu finden, ich musste nun von anderen Kommandos Bürger in die verlassenen Stellungen kommandieren, aber als diese ankamen, hatten die Engländer, kurz nach dem Abzug Weilbachs, dessen Stellungen, den Schlüssel von Bloemfontein, bereits besetzt. Was noch gethan werden konnte, geschah, aber durch die FeigheitGa naar eindnoot54 dieses einen Kommandanten, der schon nach Poplar Grove hätte abgesetzt werden sollen, war jetzt alles verloren. Jetzt beginnt wieder das Einsetzen jenes vernichtenden Elements der Eigenmächtigkeit und Disziplinlosigkeit. De Wet schildert, dass mit den Truppen nichts mehr anzufangen war und dass er selbst dem General-Kommandanten Joubert riet, die Burghers auf einige Wochen nach Hause zu entlassen. Die Schilderungen, die De Wet, ohne oft ein Urteil abzugeben, einfach durch das Redenlassen der ThatsachenGa naar eindnoot55 über das Burenheer fällt, sind geradezu erschreckend. Zum Beispiel seine Mitteilung, dass massenhaft die Aerzte durch dutzendweise ausgestellteGa naar eindnoot56 Atteste Urlaub geben, in denen es heisst: ‘Burgher X. leidet an einem Herzfehler’. In jenen Tagen erkannte De Wet, dass nur stärkerer Gehorsam und grössere Beweglichkeit, vor allem das Abschaffen der grossen Wagenzüge, Rettung bringen konnte. Am 25. März 1900 sammeln sich thatsächlich die nach Hause Beurlaubten in grossen Massen wieder. Dass die Faulen und FeigenGa naar eindnoot57 verschwanden, gereichte dem Rest zum Heil. Es | |
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kommen nun die Siege bei Sannaspost und von Reddersburg, die mit sallustischer Kürze und Klarheit beschrieben sind. Sie konnten das langsame Vorrücken der Englander nicht aufhalten. Schon damals wollte De Wet in die Kapkolonie ziehen und in den Rücken des Feindes fallen. Aber Steijn widerspricht, weil die Transvaaler das als Verrat ausgelegt hätten. Von dieser Zeit sagt De Wet: Wenn es während des ganzen Verlaufs des Krieges eine Zeit gegeben hat, der Präsident Steijn und ich mit Klummer und Sorge der Zukunft entgehen sahen, dann war es jetzt, wo Buller durch die Drachenberge gekommen und Johannesburg und Prätoria in die Gewalt der Engländer geraten waren. Es bedurfte der alleräussersten Kraftanstrengung, um den Widerstand nicht erlabmen zu lassen. Nach einem zwischen den beiden Regierungen getroffenen Uebereinkommen zog jetzt General-Kommandant Louis Botha über den Vaalfluss, während wir Freistaater in unserem eigenen Lande blieben. Damit war ich durchaus einverstanden. Die beiden Regierungen hatten nämlich beschlossen, dass, wenn die Engländer in Transvaal einrücken würden, die freistaatlichen Kommandos ihnen dahin nicht folgen sollten. Schon längst war os mein Wunsch gewesen, dass eine derartige Massregel getroffen würde, damit wir uns sowohl in der Front wie im Rücken des Feindes bewegen könnten. Es wäre verkehrt hier an irgend welche Zwistigkeiten oder Reibungen oder an die gestörte Harmonie der beiden Republiken zu denken, im Gegenteil, diesem Beschluss lagen ausschliesslich strategische RücksichtenGa naar eindnoot58 zu Grund. Am 13. Kapitel berechnet De Wet die Anzahl der Mannschaften, die ihm im Mai 1900 zur Verfügung standen. Es waren im ganzen 8000 Freistaater, also immer noch eine stattlicheGa naar eindnoot59 Anzahl. Inzwischen gingen die inneren Reformen fortwährend weiter; in denselben Tagen schaftte man den ganz veralteten Rang eines Fechtgenerals ab. Nachdem De Wet abermals bei Roodevaal gesiegt hatte, wird er dann am 23. Juli 1900 endgültig in seiner Eigenschaft als Hauptkommandant aller Freistaattruppen bestätigtGa naar eindnoot60. Sein Gegner ist dabei Martinus Prinsloo, der | |
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wegen verschiedener Schwierigkeiten mit dem Präsidenten und anderen Offizieren seine Stelle als Befehlshaber auf den Drachenbergen niedergelegt hatte. Es folgt sofort die verhängnisvollsteGa naar eindnoot61 That des ganzen Krieges, wieder aus Mangel an Gehorsam und Ordnung. De Wet teilte die berittenen Truppen in drei Abteilungen, die erste unter ihm selbst, die dritte unter General Crawther und die zweite unter Paul Roux, der zum Assistent-Hauptkommandanten ernannt war. Nachdem aber De Wet fortgeht, stossen die Offiziere der zweiten Abteilung die Bestimmung des Volksraad um, nach welcher der Präsident Steijn allein das Recht hat, die Kommandogesetze zu ändern, und verlangen eine Neuwahl des Assistent-Hauptkommandanten. Diese Offiziere wählen dann statt Roux den alten QuertreiberGa naar eindnoot62 Martinus Prinsloo. Da aber nicht alle Offiziere zur Stelle waren, war auch nach diesem VerfahrenGa naar eindnoot63 Prinsloo nicht endgültigGa naar eindnoot64 gewählt. Nun kommt eine Szene, von der man begreift, dass sie De Wet direkt als Hochverrat bezeichnet. In derselben Versammlung, in der Prinsloo gewählt wurde, am 13. Juli, wird angesichts der von zwei Seiten heranziehenden Engländer, unter Prinsloo mit 17 gegen 13 Stimmen, also mit ganz kleiner Mehrheit beschlossen, sich zu ergeben. Der Beschluss wird aber bei einer zweiten Abstimmung von neuem umgestossen und beschlossen, um sechs Tagen Waffenstillstand zu bitten. Die Stellung Prinsloos war inzwischen immer mehr von den Engländern umklammert. Prinsloo hätte noch durchbrechen können. Bei ihm ist damals nachweisbar Exkommandant Vilonel gewesen, der schon im Frühjahr zum Feinde übergelaufen, wegen Hochverrat verfolgt, in einem Hinterhalt gelockt und dort von den Buren gefangen war; leider hatte man ihn nicht erschossen, sondern nur mit Gefängnis bestraft. Vilonel, der später entkam, hat dann nachweisbar mit Prinsloo verhandelt. Und am 29. Juli ergab sich Prinsloo den Engländern mit 3000 Mann. Welche beispielloseGa naar eindnoot65 Dumm- | |
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heit, HarmlosigkeitGa naar eindnoot66 und Unkenntnis herrschte, ersieht man daraus, das starke Abteilungen, die schon entkommen waren, nach Bekanntwerden der Uebergabe Prinsloos ganz getreulich zurückritten und die Waffen ablieferten. Doch die Krone setzte allem der eben erst abgesetzte Assistent-Hauptgeneral Roux auf. Wir lassen hier De Wet selbst erzählen: Was den Assistent Hauptkommandanten Roux betrifft, so that er noch einen Schritt, der ihn nicht als den vorsichtigen Mann, als der er bei mir angeschrieben war, sondern als ein naives Kind charakterisierte. Er begab sich nämlich persönlich in General Hunters Lager, um gegen die Uebergabe zu protestieren, weil sie ungesetzlich sei, da er und nicht Prinsloo Hauptkommandant sei! Wie konnte sich Roux um Himmels willen einbilden, auf die Weise Prinsloos That ungeschehen zu machen? Wie muss der englische General im stillen über diese unerhörte Naivetat gelacht haben. Man braucht auch nicht zu fragen, was aus General Roux geworden ist. Darauf ist nur die einzige Antwort möglich: General Hunter hatte einen Kriegsgefangenen mehr! ‘Nur mit Zahneknirschen, sagt an dieser Stelle De Wet, kann ich daran denken, dass ein ganzes Volk sich so leichtfertig in den Abgrund stürzt.’ Das war der tiefste Stand der Entmutigung. Nach der Niederlage Prinsloos im Juli 1900 setztGa naar eindnoot67 nun jene Zeit ein, die De Wet berühmt gemacht hat. Es fehlt uns an Raum, hier einigermassen die Kreuz- und Querzüge De Wets zu schildern, in denen er sich als eben so verschlagenerGa naar eindnoot68 Guerillaführer, wie als umsichtiger Feldherr bewährteGa naar eindnoot69. Zunächst musste De Wet nach Transvaal flüchten; er kehrte aber im August über die Magaliesberge zurück. Die Schilderung ist eine derjenigen, die für De Wet am bezeichnendsten sind. Auch hier ist alles mit biblischen Wendungen und biblischen Gesichtspunkten durchflochten, aber welcher gewaltige Unterschied gegen die Telegramme des gealterten Krüger, der einfach mit Bibelsprüchen die kranke Zeit heilen will. De Wet | |
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behält seinen Glauben, aber er lässt sich von ihn nicht unterdrücken, sondern mit einem gewissen Humor zeigt er, dass sein Geist, nicht Jahrtausende rückwarts in biblischen Gedanken befangen, mitten in den Thatsachen der Zeit steht. Ich beschloss nun, das Magaliesgebirge ohne Weg oder Fusspfad zu ersteigen. In der Nähe war eine Kaffernhütte, ich ritt dahin. Nach den Magaliesbergen zeigend, fragte ich den Kaffer: ‘Kann hier ein Mensch gerade vorwarts hinüber kommen?’ ‘Nein, Baas, er kann nicht,’ antwortete der Kaffer. ‘Ist nie ein Mensch darüber geritten?’ fragte ich weiter. ‘Nein, Baas.’ ‘Laufen Paviane darüber?’ ‘Ja, die laufen darüber, aber der Mensch nicht.’ ‘Auf!’ rief ich den Bürgern zu, ‘dies ist der einzige Weg, und wo ein Pavian hinuber kann, da können und müssen wir auch hinüber!’ | |
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Im Freistaat ist es De Wets erste Sorge, wieder die Mannschaften an sich zu ziehen, da das aktive Heer, welches der General befehligte, sehr zusammengeschmolzen war. Als die Korps zusammenströmen, sagt De Wet, geht ihm ein Stich durchs Herz, da er abermals die grossen Warenlager sieht. Nachdem er vergebens gebeten hat, befiehlt er Entfernung der Wagen; aber da bricht wieder der echt niederdeutsche Eigensinn durch: die Burgher schicken die Wagen fort, aber sie selbst folgen ihnen. Der grösste Teil der Mannschaften von Vrede und Harrysmith rückt mit ihren Wagen in ihre Dörfer ab. ‘Man kann sich,’ sagt De Wet, ‘mein Entsetzen denken; in solchen Augenblicken könnte man den Verstand verlieren, wenn nicht von oben die nötige Widerstandskraft käme.’ Es folgt nun die Niederlage von Bothaville, bei der De Wet mit Verlust von 150 Toten und Verwundeten und 6 Eeldgeschützen herauskam. Diese Scharte wetzteGa naar eindnoot74 er dann im November bei Dewetsdorp aus, wo er 408 Engländer gefangen nahm, aber sein Versuch, in die Kapkolonie einzudringen, schlägt fehl, und nur durch eine waghalsige Tapferkeit gelang es, den streifenden Kolonnen zu entkommen. Einen zweiten Versuch, in die Kapkolonie einzubrechen, machte De Wet im Februar, muss aber wieder nach kurzer Zeit weichen. Der Gang der Dewetschen Züge ist wie der des Schnepfenfluges, hin und her, her und hin wird geritten, über Berge und Flüsse, über Felder und feindlichen Kolonnen bis endlich der ersehnteGa naar eindnoot75 Oranjefreistaat wieder erreicht ist. Wäh- | |
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rend all dieser Hin- und Herzüge geht die innere Reorganisation vor sich. Die Wagenzüge waren rücksichtslos beseitigtGa naar eindnoot76, die Kommandos des Freistaates in sechs Korps geteilt, jedes Korps unter einem Assistent-Hauptkommandanten. De Wet widerlegt bei dieser Gelegenheit ausführlich die BehauptungGa naar eindnoot77 der Englander, dass seine Truppen Briganten und Guerillas gewesen seien, über welchen Vorwurf er augenscheinlich sehr verärgert ist. Siege und Niederlagen lösen sich von da ab. Im allgemeinen kann man sagen, dass die Gefechte mehr von den Buren gewonnen werden, dass aber im offenen Feldzug England langsam vordringt. De Wet erzählt stets mit der ruhigen Stimme des echten Geschichtsschreibers; er klagt und schimpft nicht, sondern berichtet, und auch wo sein Herz sich innerlich umdreht, bleibt er äusserlich ruhig. So bei folgender Tragödie: ‘Die Drähte wurden durchschnitten und wir gingen hindurch, wobei ein Bürger fiel, ein zehnjäriger Knabe erschossen und ein elfjähriger verwundet wurde. Ueber den Verlust des Feindes habe ich nichts erfahren. Ich habe bereits gesagt, weshalb man Kinder solchen Gefahren aussetzen musste. Sie wären ja sonst gefangen genommen worden. Bei einem “drive” wurden zwei Kinder, die bei ihren Müttern zu Hause geblieben waren, von den Engländern gefangen genommen, das eine war ein Söhnchen von Jakobus Theron, 9 Jahre alt, es wurde trotz der flehentlichenGa naar eindnoot78 Bitten der Mutter aus ihren Armen gerissen und mitgenommen. Auf dieselbe Weise wurde ein anderer zwölfjähriger Knabe, dessen Name mir entfallen ist, seiner Mutter geraubt. Diese unerklärlichen GrausamkeitenGa naar eindnoot79 der Engländer sind also die Ursache gewesen, dass Kinder in solch jungen Jahren, wenn die Kolonnen umherstreiftenGa naar eindnoot80, zu den Kommandos gebracht wurden, wo einzelne den feindlichen Kugeln zum Opfer helen, sodass der Boden von Südafrika auch mit Kinderblut getränkt worden ist.’ | |
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So kam der Friede. Das Schwergewicht des Buches liegt in den Schlusskapiteln; sie sind von höchster Bedeutung, da sie die Schilderungen und die Aktenstücke über die Friedensverhandlungen und den Frieden selbst enthalten, ein ganz neues Material von erstklassiger Wichtigkeit. Am 15 Mai 1902 kommen die gewählten Volksvertreter der beiden Staaten, zumeist Offiziere, in Vereeniging an, und es beginnen hier die denkwürdigen Verhandlungen. De Wet giebt zum erstenmal hier sichere Protokolle über alle wichtigeren Verhandlungen, Mitteilungen, die allein schon das Buch ausserordentlich wertvoll machen. Man muss nach dem Lesen dieser Blätter sagen, dass die Vermutung, es könnten BestechungenGa naar eindnoot81 vorgefallen sein, wohl nicht mehr aufrecht zu erhalten ist. Und trotzdem ist es richtig: Diese Verhandlungen von Vereeniging sind der Anfang vom Ende gewesen. De Wet selbst sprach das späterhin in der abstimmenden Versammlung vom Juni ganz klar aus, indem er sagt: ‘Unser furchtbarer Zustand ist also das ärgste Uebel nicht, es ist etwas anderes, das schwerer wiegt als alles. Das ist die Abhaltung dieser Versammlung in Vereeniging. Ich beschuldige niemand. Alles ist mit den besten Absichten geschehen, aber man hat einen Fehler gemacht. Die Abhaltung dieser Versammlung ist es, was uns den Todesstoss versetzenGa naar eindnoot82 wird. Denn was hat sie bewirkt? Dies, dass der Generalkommandant genötigt wurde, die Lage des Landes darzulegen. Wo jetzt Bürger sind, die noch Mut haben, werden sie entmutigt werden, wenn sie hören, was die Anführer in dieser Versammlung gesprochen haben.’ In einem Kriege und in allen grossen Nöten sollte die Kraft des Widerstandes von oben kommen. Was soll denn werden, wenn die Oberen verzagen, und wenn die Unteren dränken und ermutigen müssen. Hier aber bricht wieder die burische Demokratie durch. Am 15. Mai kommen die Offiziere zusammen, und jeder erzählt nun die Zustände in seinem | |
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Distrikt. Es war doch nur zweierlei möglicch: Entweder die Regierungen wollten Krieg, dann durften sie ihre Untergebenen nicht beraten lassen, sondern sie hatten einfach von oben her mit Druck und unter möglichster Verhehlung der Missstände in den Bezirken jedem einzelnen Kommando den Krieg weiter anzubefehlen. Oder die Regierungen wollten den Frieden, dann war jede weitere Beratung unnötig. So aber kam man zusammen, jeder Unterführer trat vor und berichtete, jeder hatte von da ab genau dieselbe Kenntnisse wie Botha und De Wet und jeder sah wie verzweifelt die Sachlage stand. Das war es, was mit Recht De Wet in verblümter Weise als den ‘Todesstoss’ bezeichnet. Botha selbst beginnt mit der Berichterstattung; er legt die Verhältnisse dar. In Transvaal stehen noch 10,816 Mann, von denen aber 3296 keine Pferde haben. Seit Juni 1901, also in einem Jahre, sind 6084 Mann gefallen, ge fangen oder haben die Waffen niedergelegt. Wir schliessen hier gleich ein, dass nach De Wets Bericht die Anzahl der damals kampfenden Freistaater 5700 Mann war. Ueber die Aufständischen in der Kapkolonie berichtet ihr kommandierender General Smuts. Es standen damals unter ihm, in 20 Kommandos geteilt, 2600 Mann in der Kapkolonie. Ausserdem sind noch in Griqualand und Betschuanaland zusammen 700 Mann, insgesamt also waren immer noch 19,116 Mann unter Waffen. Nun aber hagelten nacheinander die Schläge nieder. Die Aussprache, bei der jeder Einzelkommandant auftritt, ergiebt, dass das ganze Land furchtbar verwüstet ist, dass die Vorräte überall sehr knappGa naar eindnoot83 sind und nur mit Mühe und Not beschafft werden können. Trotzdem aber lauten die Berichte aus dem Südwesten, Westen und Norden noch ermutigend; die Bezirke Fauresmith, Boshof, Hoopstad, Kroonstad, Ladybrand, Bethlehem, Harrismith und Vrede, also fast der ganze Oranjestaat erklären, dass sie den Kampf fortsetzen können. Ebenso der Westen Trans- | |
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vaals, Bloemhof und desgleichen der Norden Transvaals, vor allem Waterberg und Zoutpansberg; sie haben allerdings alle Farmen verwüstet und die Häuser zum grössten Teil verbrannt, allein sie nehmen doch den Kaffern an geplünderten Sachen, vor allem an Vieh und auch den englischen Kolonnen so viel ab, dass sie leben können. Vollständig entmutigend aber klingen die Berichten aus dem Inneren und dem östlichen Transvaal, d.h. aus seinen waffenfähigsten Bezirken, nähmlich: Vrijheid, Utrecht, Wakkerstroom, Swaziland, Ermelo, Carolina, Lydenburg, Middelburg, Standerton, Heidelberg, Pretoria, Krugersdorp, Potchefstroom. Und hier tritt zum ersten Mal uns ganz deutlich und klar in einem trefflichen Bericht von nicht weniger als 40 Seiten in Einzelschilderungen der Offiziere die Thatsache entgegen, dass diese Distrikte sich aus einem ganz besonderen Grunde in Verzweiflung befinden. Es ist die Kafferngefahr, welche über die Gegend verhängtGa naar eindnoot84 ist. Diese Distrikte sind nämlich auf das stärkste von den körperlich kräftigsten und wildesten Kaffernstämmen durchsetztGa naar eindnoot85. Wir haben infolge davon zu erklären, dass in letzter Instanz die Buren nicht durch die Engländer, sondern durch die Kaffern besiegt worden sind. De Wet kommt schon an früheren Stellen oft darauf. Beispielsweise erwähnt er mehrmals Kaffernkommandos, die ihm gefährlich waren, schildert wie die Kaffern ihn verraten, wie sie die Spione und Pfadfinder der Engländer bilden. Aber in dieser Versammlung in Vereeniging findet das Bild erst seine Abrundung, weshalb wir ausdrücklich einen Teil der betr. Berichte hierher stellen. | |
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wie die Frauen ihre Häuser hatten verlassen müssen, und manchmal auch, dass man sich in der scheusslichstenGa naar eindnoot86 Weise, wie noch nie zuvor an ihnen vergangenGa naar eindnoot87 hätte.’ Kommandant Uys', (Pretoria-Nord): “Die Kaffern, mit Ausnahme derjenigen unter Matello, sind uns feindlich gesinnt.’ Kommandant Grobler (Bethal): ‘Der Distrikt Bethal sei von einem Ende zum andern verwüstet, er habe keinen Proviant mehr für seine Kommandos und habe 300 Frauen und Kinder bei sich, deren Zustand sehr kummervoll sei, es seien Frauen von Kaffern geschandet worden.’ General Christ. Botha (Swasiland): ‘GetreideGa naar eindnoot88 giebt es nicht mehr, man muss von Kral zu Kral gehen und man lebt von dem Wohlwollen der Kaffern.’ Birkenstock (Vryheid): ‘Auch drohtGa naar eindnoot89 stets Gefahr von den Kaffern, die uns entschieden feindlich gegenüber stehen. Ein Kaffernkommando hat kürzlich eines Morgens vor Tagesanbruch ein Burenkommando überfallen, und von 70 Mann wurden 56 getötet.’ Landdrost Bosman (Wakkerstroom): ‘Es könne vielleicht nötig werden, dass die Kommandos den Distrikt verlassen, aber dann stehe man vor der grossen Frage, was aus den Familien werden solle?’ General Kemp berichtet, dass er Krügersdorp, Rustenburg und Teile von Pratoria und Johannesburg unter sich habe. Er nehme, was er nötig habe, von den Kaffern; aber es sei auch nicht ihr Eigentum, er nehme nuf das zurück, was den Bürgern gehöre. Er könne es noch zwei Jahre aushalten. Haupikommandant De Wet: ‘Warum können die östlichen Teile von Transvaal es nicht ebenso machen, wie General Kemp, und den Kaffern was diese ihnen geraubt, wieder abnehmen?’ Generalkommandant Louis Botha antwortet, dass der Unterschied darin bestene, dass die Kaffern in den östlichen Teilen die Verbündeten der Engländer seien. Oft haben sie alles, was sie erbeutet haben, den Engländern abgegeben, und diese haben es verkauft. Wenn man hier Vieh wegnehmen würde, würde dies das den Kaffern selbst gehörige Vieh sein; übrigens seien die Zulus eine andere Art Kaffern, als die, mit welchen General Kemp zu thun habe. Auch General C. Botha sage, dass sich bei den Kaffern in den östlichen Teilen kein einziges den Bürgern geraubtes Stück Vieh befinde. J.L. Grobler (Carolina): ‘Die neue Saat wird sehr gut stehen, wenn nichts dazwischen kommt. Aber die Kaffern seien uns nicht gut gesinnt; man könne es noch sleben bis acht Monate aushalten. wenn sonst nichts vorfalle u.s.w.’ Es geht daraus hervor, dass der Ruin der Buren zunächst in der gänzlichen Verwüstung ihres Landes lag, zum zweiten | |
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dann in der Bedrängnis,Ga naar eindnoot90, in weleher man beim Rückzug die wehrlosen Frauen und Kinder, angesichts der Kaffernbrutalitäten zurückliess. Einige Redner sprachen es ganz klar aus, dass diejenigen Bürger, welche ihre Frauen won Engländern weggeschlept wussten, ihnen noch danken müssten, weil jene sonst in die Hände von Kaffern fielen. An diese Berichte schliesst sich nun ein scharfer Streit über die Frage, was geschehen soll. Und da ist es var allem Botha selbst, der in einer staatsmännischen Rede den Rat erteilt, nachzugeben. Seine Rede ist von einer grossartigenGa naar eindnoot91 Einfachheit, und man kann sie den besten Reden, welche uns in der antiken Geschichte überliefert sind, an die Seite stellen. In ihm siegt der Politiker über den General. Gegen ihm steht vor allem De Wet der bei dieser Gelegenheit es sich nicht versagt, Transvaal einen Hieb zu geben: ‘Ich will es ganz aussprechen und erklären, dass dieser Krieg thatsächlich ein transvaalscher ist.’ Das heisst, für Euch Transvaaler griffen wir zu den Waffen, und ihr seid es jetzt, die ihr den Frieden wollt. ‘Das macht aber, fährt er fort, für ihn keinen Unterschied, denn für ihn habe die Grenze am Vaalfluss nie bestanden, er habe zum engeren Anschluss der beiden Republiken aneinander mitgewirkt, er empfinde die durch das Bündnis aufergelegten Verpflichtungen, durch welche die beiden Staaten aneinander gekettet sind. Es war also eine gemeinschaftliche Sache.’ Die Versammlung ermächtigt dann die Regierungen, auf einer Grundlage zu unterhandeln, die eine beschränkte Unabhängigkeit und ein britisches Protektorat vorsieht und die Abtretung von Teilen der südafrikanischen Republik gestattet. Aber das Glas, das getrunken werden musste, enthielt noch bitterere Tropfen. Die erkorenen Vertreter arbeiteten mit Kitchener und Milner vom 18. bis 26. Mai und erstatteten dann den Volksvertretern Bericht. England bestand auf der vollkom- | |
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menen Aufgebung aller und jeder Unabhängigkeit. Auch dieser wertvolle Bericht ist ohne jede Kürzung dem Buch einverleibt und ergiebt in interessantester Weise im einzelnen den Kampf wieder zwischen Botha, De Wet, Delarey, Hertzog und Smuts auf der einen Seite und den Lords Milner und Kitchner auf der anderen Seite, wobei Milner verschlagenerGa naar eindnoot92, starrer und unnachgiebiger als Kitchnerist; bei Kitchner bricht ab und zu ein jovialer Zug durch, Milner ist unerbittlich und in seiner Konsequenz versteinert. Das Ergebnis ist der Vertragsentwurf, der nun nach London gekabelt wird und mit ganz kleinen Aenderungen zurückkommt. Chamberlain behält sich vor, dass die Kriegsgefangenen Bürger nicht sofort, sondern ‘allmählich, soweit Existenzmittel bereits sicher gestellt seien’, zurück gebracht werden. Auch der Meinungskampf über die Behandlung der rebellierenden Kapkolonisten findet in dem Protokoll eine befriedigende Darlegung. Die Buren haben hart aber vergebens versucht, den Kapkolonisten bessere Bedingungen zu retten. So werden nun die Volksvertreter nochmals zusammengerufen. Am 29. Mai kamen die Abgeordneten nochmals in Vereeniging zusammen und die Kommission legt ihnen die vorläufig getroffenen Abmachungen vor. Man hatte zu beraten ob man 1. den Kampf fortsetzen, 2. die Vorschläge annehmen oder 3. sich bedingungslos ergeben wolle. Die Ultras wollten das letztere, lieber sich still und grollendGa naar eindnoot93 fügen, als einen schmählichen Frieden unterschreiben. Die Redeschlacht tobte hin und her. De Wet ist Führer der zweiten Partei; er will den Krieg fortsetzen. Aber auch er weiss selbst keinen gangbaren Ausweg zu finden hinsichtlich der Frauen. Die meisten Reden sind mit bäuerlicher Einfachheit, kurz aber klar. Dabei giebt es allerdings auch komische Heilige. Da ist z. B. General Beijers der in Waterberg kommandiert. der seine hin und her wackelnde Rede folgender Weise zu Ende trumpft: | |
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‘Dies alles sind keine unüberwindlichen Schwierigkeiten, aber ein Ding ist es, was ihn bekümmert: der Geist, der den Menschen beseelt. Wenn ein Geist jemand beseelt oder beherrscht, dann kann man nichts ausrichten. Der Geist, den er, Redner, jetzt sieht, ist ein Geist, der die Bürger antreibt, um zum Feind überzugehen. Gegen diesen Geist ist nicht zu streiten. General Delarey hat gesagt, dass niemand mit dem Friedensantrag öffentlich vor uns hintreten könne, ohne zu finden, dass die Bürger ihn annehmen werden. Dies ist also der Geist unter uns. Man muss dies wohl im Auge behalten. Es hilft nichts, gegen einen solchen Geist zu streiten.’ Der getreue Kumpan Beijers ist deralte Haudegen Müller-Boksburg, welcher mit biblischen Kraftstellen alles lösen will und ohne weiteres im Barebone-Parlament sitzen oder die blaue Uniform der Heilsarmee tragen könnte. ‘Er denkt nicht an unbedingte Uebergabe. Aber mit Rücksicht auf das, was der Generalkommandant und andere gesagt haben, ist es auch ihm unmöglich geworden, weiter zu kämpfen. Er allein kann nicht weiter Krieg führen. Er fragt, ob wir denn noch nicht zusammenstehen und einen Bund mit dem Herrn schliessen können. Er bemerkt, dass er hier die Aermsten des Landes repräsentiert und das die drei Millionen Pf. St. für die, welche sich selbst nicht helfen können, nicht hinreichen. Er fragt noch einmal, ob man dem Herrn kein Gelübde machen könne, und schliesst mit der Erklärung, dass er für die Annahme des Friedensvorschlages nicht stimmen könne. Solche Protokolle sind von einem unschätzbaren Wert für uns, weil sie uns für Jahrhunderte den Charakter dieser Burenrepubliken leuchtend schildern, in ihren Gebrechen und ihrer Grösse in ihren Schwächen und in ihrem Heldenmut. Auch hier ist es schliesslich die staatsmännische Kraft Ludwig Bothas, welcher in einer landen Rede die Sache ent cheidet. Ihm tritt Smuts bei, derselbe, der so mutig die Sache der Kaprebellen zur eigenen gemacht hatte, und dessen Ansehen in der Versammlung bedeutend war. Nur wenige Stimmen erheben sich nach diesen beiden Reden noch für das Weiterkämpfen. Der Antrag des Kom- | |
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mandanten Pretorius, welcher der Kommission das Recht erteilt, den Frieden zu schliessen, wird mit 54 gegen 7 Stimmen angenommen. Der Vorsitzende, Burgers richtet dann ergreifende Abschiedsworte an die Versammlung und es ist wieder bemerkenswert, wie weitsichtig dieser stille Mann ist: Nachdem er, wie er sagt, am ‘Grabe zweier Republiken stehend’ gebetet hat, sieht er Jahre und Jahrzehnte voraus und ermahnt sein Volk zur Einheit: ‘Lasst uns Gott bitten, dass er uns leite und uns zeige, wie wir unser Volk zusammenhalten können. Wir mussen bereit sein, zu vergeben und zu vergessen, wenn wir unserm Bruder begegnen. Den Teil unseres Volks, der untreu geworden ist, dürfen wir nicht verstossen.’ Mit Gebet wird die letzte Versammlung geschlossen. De Wet hat nun noch die schmerzliche Aufgabe, den letzten Umritt durch das Land zu machen, um die Uebergabe der Bürger zu vollziehen. Am 3. Juni 1902 reitet er von Prätoria aus, wo der Frieden unterzeichnet war, und am 5. Juni befiehlt er dem 1. Kommando in der Nahe von Bredefort, die Waffen niederzulegen. Einfach und gross: ‘An manchem Sterbebett habe ich gestanden und manchem Begräbnis habe ich beigewohnt, ich habe Vater, Mutter, Brüder und Freunde sterben und begraben sehen, aber was ich damals fühlte, kann den Vergleich mit dem, was jetzt meine Brust durchstürmte, als ich das Begräbnis meines Volkes mit ansehen musste, gar nicht aushalten.’ Noch reitet er bis Reitz, wo weitere Kommandos sich ergeben, aber dann war es mit seiner Kraft zu Ende. ‘Es war mir fernerhin unmöglich, von Kommando zu Kommando zu gehen und das jammervolle Schauspiel der Niederlegung der Waffen mit anzusehen, ich beschloss deshalb, die Bürger von nun an mit der veränderten Sachlage bekannt zu machen und ihnen auseinanderzusetzen, weshalb man habe Frieden schliessen müssen, dann aber rasch mich zu entfernen, ehe die Waffen dem General Elliot ausgelie- | |
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fert wurden. Ueberall tand ich laute Unzufriedenheit und Niedergeschlagenheit, bis endlich am 16. Juni die letzten Kommandos, die Bürger der Generale Nieuwoudt und Brand die Waffen gestreckt hatten.’ Das ist der Schluss dieser grossen Tragödie, als dessen klarer, gerechter und ruhiger Beurteiler De Wet auftritt. R.-G. |
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