Germania. Jaargang 4
(1901-1902)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdDie Figur des Kindes auf der antiken Bühne
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Lachen erfüllten Komödie viel selbstständiger als ehemals unter dem Druck der Klageweiber und Greise. Der Schelmentypus wagt sich vor. Aristophanes hat von Kindern mit unverkennbarer Freude am Genrebildchen gesprochen und die Kinder auch unb fangen dargestellt, ohne dass er sie immer in satirischer AbsichtGa naar eindnoot9 ihren grau in grau gekleideten Geschwistern bei Sophocles und Euripides gegenüber stellte. Er sah viel offener in das Leben und statt der sonst beim Kind schlechtwegGa naar eindnoot10 vorausgesetzten Zucht und Ehrbarkeit entdeckte er allerlei UngehörigkeitenGa naar eindnoot11. So gehört er wohl unter die ersten, die der Bühne Beiträge zum Capitel der ‘Jugend ohne Tugend’ geliefert haben. Nur ein einziges Mal wird er ernst, als im Chor der ‘Wolken’ die Vertreter des Rechts mit denen des Unrechts über die ErziehungGa naar eindnoot12 der juugen Griechen streitenGa naar eindnoot13, und die Unnatur, KünstlereiGa naar eindnoot14 und Verweichlichung der neuen Zeit dem AnstandGa naar eindnoot15, dem Gehorsam und der Einfachheit der VergangenheitGa naar eindnoot16 gegenübertritt: ‘Das waren die Sitten, durch welche der Marathonkämpfer Geschlecht ausspross aus meiner Erziehung.’ Und wenn dann auch die wackeren Vertreter des Rechts am Schluss besiegtGa naar eindnoot17 abziehen, so sieht man doch deutlich den Dichter auf der richtigen Seite, auf der Partei dieser Unterlegenen stehen. In den ‘Acharnern’ führt Aristophanes verschiedene Mädchen auf. Zuerst die Tochter eines athenischen Landmannes, die bei der Opferfeier für den Dionys im ZugeGa naar eindnoot19 mit einem Körbchen zu gehen und auch einige Worte zu sagen hat. Vom Vater ermahnt: ‘Habe Acht, o Tochter, dass du schön als schönes Kind dein Körbchen trägst,’ wird sie dann mit einer derbenGa naar eindnoot20 Anspielung auf ihre zukünftige weibliche ThätigkeitGa naar eindnoot21 entlassenGa naar eindnoot22, eines Dieners in Begleitung, der singend den Phallos hinter her trägt. Nicht viel feiner werden später die beiden Töchter des Mannes aus Megara behandelt, die lieber nach auswärtsGa naar eindnoot23 | |
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verkauft werden als länger zu Hause hungern wollen. Der wackre Vater thut sie in einen Sack, um sie auf dem Markt gegen KnoblauchGa naar eindnoot24 und Salz als Opferschweinchen für die Mysterien zu vertauschenGa naar eindnoot25. Am zweideutigen Reden wird zwischen Käufer und Verkäufer nichts gespart. Die Kinder schreien auf Befehl auch mehrfach wie Ferkel: ‘kohi, kohi.’ Eine naseweise kleine Jungfer tritt im ‘Frieden’ auf. Ihr Vater will auf einem grossen Käfer in den Olymp fliegen. Das ‘Töchterchen’ macht ihm darüber, in einer freilich wenig kindlich geführten Unterhaltung, ernstafte VorstellungenGa naar eindnoot26: ‘O hättest du lieber angeschirrtGa naar eindnoot27 den Pegasus
So schien'st Du doch den Götter etwas tragischer...
Nur Eins beachte, dass Du nicht im Schwindel
Herunterfällst und hinkend dann dem Euripides
Den Stoff zu Mährchen bietest und zum Trauerspiel.’
Die Kleine weiss also, und das sollte ein komischer ZugGa naar eindnoot28 mehr sein, worauf es nicht nur ihrem leiblichen Vater Trygalos, sondern auch ihrem geistigen Vater Aristophanes, dem Dichter und Gegenspieler der Tragiker, ankam. Zum Schluss hat der selbe leibliche ErzeugerGa naar eindnoot29 noch eine lustige Scene mit zwei Knaben, die bei seinem Gastmahl singen sollen, aber von nichts anderem als von Schlacht und Krieg vortragen können von denen er gerade nichts zu hören wünscht. Auch wenn Aristophanes das Kind erwähnt, handelt es sich meist um Vorgänge, die dem tragischen Gebrauch durchaus fremd sind. Der Wursthändler in den ‘Rittern’ erzählt aus seiner Jugend: ‘Wohl kannn ich noch mit manchen Streich aus meiner Kindheit dienen,
so macht ich oft den Köchen Arg, indem ich ihnen zurief:
‘Schaut doch, ihr Bursche, seht ihr nicht? der Frühling kommt, die Schwalben!’
Sie sah'n sich um, und unterdess stahl ich ein Stück von Fleische...
Und immer that ich's unbemerkt. Wenn's einer auch gewahrte
Schnell barg ich's zwischen die Beine, schwur mich los bei allen Göttern.
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Des wegen rief ein Redner einst, der das mich thun geseh'n:
‘Nicht fehlen kann's, der Junge da wird noch ein grosser Staatsmann.’
Philocleon in den ‘Welpen’ fängt in ähnlicher Lage mit einem Verbrechen an: ‘Das, Wetter, ja, das war die schönste That von mir Als ich die RebenpfähleGa naar eindnoot30 stahl.’ - Und bei einer andern Gelegenheit, wo er selbstzufrieden die Freude, das Ansehen und die Macht seiner richterlichen Person beschreibt, flicht er etwas aus dem griechischen Rechts- und Familienleben ein: ‘Der jammert mir vor, wie dürftigerGa naar eindnoot31 sei, und fügt zu dem wirklichen Elend
Noch neues hinzu, und vergrössert es noch, bis es gross wie das meine geworden....
Und wenn uns das nicht rührte das Herz, dann schleppen sie plötslich die Kinder
An der Hand her, Töchter und Söhne zumal; ich sitzte behaglich und horche
Die ducken sich nieder und blöcken zugleich; dann flehtGa naar eindnoot31a ihr't wegen der Vater,
Als wär' ich ein Gott, mit Zittern mich an, ihn nicht im Gericht zu verdammen.’
Ach, wenn dich des Lämmleins Blöcken erfreut, so erbarm' dich der Stimme des Sohnes!’
Und wieder: ‘Erfreu'n dich Schweinchen, so lass' von des Töchterchens Stimme dich rühren.’
Was aber von allem der höchste Genuss, und was ich zu nennen vergessen:
Ich komme nach Haus, heimbringend den Sold, sogleich umringen mich alle
Und begrüssen mich froh, denn ich bringe, ja Geld, dann wischt vor allen den Staub mir
Mein Töchterchen ab und salbt mir die Füss' und beugt sich über und küsst mich.
Und lispelt: Papa, und angelt zugleich heraus mit der Zunge den Dreyer.
In den ‘Wolken’ erzählt ein alter Bauer von dem ZankGa naar eindnoot32, den er einst mit seiner Ehefrau wegen der Benennung seines jungst geborenen Sohnes hatte. Er gibt diesen mit Berufung auf seine hervorragenden LeistungenGa naar eindnoot33 als Kind, dem Sokrates in die Lehre: | |
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Er war ein kleiner Knabe noch, 4 Spannen kaum,
Da baut er Häuschen, schnitzte Schiffchen schon daheim,
Und machte sich aus Leder hübsche Wägelchen,
Aus Apfelschalen FröscheGa naar eindnoot34.’ (871)
Der erwachsene Sohn macht aber dann dem Vater unerwartete Vorschläge über die Behandlung alter Männer, die natürlich dem zuwiderlaufen, was die Tragiker als Gesetz für den Verkehr mit dem Alter aufgestellt hatten: Und wohl verdienen Alte drum mehr Schläge denn die Jungen,
‘Je minder ihrer Jahre Zahl zu fehlen sie berechtigt.’
Für den Chor sind Knaben bei Aristophanes nur in den ‘Wespen’ verwandtGa naar eindnoot35, wo sie mit Handleuchten den ‘Greisen’ vorangehen. Ihre Aufgabe, die alten Herren vor MisstrittenGa naar eindnoot36 in die umherliegenden Kothaufen zu bewahren, ist wenig erfreulicher Natur. Ein ungehorsamer Junge, der den DochtGa naar eindnoot37 seines Lichtes in falschen Weise putzt, erhält Schläge. Ein anderer aus der mit grossem Hunger begabten Schaar bittet um Feigen, ohne sie zu bekommen; beide drohen dann ihren Dienst einzustellen: So löschen wir die Lampe aus, trollen uns nach Hause
Und musst Du Dich dann ohne Licht hin im Dunkel schleppen.
So rühre gleich dem Haselhuhn, immerhin den Koth auf.’
Aristophanes hat auch verschiedene kräftige Babyscenen. So will in der ‘Lysistrate’ der Athener Kinesias seine Gattin wieder gewinnen, die mit andern Frauen schwor, sich jedes männlichen Umgangs zu enthalten. Er benützt als Lockmittel sein unmündiges Söhnchen, das er der Frau auf dem Arm entgegenhält und ‘Mamma’ rufen lässt. Das lustige Weib von Athen küst aber das Kind und läuft dann wieder weg. Ein Scheinkind endlich kommt in der ‘Thesmophorienfeier’ vor, wo einer Frau ein Kind als Geisel ausgeführt wird, das weiter nichts als ein verkleideter, gefüllter WeinschlauchGa naar eindnoot38 ist, | |
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Möglicherweise hat Aristophanes hier die von den Tragikern, z. B. in Euripides' Iphigenie in Aulis verwendeten Puppen verspotten wollen. Die lateinische, noch von griechischen Stoffen und Vorlagen zehrende Komödie des Plautus und des Terenz räumte dem Kind nur einen sehr kleinen Platz ein. Eine Sitten- und Lebenschilderung im Sinne des Aristophanes lag den Römern fern, und das Interesse, das der Zuschauer den vielen Liebeshändeln der Errachsenen zutrug, durfte nicht noch für Nebenfiguren getheilt werden. So steht im ‘Pseudolus’ des Plautus der Knabe, der sich im Dienste eines Kupplers vorstellt, schon auf sehr entlegenem Posten fast ganz ausserhalb der Handlung. Er klagt ein wenig über schlechte Behandlung und über die Aussicht, Schläge zu erhalten, wenn er seinem Herrn nichts zum Geburtstag zu schenken hat. Schliesslich wird er von seinem Gebieter als Detektiv für den neu eingestellten Koch beordertGa naar eindnoot39 . Mit einem kurzen Monolog tritt der Junge auf, tritt danach auf Nimmerwiedersehen auch sofort wieder ab. Terenz plaudert ein paar Mal aus der WochenstubeGa naar eindnoot40 . Im ‘Mädchen von Andros’ hört man hinter der Scene eine Gebärende zur Göttin um Beistand flehen; das Kind wird dann nachher von dem lustiglistigen Sklaven auf der Bühne ausgesetztGa naar eindnoot41. Die AmmeGa naar eindnoot42, der wir schon begegneten und die auch sonst in den lateinischen Komödien zu Gaste ist, wird hier den Umständen gemäss zur HebammeGa naar eindnoot43 befördert, Auch bei der ‘Schwiegermutter’ findet eine NiederkunftGa naar eindnoot44 im Stücke statt, und in den ‘Brüdern’ wird der Bühne mit den Worten: ‘Ein Bube ist da, gesegne ihm Gott’ die glückliche Geburt eines Knaben mitgeteilt. Bei beidern Dichtern wird oft nachträglichGa naar eindnoot45 noch die Kindheits geschichte der Helden oder der leichtfertigen Heldinnen erzählt, die schon in ihren ersten Lebensjahren durch Verwechs- | |
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lung, Unterschub oder Aussetzung, durch Verkauf oder Raub meist die Grundlage für die spätern komischen Verwicklungen legen müssen. Aber dabei wird nur die Thatsache klipp und klar berichtet und der Zustand der hilflos preisgegebenen oder verrathenen Wesen keineswegs theilnahmvoll geschildert. Denn die GegenwartGa naar eindnoot46, die in diesen Komödien allein Recht hat, kann von der Vergangenheit nur so viel brauchen, als eben zu ihrem Verständniss nöthig ist. - Der Inhalt eines Kistchens mit Kinderspielzeug, das als Erkennungszeichen im ‘Schiffbruch’ des Plautus dient, breitet sich vor uns aus: Erst ein kleines goldenes Schwert mit Lettern,
Dann von Silber eine Sichel, zwei verschlungene Händchen dann,
Und ein Schweinchen...
Auch ein Goldherz, das der Vater zum Geburtstag mir bescheertGa naar eindnoot47.’
In den ‘Gefangenen’ überweist man dem gefesseltenGa naar eindnoot48 Tyndarus eine SteinaxtGa naar eindnoot49 zur Arbeit ironisch ‘Wie man Kindern von Geburt
Kleine Dolche, Enten, Wachteln um damit zu spielen gibt.’
In der ‘Aulularia’ des Plautus findet sich ein Bild aus dem Knabenleben: ‘Eine Binsenmatte schnüren wir den Knaben um den Leib,
Wo sie schwimmen lernen sollen, dass sie minder der Gefahr
Blos gestellt sind, dass sie leichter schwimmen und die Hände drehn.
Eine solche Matte sei der Sklave dem verliebten Herrn,
Die getreu ihn oben halte, dass er nicht zu Boden sinkt.’
Terenz dagegen bringt in den ‘Brüdern’ aus einer verkehrten Junggesellenpädagogik etwas auf die Tagesordnung, wenn dort ein alter unverheirathterer Onkel seinen adoptirten Neffen nach dem GrundsatzGa naar eindnoot50 leitet: ‘Durch Ehrgefühl und Milde, glaub' ich, kann man die Kinder besser ziehen als mit Furcht.’ Und Frauen und Knaben werden bei ihm in den Versen der | |
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‘Schwiegermutter’ von einem weisen Sclaven unter ein und dasselbe Joch gespannt: ‘In welchen Zorn
Gerathen Knaben nicht um Kleinigkeiten?
Warum? Weil ja der Geist, der sie regiert,
Noch schwach ist. Ebenso sind jene Frauen,
Gerad' wie Kinder, von geringem Urtheil.’
Während das Kind von den römischen Comödien-Dichtern harmloserGa naar eindnoot51 behandelt und meistens nur auf seiner untersten Entwicklungsstufe vorgeführt wurde, sind umgekehrt von den römischen Tragikern die Accente verschärft und viel peinlicher als wie z.B. bei Euripides gerade von Seneca die seelischen Leiden der Kleinen geschildert worden. So bleibt das Kind auf der römischen Bühne in beiden Fällen hinter seinem griechischen Vorgängern zurück. Es wurde in Rom auf ein Procrustesbett gelegt und das eine Mal zusammengedrückt, um das andere Mal qualvoll verzerrt und ausgestreckt zu werden. Furchtbar ist der ‘Thyestes’ des Seneca. Man erfährt von den Gräuel-Geschichten des Hauses der Tantaliden erst allerlei durch den Chor. Einst hatte der Stammvater seinen Sohn Pelops zu sich kommen lassen: ‘Noch ein Knablein zart, läuft zum Tantal und heischt zärtlichen Vaterkuss.’ um ihm dann geschlachtet den Göttern als Speise vorzusetzen. Einer der Nachkommen, Thyestes, stiftete nun den Sohn seines Bruders Atreus zum Morde desselben an; aber der Anschlag misslangGa naar eindnoot52 und Atreus tötete dafür die drei Kinder des Thyestes, die dieser - eine Szene des Dramas! - zur Versöhnung und als PfänderGa naar eindnoot53 seiner neuen Treue auf der Burg des Bruders zurückgelassen hatte. Seneca breitet diese Schändlichkeiten in folgenderweise aus: Zuerst schildert ein Bote mit peinlicher Genauigkeit den Ort und die Ausführung des Verbrechens, wie Atreus die Neffen einen nach dem andern zer- | |
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fleischtGa naar eindnoot54 und dem eigenen Vater zum Mahle vorgesetzt hatte, dann wird der mündliche Bericht von dem Bühnenbild abgelöst und ergänzt: Thyestes verlangt, gesättigtGa naar eindnoot55 vom Mahle in froher Laune, wie sie von einem guten Essen hervorzurufen wird nach Unterhaltung: ‘Gib mir meine Kinder’; und man schleppt eine Schlüssel herein, in der die Häupter, Hände und Füsse der Söhne liegen. Was zu Anfang der Bote bereits erzählt hatte, das wird jetzt - einer sehr anfechtbarenGa naar eindnoot56 Bühnentechnik zulieb - in aller Kürze von Atreus noch einmal vorgetragen, der sich an der Verzweiflung des armen Bruders weiden will. Unter den Flüchen des Thyestes schliess die Tragödie. Die Wiederholung brachte nichts Neues hinzu, Bericht und Vorgang ergänzen sich nicht, sondern schreiben einander ab: eine Trägheit in der Führung der Handlung, die bei einem solchen Stoff gar nicht zu verzeihenGa naar eindnoot57 und auf die Rechnung eines durchaus ungesunden Geschmakes zu setzen ist. Viel Kunstloser als Euripides verfährt Seneca auch in der Medea mit den Kinderrollen. Er stellt die Söhne nicht gleich zu Anfang, sondern erst in der Mitte der Handlung vor, als sie die Geschenke für Kreusa in Empfang nehmen. Bezeichnend für ein an die Aufregungen der Gladiatoren-Kämpfe gewohntes Volk, werden dann die Kinder beide, eins nach dem andern, auf offener Bühne getötet, wobei die Prozedur einmal sogar noch in unerträglicher Weise unterbrochen und hinausgezögert wird. Denn nach der Tötung des ältern Knaben lässt sich Medea durch irgend einen LärmGa naar eindnoot58 davon abhalten, ihm den zweiten gleich nachzuschicken. Sie führt ihn auf da- Dach des Palastes und schleudert nun von dort die Leiche dem unglücklichen Vater zu, der unten steht. Horaz konnte solche ScheusslichkeitenGa naar eindnoot59 freilich nicht mehr verhindern, sondern nur zukünftige Dichter warnen: ‘Ne coram populo pueros Medea trucidet.’
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Auch in den ‘Troerinnen’ ist Seneca dem Euripides in der Behandlung der Kinder unterlegenGa naar eindnoot60. Wieder verdoppelt er die Schmerzensscenen: Andromache verbirgt ihr Kind, als sie den Odysseus kommen sieht, im Grab des Hector, wo es der schlaue Grieche bald entdeckt. Der Kleine, der also schon mit allen Symbolen des Todes umgeben war, wird nun zur HinrichtungGa naar eindnoot61 fortgeschleppt. Die Mutter hat demnach zweimal von ihrem Kinde Lebewohl zu nehmen: zuerst, wenn sie es nur versteckt hat, und später in der vollen Leidenschaft des Schmerzes, wenn es ihr endgültigGa naar eindnoot62 geraubt wird. Ein Bote erzählt die letzten Augenblicke des Kleinen: Und wie er auf des Thurmes Zinne steht,
Blickt männlich er um sich her...
Er, um den alle weinen,
Er weinet nicht... und springt
Von freien Stücken von dem Thurm herab
Zur Erd, die seinen Vätern einst gehorchte.’
So wurde das Kind auf der antiken Bühne entschieden einseitig aufgefasst und in all seinem Thun und Treiben fast nur die ihm von Natur eigene Hilflosigkeit veranschaulicht. Das Kind unterliegt bei den Tragikern; in den meisten Fällen dem feindlichen Schicksal, so dass ihm nur der Tod, die Flucht oder ein Grabgesang übrigbleiben; und die wenigen freundlicheren Stellen der Komödie vermögen den dunklen Grundton in der Charakteristik des Kindes auf der antiken Bühne kaum zu verändern.Ga naar eindnoot18 |
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