Germania. Jaargang 3
(1900-1901)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Wachsen und Wandern des deutschen VolkesGa naar voetnoot*)Das deutsche Volk wird mit zwingender Notwendigkeit auf die Hochstrassen des Weltverkehrs getrieben durch sein starkes Wachstum, seinen Volksüberschuss, (overbevolking) der, zumal bei gleichzeitiger Steigerung der Kulturbedürfnisse (behoeften), aus den Erträgnissen (opbrengst) des eigenen Bodens keine ausreichende (voldoende) Deckung der Lebensbedürfnisse und notwendigen Wirtschaftsgüter ziehen (trekken) kann. Das Wachstum des Volkes hat entweder (ofwel) zur Folge, dass der Volksüberschuss sich auf die Wanderung (uitwijkt) in neue Länder begiebt, oder dass er auf fremden Ländern einen Teil der für seinen Unterhalt erforderlichen (vereischte) Produkte bezieht (trekt). Wenn die vollständigen (volledige) Ergebnisse (opgaven) der Volkszählung vom 1. Dezember 1900 vorliegen werden, so wird sich eine Gesamtbevölkerung des Deutschen Reiches von rund 56 Millionen ergeben. Gegenüber der ersten einheitligen (gezamenlijke) Volkzählung im Deutschen Reich, die im Jahre 1871 stattgefunden hat (geschiedde), bedeutet das eine Zunahme um rund 15 Millionen, das ist um nahezu zwei Fünftel (twee vijfde) des alten Bestandes (getal) in weniger als drei Jahrzehnten (30 jaar). Die jährliche Volksvermehrung in Deutschland, zur Zeit der Gründung des Reiches um zwei- bis drei-, dann um fünf gegenwärtig aber um sieben-, ja achtmalhunderttausend Köpfe jähr- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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lich ist ausschlaggebend (geeft den doorslag) für die deutsche Politik im Innern (binnenland) und nach aussen (naar buiten). Dieser Kraftzuwachs (ontwikkeling) trieb mit gebieterischer Notwendigkeit zu einer stärkeren Kraftentfaltung (ontplooiing) nach aussen und ermöglichte allein die blühende wirtschaftliche (economische). Entwickelung im Innern. Ohne diese starke Volksvermehrung hätte es keine deutsche Kolonial- und Weltpolitik, keinen so bedeutenden Aufschwung (ontwikkeling) der Industrie, keine so geachtete Stellung der deutschen Production auf dem Weltmarkt gegeben. Anderseits aber auch wieder ohne Kolonial- und Weltpolitik, ohne Aufschwung der Industrie, ohne fortschreitende Eroberungen auf dem Weltmarkt keine Fortdauer (aanhouden) der starken Volksvermehrung, hätte die gewaltig vorwärtsstrebende Kraft sich nicht frei entfalten können, so wäre sie verkümmert (vergaan); die Volksvermehrung wäre zurückgegangen, die Production nicht minder, der innere Markt hätte arge Einschränkungen (beperkingen) erlitten, von dem Deutschen Anteil am Weltmarkt und von der Sicherung der politischen Weltstellung ganz zu schweigen. Die letzte Volkszählung erinnert aufs neue an diesen Zusammenhang; mit der Wucht (gewicht) ihrer Millionenziffern wird sie eine laute Mahnung bilden (vormen), an die Fundamente der deutschen Volksentwickelung, an die Grundbedingungen (voorwaarden) und die notwendigen Folgen des grossen Kraftzuwachses zu denken. Weil das deutsche Volk sich heute umjährlich achtmalhunderttausend Köpfe vermehrt, braucht es für diese überschüssigen Kräfte Raum (ruimte) und Unterhalt. Es musste sich nach aussen erweitern und musste im Innern seine wirtschaftliche Thätigkeit (werkzaamheid) vermehren. Hätten wir uns auf den früher vorhandenen Raum beschränkt (bepaald), so hätten wir | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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den ganz überwiegenden Teil der Volksvermehrung an das Ausland verloren, und der Rest wäre arbeitslos gewesen. Die Volksvermehrung hätte bald ein Ende gefunden, unsere Arbeitskraft und unsere Wehrkraft, die Ausbreitung deutscher Sprache, deutschen Geistes, deutscher Schaffenskraft (voortbrengst) über die Erde hätten sich nicht weiter entwickeln können. Die Volksvermehrung wäre in den Fluch der Uebervölkerung, der arbeitslosen und verelendenden (verarmende), umgeschlagen. Das aber soll nicht eintreten. Das starke Wachstum des deutschen Volkes soll ihm zum Segen, nicht zum Fluch gereichen (zijn). Und deshalb müssen wir fortfahren, diesem Wachstum Raum, Luft und Licht zu schaffen. Als Weltmacht und auf dem Weltmarkt müssen wir unsere Stellung (plaats) behaupten (behouden) und befestigen, damit die neuen Hände Raum und Gelegenheit zur Bethätigung finden. Die deutsche Weltpolitik und Wirtschaftspolitik ist bedingt (beheerscht) durch die Volksvermehrung; sie ist nur möglich bei anhaltendem Volkszuwachs, da nur (omdat alleen) dann die Arbeitsfähigkeit (kracht) Ausdehnungsfähigkeit (uitzettingskracht) und Wehrfähigkeit dauernd wachsen kann - aber sie ihrerseits ermöglicht auch wieder erst die weitere Volksvermehrung, die nachlassen würde, wenn keine günstige Unterkunft (onderkomen) und Arbeitsgelegenheit für die neuen Kräfte vorhanden wäre. Durch das Wachstum des deutschen Volkes wird der Einfluss des deutschen Geistes, der deutschen Wirtschaft (handel en nijverheid) und des Deutschen Reiches auf der ganzen Erde gestärkt und gesichert; darum ist seine Fortdauer eine Frage der nationalen Zukunft. Um sie zu gewährleisten (mogelijk te maken) und zugleich entsprechend auszunutzen (voldoende te benuttigen), muss Deutschland fortfahren, eine Weltpolitik und eine die nationale Arbeit fördernde Wirtschaftspolitik zu treiben, die unsern überschüssigen (overtollige) Men- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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schenkräften Raum und ihrer Arbeit einen sichern Markt bietet und ihre weitere gesunde Vermehrung nicht beeinträchtigt (benadeeligt). Das Wachstum war nur möglich Hand in Hand mit einer aufsteigenden wirtschaftlichen Entwickelung. Nur wenn die wesentlich vermehrte Zahl der arbeitenden Hände Beschäftigung (bezigheid) fand, konnte die Volksvermehrung in diesem Masse fortdauern. Das Volkswachstum drängte zu intensiverer Beteiligung (deelnemen) des Landes an der Gütererzeugung (voortbrengst) und dem Güterabsatz (plaatsing) auf dem Weltmarkt; das Volkswachstum machte es notwendig, dass Deutschland in immer engere Beziehungen (betrekkingen) zu dem grossen Weltwirtschaftsverkehr trat; die steigenden Bedürfnisse der zunehmenden Volkszahl konnten nur befriedigt werden, wenn Deutschland seine Zufuhr an Rohstoffen (grondstoffen) aus überseeischen Ländern vermehrte, und der ganze Volksüberschuss konnte eine dauernde und lohnende Beschäftigung nur finden, wenn gleichzeitig auch in immer höherem Masse der deutschen Production der Absatz (afvoer) auf dem Weltmarkt erschlossen (geopend) wurde. Das Wachstum des deutschen Volkes erzwang eine Ausdehnungspolitik (uitzettings-) und eine stärkere Beteiligung am Welthandel, und diese wieder konnte nicht aufrecht erhalten werden, wenn nicht auch die Volksvermehrung in gleichem Schritt fortdauerte. Nicht immer und nicht in vollem Masse konnte die steigende Volkszahl auf dem eigenen Boden ein gutes Unterkommen finden, und mit dem Volkswachstum zugleich vermehrte sich die Volkswanderung eigenen Lande und über seine Grenzen hinaus. Die Volkswanderung beschränkt sich nun keineswegs auf Deutschland; sie bildet ein wichtiges Stück der Geschichte des 19. Jahrhunderts, das man geradezu ein Jahrhundert der | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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überseeischen Völkerwanderung nennen könnte. Ein gewaltiger Menschenstrom, eine Völkerwanderung, die alle früheren Bewegungen dieser Art weit hinter sich zurücklässt, hat sich in dem abgelaufenen 19. Jahrhundert über das grosse Weltmeer ergossen. Langsam ist der Strom angeschwollen, dann zu mächtiger, unvergleichlicher Ausdehnung (uitbreiding) angewachsen, und schliesslich hat er begonnen, sich wieder zu verlaufen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das 19. Jahrhundert durch seine Völkerwanderungen bis auf weiteres einzig dastehen wird in der Weltgeschichte; freilich, der Verkehr von Erdteil zu Erdteil, der Verkehr über die Weltmeere wird weiterhin steigen, aber die Wanderung grosser Volksmassen von einem Erdteil nach dem anderen zum Zwecke dauernder Niederlassung (nederzetting) und Existenzgründung wird aller Voraussicht nach kaum so bald wieder die Höhe des in den abgelaufenen Jahrzehnten (tienjaartallen) erreichten Maximums erklimmen. Der Personenverkehr über das grosse Weltmeer wird in steigendem Masse aus einem Uebersiedeln (verhuizen) der Zwischendeckpassagiere zu einer Retourbilletreise der Kajütenpassagiere! Die Zahl der Auswanderer, die im laufe des 19. Jahrhunderts Europa verlassen und die Reise über das Weltmeer angetreten (gemaakt) haben, muss man auf rund 30 Millionen schätzen. Das entspricht (beantwoordt) also ungefähr der gesamten Einwohnerschaft des Königreichs Preussen. Man braucht diese Zahl nur zu nennen, um sofort zu verstehen, dass eine Völkerwanderung von ähnlichem (zulken) Umfang in der Weltgeschichte noch niemals (nooit) dagewesen ist und dass das abgelaufene 19. Jahrhundert in der That mit mehr Recht als ein früheres den Namen eines Völkerwanderungs - Jahrhunderts beanspruchen kann (aanspraak maken). 30 Millionen ausgewanderte Europäer! Die Zahl wird manchem Leser auf den ersten Blick vielleicht phantastisch erschei- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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nen. Allein man bedenke, dass das nur einen Jahresdurchschnitt (gemiddeld) von 300,000 ergiebt, während doch um die achtziger Jahre allein in sechs Jahren gegen 1 200,000 Personen, also im Jahresdurchschnitt 200,000, aus Italien nach Amerika gewandert sind; dass die deutsche Auswanderung im Jahre 1881 die Zahl von 221,000 Personen erreichte; dass im Jahre 1891 deutsche Schiffe über 289,000 deutsche und fremde Auswanderer beförderten; und endlich, dass im Jahre 1882 in den Vereinigten Staaten von Nordamerika gegen 800,000 Personen einwanderten. Wer sich diese Zahlen vergegenwärtigt (voorstelt), wird trotz der Thatsache, dass die Auswanderung bis gegen die Mitte des Jahrhunderts (eeuw) ungleich (aanzienlijk) geringer war, die obige (bovenstaande) Schätzung sicherlich nicht für zu hoch halten. Die Angaben aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind spärlich (schaarsch) und unzuverlässig (onzeker), namentlich sind wir für die Zeit bis 1820 ganz auf Schätzungen (ramingen) angewiesen. Von 1820-1882 beziffert Mulhall die europäische Auswanderung auf 17 bis 18 Millionen, für 1882-1893 Beukemann auf 9-10 Millionen. Für die Zeit vor 1820 haben wir einen Anhalt (steunpunt) in der Thatsache, dass von 1798-1820 rund 1/4 Million Menschen in die Vereinigten Staaten einwanderten; von 1893 bis zur Jahrhundertwende (einde der eeuw) werden wir etwa 3 Millionen rechnen müssen, so dass sich für das ganze Jahrhundert die Gesamtzahl von rund 30 millionen ergiebt. Betrachten (beschouwen) wir nun den deutschen Anteil an dieser grossen Auswanderung. Aus Preussen war die Auswanderung bis zu den 1840 er Jahren wenig bedeutend. Noch 1842 wurde übrigens die Bestimmung des Allgemeinen Landrechts in Erinnerung gebracht, dass es zur Auswanderung einer behörd- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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lichen (toelating der overheid) Genehmigung bedarf (noodig was); hinzugefügt wurde damals aber die Bestimmung (bepaling) dass diese Genehmigung grundsätzlich (in beginsel) nur dann zu verweigern sei, wenn es sich um wehrpflichtige Männer handelte. Einige Jahre darauf wurden die Agenten, die die Bevölkerung zur Auswanderung verleiteten, verfolgt, doch trat alsbald im Jahre 1849 volle Auswanderungsfreiheit ein. Eine neue Beschränkung (beperking) erfolgte, als im folgenden Jahre durch das viel genannte v.d. Heydtsche Reskript den Auswanderungs-unternehmern für Brasilien die Konzession entzogen (ontnomen) wurde. Obwohl schon (hoewel reeds) in jenen Tagen die Schaffung (instelling) eines besonderen Auswanderungsamtes ins Auge gefasst (overlegd) wurde, widmete (schonk) die Regierung in den folgenden Jahrzehnten der Auswanderung nur eine äusserst geringe Aufmerksamkeit (aandacht). Der durch die zunehmende Auswanderung veranlasste (veroorzaakt) Arbeitermangel (werkgebrek) in den östlichen Provinzen führte zwar im Jahre 1873 zu lebhaften Erörterungen im Abgeordnetenhause (levendige besprekingen in den Rijksdag) nach denen dann das Agentenwesen geprüft (onderzocht) und die Ausweisung (uitdrijving) ausländischer Auswanderungsagenten verfügt (beslist) wurde; das damals geplante Reichsauswanderungsgesetz (uitwijkingswet) aber liess ein volles Vierteljahrhundert (kwarteeuw) auf sich warten. Die Gesamtzahl der Auswanderer aus Deutschland betrug zu Anfang der 40er Jahre durchschnittlich 50,000 jährlich; 1846 stieg sie auf 106.600, im Jahre 1852 auf 162,300. Fortan blieb sie sehr starken Schwankungen (wisselingen) unterworfen. Von 1844 bis 1854 betrug sie insgesamt gegen 1 1/4 Millionen; dann sank sie beispielsweise (b.v.) auf 40,000 im Jahre 1859, stieg 1872 auf 134,000, sank 1877 wieder auf 24,000, stieg 1881 auf die überhaupt erreichte Höchstzahl von 220,000 und schwankte | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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(wisselde af) auch ferner in ähnlichem (gelijke mate) Massstabe, bis das letzte Jahrzehnt einen ziemlich gleichmässigen Rückgang (geregelde vermindering) brachte. Wohl zu unterscheiden ist zwischen den ‘deutschen’ Auswanderern und den über deutsche Häfen Ausgewanderten; einerseits wählt nämlich ein grosser Theil der Reichsdeutschen Auswanderer den Weg über holländische, belgische, auch französische Häfen, während die aus deutschen Häfen auslaufenden Auswandererschiffe (uitwijkingsschepen) neben der deutschen Auswanderung auch wesentliche Teile der österreichischen und namentlich der sehr zahlreichen russischen Auswanderer befördern (vervoeren). Das Verhältnis (verhouding) ist derart (van zulken aard) dass seit 1886 regelmässig die Zahl der fremden Auswanderer über deutsche Häfen grösser war als die der deutschen. Die nachstehende, aus der amtlichen Statistik zusammengestellte Tabelle berücksichtigt (omvat) beide Gruppen, sowohl die über deutsche und fremde Häfen ausgewanderten Deutschen wie die über deutsche Häfen ausgewanderten Deutschen und Fremden während der letzten 20 Jahre.
In den Jahren 1899/1900 ist die Zahl der deutschen Auswanderer wieder auf 23-24.000 gestiegen. Die Uebersicht zeigt nicht nur (alleen) welche Höhe (hoogte) die deutsche Auswande- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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rung zu Anfang der 80 er Jahre erreicht hat, sondern auch, wie umfangreich die Beförderung (vervoer) fremder Auswanderer durch deutsche Schiffe ist, so dass trotz der beständig und stark gesunkenen deutschen Auswanderung auch heute die deutschen Reedereien einen sehr umfangreichen Auswandererverkehr zu verzeichnen (aan te wijzen) haben. Die Zahl der über deutsche Häfen auswandernden Ausländer war 1890 auf annähernd (dichtbij) 200,000 gestiegen, und während deutsche Schiffe im Jahre 1898 nur 17,000 Deutsche über das Weltmeer beförderten, führten sie 84,000 Fremde hinüber. Bis auf einen geringen Bruchteil entfällt dieser Auswandererverkehr auf die beiden grössten deutschen Schiffahrtsgesellschaften, den Norddeutschen Lloyd und die Hamburg-Amerika-Linie, welch' letztere heute überhaupt die grösste Reederei der Welt ist, während der Norddeutsche Lloyd in Bezug (in opzicht) auf den Personenverkehr alle anderen Reedereien der Welt weit übertrifft. Es ist interessant, den Anteil der grössten europäischen Reedereien an der Einwanderung nach New-York zu vergleichen, da einmal der Verkehr nach New-York den Hauptanteil der gesamten europäischen Auswanderung bildet, und andrerseits die Ueberlegenheit (meerderheid) der beiden grössten deutschen Reedereien auch hier deutlich zum Ausdruck kommt. Es wurden an Passagieren nach New-York befördert:
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Im Jahre 1900, in dem der Verkehr durch die Pariser Weltausstellung stark beeinflusst war, beförderten ferner:
Mit Einschluss der kleineren Linien wurden im Jahre 1900 insgesamt 137,852 Kajüt- und 403,491 Zwischendeckpassagiere auf 838 Fahrten von Europa nach New-York befördert (vervoerd). An der Vermittlung dieses Verkehrs waren die beiden grössten deutschen Linien mit 260 Fahrten, über 50,000 Kajüt- und gegen 165,000 Zwischendeckpassagieren beteiligt. Keine fremde Linie erreichte auch nur annähernd (bijkomend) die Hälfte der Ziffern, die der Norddeutsche Lloyd aufzuweisen hat. Auf der ersten Hochstrasse des Personenverkehrs über das Weltmeer nimmt die deutsche Flagge also den führenden Platz ein.
Es mag sich hier gleich eine Uebersicht an die Einwanderung in die Vereinigten Staaten während des 19. Jahrhunderts anschliessen, nach der alsdann noch die Richtung der deutschen und der gesamten europäischen Auswanderung, die Verteilung der europäischen Auswanderer auf die einzelnen Erdteile und insbesondere auf Nord- und Südamerika zu betrachten sein wird (nategaan).
Seit der Gründung der Vereinigten Staaten bis zur Gegenwart (tot heden) beträgt die Einwanderung in dieses Land rund 20 Millionen Köpfe. Wenn wir jedes fünfte Jahr seit 1820 her- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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ausgreifen (uitkiezen), so sehen wir folgendes Bild:
Also bis zur Mitte des Jahrhunderts (eeuw) ein rapides Anschwellen der Einwanderung, später (later) erhebliche (geweldige) Schwankungen um die im Jahre 1850 gewonnene Höhe herum; im Jahre 1898 betrug die Einwanderung 229,299 Köpfe; der Höhepunkt war 1882 mit 788,992 Einwanderern erreicht. Selbst diese Zahl ist schliesslich unter den gegenwärtigen Verhältnissen (huidige toestanden) nicht einmal so enorm - entspricht (beantwoordt) sie doch kaum (nauwelijks) der jährlichen Volksvermehrung, die Deutschland heute auf natürlichem Wege aufzuweisen hat. Immerhin ist eine Vermehrung der Bevölkerung um fast 800.000 überwiegend im besten Lebensalter stehender Menschen durch Einwanderung neben der natürlichen Vermehrung eine ausserordentliche (buitengewone) und einzigartige (eenig in haar soort) Erscheinung von grösster Bedeutung. Von grosser Wichtigkeit ist die Beteiligung der verschiedenen Nationen an dieser Einwanderung. An der Spitze standen in den Jahren 1851-1860 die Deutschen mit 951,667, ihnen folgten unmittelbar die Iren mit 914,119. In den Jahren 1881 bis 1891 zeigte sich folgendes Verhältnis unter den nach den Vereinigten Staaten Eingewanderten. Es stammten aus:
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Unter den 62,6 Millionen Einwohnern, die die Vereinigten Staaten im Jahre 1890 zählten, standen neben den im Lande selbst Geborenen die Deutschen mit 2,8 Millionen an der Spitze, es folgten die Irländer mit 1,9 Millionen, die Engländer mit 900,000 und die Schweden mit 480.000. Zu der Einwanderung in die Vereinigten Staaten stellen die Deutschen auch im letzten Jahre ein viel geringeres Kontingent als früher. Ihre Zahl blieb im Jahre 1900 unter 30,000, während aus Italien 84,000 Personen zuwanderten, ferner galizische Juden in Zahl von 61,000, polnische Juden 47,000, sodann 36,000 Irländer und 32,000 Skandinavier. Im Jahre 1895 stellten Deutsche, Engländer und Franzosen zusammen mit den Skandinaviern noch mehr als die Hälfte der gesamten Einwanderung, 1898 aber nur noch ein Drittel und 1900 nur ein Viertel. Die früher an der Spitze stehende Einwanderung aus den besseren Kreisen (kringen) der höchst entwickelten deutschen Kulturländer ist vollständig zurückgegangen (opgehouden) und die Einwanderung besteht heute fast allein noch aus Personen der unteren und untersten Schichten (klassen). Zu bemerken ist übrigens, dass im Jahre 1900 mehr als 18,000 Asiaten in die Vereinigten Staaten einwanderten. An der gesamten Auswanderung aus Europa sind die vereinigten britischen Königreiche bei weitem am stärksten beteiligt; es liegt das einerseits daran, dass England die erste Kolonialmacht der Welt ist und seinen Bürgern in allen Erdteilen eine gute Stätte (plaats) bereitet hat, sodann aber auch an den elenden Zuständen in Irland, die dauernd eine unverhältnismässig | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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(buiten verhouding) grosse Auswanderung hervorgerufen (veroorzaakt) haben. In gemessenem (afgemeten) Abstande folgt die deutsche Auswanderung; in den letzten 20 Jahren ist ihr die früher unbedeutende italienische Auswanderung an die Seite getreten, die jetzt sogar weit über die deutsche hinausgeht (overtreft); hier bilden, ebenso wie in Irland, die ungesunden nationalen, wirtschaftlichen und speziell agrarischen Verhältnisse (toestanden) die Ursache der unverhältnismässig grossen Flucht aus dem Mutterlande. Zur Illustrierung der Verhältnisse mögen folgende, nur auf die - das Hauptkontingent der italienischen Auswanderer stellenden - Landarbeiter bezüglichen (betreffende) Zahlen der italienischen Statistik dienen. Im Jahre 1888 wanderten aus: 147,193; 1889: 107,118; 1890: 90,720; 1891: 122,156; 1892: 88,814; 1893: 95,897; 1894: 83,301; 1895: 122,414; 1896: 129,059; 1897: 112,441. Die übrigen europäischen Staaten haben nur einen geringen Prozentsatz der Gesamtauswanderung gestellt (opgeleverd); während des ganzen 19. Jahrhunderts gingen über See - abgesehen van Russland, für das genauere (juiste) Angaben (opgaven) sehr schwer zu machen sind - etwa 1 1/2 Millionen Personen aus Skandinavien und etwas über 2 Millionen aus Spanien und Portugal, hingegen nur 1/2 Million Franzosen - was übrigens angesichts der geringen französischen Volksvermehrung sehr erklärlich ist. In der Hauptsache richtete sich während des ganzen Jahrhunderts der Auswandererstrom, und insbesondere auch der deutsche, von Europa nach Amerika. Nur ein geringer Bruchteil entfällt auf die übrigen Erdteile. Bemerkenswert ist dabei aber die ganz verschiedene Verteilung auf Nord- und Südamerika, und zwar gingen sowohl die germanischen wie die slavischen Europamüden überwiegend nach Nordamerika, die romanischen dagegen nach Südamerika. In Brasilien überwog frei- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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lich bis zu dem schon erwähnten (voormelden) v.d. Heydt'schen Auswanderungsverbote die deutsche Einwanderung; so betrug von 1816-1860 die Zahl der nach Brasilien Wandernden überhaupt nur 67,000, von denen 37,000 deutsch waren; von 1861-1894 dagegen gingen nur 51,000 Deutsche und 24,000 Oesterreicher gegenüber 800,000 Romanen nach Brasilien. In derselben Zeit verzeichnete (bekwam) Argentinien gegen 2 Millionen Einwanderer, von denen ein Drittel auf Deutsche, Schweizer und Oesterreicher, zwei Drittel auf Romanen entfielen. Die Verteilung des germanisch-slavischen Auswandererstromes einerseits und des romanischen andererseits auf Nord- und Südamerika in der neueren Zeit, von 1891-1896, veranschaulicht (verduidelijkt) folgende, nach Nautikus' trefflichem ‘Jahrbuch für deutsche See-interessen’ zusammengestellte Tabelle; es gingen nach
Somit betrug die Einwanderung in Nordamerika aus überwiegend germanischen Auswanderungsgebieten in dieser Zeit über 1 1/4 Million, aus deutsch-slavisch-magyarischen Ländern gegen 700,000; zusammen also gegen 2 Millionen, und die Auswanderung aus diesen Ländern zusammen nach Südamerika noch | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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nicht 100,000; hingegen wanderten aus romanischen Ländern nach Südamerika gleichzeitig gegen 1,2 Millionen, nach Nordamerika aber nur weniger als 400,000. Diese Zahlen sind für die spätere Gestaltung (ontwikkeling) der politischen Verhältnisse (toestanden) in ‘All-Amerika’ von erheblicher Bedeutung (aanzienlijke). Bis gegen die Mitte des 19. Jahrhunderts war, wie die oben mitgeteilten Tabelle ergiebt, die europäische Einwanderung in die Vereinigten Staaten gering; sie belief sich nur auf wenige Tausende im Jahre und erreichte erst 1842 die Zahl 100,000, um - teils infolge der kalifornischen Goldfunde, teils infolge der unsteten (onvaste) Verhältnisse in Europa - 1850 bereits auf weit über 300,000 zu steigen. Nach einem neuen erheblichen Sinken zu Anfang der 60er Jahre wurde in den 70ern die Zahl von 400,000 bis 500,000 jährlich erreicht. Während (ter wijl) die Einwanderung bis 1875 ganz frei war, begann in diesem Jahre die Gesetzgebung (wetgeving) sich dieser Frage zuzuwenden und 1885 wurde der Einwanderung bereits ein kräftiger Riegel (grendel) vorgeschoben. Wesentlich wurden die die Einwanderung erschwerenden (bemoeilijkende) Bestimmungen im Jahre 1893, und in neuester Zeit sind die Bestrebungen in dieser Richtung immer weiter gegangen, ohne dass ihnen jedoch die Gesetzgebung bisher gefolgt wäre. Weiteren Beschränkungen (beperkingen) müssen die europäischen Auswandererländer aber jedenfalls entgegensehen (tegemoetzien). Es ist ja nur selbstverständlich, dass die Vereinigten Staaten, wenn das Land knapper, das ganze Staatswesen geregelter, die Bevölkerung dichter, das politische Sondergefühl (eigengevoel) reger (levendiger) wird, der minderwertigen Einwanderung einen Damm entgegenzustellen bemüht sind (trachten). Aus den Ländern, die die brauchbarsten Einwanderer stellen, hat die Wanderung ohnehin (toch) nachgelassen, und auf das minderwertige Men- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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schenmaterial legen die Vereinigten Staaten natürlich um so weniger Wert, je mehr sie sich selbst genügen. Für Deutschland liegt nun der allbekannte grosse Uebelstand (euvel) vor, dass die zahlreichen Kräfte, die es nach Nordamerika entsand hat, politisch völlig verloren sind. Eine eigene Domäne hätte es sich leicht in Brasilien schaffen können, wenn die Auswanderung dorthin nicht lange Zeit unterbunden (belet) gewesen wäre. Für die Zukunft liegt ohne Zweifel eine nicht zu übersehende Schwierigkeit in dem Ueberwiegen des romanischen Elementes in Südamerika; allerdings haben sich gerade die romanischen Staaten, die ihre Auswanderer nach Argentinien und Brasilien entsandt haben, als nicht mehr recht fähig (bekwaam) zum Kolonisiren erwiesen, und ausserdem sitzen die Deutschen in ihren Teilen Brasiliens leidlich geschlossen zusammen, so dass diese Aussicht uns noch immer nicht verschlossen ist. Von den neben Nordamerika hervortretenden Hauptrichtungen der deutschen Auswanderung sind in erster Linie die eben erwähnten südbrasilianischen Provinzen zu nennen. Der Rest ist äusserst gering; er verteilt sich auf Afrika und Australien. Die Auswanderung nach Asien hat noch in keinem Jahre die Zahl 300 erreicht; nach Australien hatten sich nur 1883 mehr als 2000 Deutsche gewandt, nach Afrika im Jahre 1893 über 1100; sonst war die Zahl der nach Afrika wandernden Deutschen, mit Ausnahme von 1883 (772) stets unter 500 geblieben. Die Auswanderung nach Brasilien hatte 1890/91 ihren Höhepunkt erreicht; 1897 betrug sie nur 900, doch winkt ihr ein neuer Aufschwung (aangroei) durch die unlängst erfolgte Begründung (stichten) von Kolonisationsgesellschaften, die in Südbrasilien grosse Landstriche erworben haben und eine planmässige Besiedelung ins leben zu rufen im Begriff sind (op het punt staan); auf Grund des Auswanderungsgesetzes hat der Reichskanzler den | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Gesellschaften, unter denen an erster Stelle die an Santa Catharina thätige Hamburger Kolonisationsgesellschaft ‘Hansa’ zu nennen ist, die Konzession für einige Tausend Auswanderer jährlich erteilt. - Im Jahre 1898 wanderten von den 17,173 über deutsche Häfen beförderten reichsdeutschen Auswanderern 13,869 nach den Vereinigten Staaten, 1042 nach Afrika, 733 nach Brasilien, 566 nach Argentinien, 215 nach Asien, 175 nach Chile, 135 nach Britisch-Nordamerik, 153 nach Australien und Polynesien, 118 nach Mittelamerika u.s.f. Aehnlich war das Verhältnis in den letzten Jahren, in denen die deutsche Auswanderung auf 23-24,000 Köpfe stieg. Die ganze deutsche Auswanderung fällt zur Zeit ja nur wenig ins Gewicht, beträgt sie doch noch nicht 0,5 vom Tausend der Bevölkerung, während sie in dem Jahre 1881 auf mehr als 0,5 vom Hundert angewachsen war. Doch ist das nur eine mit der wirtschaftlichen Hochkonjunktur der letzten Jahre zusammenhängende Erscheinung; eine erneute Steigerung (toenemen) kann auf die Dauer bei einem jährlichen Bevölkerungszuwachs von 700,000 bis 800,000 Köpfen kaum ausbleiben. Nicht zu erwarten ist allerdings, dass die gesamte europäische Auswanderungsbewegung so bald wieder jene enorme Höhe erreicht, die sie im Durchschnitt der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hatte, da die die europäische Auswanderung aufnehmenden Länder zum Teil gesättigt (verzadigd) werden. Das 19. Jahrhundert hat diese Länder erst so recht eigentlich geöffnet; es hat zugleich durch die Einführung des Dampfschiffs die Mittel gegeben, sie erstaunlich (verbazend) schnell mit Menschen zu füllen. So wurde dieses 19. Jahrhundert (eeuw) in der That zu einem Jahrhundert einzigartiger überseeischen Völkerwanderungen, an denen die deutsche Nation einen sehr bedeutenden, leider aber ganz ungenügend benutzten Anteil hatte. Die Steigerung des Verkehrs dauert ja fort, aber der Verkehr wird | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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mehr zu einem Austausch (ruiling) wirtschaftlicher Güter, und was den Personenverkehr anlangt, zu einem Verkehr hinüberund herüberfahrender Geschäfts- und Vergnügungsreisender (handels- en plezierreizigers); in dieser Richtung kann er sich noch ganz enorm ausdehnen - und das Pariser Ausstellungsjahr hat dafür einen deutlichen Beweis geliefert -, während die dauernde Auswanderung offenbar ihren Höhepunkt bis auf weiteres (voordehand) überschritten hat. Im 20. Jahrhundert wird der Menschenstrom sich nicht mehr so einseitig von Europa aus bewegen, er wird mehr über den Ozean hin- und herfluten (vloeien); und das zur Rüste gegangene 19. Jahrhundert (eeuw) behält mit seinen 30 Millionen ausgewanderter Europäer als besonderes Kennzeichen für sich den Charakter eines Jahrhunderts der überseeischen Völkerwanderung. - In viel stärkeren Wellen (golven) als die überseeische Auswanderung ergiesst sich alljährlich der Strom der Binnenwanderung durch Deutschland selbst. Er kommt freilich politisch, wenigstens was die Stellung (positie) Deutschlands nach aussen hin anlangt, nicht in Betracht (rekening), spielt wirtschaftlich aber (echter) eine um so grössere Rolle. Auch innerpolitisch ist er von erheblicher Bedeutung, so für die Agrarfrage, die Polenfrage u.s.f. Nur durch diese grosse Binnenwanderung war das gewaltige Aufblühen der industriellen Centren in den letzten Jahrzehnten möglich, teilweise allerdings auf Kosten derjenigen Landesteile, von denen die Binnenwanderung in der Hauptsache ausging. Zu berücksichtigen (in 't oog te houden) ist allerdings dabei, dass diese Landesteile bei ihrer gegenwärtigen wirtschaftlichen Struktur gar nicht in der Lage (in staat) wären, ihre grosse natürliche Volksmehrung vollständig auf dem eigenen Boden unterzubringen und zu erhalten. Das Zuviel des Abgangs war für sie von erheblichem Nachteil, aber in etwas geringerem Masse sind sie stets, solange sie nicht selbst stärker mit Indus- | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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trie durchsetzt werden, darauf angewiesen (daartoe gedwongen), einen beträchtlichen (aanzienlijk) Teil ihrer Volksvermehrung abzugeben. Bildet, wie gesagt, die innere Wanderung für die wirtschaftliche Entwicklung im Innern einen wesentlichen Faktor, so steht für die Stellung Deutschlands nach aussen hin die Volksvermehrung an sich und die Auswanderung doch bei weitem an erster Stelle - obwohl nicht zu übersehen ist, dass auch für die äussere deutsche Machtenfaltung die Binnenwanderung wegen ihres Einflusses auf die Wehrkraft von einer gewissen Tragweite ist. Deutsches Kapital und deutsche Arbeit ist von den Auswanderern nach allen Teilen der Erde verpflanzt, Stützpunkte und Angriffspunkte (steun- en aanvalpunten) deutscher Interessen sind in den verschiedensten Ländern in reichlicher Zahl geschaffen, und dem Reiche fällt die Aufgabe (taak) zu, sie mit starker Hand zu schützen und zu sichern. Nachdem bisher der bei weitem grösste Teil der deutschen Auswanderer dem Mutterlande völlig verloren gegangen ist, geht heute das Bemühen (streven) dahin, sie dem Mutterlande nach Möglichkeit zu erhalten und sie, soweit angängig (mogelijk), dahin zu lenken (richten), wo sie den deutschen Gesamtinteressen am besten dienen. Die deutsche Auswanderung, teils in die deutschen Kolonien, teils in solche Gebiete von Staaten niederen (lagen) Ranges zu lenken, in denen sichere Mittelpunkte deutscher Handels- und Wirtschaftsinteressen geschaffen werden können, ist eine Aufgabe (vraagstuk), deren Lösung (oplossing) um so wichtiger wird, je mehr die Auswanderung in Zukunft, wie zu erwarten ist, wieder anwachsen wird. Vor allen Dingen aber hat das Reich die Pflicht, diejenigen Staats-angehörigen (staatsleden), die dem Mutterlande auch in der Ferne (vreemde) treu bleiben, an allen Orten zu schützen und ihre Rechte überall zu sichern, was allein möglich ist mit Hilfe | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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jener starken, Achtung gebietenden Flotte, in deren Ausbau wir jetzt endlich nach heissen Kämpfen und nur zu langem Zaudern (dralen) begriffen sind (besloten hebben). (Schluss folgt) Arthur Dix |
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