Germania. Jaargang 3
(1900-1901)– [tijdschrift] Germania– Gedeeltelijk auteursrechtelijk beschermd
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Die deutsche Politik in SüdafrikaGa naar voetnoot*Der neue Reichskanzler hat im Reichstage unsere unzweifelhaft englandfreundliche Politik, die damit bis in die Reihe der Manchersterliberalen dem deutlich kundgegebenen Volksempfinden widerspricht, unter Berufung auf das amtlich noch geheime Deutsch-englische Abkommen über die Ostafrikanischen Besitzungen Portugals mit der erforderlichen Mehrung des deutschen Interesses versteidigt. Der Vergleich mit der Polen-und Bulgarenbegeisterung hinkte freilich, da nur die deutschen Liberalen aus Hass gegen das absolutistische Moskowitertum für die deutschfeindlichen Polen und die gleichen Leute mit ausgesprochener englischer Neigung aus demselben Grunde für den Battenberger schwärmten, der als englisches Werkzeug dienen sollte. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes sah auch diesen und den weiteren stichhaltigen Einwand, dass es sich hier um unsere eigenen niederdeutschen Stammesgenossen handle, voraus und bemerkt ironisch, dass Krüger in Köln ausdrücklich des französischen Hugenottenblutes der Buren gedacht hätte. Der deutsche Krüger hat eben in echt deutscher Ausländerei den geringen Zusatz nordfranzösischen Blutes überschätzt, übrigens ein rein germanischer Tropfen, da bis zur Loire keine Kelten oder doch nur bereits zu Cäsars Zeiten germanisierte Kelten übrig geblieben waren. Die Belgen nannten sich bereits zu seiner Zeit stolz Germanen. Unsere Diplomaten überschätzen in gleicher Weise infolge ihres langen Auslandsdienstes die englische Macht, deren Glanz sie blendet. | |
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Statt England mit gleicher Waffe zu bekämpfen, haben wir es vorgezogen, die gesunde und bewunderungswürdige Rücksichtslosigkeit Albions mit allzugrossem Entgegenkommen zu beantworten. Es ist bekannt, dass die Schwenkungen unserer auswärtigen Politik und das Schwinden unseres Prestiges, das wir wesentlich Bismarck danken, kaum dem jeweiligen Reichskanzler zur Last fallen, und jedenfalls ist auch der neue Leiter der Reichspolitik in dieser Beziehung von einem höheren Willen nicht unabhängig. Daher tritt er in der inneren Politik viel fester und tatkräftiger unter dem Beifall aller nationalen Parteien der Volksvertretung auf. In Südafrika handelt es sich auch gar nicht um diplomatische Geheimnisse. Dank der absichtlichen englischen Geschwätzigkeit kennt alle Welt die territoriale Abgrenzung des gedachten geheimen Eventualvertrages, der mit Hülfe des englischen Pfundes im portugiesischen Staatsschatz tatsächlich auf ab ehbare Zeit hinfällig geworden ist und damit einen Sieg Englands bedeutet. Deutschlands Interesse beruht nicht auf dem Börsenschwindel der deutschen Juden und Judengenossen unwürdigen Gewerbes, wie Eckstein, Beit, Wernher, u.s.w. die im englischen Solde stehen und auch unsere Grossbanken für einzelne Riesenjobber beeinflussen, sondern auf dem ehrenhaft in Goldbergbau angelegten Kapital, das gar nicht des englischen Schutzes bedarf, sondern bei einiger Geschicklichkeit das deutsche Geld gegen den englischen Wettbewerber in den Burenstaaten mit Erfolg hätte ausspielen können. Wenn aber Görtz & Comp. die deutsche Bank als Schildknappe anrüchiger Börsenjobber, wie Rhodes' Chamberlains und des Herzogs of Fife, der eigentlich ein Banquier Duffist, bescheidentlich auftritt, so beweist dieser Anschluss an das englische Kapital nur den Mangel von deutschem Selbstbewustsein und die Verkennung unserer eigenen Stärke. Die deutschen Banken | |
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erniedrigen sich zu dienstbaren Zweiganstalten englischer Häuser, die sich zum Teil in deutsch-jüdischer Hand befinden also ganz wie bei uns. Unser sicherlich berechtigtes Geldinteresse in Südafrika wird aber völlig von dem nationalen aufgewogen. Ob die Buren erst der natürlich unabsichtlichen deutschen Treulosigkeit zufolge wie die Franzosen frohloken, oder mit holländischem Sondergeist aus Deutschenfurcht uns wenig geneigt sind, obwohl ihre Voreltern mehr aus dem reichsangehorigen, als niederländischem Deutschland stammen, ist ganz gleichgültig. Sie haben auch heute nur noch die Wahl zwischen der Anlehnung an England oder an uns. Die britische Gewalttätigkeit und Unfähigkeit begünstigt unsere Ausichten. Der Reichskanzler hat mit Recht bemerkt, dass die Buren nie unter unserer Oberhoheit gestanden hätten; aber er weis ja amtlich besser, dass sie und Portugal ein Schutz und- Trutzbündniss mit uns gegen England von Bismarck erbeten haben, das erst der unselige Caprivi schroff zurückwies. Bismarcks Name hatte den holländischen Deutschenhass besiegt, als sein Träger mit kühnem Griff durch eine einfache diplomatische Note Südwestafrika bis zum Orangefreistaat dem englischen Löwen entriss. Salisbury wurde damals überlistet, leider nahm er im Zansibarvertrage eine erfolgreiche Rache. Südafrika ist uns national nötig als Siedlungsland in niederdeutschem Volksgebiet, da nur noch Südbrasilien uns einen schon weniger günstigen Boden bietet. Ohne Fehdehandschuh müsste eine geschickte deutsche Diplomatie Englands Stellung erschüttern und die Buren sind unsere Vortruppen. Wir sehen ja jetzt, dass die grösste Flotte und das ganze englische Heer gegen diese handvoll schlecht geführter niederdeutscher Buren nichts ausrichten. Politisch ist die menschlich edle Burenbegeisterung beinahe schädlich gewesen, da Jedermann Englands Vorgehen sittlich | |
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vorurteilen musste. Der kosmopolitische Deutsche vergass darüber selbst den nationalen Wert der S[e]lbstandigkeit der Burenstaaten, die sicher ihrer Verfassung nach sehr mangelhaft eingerichtet sind. Die Sache liegt für uns ganz einfach. Dulden wir die englische Vergewaltigung und noch schlimmer die allmähliche Verengländerung Südafrikas, so führen wir wohl eine Allerwelts aber keine engbeschränkte nationale Weltpolitik, die freilich nicht nach theatralischen Augenblickswirkungen hascht, aber bestimmte nationale Forderungen stellt, bei denen es kein so mutiges Zurückweichen, wie in China giebt, wo unsere Blosstellung ja weiter nichts schadet, aber doch bereits nach der mexikanischen Expedition Frankreichs schmeckt. Vielleicht erkämpfen sich die Buren im Parteigängerkrieg doch noch eine gewisse Unabhängigkeit und ihrem und unserem Volkstum dank der nunmehr unüberbrückbaren Kluft infolge der Kriegserfahrungen die Rettung vor der Verengländerung. Dann bleibt uns noch die Hoffnung für die Zukunft, um unsere Scharte bei erneuten englischen Versuchen wieder auszuwetzen. Der englische Nebel muss doch einmal fallen und Herrscher und Volk in nationaler Eintracht zeigen. Die lästigen Colonialreibungen mit England erscheinen gegen Südafrika unerheblich. Auch in Samoa sind wir von England betrogen worden, indem es unsere nationale Empfindlichkeit ausnutzte, statt dass wir seine Südafrikanische Not ausbeuteten und ihm keine Entschädigung gewährten. Wir haben territorial das vierfache und dabei noch unsern besten Anspruch in Togo in den Kauf gegeben und damit das dortige Schutzgebiet jeder Entwikelung nach dem Innern beraubt. Aber was bedeuten solche Nachteile, wie auch die Ueberteuerung der Karolinen durch ein Scheingebot der Amerikaner gegen den nationalen Verlust in Südafrika. Eine weitsichtige Politik muss nicht nur mit dem Anschluss der Rheinmündung an das Mutterland rechnen, sondern auf | |
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die Wiederangliederung beider Niederlande als unseres deutschen Küstengebiets zielbewust hinarbeiten. Unsere Vertretungen in Brüssel und Haag haben bis jetzt den aneignungssüchtigen Eifer Frankreichs noch nicht durch eine national gebotene Tätigkeit wettgemacht. Frankreich begeht einen Raub mit solchen im Süden schon verwirklichten und vorhergehend in den napoleonischen Kriegen acuh bis zur Nordsee durchgeführten Absichten. Deutschland fordert dagegen nur sein altes kerndeutsches Volksgebiet zurück und gewährleistet durch die Form des Bunde staates die Stammesunabhängigkeit. Südafrika ist aber nur ein holländisches Anhängsel, das unserm Volk - tum einen weiten Raum zur Siedlung bietet. Die Brücke zur Rheinmündung führt über Pretoria und Kapstadt. Hat schon Bis narck den elsässischen Südgau bis Mömpelgard und Westlothringen bei Frankreich gelassen, so sind seine schwächeren Nachfolger kaum volkskundiger, als ihr sonst so groser Meister. Die nationale Schwäche unseres Volkes haftet naturgemäss auch unseren Diplomaten an. Die Zeit ist wieder vorbei, wo die Staatskunst dem Volke halb wider seinen Willen den nationalen Weg wi[e]s. Das erstarkte erstärkte Volksgefühl wird die Regierung stützen und gegebenenfalls mit sich fortreissen. Bismarck spielte stets als sichersten Trumpf das Erwachen des Volksgeistes aus, um die völklichen Gegner Deutschlands mit gebührendem Schrecken zu erfüllen. Die Leitung der auswärtigen Politik macht von diesem erprob[t]en Mittel einen etwass sparsamen Gebrauch. In Holland best[e]ht der Glaube, eine friedliche Vermittelung des deutschen Kaisers mit entschiedenem Hinweis auf unsere Macht hätte das englische Schwert in der Scheide gehalten und die Buren ohne Blutvergiessen gerettet. Dass auch unsere militärischen Kreise von der Schwäche Englands überascht waren, das übrigens niemals stärker gewesen ist, bezeugt unsere Uberschätzung dieses Colosses auf thöneren Füssen. Vielleicht fällt die mari- | |
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time Probe gleich kläglich aus. Eine überaschende Landung an der englischen Küste hat nur mit einem Bruchteil der übermässigen, aber in allen Weltteilen beschäftigten Flotte zu rechnen. Unsere Schiffsvermehrung wäre sinnlos, da der gegenwärtige Bestand gegen die amerikanischen und sonstigen Raubstaaten ausreicht, wenn wir nicht England oder seinen angelsächsischen Vetter über Meer als einzigen Gegner ins Auge fassen; denn der sichere Strauss mit Frankreich und Rusland wird auf dem Festlande ausgefochten. China hat es gezeigt, dass nicht einmal die Flussmündungen von den Schlachtschiffen ihres Tiefganges wegen unter Feuer genommen werden können. Das Arbeitsfeld der Flotte ist nur beschränkt und somit auch Englands Machtbereich. Andererseits ist der Standpunkt des Reichskanzlers unanfechtbar, aus unsere festländischen Stellung heraus nach Bismarckschem Vorbild unsere internationale Haltung abzuwägen. Hat Frankreich nach seiner Andeutung und Beurteilung des Pariser Besuchs Krügers ein Doppelspiel getrieben und steht der Kaiser von Rusland, wie andere regierende Häupter unter dem Einfluss englischer Unterröcke, so ist unsere gegenwärtige Zurückhaltung erklärlich, zumal wir den Nichtempfang des Präsidenten in Berlin nicht dem Reichskanzler, sondern dem Hofe in die Schuhe schieben möchten. Persönliche Empfindlichkeit dürfte jedenfalls im auswärtigen Amt nicht Platz gegriffen haben, wozu die Aüsserung von der Ueberrumplung sonst Grund geben könnte. Unleugbar bestehen unverantwortliche, persönliche Strömungen an massgebender Stelle, die amtliche Entscheidungen durchkreuzen. Der I. Secretair der deutschen Botschaft in London ist nur als Schwiegersohn eines einflussreichen und wohl mit Rücksicht auf die bereits erledigte Laufbahn des Tochtermannes deutschfreundlichen englischen Abgeordneter durch englische Machenschaften über die Köpfe | |
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des Auswärtigen Amtes weg ernannt worden. Ein zweimal durchgefallener Attaché wird sonst nicht ausserhalb des Dienstes Legationsrat und lediglich infolge des deutschen Kaiserbesuchs in London I. Secretair bei einem schon betagten Botschafter, sowie stets mit einer Ordensauszeichnung bedacht. Beide leitende Beamten dieser zur Zeit wichtigsten Reichsvertretung besitzen übrigens englische Frauen. Der Reichskanzler hat eben gerade im auswärtigen Geschäftsbereich mit persönlichen Einmischungen zu kämpfen, die im Innern durch den Reichstag zur Unterstützung des verantwortlichen I. Reichsbeamten ausgeglichen werden. Eine tatkräftigere regierungstreue Volksvertretung könnte aber auch auf diplomatischen Gebiete dem Reichskanzler wichtige Diensten leisten, wenn sie unzweideutig ihre Missbilligung einer natürlich unabsichtlich antinationalen Richtung kundgiebt. Mit Recht hat Bismarck den Kobdenleuten ihre undeutsche englische Gesinnung in Wirtschaftsfragen vorgeworfen, wo doch zur Entschuldigung der Geldbeutel des Händlertums in Frage stand. Hier handelt es sich aber lediglich um höchst folgenschwere völkliche Fragen, die gerade den Kern einer wirklichen Weltpolitik bilden. Bismarck wünschte bei Beginn der Colonialpolitik von der Volkstimmung getragen zu werden und hat sich sogar von den Colonialfreunden zu weiteren Entschlüssen fortreissen lassen, denen wir überhaupt unsere Colonialstellung danken. Auch er sah England für eine Macht an, die man nicht schlechtweg herausfordern kann. Aber er fürchtete sich nicht vor den englischen Schiffen, obschon damals unsere Flotte geradezu kläglich war. Was den liberalen Manchesterleuten, die ausser den am englischen Gelde interessirten Börsenjobbern und Bankleuten zum Teil jüdischen Blutes jetzt sogar auch England feindlich sind, recht war, ist der england-freundlichen und damit undeutschen Strömung in unverant- | |
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wortlichen Kreisen sicherlich nur billig. Sie wirkt eben vaterlandsfeindlich und muss als solche im Reichstage gebührend gezeichnet werden. Sache des Auswärtigen Amtes ist es dann den Ansdruk vaterländischer Stimmung in solche diplomatisch höfliche Formen zu kleiden, dass wir unütze Reibungen mit einer immerhin einflussreichen Grossmacht, wie es England trotz seiner Schwächen ist und bleiben wird, geschickt vermeiden, zugleich aber unsere Interessen nationaler Natur rücksichtslos mehren. Die Südafrikanische Schaukelpolitik ist kein diplomatisches Meisterstük. Man sollte dies ruhig zugeben, da die gegenwärtigen Leiter unserer auswärtigen Beziehungen diese Lage kaum verschuldet haben. Es handelt sich auch um keine weltbürgerliche Burenfreundschaft, sondern um die kurze Frage, Südafrika englisch oder deutsch. Wir können das Niederdeutschtum der Buren als Teil unseres Volkstammes schonen. England muss es unterdrüken. Der Krieg war die dümmste Art, da vorher der Orangefreistaat fast englisirt war, was nunmehr ausgeschlossen ist. Daher versuchen es die Engländer jetzt folgerichtig mit der Vertreibung und deren Ersatz durch ausgediente Soldaten. Wir haben die Buren in Frankreichs Arme getrieben, das erst recht keine Hand gerührt hat für diese Niederdeutschen und seit den Tagen Ludwigs XIV. der schlimmste Feind ihrer holländischen und vlämischen Vorfahren gewesen und noch heute ist. Warum haben wir denn durch den Kaiserlichen Besuch auf der ‘Iphigenie’ und unser Entgegenkommen aus Anlass der Weltausstellung Frankreich uns verpflichten wollen, um von ihm im Stiche gelassen zu werden, damit es zu unserem Schade im Trüben fischen kann? Unsere Vielgeschäftigkeit hat somit wie stets, einen Misserfolg gehabt. Diese aktenkundigen vielleicht erklärlichen Fehler lassen sich nicht bestreiten, aber sehr wohl wieder ausgleichen durch ein un- | |
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zweideutiges Abrücken von England, soweit unsere Weltlage dies gestattet. Verträgt sich Albion mit den Buren über unsere Köpfe, so ist der Anschluss Hollands und der Südafrikanischen Tochterstaaten an das deutsche Mutterland auf unabsehbare Zeit verschoben, da wir den günstigen Augenblick verpasst haben. Jetzt können wir bei einiger diplomatischen Geschicklichkeit sogar auf englische Nachgiebigkeit rechnen. Wir müssen uns aber durch eine tatkräftige Vermittlung gegebenen Falls mit der so beliebten ‘gepanzerten Faust’, was nunmehr ein ungefährliches Unterfangen ist, einen massgebenden Einfluss in Südafrika sichern und keine diplomatische Gewährleistung Frankreichs dulden, das ja noch billiger, als wir, die burische Dankbarkeit für seine politischen Zwecke ausnutzen will, die einfach in der Anlehnung Hollands an das räuberische Frankreich und in der offnen Wunde am englischen Reichskörper bestehen. Wir hoffen und wünschen aufrichtig, dass wir uns nicht wieder von englischen Neigungen und monarchischer Abneigung gegen das republikanische niederdeutsche Burentum leiten und damit von England übertölpeln lassen. Das Schicksal bietet uns vielleicht die letzte Gelegenheit, die früheren schweren Unterlassungen seit Bismarcks Weggang wett zu machen, da hoffentlich jetzt eine Gewähr für eine einheitliche und verständige Leitung unserer Auslandspolitik gegeben ist und persönliche Stimmungeu nunmehr sachlichen Erwägungen Platz machen. Der neue Reichskanzler wird sich gewiss allmählich unabhängiger von solchen Einflüssen machen können und bedarf dazu eines festen Rückhaltes im Reichstage. Der Tod der altehrwürdigen und darum als Familienoberhaupt höchst mächtigen Königin bedeutet ein gutes Stück Erlösung vom englischen Joch. Schlimm sind freilich die offiziösen Presstrabanten von dem Schlage der | |
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Kölnischen Zeitung, der gesinnungslosen Vertreterin geldgieriger Börseninteressen, deren Kapstädter Berichterstatter stark im Verdacht steht, der besoldete Agent des Juden Eckstein von der Debeersgesellschaft zu sein. Aber auch das ‘Buschchen’ Blatt, die Grenzboten als Verfechter der so schönen Freihandelstheorie zur Freude weltfremder Schulmeister und verschmitzter Getreidehändler, schwärmen für England und verteidigen den Reichskanzler, dessen Zwangslage allgemein anerkannt und gewürdigt wird, mit dem üblichen Byzantinis mus, der sie auch zur Fahnenflucht vom Altreichskanzler weg zur aufgehenden Kaiserlichen Sonne zwang. Jüngst tun sie geheimnissvoll und missbrauchen in ihrer Verlegenheit das gute Sprichwort ‘Schweigen ist Gold’, um lästigen Fragern in echter vaterländischer Besorgniss den Mund zu stopfen. Die Regierung hat gar nichts zu verheimlichen, nachdem man in England die Vertraulichkeit gebrochen und der Reichskanzler Frankreichs Verhalten und des Zaren längst bekannte und im russischen Interesse gebotene Zurückhaltung, wie China zeigt, ins rechte Licht gestellt hat. Hoffentlich züruen sie dem Reichskanzler nicht, dass er auch der Landwirtschaft endlich Gerechtigkeit angedeihen lassen will und dies dem Abgeordnetenhaus so feierlich als Erklärung der Regierung verkündet hat. Es scheint sicher zu sein, dass Deutschland angesichts der Zwangslage des mehr geschlagenen, als siegreichen englischen Heeres nunmehr erfolgreich in London zu Gunsten der Buren vermitteln will, deren ehrwürdigen Präsidenten man auch durch einen ergebnisssicheren Empfang auszusöhnen hofft. Diplomatisch würde diese Gelegenheit wohl auszunützen sein, wenn nicht nach dem jüngsten Vorgang auf englischem Boden der deutsche Kaiser mehr als englischer Unterhändler, denn als unparteiticher Schiedsrichter nach Bismarckischem Beispiel erscheinen könnte, einer Anschauung, der bereits der ‘Vorwärts’ nicht | |
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ganz unberechtigt Ausdruck gegeben hat. England befindet sich tatsächlich in Not und selbst die eigene Partei der gegenwärtigen Regierung, die Chamberlain zum fast unbequemen Anstifter des Südafrikanischen Krieges zählt, lässt schon durch leitende Mitglieder Friedenschalmeien ertönen. Gerade das letzte Aufgebot zur Verstärkung der fechtenden Truppen, freilich schon mehr der Abhub des grosstädtischen Gesindels, das sich noch von dem königlichen Schilling reizen lässt, beweist die notgedrungene Friedensabsicht Englands, das nur zur äusseren Wahrung der Ehre noch diese Machtentfaltung entwickelt, deren Wert doch kriegerisch höchst zweifelhaft ist. Wir müssen aber von der kühlen Erwägung des verantwortlichen Staatsmannes erwarten, dass er den über den Canal dringenden Gefühlsäusserungen den erforderlichen Widerstand leistet. Es steht unser Prestige und unsere Selbstachtung auf dem Spiele, die uns verbietet, die englischen Geschäfte zu besorgen. Besonders abstossend wirkt auch die Aufdringlichkeit Englands. Das einfach die verwandtschaftlichen Bande und die kindliche Ehrfurcht des deutschen Kaisers für seine gemeinen Geldzwecke misbraucht. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass der frühere trotz seiner Jahre leichtfertige Prinz von Wales auch noch als König nach deutscher Anschauung bedenkliche Beziehungen zur direkt anrüchigen Finanzwelt unterhält, der freilich sein eigner Schwiegensohn durch Geburt und sein ererbtes Bankhaus angehört. Die deutsche Misstimmung, die selbst freihändlerische Kreise ergriffen hat, erscheint daher nicht unbegründet und damit die uns möglicherweise erst selbstsüchtig eingeflüsterte Vermittler-rolle in einem ganz andern Lichte, als das Amt des ehrlichen Maklers, wie es einst Bismarck zum Heil der Welt ausübte, Infolge dessen ist die grösste Behudsamkeit in Hinsicht auf die doch zu klaren Wünsche Englands geboten, soll unsere poli- | |
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tische Unabhängigkeit und unser Beruf als Vormacht aller deutschen Stämme ausserhalb der Reichsmarken nicht ernstlich leiden. Die Friedenssendung kann deshalb leicht zu unseren Unheil ausschlagen, wie sie auch den Buren nichts mehr nützt, andererseits England an der Grenze seiner Streitmittel angelangt ist. Eine beschränkte Selbständigkeit muss England den Buren schon jetzt zugestehen. Früher wäre uns noch eine Rolle nach der Art Napoleons III. gegenüber den Italienern beschieden gewesen. Heute ist sie ausgespielt. da wir fraglos eine etwas eigenartige Neutralität in Bezug auf England beobachtet haben. Das Staatsoberhaupt lässt sich für die Politik nicht von seinem Lande trennen. Im Verfassungsstaate ist die äussere Machtvollkommenheit des Herschers dergestalt gesteigert, dass selbst die demokratischen Schwärmer einer Parlamentsregierung die Befugnisse der Krone nicht anzutasten wagen. Fürst und Volk dürfen daher im nationalen Interesse keine verschiedenen Pfade wandeln, zumal wo im vorliegenden Fall das nationale Gebot den Weg unzweideutig weist. Die zartgepflegten Familienrücksichten sind vom selbstsüchtigen Ausland zur Täuschung eines ritterlichen Herrn gemissbraucht worden und die schwierige Pflicht des gesetzmässigen Ratgebers erheischt die Offenlegung der krummen Schleichwege der britischen Diplomatie, die ihrerseits ja nur zum Wohle des eigenen Vaterlandes handelt. Da wir aber in der gesuchten Annäherung an England, trotz der früheren persönlichen Beschimpfung des Kaisers gerade im englischen Heere nur die Wirkung der undeutschen koburgischen Familienpolitik sehen können, so verlangt unser nationales Interesse in seltener, fast einhelliger Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung die übrigens ja nicht ungewohnte Abkehr von dem stets treulosen Albion, das sich uns seit Bismarcks Weggang auch diplomatisch in demselben Masse überlegen gezeigt hat, als es ihm an | |
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wirklichen Machtmitteln gebrach. Die Ueberschätzung Englands, dessen riesenhafte Ausdehnung in den exotischen Gebieten des Erdballs uns über die innere Stärke dieser Weltmacht täuscht, ist der verhängnisvolle Fehler unserer Politik, der leider nach kurzer Besserung wiedergekehrt ist. Es hat aber den Anschein, als ob diesmal die liebe englische Verwandtschaft allzugrob die Familienbande ausgespielt habe. Jedenfalls zweifelt der königstreueste Teil des deutschen Reiches nicht an der Verleitung seines Kaisers durch englische Räuke. Deutschland wünscht bei aller Freundschaft mit dem Inselreich eben keine engere Gemeinschaft mit König Eduard VII. und seinen teilweise arg blosgestellten Räten und Finanzgenossen. Die Würde des deutschen Kaisers ist zu erhaben für deren finanzielle Machenschafften, mögen sie auch den Leitern unserer Banken und Schiffahrtsgesellschaften gefallen, die nicht leugnen können, dass ihnen ihr keineswegs immer nationales Geschäft selbst über die nationale Ehre und Selbsterhaltung geht. Wir schliessen mit dem Wunsche, dass das Reich nicht allzuviel Lehrgeld für die Irrtümer einer falschen Politik zahlen möge, die leichter zu beginnen, als in richtige Bahnen zurück zu lenken ist. Die gemeinsame Vaterlandsliebe wird auch die von englischer Schaufel gegrabene Kluft zwischen den verschiedenen Gewalten und dem Volk selbst, die doch alle von gleicher Gesinnung für das Gedeihen des Reichs beseelt sind, auch bald wieder schliessen. Der kaiserliche Wille ist bei uns glücklicherweise noch zu mächtig, als dass das Volk ihn unberücksichtigt lassen könnte, wie es in England der Fall ist, wo der König nur der willenlose. gekrönte Vollstrecker der Parlamentsbefehle ist. Dieses Vorbild dürfte eines selbstbewusten Hoher zollernkönigs sicherlich nicht zu englischer Vorliebe anregen. Aber auch der tatkräftige Herrscher muss des Rückhaltes im Volke gewiss sein, sonst leiden die Staatsleitung und die | |
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Volksgenossen, deren Obhut ihm anvertraut worden und die an seinem lauteren deutschen Herzen niemals zweifeln werden. (Berlin) Diplomaticus |
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