Germania. Jaargang 3
(1900-1901)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermdArbeiterinteressen und KriegsmarineIn der Sitzung der Budgetkommission des Reichstages am 26. Februar hat Abg. Bebel zugegeben, die Arbeiter hätten ein gewisses Interesse an einer ausreichenden Landesvertheidigung und einer guten Marine, aber - so hat er hinzugefügt - d[i]e besitzenden Klassen hätten noch ein grösseres. Diese Ansicht ist, namentlich was den Zusatz anbetrifft, irrig, so sehr es auch zu begrüssen ist, dass der Sozialdemocratische Parteiführer wenigstens ein gewisses Interesse der Arbeiter an der Flotte aner[k]ennt. Das ist doch der Anfang einer Erkenntniss, deren Entwickelung hoffentlich noch weiter, und zwar zu dem Eigenständnis[s]e führt: Niemand hat in Wahrheit ein grösseres Interesse an einer ausreichenden Landesvertheidigung und einer guten Marine als die arbeitenden Klassen. Tritt durch eine feindliche Invasion oder durch eine Blockade in einem Lande eine völlige Stockung aller Erwerbsthätigkeit in Landwirths[c]haf[t], Industrie und Handel ein, dann haben die besitzenden Klassen immer noch zu leben. Baargeld hat in solchen Fällen doppelten Werth, wo der Kredit versagt; überdies ist es heutzutage, wo der bewegliche Besitz mit | |
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allen Hilfsmitteln des Verkehrs arbeitet, nicht schwer, Wertpapiere ins sichere Aussland zu schaffen. Grund und Boden aber behalten ihren immanenten Werth, auch wenn die zeitweiligen Erträgnisse aufhören. Der Arbeiter dagegen,der des Sparpfennigs entbehrt und nur von der Hand in den Mund lebt, muss sofort darben und hungern, wenn Niemand seine Arbeit begehrt. Er kann während solch kriegerischen Nothstandes auch nicht auf Staats-und Gemeindehilfe re[c]hnen, denn Staat und Gemeinde müssen die latzteMark an die Rettung des Vaterland[e]s setzen, und ebenso versagt die Privatwohltätigkeit, da während einer Katastrophe Jeder sich selbst der Nächste ist. Niemand hat daher im Grunde mehr darauf Bedacht zu nehmen, dass ihm dauernd eine sichere Arbeit gelegenheit geboten wird, als gerade der Lohnarbeiter. In diesem Sinne stellen sich die Ausgaben für die Landesvertheidigung, sowohl für das Heer wie für die Flottte, als eine Assecuranzprämie der nationalen Arbeit dar, die zwar Millionen und aber Millionen an Geld kostet die aber für die Erhaltung eines Ungleich werthvolleren Gutes, nähmlich des Verdienstes, ja der Existenz der arbeitenden Klassen gezahlt wird. Zur Industrie- und Handelsbevölkerung gehören in Deutschland jetzt etwa 30 Millionen Menschen; scheiden wir die Unternehmer aus, so wird die Zahl der selbständigen Lohnarbeiter mit 12 bis 14 Millionen - ohne Angehörige - nicht zu hoch gegriffen sein, und wir glauben annähernd richtig zu schätzen, dass die Gesammtsumme ihres Verdienstens an 10 Milliarden Mark im Jahre heranreicht. Ist, um solche Werthe an Menschen und Geldern in den arbeitenden Klassen zu sichern, die von der ganzen Nation in den Ausgaben für die Landesverteidigung gezahlte Versicherungsprämie wirklich zu hoch? Es gehört grosse Kühnheit dazu, hierauf mit Ja zu antworten. An der Kriegsmarine aber hat der Arbeiterstand noch ein ganz besonders schwerwiegendes Interesse. Die enorme Zunahme unserer Bevölkerung in den letzen Jahrzehnten hat auch eine völlige Verschiebung unserer wirthschaftlichen Struktur zur Folge. Wir produziren [h]eute auf eigenem Boden nur für 3/4 unserer Bevölkerung genügende Nahrungsmittel; für 13 bis 14 Millionen Volksglieder muss der Bedarf durch Einfuhr von auswärts gedeckt werden. Die Bezahlung für diese Waarenmassen, deren Werth an 2 Milliarden Mark beträgt, entrichten wir dem Auslande, abgesehen von den Zinsen für deut che Kapitalanlagen im Ausland, in der Form von Erzeugnissen unserer Industrie, die den wachsenden Menschenmassen Unterkunft und Beschäftigung bietet. Unser Gewerbe aber bedarf wiederum zahlreicher Rohstoffe, die in Deutschland nicht oder in ungenügender Menge vorkommen. Auch diese Rohstoffe bezahlen wir wieder mit ausgeführten Fabrikaten. So haben wir einen gewaltigen Kreislauf, dessen Stocken oder gar Zerreissen die furchtbar- | |
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sten Kat[a]strophen herauf beschwören müsste. Hungersnoth und Arbeitslosigkeit würden unser Volk zermalmen. Die Linie dieses Kreislaufes geht aber zum weitaus grössten Theil über den europäischen Kontinent hinaus. Der Austausch von Waaren zur See, sei es unter den Ländern des Festlandes, sei es zwischen Deutschland und Uebersee hat bedeutend zugenommen. Der auswärtige Handel Deutschlands, der 1886 knapp 6 Milliarden betrug, ist im Jahre 1897 auf 8 2/3 Milliarden gestiegen. Und nach zuverlässigen Berechnungen treffen hiervon etwa zwei Drittel wieder auf den See handel. Diesen See handel, der für das wirthschaftliche Leben Deutschland seine Existenzbedingung geworden ist, zu schützen und zu stärken, ist Aufgabe der Kriegsmarine. Eine starke Flotte allein vermag im Falle eines Krieges die Ein - und Ausgänge zur See freizuhalten und damit unser Volk vor Entkräftung und Erstickung zu bewahren. Eine starke Flotte allein vermag ferner auch in Friedenszeiten die Sicherung zu bieten, dass die deutschüberseeischen Handelsbeziehungen sich festigen, ausbreiten und in geordneten Bahnen vollziehen. Die ungemein lehrreiche Studie van Dr P. Voigt ‘Deutschland und der Weltmarkt’Ga naar voetnoot(1) zeigt uns wie stark gerade die breiten Arbeitermassen daran betheiligt sind, dass diese Abhängigkeit vom Ausslande, in die wir durch die Erfordernisse der Volksernährung und der Arbeitsversorgung gerathen sind, durch die Kriegsmarine vor Wendungen bewahrt werde, die unabsehbares Verderben herauf beschwören müssten. Auf Grund sehr sorgfältiger Berechnungen kommt er zu dem Ergebniss, ‘dass die verschiedenen Zweige der Landwirthschaft einschliesslich der Forstwirthschaft im letzten Jahre (1896) einen Einfuhrbedarf von beinahe 2 Milliarden Mark aufweisen’. Das heisst also, dass wir für die Deckung der Bedürfnisse unserer Bevölkerung Roggen, Weizen und andere Körnerfrüchte, Vieh, Fleisch, Geflügel, Eier, Hölzer u.s.w. in diesem enormen Werthbetrage einführen müssen, da wir im eigenen Lande die nöthigen Mengen nicht erzeugen. Den Gesammtwerth der Eigenproduktion an Erzeugnissen der Landwirtschaft berechnet Voigt auf rund 6 Milliarden. Somit beziffert sich der Fehlbetrag der land- und forstwirtschaftlichen Produktion in Deutschland bereits auf ein Viertel des Bedarfs; für 13-14 Millionen Menschen muss die Einfuhr von auswärtigen Erzeugnissen sorgen. Selbst wenn sich der Rohertrag in der Landwirtschaft noch wesentlich steigert, ist es, zumal bei andauernder Bevölkerungszunahme, technisch unmöglich, dies Defizit aus eigenen Mitteln zu decken, wenn es auch der unerlässlichen | |
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sorglichen Pflege und Förderung der Landwirthschaft gelingen wird, es nicht noch mehr anschwellen zu lassen. Die Sachlage gewinnt ein noch ernsteres Ansehen, wenn man bedenkt, dass ausser diesen 2 Milliarden für unentbehrliche Lebensmittel weiter ein Import von Rohstoffen und Halbfabrikaten in einer Höhe von rund 1 1/2 Milliarden nothwendig ist, um der Industrie Beschäftigung zu gewähren. Ohne die Einfuhr von Wolle, Baumwolle, Seide, Flachs, Hanf, Jute müssten Textilindustrie und Bekleidungsgewerbe mit ihren 2 Millionen von Arbeitern feiern, ohne die Einfuhr von Häuten und Fellen kämen wieder 1 1/2 Millionen Menschen in Bedrängniss, die jetzt in der Lederindustrie, der Schumacherei, im Kürschnergewerbe u.s.w. beschäftigt sind. Und ähnlich ginge es in der chemischen Industrie in der Industrie der Fette und Oele und manchen anderen Gewerbszwe[i]gen. ‘Mehr als 10 Millionen Menschen, mehr als die Hälfte unserer ganzen Industriebevölkerung wäre ohne unsere Rohstoffeinfuhr brotlos’. Die Einfuhr ist aber, wie gesagt, nur möglich, wenn wir sie im Wege der Ausfuhr von Fabrikaten zu bezahlen vermögen. Unsere gewichtigsten Exportindustrien sind die Textilindustrie, einschliesslich der Kleiderfabrikation, die Metall- und Maschienenindustrie, die chemische, die Leder-, die Papierindustrie u.s.w. und, was nicht zu vergessen, die Landwirtschaft mit ihrem grossen Zuckerexport. Mit ihren Erzeugnissen bezahlen wir den Einfuhrbedarf an Lebensmitteln und Rohstoffen. Bis jetzt ist das gelungen. Aber haben wir die Sicherheit, dass es uns auch ferner gelingen wird? So hoch wir die Tüchtigkeit unserer Industrie und unseres Handels schätzen, die Notwendigkeit, für unsere wachsende Arbeiterbevölkerung Brot und Beschäftigung zu sichern, ist so dringend, dass das Reich als solches hinter dem Gewerbetreibenden und dem Kaufmann stehen muss, um mit seiner ganzen Macht den Ueberseeverkehr zu schützen. Und das kann das Reich nur mit der Marine. Die Einsicht in diesen Zusammenhang der Dinge, die ernste Ueberzeugung dass deutsche Arbeiter am bittersten und am ersten unter dem Mangel einer leistungsfähigen Flotte im Ernstfalle leiden würden, kommt an zahlreichen Stellen in der Flotten-Umfrage der ‘Allg. Ztg.’ zum Ausdruck. Grossindustrielle, Kaufleute, Gelehrte, Beamte, Rheder, Offiziere und Private begegnen sich immer wieder in dem Auspruch, dass eine langdauernde Blockade Deutschlands und gar der Ausschluss von der Seegeltung Millionen von Arbeitern brotlos machen muss. So sagt Prof. Dr Brunner-Berlin: ‘Zahlrelche Entlassuugen von Arbeitern wären unvermeidlich. Das massenhafte Angebot überschüssiger Arbeitskräfte würde die Arbeitslöhne herabdrücken’. Prof. Dr E. Meyer-Halle: ‘Zahlreiche Gewerbe und Industrien | |
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würden durch eine derartige Katastrophe für alle Zukunft vernichtet und unzählige Hände dauernd beschäftigunslos geworden sein’. Pfarrer P. Göhre: ‘Wir sind ein Staat geworden, der exportirt, exportiren muss, damit ein Theil unserer Bevölkerung Beschäftigung, Arbeit, Nahrung hat. Je mehr, je besser, je gesicherter wir exportiren, desto gesicherter, besser, reichlicher ist Beschäftigung, Arbeit, Lebenshaltung eines immer grösseren Theils der arbeitenden Bevölkerung, der Industriearbeiterschaft, desto mehr kann diese schrittweise Antheil erhalten an den Gütern der gegenwärtigen Kultur, well sie desto höhere Löhne sich allmählich zu erringen vermag’. Direktor Berndt-Magdeburg: ‘Die deutsche Volkswirtschaft bedarf des Exports... mindestens im jetzigen Umfange, wenn nicht das Ganze bis hinunter zum kleinsten Arbeiter unberechenbaren Schaden erleiden soll’. Döbler-Hamburg: Gänzlicher Stillstand von Handel und Industrie, demzufolge Arbeitslosigkeit und endloses Elend der arbeitenden Klassen mit den dadurch nicht ausbleibenden Folgen’. Kommerzienrath v. Grundherr-Nürnberg: ‘Unsere ganze Industrie, vielfach auf überseeischen Export angewiesen, wäre mit ihren nach Hunderttausenden zählenden Arbeitern bis ins innerste Mark geschädigt, theilweise ruinirt’. Abg. Kommerzienrath Möller-Brackwede: Die 12 bis 15 Millionen Menschen, die direkt und indirekt vom Export leben, würden brotlos werden’. Kommerzienrath Schüller-Bayreuth: Deutschland kann seine Arbeiter für den inländischen Bedarf nicht genügend beschäftigen, grosse Theile der Arbeiterschaft können nicht ernährt werden, wenn nicht die Ausfuhr deutscher Erzeugnisse über See möglich wäre. Eine Sicherstellung dieses Exports ist geradezu eine Lebensfrage für viele Millionen Menschen, kann aber bei dem Wettlaufe der industriellen Staaten unter sich... auf die Länge der Zeit nur erreicht werden, wenn das Deutsche Reich über eine starke Kriegsflotte verfügt’. Prof. Grössler-Eisleben: ‘Aufhören der Ein- und Ausfuhr zur See, Stillstand zahlloser auf diese Ein- und Ausfuhr angewiesener Betriebe, Blutlosigkeit einer nach Millionen zu zählenden Arbeiterszahl’. Oberstlieutenant a. D. Jähns-Berlin: ‘Das wir auf unseren Welthandel verzichten müssten, ist nicht zu bezweifeln, und was das für unseren Wohlstand, für unsere ganze Lebenshaltung, besonders aber für unsere ungeheuren Arbeitermassen bedeuten würde, das ist ganz klar’. Geh. Hofrath v. Eyth: ‘Deshalb ist dit Flottenfrage nicht eine Frage des Handels und der Industrie, sondern des ganzen Volkes, vor Allem aber auch des deutschen Industriearbeiters, dessen Gedeihen mit dem Blühen unseres Welthandels steht und fällt’. Namenloses Elend würde, so sagt Prof. Hasbach-Kiel, jede Störung des Aussenhandels vorzugsweise über die auf Handarbeit angewiesenen Volksschichten | |
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bringen. Und Prof. Schäffle-Tübingen erklärt ausdrücklich, dass die aus einer Blockade entstehende wirthschaftliche Bedrängniss in erster Linie empfindlich für die Lohnarbeiter werden müsste. Neben diesen allgemeinen Interessen der gesammten deutschen Arbeiterschaft stellen sich aber noch verstärkend die Sonderinteressen der grossen Massen, denen der Bau von Kriegsschiffen lohnende Arbeit für lange Zeit gewährt. Während beim Landheer die Personalkosten weitaus die Hauptsache sind, erfordert die Flotte den bedeutenden Aufwand für das Material. Die Rohstoffen für die Marine sind Eisen und Kohle, sie finden sich in unserem Boden, wir brauchen sie nicht zu kaufen. Die Arbeiter die sie zu Tage fördern, sie verhütten, giessen, schmieden, walzen, die dann die einzelnen Theile zusammenfügen, dass Schiff bauen, ausrüsten und vollenden, zählen nach Tausenden und gehören Industrien an, die ständige und relativ hohe Löhne zahlen, dem Bergbau, den Eisen- und Hüttenwerken, dem Maschinengewerbe, der Waffenindustrie, den Werften. Ihnen gewährt die Vermehrung der Schiffsbau ten, die Verstärkung der Kriegsflotte direkte Vortheile. Denn von den dafür notwendigen Ausgaben geht kein Pfennig ins Ausland, von der riesigen Panzerplatte bis zum letzten Niet wird Alles auf heimischem Boden aus heimischem Material gearbeitet. In die Aufwendungen des Reiches für Schiffsbauten theilen sich freilich Unternehmer und Arbeiter. Aber mag man das Verhältniss zwischen Unternehmergewinn und Arbeitslohn schätzen wie man will, die Hauptmasse der für den Bau von Kriegschiffen ausgesetzten Gelder fällt doch auf die Löhne. Und diese Mehreinnahme der am Schiffsbau interessirten Arbeiter ‘rostet’ nicht, sondern wandert durch tausend Kanäle wieder hinaus für Lebensmittel, Kleidung, Wohnung Erholung, und Bildung. Die Lebenshaltung steigt, die Bedürfnisse vermehren sich, das Missverhältniss zwischen der jetzt überstarken Produktion und der zu schwachen Konsumtion schwindet. Durch die Aufträge für die Flotte wird unsere heimische Schiffbau-Industrie gewaltig gestärkt, Bestellungen von auswärts bleiben, wie die Erfahrung beweist, nicht aus, und die Arbeiterschaft hat dadurch dauernde Beschäftigung und bessere Löhne. Was wollen gegen diese Vortheile die 2 Mk. besagen, die für die Vermehrung der Flotte im Laufe eines Jahres auf eine vierköpfige Familie an Belastung fällt? Und selbst die Eventualität einer geringen Mehrbelastung wird vermieden, denn von zuständiger Seite ist im Reichstag und in der Kommission erklärt worden, dass neue Steuern nicht erforderlich sind; falls sie aber doch nöthig werden sollten, was nicht anzunehmen, sollen sie nur die starken Schultern treffen. Wie eine Partei, die für die Arbeiter sorgen will, gegen die Flottenvorlage aus wirtschaftlichen Gründen stimmen kann, ist daher schwer zu erklären. | |
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Mag der Abg. Singer auch behaupten, die Arbeiter hätten nicht das mindeste Interesse an der Kriegsmarine, sein eigener Parteigenosse Bebel verräth in dem eingangs erwähnten Zugeständniss schon mehr Einsicht in die Thatsachen. Und eine der Wissenschaftlichen Autoritäten des Sozialismus, Ed. Bernstein, hält sogar in dem Parteiorgan ‘Die Neue Zeit’ mit dem den Thatsachen entsprechenden Bekenntniss nicht zurück, die Ausdehnung der Märkte und der internationalen Handelsbeziehungen sei einer der mächtigsten Hebel des gesellschaftlichen Fortschritts und ein Faktor der Steigerung des Reichtums der Nationen, an dem einen wachsenden Antheil sich zu sichern auch die Arbeiter ein Interesse hätten, da Koalitionsrecht, Schutzgesetze und Wahlrecht sie dazu in den Stand setzten. Vielleicht steht die Masse der deutschen Arbeiter, soweit sie der sozialdemokratischen Fahne folgen, heute noch zu der engen und kümmerlichen Anschauung des Abg. Singer, aber wir schliessen uns der unlängst in einem Artikel der ‘Nordd. Allg. Ztg.’ ausgesprochenen Hoffnung an, dass dereinst die Zeit komme, wo die deutsche Arbeiterschaft erkennt, dass wenn das Reich auf eine Verstärkung seiner Flotte dringen muss, um einen Platz an der Sonne zu haben, dies vornehmlich aus dem Grunde geschieht, da nit die deutschen Arbeiter nicht in den Schatten gedrängt werden. Marine und Arbeiterinteressen gehen wahrlich Hand in Hand. Und noch ein Punkt ist wichtig: wohin geht denn das Geld, das der Staat für Schiffsbauten verbrauchen will? Geht es ins Ausland? Jeder Pfennig bleibt im Lande. jeder Pfennig dient dazu, deutschen Arbetern und Baumeistern Arbeitsgelegenheit zu geben, jeder Pfennig wandert im Vaterlande umher, schafft Vielen Verdienst, weil viele Gewerbetreibende, Kaufleute, und Arbeiter auch wieder von dem Verdienste der Schiffsbauer mitverdionen. Das Wohl der Arbeiter wird ewig vom Wo[h]lstande das ganzen Landes abhängig bleiben; das berechtigte Strehen nach höherem Lohn ist nur erfüllbar, wenn das Reich die Macht hat, den Wohlstand seiner Angehörigen zu heben und zu sichern. Englands Seeherrschaft ist die all[e]inige U[rsach]e dass der englische Arbeiter die hochsten Löhn[e] verdenen kann; denn Englands Flotte hat das Land zum reichsten der Erde gemacht und Englands Flotte erstrebt die Macht, den Wohlstand anderer, z. B. den unserigen, zu Englands Nutzen zu vernichten! Die deuts hen Arbeiter werden einsehen, dass sie sich besser dabei stehen, wenn sie die Seemacht i[h]res Vaterlandes stärken helfen, als wenn sie unthätig zusehen, bis Deutschland vom Meere verdrängt würde, und dadurch der deutschen Industrie die gute Arbeitsgelegenheit verloren ginge, die ihr jetzt unser blühender Welthandel schafft. Das ganze arbeitende | |
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Volk hat das grösste natürliche Interesse an der Flottenverstärkung, weil es durch den Niedergang unserer Seemachtstellung am meisten in seiner Existens bedroht ist, und weil es von der Stärkung höheren Wohlstand zu erwarten hat! In demselben Sinne äusserte sich Geheimrath Busley in einem Vortrag in München jüngst etwa, wie folgt: ‘Der zweite Theil der Ausführungen galt der Schilderung der wirthschaftlichen Vortheile, welche der Bau und der Besitz einer starken Flotte stets für ein Land mit sich bringe. Seit der Marineminister v. Stosch den Grundsatz aufgestellt hat, deutsche Schiffe aus deutschem Material auf deutschen Werften zu erbauen, sei Deutschland auch auf diesem Gebiet in unglaublich kurzer Zeit seinem Lehrmeister England ebenbürtig geworden, und dass eine derartige Entwickelung des deutschen Schiffsbaues in wenigen Jahrzehnten überhaupt möglich war, sei in allererster Linie der deutschen Marineverwaltung zu danken. Heute schaue das gesammte Ausland mit gespanntester Aufmerksamkeit auf die Erzeugnisse des deutschen Schiffsbaues, von dem man mit Stolz sagen könne, dass er die schnellsten Schiffe lieferte, welche auf unserm Planeten schwimmen. In eingehender Weise schilderte Redner sodann den grossen Einfluss des Schiffbaues auf die Entwickelung der Industrie. Grosse Zweige derselben würden jahraus jahrein mit lohnenden Aufträgen bedacht, und namentlich sei die Elektrotechnik durch die Marineverwaltung mächtig in ihrer staunenswerthen Entwickelung gefördert worden. Die ganze Welt kenne und benutze z. B. die berühmten Schuckertschen Scheinwerfer, und man könne mit Fug und Recht sagen, dass ein moderner Dampfer die beste schwimmende Industrie-Ausstellung sei. Nach ziemlich genauen Erhebungen seien in den letzten Jahren in Süddeutschland 94 Firmen, die sich auf 48 Städte vertheilen, an den regelmässigen Lieferungen für die Marinenverwaltung betheiligt gewesen, und so verdankten zahllose fleissige Hände ihre Existenz den Geldern, welche der deutsche Steuerzahler für die Marine aufwendet.’ (Berlin.) Nauticus. |
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