Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Epilog zum Burenkrieg
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bei denkenden Menschen. ‘Gott mit uns’ ist zweideutig, ‘Gott ist mit uns’ anmassendGa naar eindnoot8 und thöricht, ‘Gott sei mit uns’ sollte es lauten. Die Gefahr dieses blinden Gottvertrauens, zu dem einfache strenggläubige Naturen neigen, wurde bei den Buren gesteigert durch ihr Selbstgefühl. Dem grossen Völkerleben entfremdet, in Süd-Afrika gewohnt, nur mit tiefstehenden Hamiten zu verkehren und über sie zu herrschen, bildete sich eine falsche Anschauung über die Vergleichswerte des eigenen Volkes und anderer Völker heraus und die kleinen Gefechte am Majuba und am Potjefstroom und sonstigen KatzbalgereienGa naar eindnoot9 in den früheren Kriegen gaben ihnen ein um so falscheres Bild von Englands Hilfsmitteln, als die schlappe Leitung der Gladstoneschen Politik das Heer nicht stützte, sondern obendrein lähmte. Der noch grössere britische EigendünkelGa naar eindnoot10 und die noch schlimmere britische Unterschätzung des GegnersGa naar eindnoot11 bildet keine ausreichende Entschuldigung dafür, dass der burische Kriegsrat die höchstmögliche Kriegsziffer Englands in Süd-Afrika auf 60,000 Mann berechnete; es erschienen über 250,000 Mann. Diese Unkenntnis der gegnerischen Kraft trägt auch die Hauptlast einer anderen Schuld: die mangelhafte militärische Rüstung. Jameson, der glücklicher als sein Meister Rhodes, heute seine SaatGa naar eindnoot12 üppig sieht und Rache für Krügersdorp erhalten hat, wirkte als Uebles wollende und Segen schaffende Kraft, als sein Einfall Ende 1895 wie ein flammendes FanalGa naar eindnoot13 die langsame Burenseele weckte; man kaufte Gewehre und Munition. Allein die Ausbildung einer bedeutenden Artillerie, des Trains, die Organisation der KriegsverbändeGa naar eindnoot14 u.s.w. war überaus mangelhaftGa naar eindnoot15. Dieses Selbstgefühl war auch die Hauptunterlage der sonstigen militärischen Fehler, des Mangels an strategischen Kräften. Der langsame zähe niederdeutsche Bauer ist keine mongolische Affennatur wie der Japaner, er lernt weder schnell noch gern | |
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von Fremden; er will aus sich heraus aufbauen, Fremdes abwehren. So hatten die beiden Armeen der zwei Freistaaten kein einheitlichesGa naar eindnoot16 Kommando; so beging der gealterte Joubert, der als mitfechtender Führer früher Tüchtiges geleistet hatte, den grausam sich rächenden FehlerGa naar eindnoot17, sein Heer auf drei Kriegsschauplätze zu verzettelnGa naar eindnoot18; Strategen besassen die Buren nicht einen einzigen. Die Wissenschaft von Jahrhunderten kann ein Bauervolk nicht in Monaten aus eigenem Nachdenken sich schaffen; es heisst da zuerst Fremde nachahmen und dann das Gelernte weiterbilden. Sieg und Verderben lag auf der Linie Bloemfontein - Kapstadt; als Buller in Natal stand, war diese Linie noch frei; statt dessen raufteGa naar eindnoot19 man sich zwecklos in den Bergen von Natal; man belagerte drei feste Plätze, Ladysmith, Kimberley, Mafeking, die strategisch wertlos und bei den artilleristischen MängelnGa naar eindnoot20 der Buren uneinnehmbar waren. Der geschlagene Feind wurde nie verfolgt; am Tugela hätte man die Engländer vernichten können; der Bur schiesst nicht auf fliehende Feinde. ‘Gott will das nicht’, ‘Gott wird dafür die Seinigen belohnen’; nach der Schlacht am Modderspruit konnte Joubert mit den Fliehenden in Ladysmith eindringen, er liess das Feuer einstellen und Kaffee kochen. Die dritte Reihe burischer Mängel stammen aus einer andern QuelleGa naar eindnoot21; man kann diese Fehler subjektiv kaum tadelnGa naar eindnoot22, man wird sie beklagen, aber begreifen. Die Buren waren erst in den Anfängen einer Staatsbildung; vor wenigen Jahrzehnten erst hatte Prätorius diesen Staat geschaffen aus fast einem halben Dutzend Staaten, welche sich in die Wildnis hineingerodet hatten, gleich den einzelnen Höfen, aus denen sie bestanden. Der Gang der Dinge war doch immer: Dutzende von Trekkern zogen aus, eigneten sich Land an, Dutzenden folgten; man schloss sich enger an und bildete langsam zumeist durch Gewohnheit einen Staat z. B. Lydenburg; die Staaten schlossen sich dann | |
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später zum Teil freiwillig, zum Teil unter Gewalt zusammen. Wir haben hier in kleinerer aber getreuester Photographie das Abbild der grossen germanischen Völkerwanderung. Die Selb-ständigkeit des Einzelnen überwiegt in solchen Staaten das Recht der Allgemeinheit; meilenweit von den Freunden entfernt, muss der Einzelne sich selbst helfen, der Staat hilft ihm nicht oder zu spät; der Staat schützt noch nicht den ganzen Umfang des Landes, er deckt wie Westeuropa im Mittelalter nur den Zug des einzelnen Reisenden. Der volle moderne Staat war noch nicht da, aber er wuchs heran, mächtig und schnell wie eine MaissaatGa naar eindnoot23. In diesem Augenblick grosser VerheissungGa naar eindnoot24 wurde der Staat vom Feinde überrascht, wie ein schlafender jugendlicher Riese noch müde und schlaftrunken auf dem Lager überfallen, sich nicht schuell genug wehrt. Es fehlte an Organisation, an Staatswillen, an Staatsgedanken. Der Wille des Einzelnen, die sorgfältig geschulte herkulische Kraft des Mannes überwog; das Land war überdemokratisch. Die Mannschaften erkannten keinen Führer an, den sie nicht wählten; folgerichtig setzen sie ihn auch ab; sie folgten keinem Befehle, der ihnen nicht passte. Die FahnenfluchtGa naar eindnoot25 nicht infolge FeigheitGa naar eindnoot26, sondern eigenmächtiger Selbstbeurlaubung, um sich mal wieder Hof und Familie anzusehen, verminderte zeitweilig in Natal die Heeresteile angeblich um 30 pCt.; überall Freiheit im grössten Uebermass. Ueber den Friedensschluss beraten nicht die klügern gereiften Oberführer und höchsten Regierungsbeamten, sondern ein Haufen von Hunderten, welcher jeder Beeinflussung leicht preisgegeben ist. Das Milizwesen hat in Süd-Afrika Bankerot gemacht, aber so jämmerlich doch nur deshalb, weil es in der schrankenlosestenGa naar eindnoot27 Form herrschte. Die Schweiz würde einen solchen Zusammenbruch der Heeresgliederung nicht sehen. Später gingen die Buren an die Bekämpfung des Uebels, - zu spät. So liegen die Grundmängel der Buren aufgedeckt; wir sagten | |
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schon, Fehler und Tugenden eines Volkes verbinden und bedingen sich. Es konnte nicht anders sein, als dass aus der Not ihrer Zeit und ihres Landes den Buren Thatkraft und Selbsthülfe anwuchsen und aus diesen Selbstgefühl und Eigenwille. Wir haben die Mängel im Laufe dieser Feldzüge hundertmal beklagt; freilich von Europa aus mit Reden etwas dort bessern zu wollen, war hoffnungslos. Wenn aber deutsche Militärschriftsteller auch die Taktik der Buren angreifen, so weisen wir das zurück. Deutsche Offizieren bemängeln das Schonen der Menschenleben seitens der Buren, sie verurteilen, dass nicht Mafeking und Kimberley durch Sturm genommen wurden, dass man die Offensive fast immer vermied, dass bei energischen Verstössen die Buren rasch das Feld räumten, sobald die Veteidigungsfähigkeit unsicher beworden war. Wir haben diese Taktik oft mit Buren und Deutschen aus Süd-Afrika, Kämpfern, Bürgern und Diplomaten besprochen. Wir müssen darnach erklären: Die ergriffene Taktik ist einfach die einzig mögliche, es ist eine zweckdienliche Anpassung an GeländeGa naar eindnoot28 und Verhältnisse und ihre Kritiker begehen denselben Fehler wie die Buren bei ihrer Strategie: Selbstgefühl und Eigendünkel lassen sie fremdes Wissen nicht achten. Man halte sich an folgende Ziffern: Bevölkerung an Buren und burenfreundlichen Fremden in beiden Staaten 270.000 Köpfe, AushebungGa naar eindnoot29 59,000 Mann = 22 pCt.! So etwas hat die Erde trotz ihres RunzelaltersGa naar eindnoot30 noch nie gesehen; die preussische Erhebung von 1812 ist dagegen matt. Diese Aushebung ergäbe für unser Reich bei 56 Millionen Köpfen ein Heer von 12 Millionen Mann. Hier setzt die grosse Reihe burisch-niederdeutscher Tugenden an. Vom 14 jährigen Kind bis zum 70 jährigen Greis hatte jede einigermasse taugliche, reitfähige und schussfertige Kraft frei und ohne Zwang sich aufgerafftGa naar eindnoot31, jede Muskel, jeder Tropfen Blut wurde dem Vaterlande angeboten; was verschlägtGa naar eindnoot32 es und was erstaunt es, wenn es unter den 22 pCt. einige Prozent Fauler und Feiger gab. | |
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Aber es gab kein zweites und kein ‘letztes AufgebotGa naar eindnoot33’ mehr; alles war gleich aufgeboten. Reserve hatte keine Truppe und Nachschübe kannte das Land nicht. Sparsamkeit war mithin die erste Pflicht, Sparsamkeit mit Menschen noch zehnmal wichtiger als Sparsamkeit mit Schiessbedarf. Das erklärt alles. Ja sicher mit 1000 Toten liess sich Kimberley nehmen, aber was nützte das? mit 2000 Toten liess sich vielleicht Buller in Natal zerquetschen, aber was verschlug es der britischen Regierung, wenn 15,000 Tommys mehr oder früher erschossen oder gefangen würden; es gab neues Kanonenfutter; die Burenleichen aber erhoben sich nicht wieder und es trat kein neuer Kämpfer in die LückeGa naar eindnoot34. Gegen 59,000 Buren standen nach und nach fast 300 tausend Briten; jeder Bur dürfte also erst fallen, wenn er 5 Engländer getötet hatte. Später stand einer gegen zehn. Und was nützt das Fallen, wenn niemand übrig bleibt, den Sieg zu gemessen? Ist der Krieg SelbstzweckGa naar eindnoot35? er ist nach Bismarck ‘Fortführung der Arbeit auf den Frieden nur mit andern Mitteln’. Nein, diese burische Taktik nennt nur verbohrteGa naar eindnoot36 Leutnantpedanterie Feigheit, sie war gegeben und die unfähigkeitGa naar eindnoot37 europäischer Offiziere, sich in burisches Denken und burische BedürfnisseGa naar eindnoot38 hineinzufühlen, hat vielleicht die Buren zu ihrem Weh verhindert, der europäischen Strategie sich anzuvertrauen. Der Bur hat diese Taktik unbewusst gelernt - am Kaffer; er hat gelernt, gegen hundertfache Kaffern-Uebermacht zu fechten, es hiess auch dort die Menschen zu schonenGa naar eindnoot39, mit KlugheitGa naar eindnoot40 Boden und Büchse ausnutzen, nicht zuviel wagen, damit nicht den harrendenGa naar eindnoot41 Frauen und Kindern der ErnährerGa naar eindnoot42 fiel. Sie übertrugen das gelernte instinctiv auf ihren grossen Verzweiflungskampf und siehe da, sie trafen das richtige, weil die Verhältnisziffern und die Menschenwerte wieder dieselben waren. Und nun stehen wir schon auf dem Boden ewigen Ruhmes, den die Weltgeschichte den Buren zollenGa naar eindnoot43 muss und wird. Ge- | |
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wiss sind die Buren gewichen, wo es ihnen galt, ihr dem Lande kostbares Leben zu sparen, aber wo sie auf Sieg hoffen durften, haben sie Wurzeln geschlagen wie ein Eichwald und sie haben gestanden, wie die Felsen des Tafelberges: am Modderspruit gegen White, bei Colenso, am Tugela und am Vaalkranz gegen Buller, am Rietrivier und bei Magersfontein gegen Methuen, bei Stormberg gegen Gatacre; dass auch die Angriffskraft nicht fehlte, zeigten die Buren am Spionskop, wo 2000 Engländer die Höhe besetzt hielten und 350 Buren (!) den 1500 m hohen Berg unter stetem Feuer 5 Stunden lang heraufkrochen und die fünffach überlegenenGa naar eindnoot44 Engländer blutig hinunterwarfen; welches Volk hat Aehnliches vollbracht? Und dann, nachdem infolge seiner unglaublich thörichten Strategie Cronje mit 4080 Mann am 27 Februar 1901 im Flussthal von Kudusranddrift sich ergeben musste, Pretoria am 5 Juni in englische Hände fiel, am 29 Juli der verdächtige Prinsloo mit 4040 Mann kopflos sich überlieferte, da setzt die glorreiche Epoche des schon hinsinkenden Volkes an: es entstehen in Botha, Delarey, Dewet, Olivier, neue entschlossene und eisenharte Führer. Der alternde Krüger welcher körperlich den Gefechten nicht mehr folgen kann, und daher eine Gefahr bildet, giebt seinen Einfluss an Steijn ab, dessen heroische Festigkeit unvergänglich sein wird. Mit 100,000 Toten und Invaliden und einer Schuldenlast von 4000 Millionen Mark kehrt England aus diesem Kriege, es hat furchtbar hoch bezahlt - doch es hat seine Ware; es beherrscht das Goldland. Aber über den britischen Truppen, die jetzt heimkehren, flattert kein Ruhmesbanner; die Fahne des Ruhmes deckt als Leichentuch die gefallenen Buren und das Land der löwenmutig sich wehrenden beiden Republiken.
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Die Gründe des britischen SiegesDie grossen Kräfte, welche in diesem Krieg rangenGa naar eindnoot45, haben wir abgewogen; in der Hauptsache sind die strategischen Kräfte wenigstens späterhin für England, die taktischen für die Buren thätig gewesen, desgleichen glichen sich ziemlich aus die Zahl bei den Angreifern und der Gefechtswert des Einzelnen bei den Angegriffenen, Quantität und Qualität. Was England schliesslich den Preis zuwarf waren zwei britischen Eigenschaften, welche alles schwärzen, was in diesem Kriege an britischer Opferwilligkeit und Tapferkeit geschimmert hat. Es ist zu allererst die Grösse der Ruchlosigkeit des Britenvolkes. Seit den Kriegen der Assyrer und Römer ist kein Krieg von dieser Grausamkeit geführt. Es gab kein Recht und kein Erbarmen, sondern mit der berechnenden Klügelei eines politischen Schurken wurde jeder auch der schlüpfrigsteGa naar eindnoot46 und schmutzigsteGa naar eindnoot47 Weg beschritten, wenn nur auf ihm den Buren beizukommen war. Finfache Waffengewalt half nicht. So begann der Ritter des Schwarzen Adlerordens Lord Roberts das Mordbrennen, er liess Weiber und Kinder gewaltsam aus dem Haus schleppen und sandte den roten Hahn aufs Dach! Briefe aus Südafrika schilderten uns das Geschrei der Weiber, die nach dem im Hause unterm Dach schlafenden Kindern oder der Grossmutter riefen. Die Tommys, welche kein Wort verstanden, hielten die Frauen gewaltsam ab ins Haus zu stürzen und liessen die Angehörigen verbrennen. Europa blieb stumm. Man annektierte auf dem Papier alles Land, alles persönliche Eigentum der Führer und verbannte alle Vorkämpfer als ‘Rebellen’. Als das noch nicht zogGa naar eindnoot48, ging Roberts fort und überliess das Handwerk Milner und Kitchener. Milner hatte sich bereits durch Dokumentenfälschung ausgezeichnet, was ihm Krüger öffentlich nachwies; er hat vor dem Kriege Krügers Angebote absichtlich falsch ins englische | |
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übersetzt und gefälscht nach London telegraphiert, wodurch die Kriegsstimmung die Oberhand bekam. Kitchener hatte gerade die Mahdisten ‘erledigtGa naar eindnoot49’: nach der Schlacht bei Omdurman zog er Briten und Aegypter von der Front und schikte die Sudanesen aufs Schlachtfeld, welche dann den verwundet umherliegenden Mahdisten zu Tausenden die Hälse abschnitten; der Brief eines englischen Offiziers erzählt humoristisch, wie ein Mahdist mit verwundeten Beinen tagelang im rasenden Durst auf den Nil zukroch; der Offizier wettete, das der Bursche in zwei Wochen den Nil erreichen könnte, aber inzwischen ereilten ihn die Sudanesen. Kitchener war also seiner Aufgabe völlig gewachsen. Er nahm den Buren zuerst die Aerzte; auf die erste AnregungGa naar eindnoot50 hin ging die unterm Einfluss der Herren von Knesebeck und Pannwitz stehende deutsche Ambulanz vom Roten Kreuz bereitwilligst nach Hause, der Krieg sei ja beendet; andere Ambulanzen wurden gewaltsam abgeschoben. Seitdem herrschte beim Burenheer der Brand und die Eiterung als fast unvermeidliche Gäste in jeder Wunde. Europa blieb stumm. Sodann verlegte sich Kitchener auf das Frauenschinden und Kindertöten: er trieb sie wie Schafe tausendweise zusammen und sperrte sie nebst den Kindern ein; um die Gefangenenlager erhoben sich grauenvolle Kirchhöfe, Hügel an Hügel reihte sich, um die Leichen Tausender von Kinder aufzunehmen, die man unter schlechter Kost auf nasser Erde krepieren liess, wie die Jungen von Raubthieren. Europa blieb stumm; es gratulierte sogar teilweise zu den englischen Erfolgen und nach wie vor brüstenGa naar eindnoot51 sich die Briten mit ihrer Fähigkeit die Erde zu ‘kultivieren’ ‘to make the poor Natives happy’ und unverändert ziehen blonde Misses mit der Bibel herum, belästigen Fremde mit der Frage nach der Seligkeit, stricken Strümpfe für Negerkinder und sammeln für die Missionare. Das ist die pöbelhafteGa naar eindnoot52 Gemeinheit des Interesses so mit der Moral durchknetet, dass aus beiden eine dreckige Undurch- | |
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dringlichkeit geworden ist, in welche keine Sonne der Wahrheit und kein Stern der Barmherzigkeit jemals hineinscheinen wird. Aber für uns flammt eine Wahrheit heraus: Es giebt zur Zeit kein Recht im Völkerleben; es giebt nur Macht, nichts als Macht. Wer Macht hat und sie brutal gebraucht, ist der grosse Held, dem noch Glückwunschtelegramme zufliessen. Kommt man mit Töten von 100,000 Menschen nicht zum Ziel, so töte man eine Million, genügen die Männer nicht, so töte man die Frauen und Kinder, genügt es nicht die Staaten zu zertreten, so brenne man alle Häuser ab. Wird die Macht nur recht völlig ausgenutzGa naar eindnoot53, so kommt man als Sieger ans Ziel und erhält Siegesmedaillen und Orden nach Belieben. Weil England den langen Gang der Ruchlosigkeit bis zur dunkelsten Ecke ging, darum hat es gesiegt. Das Bild wäre unvollständig, wenn man nicht noch beifügt, dass selbstredend auch der Ruhm Milners als Urkundenfälscher Kitchener nicht schlafen liess. Er fulschte Antworten Steijns in seinen Berichten und Steijn überführteGa naar eindnoot54 ihn dessen vor kurzem öffentlich in einem offenen Brief, höhnisch beifügend, er übersetzte zugleich diesen offenen Brief ins Englische, damit Kitchener nicht abermals auch diesen fälsche. So waltete nun der General seines Amtes anderthalb Jahre, wie ein Fleischermeister die Wochenrechnung schickt ‘10 Pfund Kalbfleisch, 15 Pfund Schweinefleisch usw.’ so Woche für Woche seine Schlächterrechnung nach Hause kabelnd: ‘Gefangen 100 Buren, tot 20 Buren, verwundet 30 Buren, gestorben in den Konzentrationslagern 200 Kinder und Frauen’; dabei fehlte selten der fröhliche Schluss: ‘Die Sterblichkeit vermindert sich’ d.h. es starben nur noch zehnmal mehr Menschen übers normale statt der 15 oder 20 fachen Anzahl. Und dieses Volk wagt es noch den Deutschen humanitäre Vorlesungen über ihre Polenpolitik zu halten?! Deutsche, die sich beschränken, Leuten Güter zu guten Preisen abzukaufen, welche man freiwillig anbietet! Wo ist denn | |
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der Himmel gerötet von den polnischen Höfen, die wir anzündeten? wo sind die Orte, in welche wir die polnischen Frauen zusammengejagt haben? wo sind die Grabhügel, welche sich mit polnischen Kinderleichen, 6000 im Jahre, füllen? Kann man solche nationale Blindheit und Anmassung noch steigern? Aber eins können wir festländische Germanen aus alledem lernen. Wachet, wehret Euch und beugt vor! Auch an uns kommt einmal die Reihe, wenn wir uns nicht die Macht der Gegenwehr bewahren. Halten wir beizeiten die slavische Flut von unserer Grenze, damit nicht der Osten slavisiert wird, unser Kampf an die Elbe und Weser verlegt wird und dort dereinst unsere Höfe brennen. Diesem Unmenschtum gegenüber, diesen Misshandlungen war das Burenvolk schliesslich nicht mehr gewachsen. Trotz alledem kam der Umschlag doch wie ein GewitterGa naar eindnoot55 am schwülen Tag. Noch im Januar reichte General Smuts einen Bericht an Krüger ein, in dem er bestimmt den Sieg voraussagte und die Lage und Zustand der Burenkommandos als befriedigend bezeichnete. Sicherlich war hier manches berechnend gefärbt; sicherlich haben die Kommandos schreckliche Entbehrungen durcherlebt. Wir müssen noch warten, bis später einmal die Wahrheit klar berichtet werden kann. Es fehlte den gehetzten Buren an Häusern, an Kleidung, an Essen; auf die Dauer ist es schwer, auf die Abfälle des Gegners angewiesen zu sein. Nicht leicht giebt der zähe Bur nach. Auch die Erkrankung Steijns, dieser unbeugsamen glühenden Seele des Krieges erklärt manches. Aber auch andere Motive drängen sich auf. Seit Jahrhunderten ist Englands Hauptwaffe das Gold. Diese Waffe haben nach einander die Perser, Karthager, Römer, Spanier und Engländer sich abgerungenGa naar eindnoot56. Wir wissen, dass England im 30jährigen und siebenjährigen Kriege preussische Beamte bestachGa naar eindnoot57. Nach den napoleonischen Kriegen bestachen England und die Rothschilds | |
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fast alle Diplomaten Europas, in Deutschland die halbe Regierung, vom Regenten Europas dem österreichischen Premier Fürst Metternich über den preussischen Staatskanzler Fürst Hardenberg bis zu dem glänzenden Journalisten und smutzigen Kerl Gentz, dem einflussreichsten Publizisten der Zeit. Natürlich konnte man damals auch nichts beweisen, und jeder wäre gehängt worden, welcher behauptet hätte, die ehrenwerten Gentlemen hätten Dreck am Stecken. Auch diesmal sind sonderbare Symptome in Europa aufgetaucht, nach 50 oder 100 Jahren werden wir aus den englischen Akten auch wohl Näheres über die heutige Zeit hören. Es ist uns auch nicht sicher, dass in Vereeniging nicht das Pfund Sterling gerollt hat. Wie sagte doch Tiberius zu Germanicus: ‘Neunmal vom Kaiser Augustus gegen die Germaren gesandt, habe ich mehr mit Klugheit als mit Gewalt ausgerichtet’. Seitdem die Verhandlungen sich ausdehnten, man von stetigen Berathungen zwischen Buren und Briten las, seitdem kann uns Sorge. Unbesiegt im Felde hat sich der Bur im Rat fangen lassen. Es gewährtGa naar eindnoot58 gewisse BürgschaftGa naar eindnoot59 und Beruhigung, das Botha, Delarey und Dewet den Frieden unterzeichneten; sie waren also einverstanden, aber doch ist vieles unklar. In einem Falle fand sicher eine Bestechung statt; die Hausprämie hat sicherlich mächtig durchgeschlagen, die Wiedererrichtung der Farm. Setzen wir dafür das heimatliche Wort, so ist alles klar; Still aber heiss liebt der Bauer seinen Hof, oft weit mehr als Weib und Kind; Geld mag man ihm nehmen, aber am Hof hängt er, das ist sein Staatsgedanke; sein Hof ist ihm sein kleiner Staat, ja der Hof war zumeist älter als der Staat, auch bei uns. Für den Hof kann der richtige Bauer alles thun. Und diesen Hof hatte den Buren zur grenzenlosen Wut Roberts und Kitchener verbrannt und zerstampft. Daher die Kraft der Gegenwehr Doch mag noch manchmal auf einsamen Ritt und | |
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am Wachtfeuer der Bur mit Wehmut an seinen alten Hof gedacht haben. Und nun hält ihm wie einen blitzenden Edelstein der Brite die Hoffnung hin: ‘Noch einmal wirst du deinen Hof in alter Blüte entstehen sehen und bewohnen’, Das ist eine raffiniert gefährliche Probe auf das Herz jedes Bauern der Welt. Ein Herz, das in keinem Gefecht heftiger schlug, mag hier schwach geworden sein. Aber nur der hebeGa naar eindnoot60 den Stein auf, welcher zu den Buren sagen kann: ‘Ich habe mehr gelitten für mein Vaterland und Härteres erduldet als ihr’. Die Buren sind nicht ohne FehlGa naar eindnoot61 und nicht ohne FehlerGa naar eindnoot62. Aber das hat nicht entschieden. Sie sind gefallen weder durch ihren Unwert noch durch den Wert des Gegners, sondern durch dessen Grösse der Gemeinheit.
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Die ZukunftEs bleibt uns nun noch eine dritte schmerzliche Aufgabe übrig, die Aufgabe, die Zukunftshoffnungen der zersprengtenGa naar eindnoot63 niederdeutschen TrümmerGa naar eindnoot64 in Südafrika zu untersuchen. Prüfen wir nun an der Hand des Friedensinstrumentes. I. Wir waren stets der Meinung, dass j[e]der Friede, der die volle Unabhängigkeit des Landes nicht vorsieht, ohne weiteres gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch der Buren ist. Der Krieg brach aus, weil die allmählich besonders durch europäischen Einfluss (namentlich Dr. Leyds) wachsam gemachten Buren die Gefahr der EinwanderungGa naar eindnoot65 erkannten, weil sie sahen, dass rettungslos ihr holländisch-deutscher Ackerbaustaat durch den mitten in seinem Herzen sich festsetzenden und sich gewaltig ausbreitenden Polypen des britischen Industriestaates zu Tode gefressen wurde. Sie versuchtenGa naar eindnoot66 die Einwanderung zu beschränken, zur besseren Kontrole die FurtübergängeGa naar eindnoot67 über | |
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die Vaal aufzuheben, das Wahlrecht der Fremden möglichst hintanzuhaltenGa naar eindnoot68. Sowohl Krüger, Leyds, Steyn, Joubert wie Rhodes, Milner, Chamberlain und Salisbury erkannten, um was es sich handelte; man durchschaute sich gegenseitig. Darüber brach der Krieg aus. Die Frage der Suzeränität war mehr der formale Ausdruck dessen, was zu Grunde lag. Nun ist alles das zu Ungunsten der Buren entschieden. Damit ist der Staat schon an sich vollständig verloren. Es giebt allerdings Professoren, die, obwohl sie in Südafrika niemals gewesen sind, aus ‘geographischen und historischen’ Gründen schliessen, dass die Buren ihre Rasse erhalten und die Mehrheit bilden würden; es sind das HarmlosigkeitenGa naar eindnoot69, welche nur in den Köpfen von Träumern herrschen können. Der entsprechende Paragraph der Friedensbedingungen lautet: § 1. Die Burgers im Felde legen sofort die Waffen nieder, übergeben alle Kanonen und Waffen sowie die Kriegsmunition, die in ihrem Besitze sind, oder unter ihrer Kontrole sich befinden. Sie stehen von weiterem Widerstand gegen die Autorität König Eduards des VII. ab, den sie als gesetzlichen Souverän anerkennen. England hat aber durch weitere Bestimmungen von grausamster Härte dafür gesorgt, dass dieser Untergang der Rasse gesichert und beschleunigt wird. Es ist unbegreiflich, wie in einem Teile der deutschen Presse noch die AnsichtGa naar eindnoot70 vertretenGa naar eindnoot71 werden kann, dass die Bedingungen für die Buren nicht ungünstig seien. Wir fassen sie in Nachstehendem statt negativ, wie das Friedensinstrument vielmehr stets positiv, sodass das Todesurteil für die Buren klarer geschrieben wird. II. Grossmütig gesteht Grossbritannien eines zu; es will nicht sämtliche Buren köpfen oder hängen. Das Leben und die Freiheit des Eigentums wird gnadenvoll denen bewilligt, welche de Waffen für ihr Vaterland getragen haben und sofort nach dem Friedenschluss sie niederlegen. Und es scheint, dass Kit- | |
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chener glaubt, sein früheres Mordbrennen durch genügende Milde wieder gut zu machen, wenn er verspricht, kein StrafverfahrenGa naar eindnoot72 gegen alle Burgers einzuleiten, die sich ergeben oder zurückkehren. Ist das nicht ein schneidender Hohn auf jedes Völkerrecht? Man denke sich, die Deutsche hätten feierlichGa naar eindnoot73 im Jahre 1871 versprochenGa naar eindnoot74, die französischen Truppen, die im Felde standen oder die gefangen waren, nicht zu töten und ihnen ihr Hab und Gut nicht zu rauben, wozu uns der Umstand angeblich berechtigen soll, dass sie es gewagt haben, gegen ihre geborenen Herren, die Waffen zu ergreifen. Ist es nicht ein trauriges Zeichen britischer Ruchlosigkeit, dass den Buren das armselige Recht, das nur in den Kriegen des grauestenGa naar eindnoot75 Altertums besiegten Völkern als ZugeständnisGa naar eindnoot76 galt, ausdrücklich bewilligt werden musste. § 3. Die auf diese Weise sich ergebenden und zurückkehrenden Burgers werden ihrer persönliche Freiheit oder ihres Eigentumes nicht beraubt. Aber sofort hängt Albion, das es verstanden hat, auch die klarste Verträge zu brechen, zwei gefährliche KlauselnGa naar eindnoot77 an. Jede burische Handlung, die England als ‘den Kriegsgebräuchen widersprechend’ nach seinem Belieben bezeichnet, wird vor einem Kriegsgericht verhandelt werden. Jedes Tragen von Khaki, jede Erschiessung von eingeborenen Spionen kann also mit dem Tode noch gesühntGa naar eindnoot78 werden. Dagegen ist das Mordbrennen auf den Burenfarmen und das Töten von Burenfrauen und Kindern seitens der Engländer, das Gefangennehmen der Aerzte u.s.w. vollkommen den englischen ‘Kriegsgebräuchen entsprechendGa naar eindnoot79’. § 4 Absatz 2. Die Klausel in § 4 Absatz 1 bezieht sich jedoch nicht auf gewisse Handlungen, welche den Kriegsgebräuchen widersprechen. Diese sollen | |
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sofort nach Schluss der Feindseligkeiten vor einem Kriegsgericht verhandelt werden. III. Schlimmer ist die BestimmungGa naar eindnoot80 über die Kaprebellen - Rebellen immer in dem Sinne, dass die seitens Englands gewaltsam unterjochten niederländische Kaapländer versucht haben, die ihnen früher angethane Schmach wieder gut zu machen und sich zu befreien; sie sind Rebellen, wie die Holländer, Belgier, Rheinländer und Westphalen Rebellen waren, die 1812 mit den Preussen hielten. Höchstwahrscheinlich haben die Buren diese Kaprebellen in Art. 4 mit unter dem Titel Burgers (siche oben) zusammengefasst. Die Buren selbst geben sich weniger den Namen Buren als den Namen Burgers (sprich: Bürgers) d.h. Staatsbürger, und sie nennen so die Afrikander in der Kapkolonie, als auch die Bewohner des Oranjefreistaates und Transvaals. Offenbar sind sie der AnsichtGa naar eindnoot81 gewesen, dass diese Kapholländer in dem Artikel mit bezeichnet und ihr Leben geschützt wäre. Nun heisst es aber in der lange Kitchenerdepesche: ‘Nachdem das Abkommen unterzeichnet war, gab Milner eine Erklärung über die Kaprebellen ab, die auch in Abschrift den Buren eingehändigt würde’. Milner und Kitchener stellen sich wahrscheinlich auf folgenden Standpunkt: Nach der Unterzeichnung des Vertrages sind die Burgers sofort britische Unterthanen. Von da ab gelten für sie also einfach VerordnungenGa naar eindnoot82 der britischen Regierung und deren Beamten. Grossbritannien weigert sich, unter Burgers Kaprebellen zu verstehen und giebt nun aus eigener Machtvollkommenheit eine neue Erklärung über die Behandlung der aufständigen Kapholländer ab, die dahin geht, dass die Kaprebellen, soweit sie einfache Soldaten waren, nur mit dem Verlust des Wahlrechts, ihre Führer aber nach kriegsgerichtlichem Urteil bestraft werden sollen! Welche Bluturteile mögen da noch folgen, und welches neue Leid mag über Süd-Afrika verhängt werdenGa naar eindnoot83! | |
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IV. Alle Kriegsgefangenen, die sich auf Ceylon, St. Helena u.s.w. befinden, brauchen nicht zurückgebracht werden. Können die Kriegsgefangenen Mittel zu ihrer Beförderung und zu ihrem dauernden Unterhalt in Südafrika als gesichert nachweisen, so kann England sie nach Leistung des Unterthaneneids zurückbringen. Die Kriegsgefangenen, die Uitlander waren, vor allem die Deutschen, die neun Zehntel davon ausmachen, werden unter keinen Umständen zurückgebracht. 2. Alle Burgers im Felde ausserhalb Transvaals und der Oranjekolonie und alle Kriegsgefangenen, die jetzt ausserhalb Südafrikas sich befinden und Burgers sind, werden sobald sie ihre Annahme der Stellung als Unterthanen König Eduards erklärt haben, zurückgebracht, sobald die notwendigen Beförderungsund Subsistenzmittel beschafft und gesichert sind. In diesen Bestimmungen werden wohl die wenigen Burenfeinde in Deutschland einen besonderen Beweis dafür erblicken, dass die Buren sich fremde Unterstützung wohl gerne gefallen lassen, sie aber nicht erwiedern. Es mag sein, dass man auch in dieser Beziehung einen Tadel erheben muss; ich habe die afrikanischen Bauern niemals für Ideale gehalten. Wir glauben aber, dass dieser Klausel ihnen von englischer Seite direkt aufgezwungen ist. Der springende Punkt in dem ganzen AbkommenGa naar eindnoot84 nähmlich-ist der, die Buren der Kultur und der kultivierten Führer zu berauben. Dieses Berauben setzt vor allem voraus, dass die Auffrischung der Buren durch gebildete europäische Elemente in Zukunft unmöglich gemacht wird. Darum dürfen die Holländer und die Deutschen nicht nach Südafrika zurückkehren, darum sind wir sicher, dass die britische Regierung es nicht dulden wird, dass deutsche Ingenieure, deutsche Chemiker und deutsche Kaufleute irgend wie aufs neue in Transvaal Fuss fassen, und in Sack und Asche werden unsere Banken und unsere Industriellen noch den Sieg der Engländer eines Tages bedauern. | |
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Zu diesem Punkt gehört sodann auch die Behandlung der Holländer, vor allem Dr. Leyds. Wir halten auf Grund mancher persönlicher Kenntnisse Dr. Leyds für die eigentliche innere Ursache des ganzen Burenwiderstandes. Leyds ist Holländer von Geburt, Jurist und im vollen Besitz europäischer Kultur. Er war es, der den Buren die Augen klar geriebenGa naar eindnoot85 hat über ihre Zukunft unter britischer Herrschaft und der die Brücke schlug zwischen den Buren und den europäischen Völkern. Allerdings war er, wie das die Deutschen öfters betonenGa naar eindnoot86, in erster Linie dabei Holländer, und wir haben manche Klage von Deutschen gehört, dass er sie gegenüber den engeren Stammesgenossen zurücksetzte. Aber jedenfalls war er für England der gefährlichste Mann, und die Wut der Briten und der Britenfreunde auf der ganzen Erde richtete sich gegen Dr. Leyds. Seit Jahren wird dieser Mann mit allen Mitteln verfolgt; dazu gehört z. B. das Gerücht, dass er sich ein Gehalt von 300,000 M. im Jahre ausbedungenGa naar eindnoot87 habe. Dazu gehören dunkle Ausstreuungen, auf die man immer wieder stösst, Leyds habe eine gewisse ‘Vergangenheit’; man braucht nur zu fragen, weshalb rückt man mit dieser Vergangenheit nicht heraus, es war ja während des Krieges drei Jahre lang Gelegenheit genug dazu geboten? Leyds stammt aus Holland und hat in Holland studiert, wenn er also etwas auf dem KerbholzeGa naar eindnoot87a hat, weshalb verkehrt er in den besten Kreisen Hollands und wird bei Hofe empfangen? Die geschilderten Manöver tauchen auch jetzt wieder auf. Die ‘Frankfurter Zeitung’, das Blatt des internationalen Kapitals, brachte vor einigen Tagen eine Depesche des Inhalts, das die Burendelegierten nach Südafrika zurückkehren dürften, nur ‘der übelbeleumdeteGa naar eindnoot88 Leyds’ dürfe nicht zurückkehren. Einen Tag später brachte die ‘Köln. Ztg.’, das Blatt der internationalen Politik, eine ganz ähnliche Meldung: Die gutbeleumdeten Delegierten aus dem Haag, auch Krüger dürften nach Ab- | |
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legung des Unterthaneneides zurückkehren, Leyds aber nicht. Dieselbe Meldung fanden wir noch in der lügenhaften ‘Daily Mail’. Offenbar liegt hierbei dieselbe trübe englische QuelleGa naar eindnoot89 vor. Wie weit die Meldung der AusweisungGa naar eindnoot90 Leyds richtig ist, fragt sich. Jedenfalls scheint uns glaubhaft, dass man einem Manne wie Leyds nicht zurückkehren gestattet. In Leyds hat wohl zum letzten Male Holland sich mit England gemessen. Die Hauptsorge Englands geht nun darauf hin, eine spezifische burische Kultur nicht aufkommen zu lassen. Mit Hülfe der überlegenen Technik, des überlegenen Industrialismus und Journalismus hoffen die Briten mit Recht, der Buren Herr zu werden. Dazu passt das Folgende: Die holländische Sprache wird unter keinen Umständen in den Schulen Südafrikas noch geduldet. Geduldet wird lediglich der Afrikanderdialekt! Hier liegt ein kleiner Widerspruch der Depeschen vor; die einen reden vom ‘Taaldialekt’, d.h. der Sprache der Afrikander, die anderen vom Vaaldialekt, d.h. der Sprache zu beiden Seiten der Vaal. Es kommt aber auf dasselbe heraus, d.h. es wird unter allen Umständen ein RückhaltGa naar eindnoot91 der Afrikander an die holländische Kullursprache vereitelt, was den in den Germanen steckenden Partikularismus unterstützt. Dadurch befinden sich die Buren in derselben schwierigen Lage wie die Schweizer-Deutschen, die mit ihrem Dialekt gegen die französische Kultursprache nicht aufkommen können, und die Vlamen, die, trotzdem sie ihren Dialekt zur Schriftsprache entwickelt haben, auch an Zahl und Umfang der Kultur gegen Frankreich nur schwer Widerstand leisten können. Ja, mit gewissen EinschränkungenGa naar eindnoot92 passt das sogar auf die holländische Sprache, die trotz ihrer vollkommenen Kulturentwicklung nicht die ziffermässige Volksunterlage besitzt, um als grosse Weltsprache aufzutreten. Es ist zweifellos, dass, wenn die Vlamen und die Schweizer-Deutschen reines Schrifthochdeutsch schrie- | |
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ben und sprächen, sie widerständsfähiger sein würden, und so wäre auch sicher die holländische Afrikanderrasse widerstandsfähiger, wenn sie genau dieselbe Sprache hätte, wie die Holländer: natürlich nog kräftiger, wenn sie Hochdeutsch redete und damit Anschluss an ein grosses Volk von 70 Millionen gewänne. Alle diese Rückhalte sind also von England energisch zerbrochen worden. Es darf allein gelehrt werden der Afrikanderdialekt, der u. E. gänzlich unfähig ist, sich gegen eine Kultursprache und Weltsprache wie das Englische zu behauptenGa naar eindnoot93. Mit dem Afrikanderdialekt kann man über Afrika nicht hinaus. Aber wohl gemerkt, der Taal-Dialekt oder Vaal-Dialekt wird nicht die Unterlage aller Schulfächer sein, sondern er darf nur als besonderer Unterricht gelehrt werden, sagen wir in einer Stunde wöchentlich und auch dies nur, wenn die Eltern es wünschen. Wieviel Eltern aber werden dies ausdrücklich wünschen. Wer hieran noch zweifelt, lese den bramarbasierenden Daily Telegraph: ‘Lord Kitchener sass in seinem Lehnstuhl, als die Buren ihm ihre Wünsche unterbreiteten. Punkt 2 hiess “völlige Gleichstellung der englischen und holländischen Sprache”. Kitchener sah die Delegierten gross an. Wieder fuhr sein mächtiger blauer Stift durch das Schriftstück. Mit einem Zug strich er den Punkt aus. Dann zog er die Schelle und befahl, den Zug bereitzustellen, um die Buren nach ScheiterungGa naar eindnoot93a ihrer Mission wieder fortzubringen’; also undiskutabel! Sämtliche Gerichtshöfe werden daher englisch sprechen und englisch urteilen. Sie können den Parteien die ‘Taal’ gestatten, wenn sie es für nötig halten. Sie brauchen und werden es aber fast niemals thun. § 5. Die holländische Sprache (Vaaldialekt) wird in den öffentlichen Schulen Transvaals und der Oranjekolonie gelehrt, wo die Eltern dies wünschen, und ist auch vor den Gerichtshöfen gestattetGa naar eindnoot94, wenn es für eine wirksame Ausübung der Rechtspflege nötig ist. * * * | |
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V. Die Buren werden vollständig entwaffnet. Der Besitz von einfachen Jagdgewehren ist in Transvaal und Oranjekolonie verboten. Es sei denn in den seltenen Fällen, in welchen die britische Regierung an loyale d.h. übergelaufene Buren einen Erlaubnisschein erteilt. Der Besitz von Gewehren ist in Transvaal und der Oranjekolonie den Personen gestattet, die sie zu ihrem Schutz bedürfen, wenn sie einen gesetzmässigen Erlaubnisschein dafür erhalten. VI. Es wird keine SelbstverwaltungGa naar eindnoot95 eintreten, es wird noch nicht einmal eine bürgerliche Verwaltung eintreten, sondern es herrscht der unumschränkteGa naar eindnoot96 Militärgouverneur auf Grund des Kriegsrechtes. Wenn es England beliebt, nach den späteren Umständen, d.h. wenn die englische Bevölkerung die Mehrheit hat und in den Staaten die englische Herrschaft ganz gesichert ist, so kann England eine gewisse VolksvertretungGa naar eindnoot97 einführen, die als eine Art Beirat ohne Beschlussfassung zu denken ist. Ein Uebergang zur Selbstverwaltung zu einem bestimmten Zeitpunkt ist durchaus von England abgelehnt. § 7. Die militärische Verwaltung soll sobald wie möglich durch die Civilverwaltung ersetzt werden, und sobald die Umstände es gestatten, sollen repräsentative Institutionen, die zur Selbstverwaltung führen, eingeführt werden. Sollte aber einmal eine Selbstverwaltung eingeführt werden, so behält sich England vor, jeden Augenblik eine etwaige burische Mehrheit dadurch vollkommen zu vernichten, indem den Negern volles Wahlrecht gegeben werden kann. Die Erteilung des Wahlrechts an Neger soll erst und kann natürlich auch erst erfolgen, wenn die Selbstverwaltung Platz greift. Die Entscheidung darüber aber, ob der Neger Wahlrecht erhalten soll, behält sich die britische Regierung selbst vor. § 8. Die Frage, ob den Eingeborenen das Wahlrecht zu gewährenGa naar eindnoot98 ist, soll erst nach Einführung der Selbstverwaltung entschieden werden. | |
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VII. Nun kommt der eine Paragraph, in dem England ein wenig einlenktGa naar eindnoot98a: Es verspricht, sein Unrecht ein wenig wieder gut zu machen und den Bauern, die an ihren Höfen hängen, die Höfe zurückzugeben und die verbrannte Höfe wieder aufzubauen. Das ist der KöderGa naar eindnoot99, auf den vermutlich die Buren hereinfielen, wenngleich auch die Zahl der Opfer und Entbehrungen, welche sie erduldet haben, unermesslich sind. § 10. Sobald die Verhältnisse es gestatten, wird in jedem Distrikte eine Kommission ernannt werden, in welcher ein Beamter den Vorsitz hat und die Einwohner des Distriktes vertreten sind, um den Leuten bei der Wiedereinsetzung in ihre HeimstättenGa naar eindnoot100 Beistand zu leistenGa naar eindnoot101 und denen, die infolge von Kriegsverlusten ausser stände sind, sich damit zu versehen, Nahrung, Obdach, Saatgut und anderes, was zur Wiederaufnahme normaler Beschäftigung nötig ist, zu liefern. Die englische Regierung wird der Kommission drei Millionen Pfund Sterling (60 Mill. Mk.) zur Verfügung stellen und gestatten, dass alle Noten, die unter dem Gesetz 1 von 1900 in der Südafrikanischen Republik emittiert wurden und alle von Offizieren oder auf ihre Ordre gegebenen Empfangsscheine einer juridischen von der Regierung ernannten Kommission eingehändigt werden, und wenn solche Noten und Empfangsscheine von der Kommission als berechtigt zum ErsatzGa naar eindnoot102 und als für eine wertvolle GegenleistungGa naar eindnoot103 ausgegeben befunden werden, sollen sie als Beweise der Kriegsverluste gelten, welche Personen erlitten haben, denen sich ursprünglich gegeben worden sind. Ausser der oben erwähnten freien Dotation von drei Millionen wird die Regierung bereit sein, Vorschüsse als Darlehen für denselben Zweck zinsenfreiGa naar eindnoot104 auf zwei Jahre zu gewähren, die hernach mit 3 pCt. Zinsen rückzahlbar sein sollen. Kein Ausländer oder Rebell wird berechtigt sein, von dieser Klausel zu profitieren. VIII. Und nun zum Schluss eine ironische Grossmut: England wird den Buren keine Kriegssteuer auferlegen! Diesen Buren, welches man das Vieh getötet, Haus und Ställe verbrannt hat, diesen armen Schluckern, die im Hemd und geplünderten Khakihosen umherlaufen. Selbst der Teufel könnte diesen Leuten keine Steuern mehr herauspressen. Und ihnen die Höfe verkaufen, hiesse den Krieg verewigen. § 9. Eine spezielle SteuerGa naar eindnoot105 zur Zahlung der Kriegskosten soll auf den Grundbesitz in Transvaal und in der Oranjekolonie nicht gelegt werden. | |
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* * * Das ist die Verbriefung eines Unterganges für ein Volk, wie sie härter und schneidender nicht gedacht werden kann. Vae victis lautet die Ueberschrift dieses Friedens. So hat seit Jahrhunderten nicht mehr ein Volk ein anderes geknechtet. Es giebt noch zwei leise Hoffnungen, die man hegenGa naar eindnoot106 kann: Einmal, dass die Goldproduction am Witwatersrand reissendGa naar eindnoot107 schnell nachlässtGa naar eindnoot108 und damit die englische Bevölkerung aus den Burenstaaten wieder herausströmt; das könnte den Zersetzungsprozess der Buren stark aufhalten. Zweitens, dass England in späteren Jahren in einen schweren Kampf mit einer andern Grossmacht gerät, den die Buren benutzen können, um einen vielleicht siegreichen Aufstand zu wagen. Beide Hoffnungen sind schwach. Seit Jahrhunderten haben wir keinen Frieden erlebt, in dem ein Volk in so schamloser Weise seinen Vorteil ausgenutzt hat. Selbst Napoleon I. nahm doch dem besiegten Deutschland immer nur Bruchstücke, selbst die Russen erhielten nur Teile der besiegten Türkei; sie verbrannten nicht alle Höfe im gesamten feindlichen Land; man war ihrer Menschlichkeit doch sicher genug, dass sie nicht im Frieden dem Feinde Schutz des Lebens und des Eigentums versprechen mussten. Diese brutale Zertrampelung und Vernichtung eines Volkes steht in der Geschichte einzig da. Diese Zeit ist die schlimmste, die das Volk der festländischen Germanen seit seiner Wiedergeburt von 1864 erlebt hat. Die Regierungsjahre Wilhelms II. haben die jämmerlichen Tage Maximilians II. und Radolfs II. erneuert. Wie damals infolge schlechter Rüstung und schlechter Diplomatie die Niederlande vom Deutschen Reich verlassen wurden und damit das Reich verliessen, so hat auch das heutige Deutschland seine natürliche AufgabeGa naar eindnoot110, einen uns so sehr nah verwandten niederdeutschen Stamm zu schützen, nicht erfüllt. Und auch für diese Unter- | |
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lassungGa naar eindnoot111 werden wir zu büssen haben, wie für jene wir büssen mussten; auch Afrika ist dem Deutschtum verloren, auch in Afrika wird das Deutschtum nur Völkerdünger sein. Diese Zeit ist so traurig wie jene, von der Körner sang: Die Zeit ist schlimm, die Welt ist arg,
Die Besten weggerafft;
Die Erde wird ein grosser SargGa naar eindnoot112
Der Freiheit und der Kraft.
Allein nach jenen Tagen der Leyer konnte Körner noch einmal froh sein gezogenes Schwert besingen. Wir haben keine Aussicht, dass solche Tage für Südafrika kommen, welches nun wehrlos zu den Füssen eines starken und rücksichtslosen Feindes liegt. Ga naar eindnoot109 |
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