Vlamsche Chronik
Wie mächtig noch die franztolle Partei im Lande ist, beweist der erfolgreiche Widerstand der Antwerpener Offiere der Bürgerwehr, die es dazu gebracht haben, den Minister zu veranlassen, ein Referendum unter den Mannschaften der Antwerpener Bürgerwehr abzuhalten, ob das Gesetz über die vlamische Befehlsführung durchgehen soll oder nicht. Ein unerhörter Fall weitgehendster Zuchtlosigkeit, die Untergebenen selbst zu befragen, ob sie die Befehle und Gesetze ausführen wollen. Ich glaube, das Vlamentum steht vor einer neuen Krisis und wird neuerdings zu einer gewaltigen Kraftprobe genötigt werden.
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Einer späteren Nachricht zufolge soll an dieser Referendumangelegenheit nichts Wahres sein und soll dieses vielmehr als ein Wunsch der in Frage kommenden französischgesinnten Offiziere zu betrachten sein, die natürlich nicht leichten Herzens sich ans Lernen der verhassten Volkssprache begeben werden und eben so schweren Herzens ihre Würde niederlegen würden.
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Im Zusammenhang hiermit aber und ausser Zweifel ist die Thatsache dass einer der betroffenen Offiziere seinen höchsten Vorgesetzten vor Gericht verklagt hat, weil dieser in einem öffentlichen Lokal sich in kränkender Weise über ihn und sein Auftreten geäussert haben soll. Zustände die dem Reichsdeutschen schwer begreiflich erscheinen müssen.
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Werden öfters in deutschen Blättern Beschwerden erhoben gegen reichsdeutsche Konsuln wegen ihrer unvaterländischen Haltung oder ihres geradezu beleidigenden Auftretens ihren Landsleuten gegenüber, den Vlamen geht es im allgemeinen nicht viel besser. Mit Empöruug erwähnen die vlamischen Zeitungen den Fall eines Vlamen aus London der unlängst sich wegen einer wichtigen Familienangelegenheit an den belgischen Konsul in einer englischen Stadt auf Vlamisch gewendet hatte und von diesem die Aufforderung erhielt auf Englisch oder Französisch zu schreiben. Als nun der bedrängte Mann, der von einem Handwerk leben muss, obschon er es ge-