Germania. Jaargang 3

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I Einst:
Wir Deutschen fürchten Gott und sonst nichts in der Welt

Kaiser Wilhelm I und Bismarcks Burenpolitik.

In den ‘Grenzboten’ erschien im Jahre 1885 ein Artikel ‘England und die Boers’ der damals nicht geringes Aufsehen erregte und auch heute noch von grösstem Interesse ist. Kein geringerer als Fürst Bismarck ist dessen Urheber, welcher seinem Vertrauten Busch die Leitsätze und das amtliche Material dazu gegeben hatte. Der Enkel Kaiser Wilhelms befolgt in dieser Frage so ungefähr gerade die entgegengesetzte Politik seines Grossvaters.

In ‘Buschs Tagebuchblättern’ (Band 3, Seite 178), die dem Einsender zufällig in die Hände gekommen sind, ist darüber folgendes zu lesen:

‘Am 28. November (1884. D.R.) früh brachte mir Buchers Diener in einer geschlossenen grünen Reisetasche (Schlüssel im Couvert dabei) drei dicke Konvolute Akten des Auswärtigen Amtes zur Transvaalfrage, die ich auszog und ihm nach 5 Tagen persönlich wieder zustellte. Eine bessere Quelle könnten wir also uns kaum wünschen, um zu erfahren, welche Politik Kaiser Wilhelm I. und sein eiserner Kanzler, in der Transvaalfrage verfolgten. Wir müssen uns selbstverständlich versagen, an dieser Stelle den ganzen Artikel zu bringen. So mögen denn jetzt, da das Verhältnis Deutschlands zu den Buren durch die Reise des Präsidenten Krüger wieder in den Vordergrund des Interesses gerückt ist, die wichtigste Stellen hier Aufnahme finden:

‘Während des verfloss[e]nen Jahres hat die englische Politik wieder an der südafrikanischen Frage gelitten. Die Nachrich-

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ten lauteten kurz dahin, dass die Absendung englischer Truppen zur betreibung der in das Gebiet der Betschuanen von der Südafrikanischen Republik her eingefallenen Buren, die vom Kabinett Gladstone endlich beschlossen und bereits im Gange war, unnötig geworden sei, da diese “Freibeuter im Lande Gosen” sich gefügt hätten. England hatte sich in Wirklichkeit aber schlecht und recht mit ihnen vertragen müssen. Denn so ungefährlich ist dieser Feind nicht. Bei der Transvaalfrage ist nicht bloss mit den 30- oder 40,000 Buren der Gebiete im Norden des Vaalflusses, sondern mit der Mehrzahl der holländisch sprechenden Bevölkerung aller Staaten und Kolonieen Südafrikas zu rechnen, und es sind hier wohl die Anfänge zu einem Umschwunge der Dinge zu verzeichnen, ähnlich dem, welcher den britischen Egoismus aus dem grössten Teile Nordamerikas hinauswarf.

Für nns Deutsche aber hat die Sache eine besondere Bedeutung, und zwar aus verschiedenen Gründen: die Buren Südafrikas sind als ein Volk holländischen Blutes und Idioms nahe Verwandte von uns, sie könnten, wenn man ihnen ihr Recht, sich nach Westen hin auszudehnen, nicht zu beschneiden imstande wäre, einmal Nachbarn deutscher Kolonieen werden, und ihr Land würde der deutschen Auswanderung für die Zukunft günstige Aussichten bieten, wenn es vor weiterer Anglisierung bewahrt bliebe. Aber auch abgesehen hievon schulden wir ihnen Interesse und Sympathie, weil sie unerschrockene und beharrliche Bekämpfer der britischen Selbstsucht gewesen sind und voraussichtlich auch in Zukunft sein werden, jener heuchlerischen Selbstsucht, welche die besten Theile der Welt unter dem Vorwande, Civilisation, Freiheit und Christentum ausbreiten zu wollen, in ihr Machtgebiet zu zwingen und dem Geldsack der englischen Kaufleute und Fabrikanten dienst- und tributpflichtig zu machen strebt und dabei kein

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Recht achtet und kein Mittel verschmäht. Ihr bisher erfolgreicher Widerstand gegen diesen Polypen, der die Erde mit seinen Armen zu umschlingen und mit seinen Sa[n]gnäpfen auszuzapfen sucht, sichert ihnen allein schon unsere volle Achtung und Teilnahme.’

Es folgt hierauf eine kurze geographische und wirtschaftliche Beschreibung des Transvaals. Der Artikel fährt dann fort:

‘Die Geschichte der Buren der Südafrikanischen Republik ist eine Reihenfolge von Wanderungen und blutigen Kämpfen, zu welchen die holländischen Ansiedler Südafrikas durch die Unerträglichkeit der Regierungsgrundsätze Englands in diesen Gegenden veranlast wurden.’

Diese ‘Wanderungen und blutigen Kämpfe’ und dazu die englische ‘Unerträglichkeit’ werden nun auf über einem Dutzend Seiten dem Leser vor die Augen geführt bis zum Londoner Vertrage vom 27. Februar 1884 mit seinen 20 Artikeln. Die 5 wichtigeren werden wörtlich angeführt. Weiter heisst es:

‘Die übrigen Bestimmungen der Konvention, in welcher nirgends mehr von Suzeränität der britischen Krone die Rede ist, können hier folglich übergangen werden. Bald nach Abschluss des Vertrages begab sich die Delegation der Buren zunächst nach Holland...’ Nun wird geschildert, welch grossartigen Empfang sie, an ihrer Spitze der Präsident Krüger, überall fanden. Dann heisst es weiter:

‘Die Delegation kam auf ihrer europäischen Tour einige Wochen später auch nach der Kaiserstadt des Deutschen Reiches, wo die Herren die Ehre hatten, vom Kaiser Wilhelm und dem Fürsten Bismarck empfangen zu werden. Was der letztere dabei mit ihnen besprochen, blieb Vermutung. Dagegen wollten Zeitungen von der Audienz beim Kaiser Kunde haben. Nach einem in Newyork erschienenen Blatte, das uns vorliegt, hätte - wir betonen das hätte’ - Präsident Krüger

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bei dieser Zusammenkunft gesagt: ‘Es ist mir eine Ehre und wahre Freude, von Eurer Majestät in so freundlicher Weise empfangen worden zu sein, und zwar umsomehr, als ein grosser Theil der Bevölkerung der Südafrikanischen Republik, ja von ganz Südafrika, von deutscher Abstammung ist. Ich selbst bin stolz darauf, deutscher Herkunft zu sein, obgleich ich zu meinem Bedauern nicht imstande bin, Euer Majestät in der Sprache meiner Vorväter anzureden. Ich hege die Hoffnung und den Wunsch, dass die Beziehungen zwischen Deutschland und Transvaal und in der That zwischen Deutschland und ganz Südafrika immer freundschaftlich bleiben werden und dass der kommerzielle Verkehr zwischen den beiden Ländern zur Förderung ihrer beiderseitigen Wohlfahrt gedeihen wird. Wahrhaft glücklich würde ich sein, wenn mein gegenwärtiger Besuch und derjenige der übrigen Vertreter der Südafrikanischen Republik dazu beitragen könnte, dieses Ergebnis herbeizuführen.’ Darauf hätte Kaiser Wilhelm erwidert: ‘Ich freue mich sehr, Herr Präsident, in Ihnen dem Vertreter eines Gemeinwesens zu begegnen, dass mit Deutschland durch die Bande der Verwandtschaft verknüpft ist. Ich habe stets ein lebhaftes Interesse an dem Entstehen und Gedeihen Ihres Staates genommen, und bin um so befriedigter darüber, dass die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Republk im Transvaal jetzt vertragsmässig Ausdruk erhalten sollen. Ich bin überzeugt, dass ein wachsender Verkehr zwischen dem Deutschen Reiche und ihrem Lande dazu führen wird, die Gefühle der Freundschaft und Sympathie, welche zwischen beiden verwandten Völkern bestehen, zu verstärken, und Ich meinesteils werde mich bemühen, dieses Ziel zu fördern.’

Wie es mit dem hier erwähnten Vertrage steht, wissen wir nicht. Vielleicht sind sogar die hier mitgeteilten Reden halb oder ganz apokryph. Aber bisweilen haben auch amerikanische

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Blätter gute Quellen, und so darf sie der, welcher Zeitgeschichte schreibt, nicht ausser acht lassen.

Worauf die britische Politik hinzielen würde, wenn es ihr gelänge, die Buren in Südafrika unschlädlich zu machen, sehen wir an vielen Beispielen. Jene Politik fasst sich in drei Worte zusammen: Eroberung, Beraubung und Ausschluss derer, die früher kamen und sich mit schweren Mühen und Opfern eine neue Heimat gründeten. Ihre Maxime ist: ‘Steh auf, dass ich mich zu Tische setze und fett werde!’

Um das in Afrika ausführen zu können, müssen die Buren beseitigt werden. Aber wie ist das zu bewerkstelligen? Die einen sagen, mit Benutzung der Wilden, der Kaffern und Betschuanen, die wir protegieren und als Bundesgenossen gegen die holländischen Afrikanders verwenden müssen. Die Klügeren wissen, dass ein solches Mittel, offen gebraucht, gegen den Geist der Zeit verstossen und Proteste hervorrufen würde. Ueberdies sind die Wilden geteilt, und viele neigen sich den Buren zu. So bemühtesich denn jener Kaufmannsgeist im philanthropischen Gewande schon seit Jahrzehnten, die britische Regierung zur Bekriegung der Buren zu bewegen, indem alles, was gegen sein Interesse geschah, als Rebellion oder Vertragsbruch dargestellt wurde, und wiederholt gelang dieses Bemühen, aber nur, um zuletzt doch zu missglücken. Wir hoffen, dass dies auch jetzt der Fall sein werde....

Aber die Interessen des Handels sind nicht die einzigen, die hier in Frage kommen. Das nicht englische Europa hat hier auch andere Interessen auf dem Spiele stehen. Dieses Europa bedarf Grund und Boden, Beschäftigung und Verdienst für seine Auswanderung, und diese würde sich in Fülle in Afrika südlich vom Aequator finden, wo das Klima gemässigt ist und weite Gebiete mit fruchtbarem Lande noch unbebaut sind. Die Auswanderung nach den Vereinigten Staaten von Amerika

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wird in fünfzig Jahren aufhören müssen, weil die lohnenden Gebiete dort überfüllt sein werden. In Südafrika dagegen wäre noch lange Raum und sonstige Gelegenheit zur Ansiedlung. Wird aber den Engländern gestattet, sich dort weiter zu befestigen und auszubreiten, so wird bei ihrer auf Ausschluss fremder Elemente abzielenden Politik, bei ihrem Import asiatischer Knechte dieser Raum und diese Gelegenheit nur für sie da sein.

Noch halten die Buren die Festungen für sich und das nicht-britische Europa, und sie sind Männer unseres Stammes und Blutes. In London sind Rings, Syndikate und Cliquen bemüht, diesen Widerstand zu verdunkeln, zu schmähen und lächerlich zu machen und die edeln Absichten Englands in helles Licht zu stellen. Es ist dieselbe Fülle von Verlogenheit, die hier über die europäische Presse ausgegossen wird, wie die, welche einst sich vernehmen liess, als dem Kontinent der allein seligmachende Freihandel gepredigt wurde. Man glaube daher jenen Darstellungen nicht!

Präsident Krüger liess im Dezember 1900 während seiner Anwesenheit auf deutschem Gebiet aus Dankbarkeit einen prachtvollen Kranz am Grabe des ‘unvergesslichen’ Kaiser Wilhelm I niederlegen.

Darüber schreiben die ‘Hamburger Nachrichten: Diese Handlungsweise des greisen Präsidenten liefert nicht nur einen neuen Beweis für das hohe Mass feinen, würdigen Empfindens, das Herrn Krüger auszeichnet, sondern auch für sein grosses diplomatisches Geschick. Denn während der Charlottenburger Kranz im vorliegen den Zusammenhange allen denjenigen, welche die Verantwortung für die Abweisung des alten Freundes Kaiser Wilhelms tragen, das Blut in die Wangen treiben muss, müssen sie sich wohl oder übel auch noch bei dem von ihnen gekränkten Manne für die Spende am Sarge des

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heimgegangenen Heldenkaisers bedanken! Dem verletzten deutschen Volksempfinden aber ist durch die Kundgebung Krügers eine Genugthuung bereitet worden, die geradezu als Erlösung von schwerem peinlichem Druck wirkt.